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verein in seiner bisherigen Gestalt hatte sich als unzerstörbar erwiesen; die preußische Handelspolitik hatte einen vollkommenen Erfolg errungen. Mit Österreich ward in Prag über einen neuen Handelsvertrag beraten, wobei sich aber herausstellte, daß bei den von Österreich festgehaltenen hochschutzzöllnerischen Grundfäßen eine Einigung in absehbarer Zeit nicht möglich war. König Wilhelm I. gab persönlich den Ausschlag dafür — gegen Bismarcks Ansicht — daß der Paragraph 25 des bisherigen Handelsvertrags, wonach bei Ablauf der zwölfjährigen Zollvereinsperiode neue Verhandlungen über einen Zollverband mit Österreich stattfinden sollten, nicht mehr erneuert wurde; der hauptsächlichste Ratgeber des Königs in Handelsfragen, Ministerialdirektor Delbrück, war es, der den Paragraph zu Fall brachte. Die Sache wurde, sowenig ihr auch wohl praktische Bedeutung zukam, und so wenig der König dabei die Absicht einer Unfreundlichkeit gegen Österreich hatte, in Wien doch als eine Unfreundlichkeit empfunden, und das Ende des ganzen Handelsfeldzugs führte den Sturz des auswärtigen Ministers, Grafen Rechberg, und seine Ersetzung durch den Grafen Ale= xander v. Mensdorff-Pouilly herbei. Da Rechberg das Zusammengehen mit Preußen durchgeführt hatte, so kam dem Ministerwechsel eine nicht zu verkennende politische Bedeutung zu.

Man hätte denken können, daß die unbestreitbaren großen Erfolge der Bismarckschen Staatsleitung auf den inneren Konflikt in Preußen mildernd eingewirkt hätten. In der Lat wurden auch einzelne der Gegner Bismarcks allmählich schwankend und fragten sich, ob es nicht am Ende geraten wäre, das Kriegsbeil zu begraben und der Fahne des Staatsmannes zu folgen, der Preußens Schiff mit so fester, sicherer und erfolgreicher Hand steuerte und der dem vorher mißachteten Staat ein ganz neues Ansehen in der Welt verschafft hatte. Aber auf die große Masse der Abgeordneten blieben die Ereignisse des Jahres 1864 ohne Wirtung; sie standen einfach auf dem Standpunkte, wie die Budgetkommission dies im Juni 1865 einmal ausgesprochen hat, daß vor Wiederherstellung des Ausgabebewilligungsrechts des Landtags und vor Ordnung des Budgetwesens seit 1863 keine Genehmigung irgend einer einzelnen Ausgabe zulässig sei, und so wurden alle Geldforderungen des Ministeriums schlankweg abgelehnt, auch die notwendigsten und an sich berechtigtsten. Am 22. Januar 1864 fiel die zu den Zwecken des dänischen Kriegs verlangte Anleihe von zwölf Millionen Talern mit 275 gegen 51 Stimmen; am 2. Juni 1865 eine zweite Anleihe von zehn Millionen zur Herstellung und

Befestigung zweier Kriegshäfen in der Kieler Bucht und in der Jahde, ferner zur Anschaffung von Panzerfregatten und schweren Gußstahlkanonen; endlich am 13. Juni 1865 die Vorlage, welche nahezu neunzehn Millionen aus den Verwaltungsüberschüssen und dem Staatsschatz zur Bestreitung der Kriegskosten forderte. Es half nichts, daß die Staatsfinanzen in so gutem Stande waren, daß man die verlangten Mittel leicht hätte aufbringen können; nichts, daß Bismarc in ergreifenden nationalen Tönen um die Gewährung der Möglichkeit bat, „Deutschland zur See wehrhaft zu machen in dem Umfange, in dem uns dies mit den Mitteln der Herzogtümer erlaubt sein wird," und daß er mit Bitterkeit und Schmerz ausrief, "er habe nicht geglaubt, daß der maritime Ehrgeiz der liberalen Partei insoweit reduziert sei, wie er dies aus den Reden der Libera= len entnehmen müsse; der Kommissionsbericht enthalte eine indirekte Apologie Hannibal Fischers, der 1852 die deutsche Flotte unter den Hammer brachte." Der Abgeordnete Aßmann bestritt am 21. Januar 1864 mit dürren Worten Bismarcks Befähigung zur Politik, was dieser mit berechtigtem äßendem Hohn erwiderte, und der Abgeordnete Virchow bezweifelte am 2. Juni 1865 Bismarcks Wahrheitsliebe wegen der erwähnten Äußerung über den Kommissionsbericht, worüber es zu einer Forderung auf Pistolen kam, welche nur mit Mühe und durch Roons Vermittlung beigelegt wurde.

Die wichtigste Frage war nun eben die, welche zur Forderung der zehn Millionen Anlaß gegeben hatte: die des weiteren Schicksals von Schleswig-Holstein. Kraft des Wiener Friedens hatte Christian IX. seine auf dem Londoner Protokoll be= ruhenden, also im europäischen Völkerrecht begründeten Rechte auf die Herzogtümer - samt denen auf Lauenburg an Österreich und Preußen abgetreten; diese waren damit die Souveräne von Schleswig-Holstein geworden, allerdings Souveräne, denen ihr Recht durch den Erbprinzen von Augustenburg bestritten wurde. Nach Bismarcks Auffassung hatte Preußen ein zweifelloses Recht, mit seinem neuen Besitz zu verfahren, wie es ihm gut schien, unter der Voraussetzung, daß es Österreich als dem Mitbesizer nicht verwehrte, das gleiche zu tun. Zunächst wurden die Sachsen und Hannoveraner, welche seit Dezember 1863 Holstein besetzt hielten, aufgefordert, das Land zu räumen; und da sich Sachsen weigerte, das von sich aus zu tun, führten Österreich und Preußen am 5. Dezem= ber 1864 mit 9 gegen 6 Stimmen einen Bundesbeschluß herbei, der das Exekutionsverfahren für beendet erklärte und die hannöverischen und sächsischen Truppen und Zivilkommissare anwies, Holstein zu

verlassen. Die Minderheit bestand aus Bayern, Württemberg, Sachsen, beiden Hessen, den sächsischen Häusern, Braunschweig und Nassau. Ihr Rechtsstandpunkt war der, daß niemand mehr Rechte übertragen könne als er selber habe, daß aber Christian IX. auf die Herzogtümer bloß insofern einen eventuellen Erbanspruch besize, als er nach dem Aussterben des ganzen augustenburgischen Hauses zur Nachfolge berufen wäre; vorerst, solange dieses Haus noch be= stehe, habe er kein Recht und habe ein solches also auch nicht an Österreich und Preußen abtreten können. Daß dem so sei, hätten die beiden Großmächte ja am 28. Mai selbst auf der Londoner Konferenz anerkannt, wo sie vorgeschlagen hätten, den Erbprinzen von Augustenburg als Herzog einzusetzen. So einleuchtend das alles auch war die Mehrheit trug den tatsächlichen Machtverhältnissen Rechnung, und am 7. Dezember übergaben die bisherigen Zivilkommissare v. Könneritz und v. Nieper die Regierung an die öfterreichischen und preußischen Kommissäre v. Lederer und v. Zedlik, und die Truppen zogen ab.

Der nunmehr bestehende Zustand des „Kondominiums", der gemeinsamen Herrschaft von Österreich und Preußen, konnte natürlich nicht andauern. Die am 1. Februar 1865 (unter Auflösung der holsteinischen Landesregierung) von Österreich und Preußen eingesetzte gemeinsame schleswig-holsteinische Landesregierung“ mit dem Siz auf Schloß Gottorp vermochte nur so lange ihres Amtes zu walten, als völlige Einigkeit zwischen den beiden Besitzern herrschte; wenn sie über irgend etwas abweichender Ansicht waren, legte ein Teil in der Regierung den andern lahm. Tatsächlich war natürlich Preußen als den Herzogtümern benachbart im Vorteil; Österreich war zu weit entfernt. Am liebsten hätte man in Wien ein Tauschgeschäft gemacht und Schleswig-Holstein gegen Abtretung eines Teils von Schlesien, etwa der Grafschaft Glaz, an Preußen überlassen; aber König Wilhelm war zur Preisgabe alter und treuer Gebiete des preußischen Staates nicht zu bewegen. Als man dies in Wien wahrnahm, erörterte Mensdorff die Frage in dem Sinn, daß drei Möglichkeiten bestünden. Einmal die Einverleibung in PreuBen, welche aber in Deutschland sehr übel aufgenommen werden und den fremden Mächten unter Berufung auf das gestörte Gleichgewicht Anlaß geben würde, Ausgleichungen für sich zu fordern. Dann die Gründung eines halbsouveränen Staats, der auf seine Hoheitsrechte über sein Heer und seine Flotte, etwa auch auf Posten und Telegraphen (zugunsten Preußens) zu verzichten hätte. Das widerspreche aber dem Bundesrecht, das nur souveräne Staaten

kenne; die deutschen Fürsten müßten alle gleichberechtigt sein. Drittens die Errichtung eines selbständigen Bundesstaats, die in der Lat bei der Ungangbarkeit der ersten Wege allein übrig bleibe. Und nun neigte Österreich abermals dahin, diesen Bundesstaat dem Augustenburger zu übertragen, weil sich die große Mehrzahl der Bundesfürsten für diesen Bewerber festgelegt hatte; nur Oldenburg und Hannover widerstrebten dem, das erste, weil sein Großherzog als der Gottorper Seitenlinie des ausgestorbenen dänischen Herrscherhauses zugehörig selbst Ansprüche erhob und darin von seinem mächtigen Verwandten, dem Zaren, unterstüßt wurde.*) Dem gegenüber blieb Bismard auf dem alten Standpunkt, daß das Haus Augustenburg durch den Vertrag vom 30. Dezember 1852 seine Rechte selbst ein- für allemal aufgegeben habe. Er machte weiterhin geltend, daß die Herzogtümer (wie alle deutschen Gebiete) allmählich aus vielen einzelnen Teilen zusammengewachsen seien und die Ansprüche irgend eines Hauses nicht auf alle diese Teile gleichmäßig begründet seien - in der Tat, auf den Landkarten trugen die Herzogtümer jezt eine gleichmäßige Farbe und sahen wie ein geschlossenes Ganzes aus; eine historische Karte aber ergab ein ganz anderes, sehr buntscheckiges Bild. Ansprüche konnte nach Bismarc auch das Haus Hohenzollern erheben, weil der Kurfürst Joachim I. 1502 die dänische Prinzessin Elisabeth, Tochter Johanns 1., ge= heiratet hatte und dabei die Erbrechte dieser Prinzessin an Schleswig-Holstein ausdrücklich anerkannt worden waren. Schon am 25. November 1864 brachte die „Voffische Zeitung“ eine Artikelreihe, welche auf diesen Verhältnissen bauend ihre Schlüsse zog, und am 15. Dezember erging ein königlicher Befehl an die preußischen Kronjuristen, der sie anwies, die rechtlichen Ansprüche sämtlicher Be= werber zu prüfen.

Die öffentliche Meinung Deutschlands war immer noch augustenburgisch; aber allmählich begann doch da und dort auch eine andere

*) Nach dem Werk les origines diplomatiques de la guerre de 1870-71 1, 342 wäre Bismarɗ in einem früheren Moment, am 20. Februar, geneigt gewesen, für Oldenburgs Ansprüche einzutreten, welche infolge der Abtretung der russisch-gottorpischen Rechte „zahlreicher seien als die des Augustenburgers, welche fich kaum auf ein Drittel der Herzogtümer erstreckten". Dabei sollte nur der deutsche Teil Schleswigs an Oldenburg kommen, der dänische an Dänemark. Die Nachricht ist glaublich, weil es die Ansprüche des Augustenburgers herabdrückte, wenn auch andere Bewerber Rechte geltend machten, und weil hinter dem Oldenburger Rußland stand, auf das Bismard Rücksicht nahm.

Egelhaaf, Bismard. 3. Aufl.

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Ansicht sich hervorzuwagen, und vor allem erhoben sich Stimmen, welche sich an die juristischen Zwirnsfäden des Bundesrechts nicht kehrten und eine enge Verbindung der Herzogtümer mit Preußen im nationalen Interesse forderten. Zu dieser Ansicht bekannte sich ber berühmte Geschichtsschreiber Roms an der Berliner Universität, Theodor Mommsen, selbst ein Schleswiger aus Garding, politisch ein sehr liberaler Mann, und am 22. Dezember 1864 richteten Baron Scheel-Plessen und sechzehn andere meist der Ritterschaft an= gehörige Schleswig-Holsteiner eine Adresse *) an den Kaiser Franz Joseph und König Wilhelm, worin sie eine unparteiische Prüfung der Erbfolgfrage forderten und für alle Fälle „den engsten Anschluß an Preußen“ unter Wahrung der inneren Selbständigkeit des Landes als geboten bezeichneten. Dann trat Graf Friedrich Reventlow auf, der die Gefahr erkannte, welche in der Gründung eines neuen Kleinstaates an der Elbe für eine gesunde, nationale Entwicklung Deutschlands lag, und der auch, an den Beratungen des augustenburgischen Ministerrats beteiligt, immer deutlicher das Anwachsen der partikularistischen Gesinnung unter den Ratgebern des Erbprinzen wahrnahm. Auf sein Betreiben bildete sich auf einer Versammlung in Rendsburg am 12. Februar 1865 die „nationale Partei", die, zunächst nur aus 38 Männern bestehend, verlangte, daß Preußen als der Schußmacht der Herzogtümer die volle Militärhoheit zu Wasser und zu Lande, die diplomatische Vertretung und die handelspolitische Führung eingeräumt werden sollten, und zwar seien die Rechte vor der endgültigen Ordnung der inneren Verhältnisse sicher zu stellen natürlich, damit der Erbprinz, wenn er je Herzog werde, eine vollzogene Tatsache vorfinde, an der er nicht mehr rütteln könne. So stand Bismarck nicht mehr allein, als er am 22. Februar 1865 eine Depesche nach Wien absandte, in welcher er die Bedingungen bekannt gab, an deren Erfüllung Preußen die Übertragung seiner durch den Wiener Frieden erworbenen Rechte an einen andern im Interesse Deutschlands. wie im eigenen knüpfen müsse. Es waren ihrer sechs. 1. Ewiges Truß- und Schußbündnis Preußens und der Herzog= tümer, kraft deffen deren gesamte Wehrkraft zu Wasser und zu Land zur Verfügung des Königs von Preußen stehen sollte, damit er sie zum Schuß der Interessen beider Länder verwende. Die Dienst= pflicht und die Stärke der Mannschaften sollten sein wie in Preußen;

*) Vergl. hierüber und über das Folgende: Christoph v. Tiedemann, Aus fieben Jahrzehnten, Leipzig 1905, S. 415 ff.

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