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Rede vom

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Die Berufungen auf das Ausland sind unser Unglück; geben Sie uns 24. 9. 1849. alles Englische, was wir nicht haben, geben Sie uns englische Gottesfurcht und englische Achtung vor dem Gesetze, die gesamte englische Verfassung, aber auch die gesamten Verhältnisse des englischen Grundbesitzes, englischen Reichtum und englischen Gemeinsinn, besonders aber ein englisches Unterhaus, kurz und gut alles, was wir nicht haben, dann will ich auch sagen, Sie können uns nach englischer Weise regieren. Aber aus dieser Möglichkeit würde ich noch immer keine Verpflichtung für die preußische Krone entnehmen, sich in die machtlose Stellung drängen zu lassen, welche die englische Krone einnimmt, die mehr als ein zierlicher Kuppelschmuck des Staatsgebäudes erscheint, während ich in der unsrigen den tragenden Mittelpfeiler desselben erkenne. . . . Es wird häufig auf unsern politischen Bildungsprozeß das Sprichwort angewandt: wenn wir schwimmen lernen wollen, müssen wir ins Wasser gehen; das mag wahr sein, aber ich sehe nicht ein, warum jemand, der schwimmen lernen will, gerade da hineinspringen soll, wo das Wasser am tieften ist. Die Grundlage unserer Verfassung bildet die Gleichberechtigung der Krone, der Ersten und Zweiten Kammer in der Gesetzgebung. Aendern Sie diese Gleichberechtigung zum Nachteil der Krone, entziehen Sie die Gesetzgebung über Steuern, über deren Einnahme und Ausgabe, dieser allgemeinen Regel, so vernichten Sie die Selbständigkeit der Krone zu Gunsten von Mehrheiten, deren Geltung auf der gewagten Voraussetzung beruht, daß ein jeder einzelne der künftigen. preußischen Abgeordneten in der Lage sein werde, sich über alle Fragen der Politik und Gesetzgebung ein unabhängiges und unbefangenes Urteil zu bilden.

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Auch in rein wirtschaftlichen Fragen nahm Bismarck entschlossen Stellung; hier entwickelte er im Gegensatz zum GeheimratsLiberalismus" die Notwendigkeit des Innungszwanges und die Vorteile der Zünfte, wie er überhaupt sich als ein Gegner einer ungeschulten und ungezügelten Gewerbefreiheit bekannte:

Es ist wahr, die Gewerbefreiheit mag manche Bequemlichkeit für das Publikum darbieten, sie liefert wohlfeile Waren, aber an dieser Wohlfeilheit klebt vergiftend das Element und der Jammer des Handwerkers, der seinem Ruin entgegengeht, und ich glaube, es möchten uns unsre wohlfeilen Röcke aus dem Kleiderladen zuletzt unbehaglich auf dem Leibe siten, wenn ihre Verfertiger daran verzweifeln müssen, sich auf ehrliche Weise zu ernähren. (Bravo.) Es mag sein, daß der Zunftzwang, wenn er von den Handwerkern richtig benutzt wird, dahin führt, daß wir in vielen Fällen bessere, im ganzen aber teure Arbeit zu bezahlen haben werden. Indessen, wenn es recht ist, daß wir das wohlfeile englische Eisen teurer bezahlen, um den schlesischen Bergmann zu erhalten; wenn es recht ist, daß wir den Rotwein von Bordeaur, das naturgemäße Getränke des Norddeutschen, teurer be= zahlen, um den sauren Reben von der Ahr und Nahe aufzuhelfen, so scheint es ebenso billig, daß wir zum Schuße der Handwerker, eines der unentbehrlichsten Glieder im Staatsorganismus, Maßregeln ergreifen, selbst dann, wenn diese Maßregeln für den Einzelnen drückend, beschränkend oder mit Kosten verbunden sein sollten.

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Wiederum trat Bismarck in scharfen Gegensatz gegen die Anschauungen seiner Zeit, als er das Recht des preußischen Adels verteidigte:

vor.

24. 10. 1819.

Wir finden Beispiele von dauernder Blüte und Macht der Staaten Rede vom besonders häufig in denen, welche unter dem Einflusse einer erblichen Aristokratie gestanden haben . . Schon die gebildeten Staaten des Altertums, abgesehen von ihrer speziellen Verfassung, hatten im wesentlichen durch die numerische Ueberlegenheit der Sklavenbevölkerung einen aristokratischen Charakter. Roms Verfall hat gleichen Schritt gehalten mit dem Verfall seiner Aristokratie; die glänzendsten Erinnerungen der deutschen Kaiserzeit führen uns einen mächtigen Reichsadel mit glänzendem Gefolge Die mittelalterliche Blüte unserer Städte fing an zu welken von dem Augenblick, wo die patrizischen Geschlechter dem Andringen der Zünfte unterlagen. Venedig, Genua, Holland liefern Beispiele der Leistungsfähigkeit ihrer Aristokratien mit verhältnismäßig geringen Mitteln. Die Haltlosigkeit der Zustände sämtlicher Staaten des europäischen Kontinents läßt sich in ihrem Keim auf die Zeit zurückführen, wo die überwiegende Fürstengewalt den unabhängigen Adel unterdrückte, eine Richtung, welche sich in Preußen in dem Ausspruche Friedrich Wilhelms des Ersten verkörperte: ich etabliere die Souveränität comme un rocher de bronze. England ist einen glücklicheren Weg gegangen, es hatte keinen Richelieu, welcher die Köpfe abschlug, in denen eine Erbweisheit sondergleichen wohnt. Der Charakter der englischen Revolution ist der der Freiheit, der französischen der der Gleichheit. Noch heute, wenn Sie einen englischen Proletarier auf der Straße anreden, wird es Ihnen aus seiner Erscheinung entgegentreten, daß er sehr wohl das Gefühl männlicher Unabhängigkeit hat, aber Ihre gesellschaftlich höhere Stellung als Gentleman unumwunden anerkennt. Wenn Sie dagegen einen Pariser Arbeiter anreden, so laufen Sie Gefahr, aus der Brutalität seiner Antwort die Befürchtung hervortreten zu sehen, Sie möchten sich, weil Sie besser gekleidet sind, für mehr halten als ihn. Die englische Freiheit wird getragen durch das männliche Selbstbewußtsein, welches seinen eignen Wert stolz genug fühlt, um eine höhere Stellung über sich dulden zu können. Die fränzösische Freiheit ist die chimärische Tochter des Neides und der Habsucht, welcher diese reichbegabte Nation seit 60 Jahren durch Blut und Aberwitz nachjagt, ohne sie erreichen zu können. Schließen wir uns dieser Jagd nicht an, unter dem Vorwande, daß sie populär sei. Wenn etwas populär ist, so ist es damit noch lange nicht gerecht und vernünftig. Ich bestreite, was hier so vielfach behauptet worden ist, daß der Adel in Preußen unpopulär jei. Aber auch für die wahre Freiheit, für die politische Unabhängigkeit, ohne welche die Feiheit in Preußen nicht bestehen kann, sind die Verdienste des preußischen Adels erheblich. Gehen Sie die Schlachtfelder durch, auf denen für den preußischen Ruhm und die Freiheit gestritten ist! Von dem Schlachtfelde an der Brücke bei Warschau, wo der Große Kurfürst den Grund zur Unabhängigkeit Preußens legte, bis unter die Mauern von Rastatt werden Sie finden, daß überall die Wurzel preußischer Freiheit reichlich mit dem Blute seiner edlen Geschlechter getränkt ist. Die geworbene Armee, mit welcher Friedrich

der Große Preußen vor Zerstücklung und Unterjochung schützte, wäre eine Unmöglichkeit gewesen, wenn der Adel nicht die Handhabe dazu geboten hätte in Gestalt des Offizier-Korps. Am Schlusse des Siebenjährigen Krieges standen Kadetten als Führer vor der Armee, die einzig Ueberlebenden ihrer Familien. Am Anfange dieses Jahrhunderts sind die Vorrechte des Abels, die er durch langjährigen Besitz als seine Rechte zu betrachten gewohnt war, durch die Gesetzgebung aufgehoben worden. Sie haben nicht gesehen, daß durch die Forderung dieser Opfer sich der Adel in eine Stellung hätte drängen lassen, welche der ähnlich wäre, welche die Demokratie jezt der Regierung gegenüber einnimmt; nicht einmal zu einer mürrischen Fronde haben ihn diese Verluste getrieben, sondern als der König 1813 das Volk zu den Waffen rief, waren die Söhne des preußischen Adels in den Reihen derer, welche bereit waren, Gut und Blut einzusehen für die Erhaltung des Königshauses und des Vaterlandes, deren Gesetzgebung ihnen diese großen Opfer angesonnen hatte. Auch in der neuesten Zeit dürfen Sie die Verdienste dieses Standes, sei es innerhalb des Offizier-Korps der Armee, sei es in denjenigen Stellungen, welche ihm der Grundbesit anweist, um Unterdrückung der Anarchie und um Rettung Preußens von der schmählichsten Tyrannei nicht zu gering anschlagen.

Wo

Wegen seiner Rede über den preußischen Adel hat Bismarck in dem damals noch jungen Kladderadatsch einen Angriff erfahren, dessen Sinn nicht recht verständlich ist. Das Wigblatt brachte nämlich am 2. Dezember die Frage: kommandierte doch im Jahre 1809 ein gewisser Herr v. Bismarck?" Der Angegriffene richtete sofort an Ernst Dohm, den Redakteur des erwähnten Blattes, einen schneidigen Brief von folgendem Wortlaut:

Ew. Wohlgeboren

Brief vom haben mir in Ihrem geschätzten Blatte schon öfter die Ehre erzeigt, Sich 2. 12. 1819. mit meiner Person zu beschäftigen; in der letzten Nummer wenden Sie

Ihre Teilnahme auch meiner Familie zu, und freue ich mich, Ihre gefällige Anfrage, insoweit sie sich auf meine näheren Verwandten, die Angehörigen des Schönhauser Hauses, bezicht, dahin beantworten zu können, daß im Jahre 1809 einer derselben das Brandenburgische Kürassierregiment kommandierte, ein anderer Major im ehemaligen Regiment Göcking-Husaren war und zwei sich als Offiziere beim Schillschen Korps befanden. Weniger Wert für Ew. Wohlgeboren hat vielleicht die Notiz, daß von den 7 Mitgliedern dieser Familie, welchen es vergönnt war, an dem Französischen Kriege teilzunehmen, 3 auf dem Schlachtfelde blieben und die 4 andern mit dem Eisernen Kreuz heimkehrten. Alle diejenigen meines Namens, welche nicht aus dem Schönhauser Hause stammen, waren zu jener Zeit entweder westfälische oder, wie noch heut, nassauische und württembergische Unterthanen, und ist mir nicht bekannt, wo im Jahre 1809 einer von ihnen kommandiert hat. Sollten Ew. Wohlgeboren im Besitz näherer Data hierüber sein, so würde ich es dankbar erkennen, wenn Sie mir davon Mitteilung (machen) wollten, da ich mich für die Geschichte meiner

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Familie auch in ihren etwaigen unerfreulichen Beziehungen interessiere. Was aber Veröffentlichungen in Jhrem Blatte betrifft, so verhülle ich mich, soweit meine Person dabei beteiligt ist, weder mit der Zweiten Kammer in den Mantel stillschweigender Verachtung, noch würde ich jemals zu andern Mittel der Abwehr greifen, als zu denen, welche die Presse gewähren kann; was aber Kränkungen meiner Familie anbelangt, so nehme ich bis zum Beweis des Gegenteils an, daß Ew. Wohlgeboren Denkungsweise von meiner eignen nicht so weit abweicht, daß Sie es als einen Zopf vorsündflutlichen Junkertums ansehen würden, wenn ich in Bezug auf dergleichen von Ihnen diejenige Genugthuung erwartete, welche nach meiner Ansicht ein Gentleman dem andern unter Umständen nicht verweigern kann.

Ich bitte Sie die Versicherung der ausgezeichneten Hochachtung vor Ihrer Person und Ihrem Blatte zu genehmigen, mit welcher ich die Ehre habe zu sein

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v. Bismarck-Schönhausen,
Behrenstr. 60.

Otto v. Bismarck ist mit seinen Anschauungen in jener Zeit durchweg in der Minderheit geblieben, aber wir sehen, daß in vielen Punkten ihm die Zukunft Recht gegeben hat. Für ihn selbst ist jene Zeit nicht fruchtlos geblieben, sein Charakter hat sich im Kampfe gestählt, so daß er wirklich das Versprechen vollauf lösen konnte, dereinst den Namen des preußischen Junkers zu Ehren zu bringen.

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Ged. u. Er. I.

D

fünftes Kapitel.

Bis zum Gang nach Olmüh.

ie von den preußischen Kammern revidierte Verfassung wurde von König Friedrich Wilhelm IV. vollzogen, und sie besteht mit wenigen Aenderungen noch heute zu Recht. An demselben Tage aber, an dem dieses Grundgesez verkündet wurde, am 31. Januar 1850, war Bismarck in Rathenow zum Abgeordneten für das Volkshaus des Erfurter Unionsparlaments gewählt worden.

Gerade in Preußen aber fehlte es an jedem festen Plane, an jeder Entschlossenheit, die verschiedensten Ideen stürmten durcheinander und oft bewirkte der augenblickliche Einfluß eines Ratgebers, daß die Altäre von gestern am Tage darauf wieder gestürzt wurden. Rückschauend hat vierzig Jahre später der greise Kanzler das Urteil gefällt, daß der latente deutsche Gedanke Friedrich Wilhelm IV. mehr als seine Schwäche die Schuld an den Mißerfolgen der Politik nach 1848 getragen habe:

Wenn Preußen und der König gar keinen Wunsch nach irgend etwas gehabt hätten, was sie vor 1848 nicht besaßen, sei es auch nur nach einer historischen mention honorable, wie es die Reden von 1840 und 1842 vermuten ließen; wenn der König keine Ziele und Neigungen gehabt hätte, für deren Verfolgung eine gewisse Popularität nüßlich war, was hätte ihn dann abgehalten, nachdem das Ministerium Brandenburg festen Fuß gefaßt,

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