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7. Belgien.

18. Febr. Wiederzusammentritt der Kammern. Die Regierung legt der II. Kammer das so lange verschobene, von der Rechten so sehr ge= fürchtete Gesetz über die Verwaltung des Kirchenvermögens (der sog. Kirchenfabriken) mit einer für die Rechte sehr beruhigenden Erklärung vor. Dieselbe erklärt sich so auch einverstanden mit dem Gesetz.

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Die II. Kammer nimmt das Gesetz über die Kirchenfabriken mit 86 gegen 8, der Senat mit 33 gegen 1 Stimme an.

II. Kammer: Die Regierung legt ihr den Entwurf eines Ministerverantwortlichkeitsgesehes vor, durch welches erst jeht nach 40 Jahren Art. 43 und 44 der Verfassung zur Ausführung kommen.

4. März. Eine Anzahl hervorragender Mitglieder der liberalen Partei erlassen einen Aufruf an diese, in dem sie energischeres Anstreben einer Ausdehnung des Wahlrechts, obligatorischen Schulunterrichts, Aenderung der Steuergesetzgebung, Reform des Heerwesens, Revision des Gesezes über die geistlichen Pfründen und anderer Gesetze von Seite der liberalen Partei als bisher verlangen.

18.

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Der Senat genehmigt mit 28 gegen 23 Stimmen die vom Ministerium vorgelegte Wahlreform, welche den Census nur unbedeutend herabsetzt, namentlich für diejenigen, welche gewisse Schulen besucht haben, denselben bis auf die Hälfte, bis zum Minimalbetrage von 15 Fr. ermäßigt.

24. Mai. Die Erneuerungswahlen der Provinzialräthe fallen überwiegend zu Gunsten der Liberalen aus.

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25. Der Langrand'sche Crédit foncier international wird vom Handelsgericht für fallit erklärt und gleichzeitig der Herausgeber des Journals,,La cote libre" freigesprochen.

Derselbe war angeklagt, den Generalprocurator Bavay und den k. Pro

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curator Hody, beides eifrige Clerikale, verleumdet und beleidigt zu haben, indem er in seinem Blatte behauptete, sie hätten in der Angelegenheit der Banken Langrand die Untersuchung nicht ernstlich ausgeführt und dadurch Langrand Zeit verschafft, sich aus dem Staube zu machen und der gebührenden Strafe zu entgehen. Der Prozeß erwies, daß sämmtliche Banken, die Langrand, der sich der Protection der clerikalen Parteien nicht bloß in Belgien, sondern in ganz Europa erfreut hatte und sogar vom Papste in den Grafenstand erhoben worden war, unter verschiedenen Titeln errichtet, ein Schwindel im größten Maßstabe gewesen seien, und daß Langrand sich vielfach der Fälschung und des Betruges schuldig gemacht habe. Die genannten beiden Beamten wollten es jedoch nicht sehen, weil eine ganze Reihe der hervorragendsten Führer der clerikalen Partei in Belgien bei den Unternehmungen mit großen Summen betheiligt war.

8. Juni. Der Generalprocurator de Vavay und der Procurator Baron Hody werden vom Justizminister ihres Amtes entsetzt. Die clerikalen Blätter schlagen darüber einen gewaltigen Lärm auf.

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Ergänzungswahlen zur II. Kammer. Niederlage der Liberalen: die künftige Kammer zählt 63 Clerikale und nur 61 Liberale.

Die 124 Mitglieder der II. Kammer zerfielen bisher in 73 Liberale und 51 Clerikale. Die Zahl der in Erneuerung fallenden Abgeordneten beläuft sich auf 43 Liberale und 18 Clericale, welche zusammen 19 Wahlbezirke vertraten. Nun werden neu gewählt 31 Liberale und 30 Clerikale. Die ersteren büßen also 12 Siße ein, die den Clerikalen zu Gute kommen, so daß 63 Clerikale 61 Liberalen gegenüberstehen. Die Majorität hat sich also von der Linken zur Rechten gewendet und nach einer 13jährigen liberalen Verwaltung das Wiederauftreten eines clerikalen Ministeriums wo nicht unumgänglich herbeigeführt, doch wenigstens ermöglicht.

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Das Ministerium Frère-Orban gibt in Folge des Ausfalls der Wahlen seine Entlassung.

Der König betraut den clerikalen Baron d'Anethan mit der Neubildung des Cabinets.

3. Juli. Der „Moniteur belge" publicirt die Ernennungen Anethan's zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Cornesse's zum Justizminister, Kervyn's de Lettenhove zum Minister des Innern, Tack's zum Finanzminister, Jacobs' zum Minister der öffentlichen Arbeiten und Guillaume's zum Kriegsminister.

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Ein kgl. Decret verfügt die Auflösung der Kammer und ordnet die Neuwahlen auf den 2. August an.

Angesichts der Differenzen zwischen Frankreich und Preußen trifft die Regierung bereits vorläufige Maßregeln zum Schutz der Neutralität des Landes.

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Die Regierung concentrirt die Armee in Antwerpen und besett die Grenzen gegen Frankreich und gegen Deutschland.

Sowohl Frankreich als Deutschland haben erklärt, die belgische Neutralität achten zu wollen, doch beide mit dem Zusage, wofern sie auch vom andern geachtet werde.

24. Juli. Malou wird zum Minister ohne Portefeuille ernannt.

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25-30. Der norddeutsche Bundeskanzler enthüllt die französischen Gelüfte nach Belgien (s. Deutschland).

30.

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England tritt für die belgische Neutralität und Selbständigkeit in dem bevorstehenden Kriege ein (s. England).

2. Aug. Allgemeine Wahlen zur II. Kammer und zum Senat. Neue Niederlage der Liberalen, neuer Sieg der Clerifalen: die Clerikalen zählen in der II. Kammer, 2 sogen. Indepedenten inbegriffen, 73 Stimmen gegen 51 Liberale, im Senat 33 gegen 29.

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Der Finanzminister Tack wird durch den Minister der öffentlichen Arbeiten, Jacobs, ersetzt.

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Eröffnung der Kammern. Die Thronrede betont den festen Entschluß Belgiens, seine Neutralität zu wahren.

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Da sich die Kriegsereignisse der belgischen Grenze immer mehr nähern, so wird dieselbe sehr stark besett.

1. Sept. Eine ziemliche Anzahl französischer Truppen tritt bei Sedan auf belgisches Gebiet über, wird entwaffnet und internirt.

Die Regierung hält sich streng neutral; die öffentliche Meinung spricht sich dagegen unter dem Einfluß des französischen und französisirten Elements der Bevölkerung überwiegend zu Gunsten Frankreichs aus.

2. Oct. Die Ende August aufgestellte Observationsarmee wird wieder entlassen.

9. Nov.

Wiederzusammentritt der Kammern. Die Regierung legt denselben einen Gesezesentwurf vor behufs Ausdehnung des Wahlrechts für Gemeinde und Provinzialwahlen.

20. Dec. In Brüssel wird zum ersten Mal seit 30 Jahren in Folge einer Spaltung unter den Liberalen ein cleritaler Senator, de Merode, gewählt.

8. Holland.

15. Jan. Die I. Kammer lehnt das ganze Eisenbahnbudget für 1870 ab.

10. März. Die II. Kammer genehmigt den Entwurf eines Agrargesches für die ostindischen Colonien, jedoch nur mit 41 gegen 36 Stimmen.

6. April. Die I. Kammer genehmigt dasselbe Gesetz ihrerseits mit 25 gegen 12 Stimmen.

10.

Die II. Kammer bewilligt die von der Regierung für das Militär geforderten Mehrkosten.

20. Mai. Die II. Kammer nimmt den Geseßesentwurf bez. Aufhebung der Todesstrafe mit 48 gegen 30

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timmen an.

Die II. Kammer verwirft den ihr von der Regierung vorgelegten Gesezesentwurf betr. Regelung des Salmfischfangs und damit den zwischen den deutschen Rheinuferstaaten und Holland abgeschlossenen Vertrag bez. Regelung des Rheinfischfangs.

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II. Kammer: Die Regierung legt derselben einen Gesetzesentwurf über die Landesvertheidigung und den betreffenden Plán vor:

Die Gesammtkosten sind auf 10,400,000 fl. veranschlagt. Hievon sollen jährlich etwa 11⁄2 Millionen zur Verwendung kommen, so daß die in Aussicht genommenen Arbeiten in etwa 7 Jahren vollendet sein könnten. Die Vertheidigung soll sich nach den Ansichten des Kriegsministers, welche in einer den Entwurf begleitenden Denkschrift niedergelegt find, auf denjenigen Landestheil beschränken, der im Osten durch die Gelder'sche Yffel und das Zwarte Water, im Süden durch die Waal, die Maas von St. Andries an, die Merwede und das holländische Diez mit den davorliegenden Stellungen begrenzt wird. Die Vertheidigung an der Seeseite wird die wichtigsten Etablissements und die hauptsächlichsten von den Wasserstraßen ins Auge fassen, die in das Innere des Landes führen und durch 5 Widderschiffe, 11 Monitors, 24 Dampflanonenboote und mehrere Dampfbatterien unterstützt werden, die zum Theil mit Panzern versehen werden sollen.

29. Mai. II. Kammer: Die Regierung legt derselben einen Gesezesentwurf bez. Ausdehnung des Wahlrechts vor, im Interesse der städtischen Bevölkerung gegenüber der ländlichen.

11. Juli. II. Kammer: Die Regierung legt derselben einen Gesetzesentwurf betr. Aufhebung des Zehntens vor.

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15. Die Regierung erklärt sich in dem zwischen Frankreich und Deutschland ausbrechenden Kriege neutral und bietet wesentliche Streitkräfte auf, um die Neutralität für alle Fälle wahren zu können. Die allgemeine Stimmung ist gegen Frankreich; nur die conservative und die ultramontane Partei sind für dasselbe.

2. Sept. Die Ende Juli aufgebotenen Truppen werden wieder entlassen. Die I. Kammer nimmt den Gesetzesentwurf bez. Abschaffung der Todesstrafe auch ihrerseits mit 20 gegen 18 Stimmen an.

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19. Eröffnung der Generalstaaten. Thronrede des Königs.

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2. Nov. Die Minister der Colonien, de Waal, des Auswärtigen, Roest van Limburg, des Kriegs, van Mulken und der Justiz, van Litaar, geben ihre Entlassung ein. Lange Ministerkrisis.

Mitte Dec. Die Ministerkrisis ist noch nicht beendigt; die Bildung eines neuen Ministeriums macht große Schwierigkeiten, da diejenige eines liberalen Cabinets durch allerlei Spaltungen in der Partei erschwert wird, diejenige eines conservativen Cabinets aber eine Auflösung der Kammer nöthig machen würde.

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II. Kammer: Eine Interpellation des Abg. Kersten* in Betreff einer Petition von Katholiken, welche die Regierung um Schritte zur Wiederherstellung der weltlichen Gewalt des Papstes ersuchen, veranlaßt eine längere Debatte. Der Kriegsminister van Mulken als interimistischer Minister des Aeußern erklärt, die Regierung könne nicht interveniren. Schließlich wird ein Antrag des Abg. Putte, die Kammer möge erklären, Holland habe nicht die Mission, die Gewalt des Papstes wieder aufzurichten, mit 42 gegen 32 Stimmen abgelehnt, und ein anderer Antrag auf einfachen Uebergang zur Tagesordnung angenommen.

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Die II. Kammer genehmigt das Budget für 1871, lehnt aber die von der Regierung behufs Deckung des Defizits geforderte Anleihe ab.

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