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weisen, um ihn abzuwenden, daran hatte ich mehr Teil, als ich sagen. möchte; ich bereue es jetzt. Denn was ich für das Beste zu raten meinte, ist so ausgeführt worden, daß ein beinahe größeres Unglück daraus entstanden ist, als selbst der schwerste Krieg es hätte bringen können. Das ist eine schmerzliche Erfahrung, eine sehr demütigende; aber wenn wir dankerfüllt annehmen, daß Gott unser Böses zum Guten wendet, so müssen wir uns auch mit Ergebung unterwerfen, wenn das Gegenteil eintritt, und warten in Glauben und Geduld.

Eine bezeichnende Episode lernen wir aus einem Briefe kennen, den Roons Frau in die Heimat gesandt hat:

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Sell ich mich noch auf das politische Feld begeben? schreibt sie am Denkw. Rocns, 20. November 1850, ich wage es nicht, es führt zu weit, wollte ich Euch Brief vom die Spannung, in der wir fortwährend leben, jeden Tag neue Ereignisse 20. 11. 18.0. erwartend, den Zustand zwischen Furcht und Hoffnung schildern — ich würde Begen vollschreiben können. Was werden die nächsten Tage bringen, was werden die Kammern beginnen, was wird ihnen der König sagen? Wird sich das Ministerium den Kammern gegenüber halten? . . . . Es ist, nachdem man Genaues über den Ministerrat vom 2. d. Mts. hört, unbegreiflich, daß der König nicht augenblicklich Manteuffel und Stockhausen entließ. Aber was ist bei uns nicht alles geschehen und geschieht noch! Die Geschichte mit dem Prinzen und dem Degen ist, mit Ausnahme des letteren, wahr; das heißt, der Prinz hat im höchsten Unmut, nachdem er die längste Zeit die Scheingründe gegen den Krieg, welche Manteuffel, Stockhausen und Gerlach entwickelten, mit der heftigsten Unruhe angehört, gesagt: Nein, das kann ich nicht mehr mit anhören, da will ich ja lieber gleich meinen Abschied nehmen! Darauf hat er sich wieder hingesetzt, an seinem Handschuh gepflückt und zähneknirschend die Geduld des Königs bewundert (der auf seiner Seite war, bekanntlich), während Manteuffel fortwährend von dem Schrecken eines Bruderkrieges, von unserm wahr= scheinlichen Unvermögen, den Krieg siegreich zu führen 2c. doziert. Endlich sagt Stockhausen (der Kriegsminister!!): Und es ist auch noch sehr die Frage, ob unsere Armee sich gegen die Oesterreicher schlägt!" Bei diesen Worten springt der Prinz auf. . . . . und widerspricht im Namen der Armee einer derartigen Annahme in sehr heftigen Worten. Hierauf stürzt er hinaus, fiel seinem Adjutanten um den Hals und sagte schluchzend: „Es ist alles verloren mit den Männern da drinnen ist nichts zu machen!“ - Wie die Dinge wenige Tage nachher die andere Wendung genommen (da dennoch mobil gemacht wurde), darüber schwebt noch ein Dunkel; es hat sich alles wieder planiert. Es ist kaum zu glauben und doch wahr! Und welche Rolle spielt bei allem diesem unser teurer König! Ach, es könnte einem das Herz abdrücken! Man hört jetzt schon wieder allerlei munkeln von Gewissensbissen wegen des Mobilmachungsbefehls. Und wenn es auch nicht wahr ist, so zeigt es doch deutlich von dem allgemeinen und gerechtfertigten Mißtrauen. Daß Graf Brandenburg mit und aus den heftigsten Gewissensbissen und gewiß mit tiefem Sajmerze erkrankte und starb, bezeugten seine Phantasien, die furchtbar gewesen sein sollen.

Rede vom

Wann immer Bismarck in seinen späteren Reden als leitender Minister oder als Reichskanzler auf die Episode von Olmüß zurückkam, so stellte er sie hin in dem Licht einer seinem Vaterlande zugewiesenen Demütigung, aber immer hat er auch darauf gewiesen, daß die Verhältnisse jener Zeit einen andern Ausweg unmöglich gemacht haben. Noch im Juli 1892 auf dem Marktplaße zu Jena jagte Bismarck:

Es gehörte zu der göttlichen Fügung der deutschen Nation, auf die 31. 7. 1892. ich für die Zukunft Vertrauen habe, daß politische Zufälle, die niemand vorausschen konnte, den engen Zusammenhang zwischen Oesterreich und Rußland, der uns zur Zeit von Olmütz gegenüberstand, sprengten, und zwar in einer Weise, daß wir die Trennung der Olmüßer Verbindung für unseren nationalen Zweck politisch benutzen konnten. Hätten uns 1866 Desterreich und Rußland in derselben Geschlossenheit gegenüber gestanden wie zur Zeit von Olmüß Gott weiß allein, ob der Erfolg derselbe gewesen wäre und ob wir heute auf derselben Stufe ständen.

Rede vom

In seiner großen Rede aber vom 6. Februar 1888 erklärte er:

Das Saldo, welches Rußland im preußischen Konto hatte, ist durch 6. 2. 1888. die Freundschaft, ich kann fast sagen Dienstfertigkeit Preußens, ist während der Regierung Nikolaus' ausgenüßt und in Olmüß, kann ich sagen, getilgt worden. In Olmütz nahm der Kaiser Nikolaus nicht für Preußen Partei, er schützte uns nicht einmal vor üblen Erfahrungen, vor gewissen Demütigungen; der Gedanke, daß wir Nußland während seiner Regierung irgend welchen Dank schuldig waren, ist eine historische Legende.

Dem Tage von Olmüß sind die Beratungen in Dresden gefolgt. Preußens Wünsche gingen auch hier dahin, daß die Union anerkannt werde, daß man ihm einen Anteil im Präsidium des Bundestages cinräume und daß Preußen und Desterreich eine starke Exekutivgewalt erhielten, sodaß künftig nuz noch eine gemeinsame deutsche Politik möglich sei. Von dem deutschen Parlamente war aber keine Rede. Desterreich dagegen, das an die Kriegsfurcht seines Rivalen glaubte und sich vollkommen als Herr der Lage fühlte, ging in seinen Forderungen bedeutend weiter. Schon die Eröffnungssizung in Dresden am 23. Dezember war charakteristisch. Fürst Schwarzenberg ergriff gleich, wie selbstverständlich, den Vorsig und sprach die einleitenden Worte. Darauf redete Herr v. Beust als begrüßender Wirt und dann erst erhielt der preußische Ministerpräsident das Wort, dem sofort der bayerische Vertreter folgte, so daß sich Preußen, wie von selbst, inmitten der Kleinstaaten befand. Eine unendliche Reihe von Vorschlägen und Gegenvorschlägen wurden

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gemacht; das Resultat war dürftig genug. Die wichtigsten nationalen Bedürfnisse, wie die Reform des Bundes, eine Kriegsverfassung und die Schaffung einer deutschen Flotte blieben ohne jede Berücksichtigung. Der Wunsch Preußens nach einer Parität im Bundespräsidium blieb ohne Erfüllung und wenn auch die weitestgehenden österreichischen Vorschläge scheiterten, so konnte doch Desterreich auch in diesen Verhandlungen sich als den Sieger betrachten.

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Die

Wenn die Dresdener Verhandlungen, urteilte später Bismarck, nicht Ged. u. Er. I. dazu benutzt worden sind, im preußischen Sinne entweder ein höheres Resultat oder einen berechtigt erscheinenden Anlaß zum Kriege zu gewinnen, so ist mir niemals klar geworden, ob die auffällige Beschränkung unserer Ziele in Dresden von dem Könige oder von Herrn v. Manteuffel, dem neuen auswärtigen Minister, ausgegangen ist. Ich habe damals nur den Eindruck gehabt, daß letzterer nach seinem Vorleben als Landrat, RegierungsPräsident und Direktor im Ministerium des Innern sich in der Sicherheit seines Auftretens durch die renommierenden vornehmen Verkehrsformen des Fürsten Schwarzenberg geniert fühlte. Schon die häusliche Erscheinung beider in Dresden Fürst Schwarzenberg mit Livreen, Silbergeschirr und Champagner im ersten Stock, der preußische Minister mit Kanzleidienern und Wassergläsern eine Treppe höher war geeignet, auf das Selbstgefühl der beteiligten Vertreter beider Großmächte und auf ihre Einschätzung durch die übrigen deutschen Vertreter nachteilig für uns zu wirken. alte preußische Einfachheit, die Friedrich der Große seinem Vertreter in London mit der Nedensart empfahl: „Sage Er, wenn Er zu Fuß geht, daß 100 000 Mann hinter ihm gehn", bezeugt eine Renommage, die man dem geistreichen Könige nur in einer der Anwandlungen von übertriebener Sparsamkeit zutrauen kann. Heute hat jeder 100 000 Mann, nur wir hatten sie, wie es scheint, zur Dresdener Zeit nicht verfügbar. Der Grundirrtum der damaligen preußischen Politik war der, daß man glaubte, Erfolge, die nur durch Kampf oder durch Bereitschaft dazu gewonnen werden konnten, würden sich durch publizistische, parlamentarische und diplomatische Heucheleien in der Gestalt erreichen lassen, daß sie als unserer tugendhaften Bescheidenheit zum Lohn oratorischer Bethätigung unserer deutschen Gesinnung“ aufgezwungen erschienen. Man nannte das später moralische“ Eroberungen; es war die Hoffnung, daß andere für uns thun würden, was wir selbst nicht wagten.

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Am 16. Mai wurde ein geheimer Allianzvertrag mit Testerreich unterzeichnet, der die Waffenhilfe auch für die Regelung der italienischen Wirren in Aussicht stellte. Der alte, verschlafene Bundestag wurde zu neuem Leben galvanisiert, das lächerliche Resultat der erbitterten Kämpfe langer Jahre; man war auf den Standpunkt zurückgekommen, auf dem man vor der Revolution gestanden hatte, und wirklich erfreut konnte den Gang der Dinge nur einer begrüßzen:

der alte Metternich. Wenn wir aber dem Bundestage in einem Punkte Dank wissen dürfen, so ist er darin gegeben, daß er dem jungen Bismarck den Raum bot, sein diplomatisches Genie zu schulen und Erfahrungen zu sammeln, die für seine späteren Thaten die Rüstung bilden sollten.

Am 13. März 1867 hat Bismarck den Wandel seiner Anschauungen dargelegt:

Ich kam nach Erfurt mit denjenigen politischen Anschauungen, die ich, ich möchte sagen, aus dem Vaterhause mitbrachte, geschärft in jener Zeit durch den Kampf gegen die Angriffe der Bewegung von 1848 auf Zustände, die mir wert waren. Im Jahre darauf, 1851, bin ich in die praktischen Geschäfte eingetreten und habe seitdem Gelegenheit gehabt, Erfahrungen in der praktischen Politik sechzehn Jahre hindurch in Stellen, wo ich ohne Unterbrechung mit der großen Politik, namentlich aber mit der deutschen, beschäftigt war, sammeln zu können. Ich habe mich dabei überzeugt, daß aus dem Zuschauerraum die politische Welt nicht bloß auf den Brettern, die die Welt bedeuten - anders aussieht, als wenn man hinter die Kulissen tritt, und daß der Unterschied nicht bleß an der Beleuchtung liegt. Ich habe an mir selbst wahrgenommen, daß man die Politik anders beurteilt, so lange man als Dilettant ohne das Gefühl schwerer persönlicher Verantwortlichkeit, etwa in den Mußestunden, die die anderweitige Berufsart zuläßt, an ihr mitwirkt, als wo man im Gegenteil einer vollen Verantwortung für die Folgen jedes Schrittes, den man thut, sich bewußt ist. Ich habe in Frankfurt im Amte erkannt, daß viele der Größen, mit denen meine Erfurter Politik gerechnet hatte, nicht existierten, daß das Zusammengehen mit Desterreich, wie es mir aus den Erinnerungen an die heilige Allianz, die durch die Traditionen der früheren Generationen mir überkommen waren, vorschwebte, daß dieses nicht möglich war, weil das Desterreich, mit dem wir rechneten, es war die Periode des Fürsten Schwarzenberg, überhaupt eben nicht existierte.

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Sechstes Kapitel.

Die ersten Jahre in Frankfurt.

Is Otto v. Bismarck in den diplomatischen Dienst eintrat und an ihm sich der wunderbare Wandel vom märkischen Deichhauptmanne zum Vertreter Preußens am Bundestage zu Frankfurt vollzog, da wurde ein bis dahin unerhörter Riß in den bureaukratischen Anschauungen des Beamtentums vollzogen. Ein Mann, der weder seine regelrechten Eramina bestanden hatte, noch den korrekten Weg durch die Schreibstuben gewandert war, der vielleicht gerade durch eine gewisse Ungebundenheit seines Wesens einen scharfen Gegensatz zu der landesüblichen Methode bildete, war vorher in Altpreußen eine unbekannte Größe gewesen. Und es ist psychologisch merkwürdig, daß gerade der unentschlossenste aller Könige aus dem Hause der Hohenzollern es sein mußte, der mit einer Art natürlichen Instinktes den entschlossensten Charakter seiner Zeit entdeckte und zu sich heranzog. Schon bei der ersten Begegnung hat Friedrich Wilhelm IV. den tapferen Junker aus der Altmark ausgezeichnet; die schneidige Opposition, die er auf dem Landtage von 1847 gegen die großdeutschen Stürmer und Dränger und gegen die demokratischen Feinde des Königtums vertreten hatte, lenkte bereits die Aufmerksamkeit des Monarchen im besonderen Maße auf ihn;

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