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Rechten und Pflichten. Da nun auf der Donau einerseits im Princip die Grundsätze der Wiener Congressakte (Art. 108-116) gelten sollen, andererseits nach neueren Verträgen ein provisorisch gemeintes, oder doch auf bestimmte Jahre berechnetes Specialrecht Anwendung finden soll, so wird bei der Prüfung der Frage, ob die Bestimmungen des Londoner Vertrages vom 10. März 1883 überall der Billigkeit entsprechend sind, das Flussschiffahrtsrecht einerseits an der oberen, vom Eisernen Thor aufwärts gelegenen Donaustrecke, andrerseits das Recht der Donaumündungen mit demjenigen der in der Mitte liegenden Stromstrecke verglichen werden müssen.

Nach beiden Richtungen hin erscheint Rumänien erheblich hinter anderen Donaustaaten zurückgesetzt, also unbillig behandelt.

Auf das Flussschiffahrtsrecht der oberen Donau aufwärts vom Eisernen Thore einzuwirken, ist Rumänien nicht in der Lage, seitdem ohne seine Verschuldung, der vom Pariser Congress 1856 stipulirte Rechtszustand an dem Widerstande Oesterreich-Ungarns gescheitert ist. Obgleich die österreichische Macht, als die Donauschifffahrtsakte vom 7. November 1857 unter den damaligen Uferstaaten vereinbart wurde, keine geringere war, als gegenwärtig, und Oesterreich zu jener Zeit noch die Stellung einer deutschen Präsidialmacht im Verhältniss zu Bayern und Würtemberg einnahm, dachte man doch nicht daran, eine Ungleichheit unter diesen Uferstaaten zu statuiren, oder diesen letzteren den Vollzug

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der Schiffahrtsordnungen zu entziehen. Man begnügte sich mit einem Aufsichtsrecht, über welches Art. 44 stipulirte:

La Commission riveraine permanente, veillera dans la limite de ses attributions, à l'exécution et au maintien des stipulations du présent acte de navigation.

Die deutsche Präsidialmacht vom Jahre 1857 beanspruchte als Uferstaat nicht dasjenige, was heute gegenüber souveränen Staaten als selbstverständliches Recht von dem Standpunkte handelspolitischer Präponderanz abgeleitet und einem Nichtuferstaate zugesprochen werden soll den ständigen Vorsitz nämlich in einer mit administrativen Befugnissen ausgerüsteten Ueberwachungscommission.

Was dagegen den mit Zustimmung Rumäniens geschaffenen Additionalakt vom 28. Mai 1881 anbelangt, wodurch das Schiffahrtsrecht der Donaumündungen theils modificirt, theils bis nach Galatz erweitert wird, so besteht in Gemässheit desselben weder ein ständiges Präsidialrecht irgend einer Macht, noch irgend welche Einmischungsberechtigung einer möglicherweise aus mehreren Uferstaaten auf Kosten eines andern Uferstaates gebildeten Majorität. Ein Interessenconflict zwischen den seefahrenden Nationen Europa's und Rumänien in Beziehung auf die Freiheit des Schiffahrtsverkehrs ist nicht wohl denkbar und würde, wenn er entstände, in unparteiischer Weise dadurch gemildert werden, dass die Mehrheit der in der europäischen Commission vertretenen

Staaten an der unteren Donau keine andern als handelspolitische Interessen zu wahren hat.

Dagegen lehrt die Geschichte der Rheinschiffahrt, dass unter benachbarten Uferstaaten Reibungen und Conflicte ausserhalb der Sphäre der Schiffahrtsinteressen leichter vorkommen und die beste Methode der Sicherung gegen solche darin besteht, dass man die Rechte der Uferstaaten in territorialer Hinsicht ungeschmälert lässt. Die Billigkeit, das bonum et aequum, ward auch von den strengen Juristen des Römischen Rechts anerkannt 1). Ueberall aber, wo es sich um billiges Recht handelt, wird von der Regel eine Ausnahme zu Gunsten des Schwachen gemacht, oder, wie bei der Condictio indebiti, einer Bereicherung auf fremde Kosten vorgebeugt 2). Aller Billigkeit im Völkerrecht würde es zuwiderlaufen, wenn man einer Grossmacht, weil sich dieselbe auf geographische oder politische Interessen beruft, ein sonst nirgends nachweisbares Vorzugsrecht auf Kosten eines minder mächtigen Nachbarstaates einräumen wollte.

Diese Unbilligkeit erscheint in dem vorliegenden Fall um so grösser, als in Galatz bereits eine europäische, mit allen Schiffahrtsverhältnissen vertraute Commission besteht, von der bisher nirgends dargethan wurde, dass sie ungeeignet sei, durch Delegirte diejenigen Ungleich

1) Vergl. L. 1, § 1 Dig. de justitia et jure: (jus est ars boni et aequi.) Cujus merito quis nos sacerdotes appellet; justitiam namque colimus et boni et aequi notitiam profitemur, aequum ab iniquo separantes.

2) L. L. 65. 66 Dig. de cond. indeb.

heiten oder Fehler zu constatiren, die in der Ausführung der Flussschiffahrtsreglements durch die Uferstaaten möglicherweise vorkommen könnten.

Vierte Frage.

Bestehen ausser den von der europäischen Commission an der Donaumündung geschaffenen Schiffahrtsreglements noch andere, welche auf internationalen Flüssen Normen festsetzen, die von denjenigen abweichen, welche sich aus der Beantwortung der vorhergehenden Fragen ergeben?

Hat sich die eigenartige Stellung der europäischen Commission nicht aus der Nothwendigkeit ergeben, die Schiffbarkeit der Donaumündungen erst zu schaffen? Und hat jene Commission nicht als Rechtsbasis die Einwilligung des Uferstaates (damals der Türkei)?

Der geschichtliche Ursprung des an den Donaumündungen geltenden, in dem Acte public vom 2. November 1865, in dem Protokoll der Pariser Conferenz vom 28. März 1866 und dem Acte additionel à l'acte

public du 2 Novembre, relatif à la navigation des embouchures du Danube, signé à Galatz le 28 Mai 1881 niedergelegten, beziehungsweise anerkannten Rechts ist auf den Pariser Traktat zurückzuführen.

Es ist bereits in der geschichtlichen Uebersicht oben gezeigt worden, dass als definitives europäisches Flussschiffahrtsrecht dasjenige der Wiener Congressakte mit der Massgabe im Jahre 1856 bestätigt worden ist, dass, der alten Staatspraxis entgegen, sämmtliche Nationen ohne jeden Unterschied ihrer geographischen Lage als gleichberechtigt neben den Uferstaaten auf der Donau anerkannt werden sollten, die Türkei durch ihren Eintritt in das europäische Concert die äl teren Grundsätze des Wiener Congresses als verpflichtend anzuerkennen habe und daneben an den Donaumündungen ein provisorisches, auf wenige Jahre berechnetes System einzuführen sei, wonach mit gemeinsamen Mitteln und unter gewissen Einschränkungen der Territorialrechte der Hohen Pforte die Vorbedingungen gesicherter Schiff barkeit geschaffen werden sollten.

Es ist weiter gezeigt worden, dass die Vollmachten der zu diesem Zwecke eingesetzten europäischen Commission von Zeit zu Zeit, und zwar auf immer länger bemessene Fristen ausgedehnt wurden. Auch durch den Abschluss des Londoner Vertrages vom 10. März 1883 ist der ursprünglich provisorische Charakter der europäischen Commission nicht beseitigt worden.

Dass die Verlängerungen dieser interimistischen Schöpfungen weniger in sachlichen durch die. Natur

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