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Der Herr Vorretner hat gesagt, er wünsche, daß ich dereinst in meinem Fache mich derselben Anerkennung erfreuen möge wie er in dem seinigen. Ich unterschreibe diesen Wunsch mit voller Aufrichtigkeit. Ich erkenne die hohe Vedeutung des Herrn Vorredners in seinem Fache vollkommen an und gebe zu, daß er in dieser Beziehung einen Vorsprung ver mir hat. Wenn aber der Herr Vorredner sich aus seinem Gebiete entfernt und auf mein Feld unzünftig übergeht, so muß ich ihm sagen, daß über Politik sein Urteil ziemlich leicht für mich wiegt. Ich glaube wirklich, meine Herren, ohne Ueberhebung, die Dinge verstehe ich besser. (Große Heiterkeit.)

Der Herr Vorredner hat gesagt, mir fehle das Verständnis für die nationale Politik; ich kann ihm den Vorwurf nur mit der Unterdrückung des Epithetons zmückgeben. Ich finde bei dem Herrn Vorredner Verständnis für Politik überhaupt nicht. Dieses Verständnis ist gewiß auch in anderen Ländern nicht weiter verbreitet als bei uns (Unrube), aber es findet sich in anceren Parlamenten doch selten dieser Grad von Entschlossenheit im Bilden und Aussprechen von Ansichten gepaart mit demselben Maße von Unkenntnis der Dinge wie bei uns.

Als ihm

In der Kommission erschien Bismarck wiederholt. immer neue Schwierigkeiten gemacht wurden, erflärte er kurz, daß, wenn die verfassungsmäßige Bewilligung der Anleihe ausblicbe, er die Mittel nehme, wo er sie bekomme. Im Plenum empfahl dennoch der Berichterstatter die Ablehnung der Anleihe und er ermahnte daz Haus:,,Sagen wir uns von jeder Gemeinschaft mit diesem Ministerium los." Trotz aller sachlichen und tief begründeten Entgegnungen blieb das Haus bei seinem Willen; in der Erwiderung auf Bismarcks Ausführungen erklärte Birchow, daß Bismarck längst jede selbständige Politik aufgegeben habe und immer mehr dem Banne der Kreuzzeitung verfalle, daß er allmählich sich selbst verleugnet habe: „Meine Herren, er ist jetzt dem Böjen verfallen und er wird von ihm nicht wieder loskommen." Es ist Virchow auch damals nicht gelungen, über diese unsinnige Prophezeiung heraus noch einen höheren Grad der Lächerlichkeit zu erklimmen, als er unmittelbar vor dem Kriege gegen Frankreich den Antrag auf Abrüstung Deutschlands stellte. Wiederum stieg die Erregung auf den Gipfel, als Bismarck auf exneute heftige Angriffe der Linken erklärte, das Motiv der Ablehnung ruhe nicht auf der Basis einer vernünftigen politischen Anschauung, sondern auf dem Wunsche, das verhaßte Ministerium zu stürzen.

Ich habe mich deshalb gefragt: was müßten nir - was mußte ein Rede vom preußisches Ministerium thun, um Ihr Vertrauen zu erwerben? Es müßte 22. 1. 1864. sich von der preußischen Verfassung lossagen (Unruhe und Widerspruch links), es müßte sich von Preußens Traditionen, von Preußens Geschichte, ven

preußischem Volksgefühl vollständig lossagen, es müßte sich von der Verfassung lossagen, indem es die Hand dazu böte, der Fortdauer der Auflehnung der Krone gegen die Herrschaft dieses Hauses den Beden zu entziehen, durch Verweigerung seiner Kontrasignatur.

Sie haben sich in dem vorliegenden Berichte, meine Herren, mit einer Deutlichkeit darüber ausgesprochen, daß ich glaube, Sie werden heute nicht mehr in der Lage sein, einer Aeußerung gegenüber, die ich etwa ver einem Jahre an dieser Stelle gethan habe, nämlich, daß es sich hier um einen Kampf handelt über die Herrschaft Preußens zwischen dem Hause der Hohenzollern und dem Hause der Abgeordneten, eine Aeußerung, die damals mit einem Nufe des Staunens, der mißzbilligenden Kritik empfargen wurde ich glaube, Sie werden heute diesen Ausdruck, diese Mißvilligung nicht mehr aussprechen können, sondern sich offen zu Ihren Thaten bekennen. (Oh! Oh! und Heiterkeit links.)

Man ruft mir zu: „Es ist zu lächerlich"; mit dergleichen Worten ist eine ruhige, ich kann sagen, anständige Diskussien nicht zu führen. (Unruhe.)

Ich will solche Worte nicht zurückgeben, Sie werden selbst finden, daß Ausdrücke, welche den einzelnen Abgeordneten hier vielleicht zulässig erscheinen können, für mich an dieser Stelle nicht passend sein würden.

Bismarck schloß seine Rede:

Meine Herren, fühlte das preußische Volk wie Sie, so müßte man sich einfach sagen, der preußische Staat habe sich überlebt, und die Zeit sei gekommen, wo er anderen historischen Gebilden Platz zu machen habe. So weit sind wir aber noch nicht! Ich erinnere Sie an eine Anekdote, die in früheren Zeiten bei der Grundsteuerverhandlung in diesen Räumen häufig citiert wurde. Es ist das Schreiben König Friedrich Wilhelms I. an ein Mitglied der estpreußischen Stände bei Einführung der Grundsteuer; er sagte darin, wenn ich mich der Worte richtig erinnere:

Was ich ruiniere, das ist das nie pozwalam der Junker;

Ich etabliere die souveraineté comme un rocher de bronze." Der rocher de bronze steht noch beute fest; er bildet das Fundament ter preußischen Geschichte, des preußischen Ruhmes, der preußischen Großmacht und des verfassungsmäßigen Königtums! Diese ebernen Felsen werden Sie nicht zu erschüttern vermögen durch Ihren Nationalverein, durch Ihre Resolution und durch Ihr liberum Veto! (Bravo! rechts. Zijchen links.)

Wieder traf Bismarck nicht auf das Verständnis der Volfsvertretung. Nach einer Reihe von heftigen Angriffen schloß Graf Schwerin mit der Verdächtigung, das eigentliche Motiv für die königliche Regierung sei die Furcht vor der Demokratie und die Besorgnis vor dem Auslande. Auf diese Vorwürfe erwiderte Bismarck:

Der Herr Vorredner hat ferner das Metiv unserer Handlungsweise der Furcht vor der Demokratie und Furcht vor dem Auslande der Regierung untergeschoben. Ich glaube, der Herr Retner kennt mich lange genug, um zu wissen, daß ich Furcht vor der Demokratie nicht kenne. Hätte ich diese,

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so stände ich nicht an diesem Plaße oder würde das Spiel verloren geben. (Große Bewegung. Rufe: Ein Spiel! Ein Spiel!) Ich lasse mich auf Worte nicht ein; rechten Sie nicht über Ausdrücke, rechten Sie über die Sache! Ich fürchte diesen Gegner nicht, ich glaube sicher, ihn zu besiegen (Oho!); ich glaube, das Gefühl, daß es so kommen werde, ist Ihnen nicht mehr ganz fern. (Heiterkeit.)

-

Was dagegen die Furcht vor dem Auslande betrifft, so bestreite ich die Richtigkeit des Ausdruckes. Man kann Vorsicht Furcht, man kann Mut Leichtfertigkeit nennen. Der Mut nimmt meines Erachtens diesen Charakter an, wenn man einer Regierung, die für das Schicksal eines großen Landes verantwortlich ist, zumutet wie mir das in der Kommission von seiten des Herrn Referenten geschehen ist auch gegen die erdrückendste Uebermacht, die sich von Hause aus zu den Waffen herausstellt, Preußen zu den Waffen greifen zu lassen. Meine Herren! Das kann eine Regierung nicht, . . . . . . so knüpften sich meine Worte daran, daß der abwesende Referent dem gleichfalls abwesenden Pernice vorwarf, daß seine Ansichten Winkelauffassungen seien, und ich bemerkte darauf, daß bei dem Mangel eines Gerichtshofes in Europa Winkelansichten, wenn es ihnen gelinge, die Mehrheit der Bajonette zu gewinnen, die Eigenschaft hätten, daß sie mitunter siegreich blieben.

Drei Tage darauf wurde das Herrenhaus mit Dankesworten entlassen. Es wurde ihm das Zeugnis ausgestellt, daß es getragen gewesen sei von der Liebe zum preußischen Vaterlande und daß es in Harmonie sich befinde mit den königstreuen Gefühlen des deutschen Volkes. Anders fiel die Entlassung im Abgeordnetenhause aus. Hier waren nur 51 Stimmen für die Bewilligung der Anleihe abgegeben, 275 Abgeordnete stimmten dagegen und nahmen eine Resolution an, die den Bürgerkrieg in Deutschland als herausgefordert erklärte. Eine königliche Botschaft verfügte den Schluß des Landtages.

Ein Jahr ging vorüber, che der preußische Landtag wieder zusammentrat, im Norden fielen die eisernen Würfel, die Stimmung im Lande schlug um, als das Volk sah, daß der verachtete Junker sich reiche Ehren holte, daß thatsächlich die Grundsätze, die er vertrat, die Schande auslöschten, die durch lange Jahrzehnte brennend auf dem deutschen Gemüt gelegen hatte, die Schande, die aus der Preisgabe Schleswig-Holsteins erwachsen war. Noch bedurfte es allerdings eines zweiten Krieges, noch mußte Bismarck weiter durch Haß und Mißtrauen gehen, ehe die Versöhnung zu stande kam. Aber die Höhe des Konfliktes war überschritten, als vor Alsen und Düppel die Entscheidung fiel; das Blut der Landeskinder erstickte den Haß, denn durch alle Kämpfe hindurch stieg Bismarck an der Hand seines

Denkwürdigk.
Roons IL,
Brief vom
23. 5. 1862.

königlichen Freundes empor zu einer Volkstümlichkeit, wie sie noch kein Deutscher vor ihm besaß. Aber auch in dieser für Deutschlands Geschicke entscheidenden Frage war es erst Bismarck, der die schwankende Energie seines Königs festigen mußte. Noch am 21. Januar konnte er trüben Sinnes an den getreuen Roon schreiben:

Ich bin weit entfernt von übereilten oder selbstischen Entschlüssen, aber ich habe das Vorgefühl, daß die Partie der Krone gegen die Revolution verloren ist, weil das Herz des Königs im anderen Lager und sein Vertrauen mehr seinen Gegnern als seinen Dienern zugewandt ist. Wie Gott will. Nach 16 bis 30 Jahren ist es für uns gleichgiltig, für unsere Kinder nicht. Der König hat befohlen, daß ich vor der Sitzung zu ihm komme, um zu bereden, was gesagt werden soll. Ich werde nicht viel sagen; einmal habe ich die Nacht kein Auge zugethan und bin elend, und dann weiß ich eigentlich nicht, was man den Leuten, die ja jedenfalls die Anleihe verwerfen, sagen soll, nachdem so gut wie klar ist, daß Se. Majestät decy auf die Gefahr hin, mit Europa zu brechen und ein schlimmeres Olmütz zu erleben, sich schließlich der Demokratie und den Würzburgern fügen will, um Augustenburg einzusetzen und einen neuen Mittelstaat zu schaffen. Was soll man da noch reden und schimpfen? Ohne Gottes Wunder ist das Spiel verloren, und auf uns wird die Schuld von Mit- und Nachwelt geworfen. Wie Gott will. Er wird wissen, wie lange Preußen bestehen soll. Aber leid ist mir's sehr, wenn es aufhört, das weiß Gott! Ohne Gottes Wunder ist das Spiel verloren!

Jhr v. B.
Aber es geschahen Wunder, und das Spiel um den höchsten
Einsatz wurde gewonnen!

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ismarck hat einmal versichert, daß er auf keine seiner diplomatischen Leistungen so stolz sei wie auf die Politik, die zum Wege nach Düppel und Alsen geführt hat; nirgends haben sich ihm vielleicht so viel Schwierigkeiten in den Weg gestellt wie damals, als Preußen noch ein in Europa mißachteter Staat war, eine quantité négligable, die man noch auf dem Pariser Kongreß straflos ausschließen durfte aus den Verhandlungen der Großmächte. kam ja für Bismarck hinzu, daß er gleichzeitig, während er die feinen Neze der internationalen Politik spann, den hartnäckigen Kampf durchfechten mußte mit der preußischen Volksvertretung, die im engherzigen Doktrinarismus ihm sogar die Mittel verweigerte zur Kriegführung. In den Tagen der deutschen Erniedrigung mußte es geduldet werden, daß dänische Waffen den Sieg erfochten über deutsche Truppen, daß die treuen Söhne der beiden meerumschlungenen Länder geopfert wurden für ihr Verlangen, in den Schoß der Mutter Germania zurückzukehren. Die Eifersucht der Mächte und der Bundesstaaten hat es verhindert, daß die Stunde der Freiheit schon am Ausgang der 40er Jahre schlug.

Die Ohnmacht Deutschlands konnte die Möglichkeit schaffen, daß das kleine Dänemark immer wieder die Bedingungen und Ver

P.-A. I.

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