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II.

Oesterreichisch-Ungarische Monarchie.

7. Jan. (Oesterreich). Reichsrath, Abg.Haus: Die Adreßcommission verwirst den etwas allzu föderalistisch angewehten Adreßentwurf des Graf Spiegel und betraut mit 9 gegen 5 Stimmen den Grafen Tinti mit der Abfassung eines anderen.

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Reichsrath, Herrenhaus: Die Adreßcommission genehmigt den entschieden im Sinne der Ministermehrheit gehaltenen Entwurf des Grafen Anton Auersperg.

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(Oesterreich). Die Ministermehrheit conferirt mit der verfassungstreuen Majorität des Adreßausschusses und mit den ver: fassungstreuen Clubs des Abg.Hauses.

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(Desterreich). Die Minister-Minderheit erklärt die Conferenzen der Minister-Mehrheit mit der verfassungstreuen Majorität des Reichsraths für eine Verletzung des vorläufigen Abkommens zwischen ihnen. Neuer Bruch zwischen den beiden Fractionen. Erneuerung der beiderseitigen Demissionsbegehren.

(Oesterreich: Dalmatien). Abschluß des sogen. Friedens von Knezlac mit den Insurgenten der Crivoscie: Die Insurgenten legen die Waffen nieder, erhalten sie aber sofort wieder zurück, und von der Durchführung des Landwehrgesetzes wird thatsächlich Abstand genommen. Die Unterwerfung ist nur eine scheinbare; die öffentliche Meinung bezeichnet den Vorgang geradezu als Komödie. [Nicht die Crivoscianer sind von Oesterreich, sondern Desterreich ist von den Crivoscianern amnestirt worden."]

(Oesterreich). Die offizielle „Wiener Ztg." veröffentlicht die Denkschriften der Mehrheit und der Minderheit der Minister vom 18. u. 24. Dec. 1869 (s. Gesch.-Kal. für 1869).

13. Jan. (Oesterreich). Reichstag, Abg.Haus: Die Adreßcommission nimmt im Wesentlichen den Adreßentwurf Tinti an, der sich ent= schieden für die Aufrechthaltung der Verfassung, aber doch gemäßigt gegenüber den Föderalisten ausspricht und in den die sog. Autonomisten noch einige mildernde Amendements hineinbringen.

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14-15. (Oesterreich). Reichsrath, Herrenhaus: Adreßdebatte. Der Adreßentwurf des Grafen Anton Auersperg (gegen die MinisterMinorität) wird mit 57 gegen 27 Etimmen angenommen.

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Der Kaiser nimmt nunmehr, ohne auch noch die Adreßdebatte des Abg.Hauses abzuwarten, die Demission der Minister-Minorität, der Grafen Taaffe und Potocki sowie des Dr. Berger, an und beauftragt den Minister Plener (von der Minister-Majorität) mit Vorschlägen behufs Ergänzung des Ministeriums.

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Der Reichsfinanzminister v. Becke †. Die ungarischen Blätter schlagen als Nachfolger sofort den ungarischen Finanzminister Lonyay vor, um auch der transleithanischen Reichshälfte eine Vertretung im gemeinsamen Ministerium zu gewähren.

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(Oesterreich: Dalmatien). Die nach Montenegro geflüchteten Insurgenten kehren allmählig zurück und genießen die ertheilte Amnestie. Das Verbot, Waffen zu tragen, sowie das Standrecht für den ganzen Bezirk Cattaro werden aufgehoben. Die Communication mit dem Fort Dragagl ist frei.

(Oesterreich: Dalmatien). Auch die Poborianer unterwerfen sich. Die Presse bezeichnet den Vorgang wieder als Komödie.

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(Oesterreich). Reichsrath, Abg.Haus: Die Polen reichen noch vor dem Eintritt in die Adreßdebatte die galizischen Resolutionen wieder ein. Dieselben werden an eine Spezialcommission von 24 Mitgliedern gewiesen.

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19-28. (Oesterreich). Reichsrath, Abg.Haus: Adreßdebatte. Der Entwurf Tinti wird schließlich unverändert mit 114 gegen 57 Stimmen angenommen. Die sechs ultramontanen Tyroler (wovon vier geistliche Herren) ergreifen eine Gelegenheit, um ihren Austritt aus dem Reichsrath zu erklären. Zunächst soll nunmehr eine kurze Pause gemacht werden, bis sich das Ministerium neu constituirt hat, und dann die galizische Resolution in Angriff genommen werden.

Nachdem unter dem Eindrucke der Adreßdebatte und der Abstimmung des Herrenhauses der Kaiser die Demission der drei Minister der Minderheit_angenommen hatte, findet die Adreßdebatte des Abgeordnetenhauses unter wesentlich veränderten Umständen statt, da es sich nunmehr zumeist darum handelt, auf die Neubildung des Ministeriums, den Geist und die Richtung der künftigen Politik Einfluß zu nehmen. War schon die Adresse des Abg.Hauses in ihrem ersten Entwurfe (Tinti's) weniger schroff und ablehnend gehalten als jene des Herrenhauses, so gaben einzelne von den Autonomisten vorgeschlagene Amendements, die von der Adreßcommission angenommen worden waren, dem Entwurf, wie er vor das Haus kam, einen noch versöhnlicheren Charakter.

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In Wahrheit hatte der Entwurf der Adresse mit der Denkschrift der Majo rität der Minister (vom 18. Dec. 1869) wesentlich gebrochen. Die Autonomisten erklären daher auch, nunmehr nicht gegen, sondern für den Entwurf stimmen zu wollen, weil derselbe dem Gedanken der Versöhnung Rechnung trage. Zum Schluß verwahrt sich auch noch Minister Giskra als Abgeord neter zwar, aber doch im Auftrag seiner Collegen", gegen die unrichtige Auffassung des Memorandums. Er nimmt die Thronrede zum Ausgangspunkt feiner Deduction und führt den Beweis, daß dieselbe mit der Adresse in Uebereinstimmung sei. Ueber das Memorandum geht er hinweg. Die Regierung, sagt er, hat die Verfassung nie als Zwölftafelgesetz betrachtet, welches unabänderlich sei. Kein Mitglied der Regierung hat sich jemals gegen eine Verständigung ausgesprochen denn welcher österreichische Minister könnte die Verantwortlichkeit dafür auf sich nehmen?" Eine gewisse Schwenkung im Gegensatz gegen das Mehrheits-Memoire ist damit unleugbar vollzogen.

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Erklärung des Abg. Baron Giovanelli im Namen der Tyroler Abgeordneten, durch welche sie von der clericalen zur staatsrechtlichen Opposition (der Czechen) übergehen: „Der Gedanke lebte schon lange in uns, daß unsere Stellung hier im Hause täglich unhaltbarer wird, und daß der Augenblick nahe sei, wo unser Verbleiben mit der Ehre und den Rechten unsers Landes unvereinbar ist. In der gestrigen Sitzung wurde hier (von Frhrn. v. Tinti) der Ausspruch gethan: daß wir keine Desterreicher sind, daß unsere Heimath Rom und unser Kaiser der Papst sei. Ich habe den Ordnungsruf verlangt, und diese Genugthuung ist uns versagt worden. Diese Invective trifft nicht uns allein, fie trifft ganz eigentlich die Gesinnung unserer Bevölkerung, sie verletzt die tiefsten, heiligsten, loyalsten Gesinnungen derselben. Wir sind gegen die Verfassung, weil sie unserem Lande schädlich ist. Nun sehen wir, daß wir unserm Lande hier nicht mehr nüßen können. Wir können nicht länger zuschauen, wie unsere heiligsten Gefühle auf dem Altar liberaler ministerieller Gedankenlosigkeit geopfert werden. . . . Wir wollen nicht länger dem System dienen, dessen nächsten Untergang wir voraussehen. (Bravo auf der Slovenènbank. Oho! links). Als Tyroler, als Männer von Ehre treten wir aus diesem Hause, mit dem Gefühle, daß wir wenigstens unsere Ehre, die Ehre unferes Landes gewahrt haben." Die drei Tyroler Abgeordneten wälscher Zunge erklären dagegen im Hause bleiben zu wollen mit der Motivirung, sie "gäben zu, daß Aenderungen an der Verfassung nothwendig seien, daß aber der Weg, der einzuschlagen sei, in der Verfassung selbst liege."

Das Abg.Haus bestellt die Commission zu Vorberathung der galizischen Resolution mit 16 Mitgliedern von der Linken, 4 von der äußersten Linken und 4 Polen.

23. Jan. Erzherzog Karl Ludwig erwiedert den vorjährigen Besuch des Kronprinzen von Preußen am Wiener Hofe durch einen Besuch in Berlin.

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(Oesterreich). Zahlreiche Adressen an das Ministerium aus den deutschen Kronländern, namentlich aber aus Vöhmen, Mähren und Schlesien sprechen sich für die Aufrechthaltung und Durchführung der Verfassung und gegen die föderalistischen Forderungen der Czechen 2c. aus.

1. Febr. (Oesterreich). Das neue Ministerium constituirt sich im Anschluß an die frühere Majorität des Ministerrathes: Ministerpräsident: Hasner; Wagner, Landesvertheidigung; Banhans, Acker

bau; Stremayr, Cultus und Unterricht; Giskra, Herbst, Brestel und Plener behalten ihre Portefeuilles. Das Polizeiministerium

wird aufgelöst und seine Agenden werden vertheilt.

5. Febr. (Oesterreich: Krain). Der Landesausschuß beschließt, mit dem 1. März die slovenische Amtirung einzuführen.

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Eine Depesche des Reichskanzlers Graf Beust an den Gesandten in Rom gelegentlich der Vorlage der 21 Canones an das Concil, durch welche die Hauptsäße des Syllabus dogmatisirt werden sollen, warnt die Curie vor Eingriffen in die Rechte des modernen Staats, droht mit dem Verbot der Publication derartiger Actenstücke, und mit der Justiz des Staats gegen jede Person, die ein solches Verbot verleben würde:

Die Instructionen, welche ich Ihnen am letzten 23. October, zur Zeit Ihrer Rückkehr auf Ihren Posten, übermacht habe, zeigten Ihnen die Richtschnur Ihres Auftretens gegenüber dem Concil, das soeben zusammentreten sollte, und klärten Sie über die Haltung auf, welche die k. und k. Regierung angesichts eines Ereignisses von so großer Tragweite einnehmen wollte. . . Treu den Principien weiser Freiheit, welche die Grundlage unserer Verfassung bilden, waren wir durchaus bereit, die katholische Kirche ihre inneren Angelegenheiten in vollster Unabhängigkeit ordnen zu lassen. Ebenso waren wir fest entschlossen, in die Staatsaction, in die Domäne der Civilgesetzgebung nicht eingreifen zu lassen, ganz wie wir sorgsam jeden Schein eines Eingriffes des Staates in die der kirchlichen Domäne gehörigen Angelegenheiten vermeiden wollten.

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Das waren die Gesichtspunkte, welche die k. und . Regierung zur Zeit der Eröffnung des Concils leiteten, und unsere fernere Haltung hat jene keinen Augenblick verleugnet. Weit entfernt, einen Geist unruhigen Mißtrauens zu zeigen, waren wir bereit, eine vertrauensvolle Sympathie der vortheilhaften Action zuzuwenden, welche das Concil üben konnte, um die religiösen Gefühle der katholischen Nationen zu stärken und zu entwickeln. Vorstehendes sind dieselben Ausdrücke, deren ich mich in meiner Depesche vom 23. October v. J. bedient habe. Indem ich Ew. Exc. einlud, uns genaue Berichte über den Fortgang der Arbeiten dieser Versammlung einzusenden, empfahl ich Ihnen, sich jeder Ingerenz zu enthalten, welche als ein Versuch zum Eingriffe in die Rechte der Kirche gedeutet werden könnte. Indem wir eine so gewissenhafte Achtung vor der Actionsfreiheit des Concils bezeigten, hatten wir Grund, zu hoffen, daß die Decrete des letzteren vermeiden würden, Fragen zu berühren, für welche seine Competenz nicht nachgewiesen war. Die ersten von Ew. Exc. eingesendeten Berichte haben uns nicht veranlaßt, von der Nichtschnur abzuweichen, welche wir für unsere Haltung vorgezeichnet hatten. Obwohl sie geeignet waren, uns einige Besorgniß über den Geist einzuflößen, der bei den Berathungen des Concils herrschte, hofften wir, daß die Rathschläge der Klugheit zuletzt durchdringen würden und daß man sich hüten würde, den Ideen ins Antlig zu schlagen, welche heutzutage die Grundlage der bürgerlichen Gesellschaft bilden. Meine Depesche vom 26. Dez. v. I. schärfte Ihnen deshalb ein, in Ihrer Reserve zu beharren und einzig, wie bisher, mit Aufmerksamkeit den Gang der Berathungen zu verfolgen. Die von einer imposanten Minorität der Concilsmitglieder angenommene Haltung · von einer Minorität, welche aus den Prälaten der aufgeklärtesten und dem Katholicismus am eifrigsten ergebenen Länder gebildet wurde, und in deren Reihen wir mit lebhafter Genugthuung die berühmtesten Namen des österreichisch-ungarischen Episcopats erblicken legte uns den Glauben an ein unsern Wünschen

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mehr als die ersten uns bisher bekannten Manifestationen entsprechendes Endresultat nahe.

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Diese Hoffnung ist gewiß noch nicht zu nichte, da nach den neuesten Berichten Ew. Erc. die Ideen der Mäßigung nach und nach an Terrain gewinnen. Symptome indeß, deren Wichtigkeit nicht zu verkennen ist, flößen uns ernstliche Besorgnisse ein. Sie beweisen in der That daran ist nicht zu zweifeln daß in den höchsten Kreisen der Kirche eine ausgesprochene Tendenz vorherrscht, die Freiheit, die wir für den Staat in allen in den Bereich der Civilgesetzgebung gehörenden Fragen fordern, nicht nur nicht anzuerkennen, sondern sie nicht einmal zu dulden. Wir wissen nicht, ob diese Tendenz über die Opposition, die sich im Schooße des Concils selbst regt, den Sieg davontragen wird, aber ihre Eristenz, die Quelle, der sie entspringt, die Bundesgenossen, die sie findet, und die Beharrlichkeit, die sie entwickelt, find sicherlich ganz danach angethan, uns zu allarmiren. Die öffentliche Meinung lehnt sich nicht ohne Grund gegen gewisse Manifestationen auf, die, wenn sie auch zur Stunde erst in dem Stadium des Projectes find, allerdings, wenn sie realisirt werden sollten, eine unübersteigliche Kluft zwischen den Gesetzen der Kirche und denen, die den größten Theil der modernen Gesellschaft regieren, bilden würden. Die Nähe dieser Gefahr reicht hin, die Gemüther unendlich zu verwirren, und die k. und k. Regierung würde ihre Pflichten vergessen, wenn sie, aus Respect für die Freiheit eines Anderen, es nicht versuchen würde, ihre Stimme zu erheben, das Uebel anzudeuten und die Folgen desselben zu bezeichnen, soweit es eben sie betrifft. Unter den Symptomen und den Manifestationen, die den bezeichneten Charakter an sich tragen, steht in erfter Reihe die Publication jener 21 Canones, die dem Concil zur Berathung vorgelegt worden sind und in positiver Form die Hauptbestimmungen des unter dem Namen Syllabus bekannten Actenstückes reproduciren. Es ist mir wohl bekannt, daß dieses Project noch alle Phasen einer gereiften eingehenden Berathung durchzumachen hat. Es kann verworfen oder wenigstens bedeutend modificirt werden. Ich will auch zugeben, daß der, ich glaube zuerst von der Augsburger Allg. 3tg. veröffentlichte Text desselben vielleicht nicht durchgehends authentisch ist, obwohl auch die bestunterrichteten katholischen Blätter an der Rechtheit nicht zweifeln und das Schriftstück bereits zum Gegenstande einer lebhaften Polemik machen, die den Zweck hat, es in das beste Licht zu stellen.

Ungeachtet aller dieser Vorbehalte kann man an der Existenz dieses Decret-Entwurfes und an dem hohen Orts vorhandenen Willen, ihn zum Kirchengesete erheben zu lassen, nicht zweifeln. Dieses eine Factum genügt aber schon, die Aufregung der Gemüther zu rechtfertigen und die k. und 1. Regierung zu zwingen, der Enthaltsamkeit sich zu entäußern, die fie bis zur Stunde so strict beobachtet hat. Der Inhalt einiger dieser Canones ist von einer Tragweite, welche dergestalt die Action der Civilgesetzgebung zu lähmen und den nothwendigen Respect eines jeden Staatsbürgers den Gesehen seines Landes gegenüber zu zerstören trachtet, daß kein Staat der Verbreitung solcher Doctrinen gleichgiltig zuschauen kann. Was uns speciell betrifft, so haben wir bereits in der an Ew. Exc. gerichteten Depesche vom 2. Juli 1869 (f. Gesch.Kal. 1869 S. 239) klar die Demarcationslinie vorgezeichnet, die zwischen den Attributen der Staats- und der Kirchengewalt existiren muß. Die Principien, die wir damals ausgesprochen, müssen die unveränderliche Basis unserer Haltung bleiben. So sehr wir auch geneigt sind, der Kirche den größtmöglichen Theil von Freiheit in der ihr eigenen Actionssphäre zu bewilligen, sind wir doch immer ebensosehr entschlos= sen, deren Grenzen nicht überschreiten zu lassen und die Rechte, die wir für den Staat in Anspruch nehmen, unverkümmert aufrechtzuerhalten. Niemand würde aufrichtiger als wir es beklagen, wenn zwischen den zwei Gewalten, die so gut neben einander in Frieden leben könnten, ein neuer Conflict sich erhöbe;

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