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Die

Herstellung obergähriger Biere.

Von

Dr. Franz Schönfeld,

Vorsteher der Abtheilung für Obergährung an der Versuchs- und Lehranstalt
für Brauerei in Berlin.

Mit 17 Tertabbildungen.

Berlin.

Verlagsbuchhandlung Paul Parey.

Verlag für Landwirtschaft, Gartenbau und Forstwesen.

SW., Hedemannstraße 10.

1902.

Uebersehungsecht vorbehalten.

Vorwort.

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Von der gesammten Biererzeugung im norddeutschen Brausteuergebiete, welche im Jahre 1900/01 die ansehnliche Höhe von 44 700 000 hl erreicht hat, entfallen auf die obergährigen Biere 7 400 000 hl oder 17 pCt., von welchen der größte Theil, ungefähr 3⁄4 des ganzen Jahresbedarfs, in den Sommer-Monaten gebraut wird, da in der heißen Jahreszeit besonders die Nachfrage nach einem leichten, alkoholarmen, kohlensäurereichen und erfrischenden Getränk, welches auf Körper und Geist nicht so ermüdend wirkt, sehr lebhaft ist.

Troß der heißen Jahreszeit, welche Infektionen bei der Erzeugung von obergährigen Bieren im Betriebe im höchsten Grade begünstigt und nur allzuoft die leicht eingebrauten und schwach gehopften Biere dem Verderben durch Bakterien ausseßt und sie ungenießbar macht, und troß des vielfach ungleichmäßigen, mit dem Wechsel der Witterung steigenden und fallenden Absaßes, welcher dadurch eine gleichmäßige, stets in geregelter Folge verlaufende Betriebsführung erschwert, aber dennoch ein bis zu einem gewissen Grade haltbares und gesundes Bier zu brauen, muß vor Allem das Bestreben der obergährigen Brauereien sein.

Die Wege dazu sind von der auf praktischer Erfahrung aufgebauten wissenschaftlichen Forschung gewiesen, welche über den Werth und die Beurtheilung der Rohstoffe, über die chemisch-physiologische Natur der Umseßungen bei der Malz- und Würzebereitung, der Gährung und Nachreife, über die Natur der Hefe und anderer, im Biere unter Umständen vorkommender Mikroorganismen Aufschlußz gebracht und damit die für die Herstellung des Bieres in Betracht kommenden technologischen Grundsäße bis ins Einzelne festgelegt hat.

Nun liegen aber die Verhältnisse bei den obergährigen Brauereien, theils in Folge Benußung mangelhafter, veralteter Apparate und ihrer unzweckmäßigen Anordnung, theils in Folge unvortheilhafter Anlage der ganzen Betriebs-Einrichtung und unsachgemäßer, mit den Regeln.

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IV

brautechnisch-wissenschaftlicher Grundsäße nicht in Einklang zu bringender Handhabung und Leitung der Betriebsführung vielfach derartig ungünstig, daß es immerhin nicht zu den Ausnahmen gehört, wenn die ihrer Natur nach leicht zum Verderben neigenden obergährigen Biere einer Brauerei das ganze Jahr nicht gleichmäßig gut und haltbar bleiben, wenn die Sommer-Monate nicht ohne Klagen seitens der Kundschaft über schlecht gewordenes und saueres Bier vorübergehen und die Einnahmen der Brauereien durch Ersahleistung für Retourbiere erhebliche Schmälerung erleiden.

Natürlicher Weise müssen solche Zustände dann dazu führen, die Konkurrenzfähigkeit des an sich schon von Seiten des Publikums minder geschäßten obergährigen Bieres dem untergährigen gegenüber noch mehr herabzudrücken und die wirthschaftliche Lage des obergährigen Brauerei-Gewerbes zu verschlechtern.

Um die technische Ausgestaltung und Entwickelung des obergährigen Brauerei-Gewerbes, welches im Norddeutschen Brausteuergebiet 4000 obergährige Brauereien umfaßt, in einer seiner wirthschaftlichen Bedeutung entsprechenden Weise fördern zu können, entschloß sich der Verein Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin", eine besondere Abtheilung für Obergährung ins Leben zu rufen.

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Aus der eingehenden Beschäftigung mit der Technik der Obergährung reifte nun bei dem Verfasser, welchem die Leitung der Ab= theilung übertragen wurde, der Plan, zumal es an einem Buche über obergährige Biere fehlt, die bestehenden Verhältnisse und Zustände in der Obergährung einer kritischen Besprechung zu unterziehen und sowohl die neuesten, besonders aus der Berliner Schule hervorgegangenen wissenschaftlichen Forschungen auf dem allgemeinen Gebiete des Brauwesens in ihrer Anwendung auf die Verhältnisse der Obergährung, als auch die vom Verfasser auf dem speciellen Gebiete der Obergährung gemachten Forschungsergebnisse in knapper Form zu einem Buch zusammenzufassen, um einen kurzen Leitfaden für die Herstellung obergähriger Biere zu schaffen, welcher dem Praktiker Führer und Rathgeber in seinem Gewerbe sein soll.

Die Herstellung der obergährigen Biere in England ist auf Grund einer Studien-Reise, welche der Verfasser im Auftrage des Vereins „Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin" nach England unternommen hat, in dem zweiten Theile behandelt.

Auf die Einzelheiten bei der Darstellung der vielen obergährigen Specialbiere einzugehen oder gar genaue Rezepte für deren Bereitung

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zu geben, hieße über das vorgesteckte Ziel weit hinausgehen. Statt dessen ist der Versuch gemacht, die obergährigen Biere nach ihren charakteristischen Eigenschaften in Gruppen zusammenzufassen und nur die Gruppen-Merkmale in mehr oder minder eingehender Weise zu charakterisiren.

Um das Buch auch nicht zu umfangreich zu gestalten, mußte davon Abstand genommen werden, auf die genaue Beschreibung und Unterscheidung der verschiedenen Gährungserreger, Pilze und Bakterien und auf die technisch-chemische Kontrole des Betriebes einzugehen.

In Bezug darauf sei auf die ausführlichen Lehrbücher von Windisch: Das chemische Laboratorium des Brauers" und von Lindner: Die mikroskopische Betriebskontrole in den Gährungsgewerben" hingewiesen.

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Berlin, im März 1902.

Der Verfasser.

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