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Q. HORATII FLACCI

INA.

CARMIN

Kritisch berichtigt, erklärt und mit einer literar-
historischen Einleitung verschen

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AIMBORLIAO

cz

1848

MAIN

Einleitung.

I. Horaz' Leben und Character.

1. Horaz' Leben.

Literatur: C. Suetonii Tranquilli vita Horatii, zuerst von P. Nannius (Miscellan. libr. III. cap. 2.) herausgegeben, jetzt an den Ausgg. des Sueton und vor vielen des Horaz. Einzeln In Q. Hor. Fl. vitam a C. Suet. Tranq. conscriptam notas variorum collegit etc. E. J. Richter. Zwiccav. 1830. 4. Trotz der Autorität des horazischen Scholiasten Porphyrio (zu Epist. II, 1, 1.) und des Cruquius'schen (zu IV, 1., s. Kirchneri, Quaest. Horat. p. 7.) wird sie von Vielen für unächt gehalten; allein sie ist ohne Zweifel ein Fragment der verlorenen Schrift des Suet. de poetis (s. Isidor. Orig. VIII, 7.) und wie die andern Lebensbeschreibungen der römischen Dichter (z. B. die vita Virgilii von Donatus) an mehreren Stellen interpolirt; vgl. Paldamus in d. Gymnasialzeit. 1842. S. 35. Demungeachtet dient sie als Quelle für die Erforschung von Horaz' Leben, s. W. E. Weber in Jahns Arch. f. Philol. IX. S. 293. Porphyrio's vita Horatii, von ihm zu Sat. I, 6, 41. erwähnt (patre libertino natum esse Horatium et in narratione, quam de eius vita habui, ostendi) ging verloren, sowie auch die Schrift de personis Horatianis (s. unten Kap. III.). Werthlos aber sind die oft wörtlich mit Sueton übereinstimmenden, aus alten Codd. edirten sieben Vitae Horatii bei Cruquius, Jani, Mitscherlich, Fea, Vanderbourg, Kirchner (Quaest. Hor. Numb. 1834. 4. p. 2. u. Nov. quaest. Ib. 1847. p. 43.) u. A.

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Io. Masson, Vita Horat. ordine chronologico digesta. Amstelod. 1708. 8. Auszüge daraus gaben Jani und Mitscherlich vor ihren Ausgg. [Th. I. S. CLXIV ff.] - Vita Hor. descripta a Io. Chr. Fr. Wetzel, im 2. Bande von dessen Horaz' Ausg. Liegnitz 1799. 8. K. F. Preiss vor sr. Uebers. d. H. Thl I. S. 4 ff. (Lpz. 1805.) Io. A. M. Ernesti, Parerga Horatiana (Hal. 1818. 8.) S. 1 ff. G. F. Grote fend, ,,Horatius" in Ersch u. Grub. Encyclop. Sect. II. Th. 10. (Leipz. 1833) S. 457...476. C. Passow, Ueb. d. Leben u. Zeitalter d. Hor., vor sr. Uebers. d. Briefe. Leipz. 1833. 8. Excerpirt von Braunhard im Ind. nom. S. 90 ff. Io. Tate, Horat. restitutus (Lond. 1837) S. 4 ff. Vgl. Quarterly Rewiew, Bd. LXII. (1838) S. 287. Zumpt in Berlin. Jahrb. 1833. S. 662. Oswald, Leben, Character u. Philosophie d. H. Lpz. 1838. Strodtmann, Probe einer neuen Hor. Uebers. (Flensburg 1839. 4) S. VII ff. C. Franke, Fasti Horatiani (Berol. 1839. 8.) S. 5 ff. H. Düntzer, Kritik u. Erkl. d. Hor.. Gedichte II. S. 24 ff. III. S. 1 ff. - Baron de Walkenaer, Histoire de la vie et des poésies d'Horace. II Vols. Par. 1840. 8. W. S. Teuffel, Characteristik d. H. Lpz. 1842. 8. Dessen Horaz. Eine_literarhistor. Uebersicht. Tübing. 1843. Dessen „Horaz“ in der Real-Encyclop. von Pauly. Th. III. S. 1465 ff. C. G. Zumpt „Ueb. d. Leben d. Horaz u. d. Zeitfolge'

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sein. Gedichte, zumal der Satiren" vor der Heindorf - Wüstemann'schen Ausg. der Sat. Lpz. 1843. W. E. Weber, Q. Horatius Fl. als Mensch u. Dichter. Eine Schutz- und Trutzschrift zur Einleitung in s. Werke. Jena 1844.

Q. Horatius Flaccus1) wurde am 8. December des J. 689 p. U. c. (65 a. Chr.) unter dem Consulate des L. Aurelius Cotta und L. Manl. Torquatus 2) zu Venusia geboren, einer kleinen Stadt in der Nähe der Grenzen von Apulien und Lucanien 3), wo sein Vater, ein Freigelassener), das Amt eines öffentlichen Einkassirers verwal tete 5) und im Besitze eines kleinen Gutes war 6). Aus seinen Kinder

1) Horat. Sat. II, 6, 37: te Orabant hodie meminisses, QUINTE reverti. Od. IV, 6, 44. Ep. I, 14, 5: melior sit HORATIUS an res. Epod. XV, 12. Sat. II, 1, 18: FLACCI Verba per attentam non ibunt Caesaris aurem. Den Namen Horatius erhielt des Dichters Vater entweder von seinem Freilasser (s. Rein, Röm. Privatrecht S. 286.) was deshalb möglich ist, weil es im J. 711 noch Horatii aus dem berühmten Geschlechte der Horatier gab, s. Cic. ad Fam. XII, 30. oder von der Tribus Horatia, zu welcher die Militärcolonie Venusia gehörte; s. C. L. Grotefend's Abhandl.: „Woher hat Q. Hor. Fl. seinen Namen?" in d. Ztschr. f. Alterth. 1834. S. 182 ff. Einen andern Horatius erwähnt auch Martial. IV, 2, 2., noch andere s. bei Glandorp. Onomast. rom. S. 402. Um's J. 1450 übersetzte ein Dichter gleiches Namens den Homer metrisch, s. Fabric. bibl. med. et inf. lat. III. S. 824. Ueber die Bedeutung des Namens Flaccus (Schlapprohr) s. Strodtmann S. VII, Weber S. 6.

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2) Od. III, 21, 1. Epod. XIII, 6. Ep. I, 20, 27: Me quater undenos sciat implevisse Decembres, Collegam Lepidum quo duxit Lollius anno (d. i. 733). Sueton. vita Hor. 6: Natus est VI Idus Decembr. L. Cotta et L. Torquato Coss. Andere nehmen fälschlich 688 oder 687 an, s. Strodtmann S. VII.

3) Sat. II, 1, 34: Sequor hunc, Lucanus an Apulus anceps, Nam arat finem sub utrumque colonus. Od. III, 4, 9. Die Colonie der Daunier, Venusia, wurde 462 gegründet, s. Plin. h. n. III, 11. Vellei. I, 14. Strab. VI. S. 195. Martial (VIII, 18, 5.) nennt den H. sogar einen Calabrier, weil deren Gebiet an das der Apulier stiess.

4) Od. II, 20, 5. III, 30, 12. Sat. I, 6, 6. 45. Ep. I, 20, 20: Me libertino natum patre. Libertinus war nämlich damals nicht der Sohn eines Freigelassenen (libertus, d. i. der Freigelassene im Gegensatze zu seinem Patron), sondern der Freigelassene überhaupt, dessen Sohne die Ingenuität (d. i. die Rechte der freien Geburt) zukam; s. Suet. Claud. 24. Rein S. 270. Daher bedarf es der Annahme gar nicht, dass H. diese Rechte vom Augustus erhalten habe (s. unten Anm. 21.), nur musste er erst nach seines Vaters Freilassung, nicht vorher geboren sein; s. Rein a. a. O. Nach G. F. Grotefend war derselbe ein Grieche!

5) Sat. I, 6, 86: Nec timuit, sibi ne vitio quis verteret, olim Si praeco parvas; aut, ut fuit ipse, coactor Mercedes sequerer. Coactores waren zunächst Einkassirer von Auctionsgeldern (Cic. pro Cluent. LXIV, 180.), welche 10 pro Cent für ihre Mühe erhielten (Cic. pro Rab. XI, 30.); dann überhaupt Einkassirer (Sen. Ep. 81.). Nach Sueton (1. 1. 1.) war Horaz' Vater exactionum coactor (Andere corrig. exauctionum), d. i. ein Einkassirer indirecter Steuern (vectigalia) und Schiffszölle u. 8. w., welche an die Publicani verpachtet waren; 8. die Stellen bei Rein S. 333. Die Worte bei Sueton: ut vero creditum est, salsamentario, cum illi quidam exprobrasset in altercatione: quotiens ego vidi patrem tuum brachio se emungentem? sind nach dem einstimmigen Urtheile der Erkl. von einem Grammatiker interpolirt, die des Dichters Vater aus Missverständniss d. ob. Stelle der Sat. zu einem praeco machen; s. d. vita bei Mitscherl. S. CLXIII.

6) Sat. 1. 1. 71: pater ... macro pauper agello. Dass Horaz' Vater dieses Gut verkauft habe, als er seinen Sohn nach Rom brachte, und dass er erst

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jahren war dem Dichter keine Erinnerung weiter geblieben, als an eine fabelhafte Erscheinung auf dem Berge Voltur 7) und an einen nahe bei Venusia lebenden Landmann Ofella "); dagegen ist uns nicht einmal der Name seiner Mutter bekannt 9). Der Vater gewöhnte den Knaben frühzeitig an Sittlichkeit und Mässigung 10), und zog es vor, um ihm eine bessere Bildung zu geben, ihn nicht in die Elementarschule des Flavius 11) in Venusia zu schicken, sondern nach Rom zu bringen, wo er eine Lehranstalt der Grammatiker besuchte, in welcher Orbilius Pupillus 12) den Söhnen reicher Senatoren den Homer und Livius Andronicus einprägte. Nach Anlegung der Toga virilis begab sich Horaz zu weiterer Ausbildung nach Athen, wo er den Vorlesungen der Philosophen beiwohute 13). Nach

hier, nicht in Venusia, die Geschäfte eines coactor versah, sind grundlose Annahmen; vgl. unten Anm. 20. und Obbarius in Ztschr. f. Alterth. 1834. S. 912. Nach Düntzer II. S. 29. legte er dieses Amt nieder, um sich der Erziehung seines Sohnes ganz zu widmen.

7) Od. III, 4,

9.

8) Sat. II, 2, 112: puer hunc ego parvus Ofellam Integris opibus novi non latius usum etc.

9) Ueber seine Amme s. zu Od. III, 4, 10. Die Scholien beziehen auch Sat. I, 9, 30. (namque instat fatum mihi triste, Sabella Quod puero cecinit divina mota anus urna) auf dieselbe.

10) Sat. 1, 4, 107: Cum me hortaretur, parce, frugaliter atque Viverem uti contentus eo, quod mi ipse parasset. Ib. 6, 82: Ipse mihi custos incorruptissimus omnes Circum doctores aderat. Vgl. E. Franckii diss. de Horatii educatione insignis educationis exemplo. Erford. 1790. 4.

11) Sat. 1, 6, 71: Noluit in Flavi ludum me mittere, magni Quo pueri magnis e centurionibus orti Laevo suspensi loculos tabulamque lacerto Ibant, octonis referentes idibus aera; Sed puerum est ausus Romam portare docendum, Artes etc. Sinn,,Mein Vater wollte mich nicht nur in dem Rechnen (das zu dem niedrigsten Unterrichte gehörte; s. die Stellen bei Bernhardy, Röm. Literaturgesch. S. 21 f.), wofür Kinder reicherer Eltern an den Iden eines jeden Monats ein geringes Schulgeld zahlten, sondern auch in den Künsten unterrichten lassen; daher brachte er mich mit einem sein Vermögen übersteigenden Aufwande nach Rom." Vgl. über die verschiedenen Erklärungen d. St. C. Fr. Hermanni disput. de Hor. Sat. I, 6, 72. Marb. 1841. 4. u. Denselb. in Ztschr. f. Alterth. 1842. S. 234 ff. Obbarius ebendas. 1841. S. 474 ff. Wann H. nach Rom kam, ob 696 (C. A. Weichert, De L. Vario et Cass. Parm. poet. p. 38. Franke S. 9. Anm. 10.) oder 699 (700, s. Masson S. 19.) kann aus der angef. Stelle nicht mit Gewissheit behauptet werden.

12) Ep. II, 2, 42: Romae nutriri mihi contigit atque doceri, Iratus Graiis quantum nocuisset Achilles. Ep. II, 1, 69: Non equidem insector delendave carmina Livi Esse reor, memini quae plagosum mihi parvo Orbilium dictare. Vgl. üb. diesen Unterricht Bernhardy 1. 1. S. 17. Ueber den strengen Orbilius aus Benevents. Sueton. de illustr. grammat. 9. und über die andern Lehrer des H., welche er nicht namentlich aufführt, Sat. I, 6, 82 (oben Anm. 10.).

13) Ohne Zweifel nahm H. die Toga vir. nach damaliger Weise im 17. Lebensjahre (705), s. Sat. I, 2, 16. Vgl. Ep. II, 2, 43: Adiecere bonae paullo plus artis Athenae, Scilicet ut possem curvo dignoscere rectum Atque inter silvas Academi quaerere verum. Die Worte curvo dign. rectum erklären Viele ganz unrichtig von der Geometrie (8. Dacier zu d. St.), da sie sich vielmehr auf die Lehre der Stoiker und Peripatetiker beziehen, welche durch Unterscheidung des Wahren und Falschen zum höchsten Gute gelangen wollten und sich der Logik als Mittel zum Zwecke bedienten; s. Diog. Laert. VII. §. 46. Curv. gebraucht ähnl. Pers. IV, 11, 12: rectum discernis, ubi inter Curva subit. Vgl.

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