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Standes, verliehen werden als eine Belohnung für das Verdienst, welches entweder im wirklichem Kampfe mit dem Feinde, oder daheim, in Beziehung auf diesen Kampf für die Ehre und Selbstständigkeit des theuren Vaterlandes, erworben wird. . . . Möge das erneute Ehrenkreuz für die kommenden Geschlechter ein Gedenkzeichen der Siege und Erfolge werden, die das deutsche Volk in diesen Tagen für das Vaterland erfleht.«

Ja erfleht wurden diese Siege; ein Buß- und Bettag war angeordnet worden und alles Volk drängte den Kirchen zu, um sich vor Gott zu demüthigen und seine Gnade anzurufen. Ueberall an dem genannten Tage (Mittwoch den 27.) ruhte die Arbeit, herrschte eine ernste, feierliche Stimmung. Vor dem Dome sammelten sich schon vor 8 Uhr früh Tausende von Menschen an, von denen kaum der zehnte Theil Play fand. In stiller Ehrfurcht begrüßte die Versammlung die zum Gottesdienste fahrenden königlichen und prinzlichen Herrschaften, welche sämmtlich, soweit sie in Berlin anwesend waren, erschienen. Als aber der König vorfuhr, ertönten tausendstimmige begeisterte Lebehochs und Hurrahrufe. Bei der Abfahrt wiederholte sich die Ovation. Beide Majestäten hatten vorher in der Hauskapelle des kronprinzlichen Palais das heilige Abendmahl aus der Hand des Dompredigers Dr. Hoffmann empfangen. Alle Kirchen ohne Ausnahme waren überfüllt. In einzelnen Parochieen, so in der Louisenstadt, wurden improvisirte Gottesdienste in dem Kirchhofspark abgehalten. In der Nicolaikirche wohnten. Magistrat und Stadtverordnete in Amtsträcht dem Gottesdienste bei.

Und wie in Berlin, so in ganz Preußen und Deutschland. Man beugte sich, man rief die Hülfe des Himmels an, aber, indem man sie anrief, war man sich zugleich bewußt: der Himmel hilft nur denen, die sich selbst zu helfen wissen. »Betet zu Gott und schüttet frisch Pulver auf die Pfanne « dieser alte Cromwell - Spruch zeichnet für alle Zeiten auch dem Frömmsten die Richtschnur vor. Dem Frömmsten, wenn er in den Krieg zieht. Alles in die Wunderhand Gottes zu legen ist weder klug, noch christlich, ist nur bequem. Alles Bequeme aber (traditionell in preußischen Landen verpönt) war wieder mal abgethan. Das » Soll der Pflicht« trat wieder in den Vordergrund, durchdrang die Herzen. »Eines bleibt uns,« so schrieb damals die »Nat. Ztg.«, »was die Franzosen nicht haben noch haben können, wohin ihr point d'honneur und ihre gloire niemals hinanreichen - uns bleibt der kategorische Imperativ. An der Ostgrenze deutscher Bildung und Gesittung hat ihn Immanuel Kant gefunden. Mit Nothwendigkeit und Unbedingtheit gebietet das sittliche Sollen; darum ist der moralische Imperativ ein kategorischer, ein unbeugsamer, um den nicht durch allerlei Flausen und Spiegelfechtereien herumzukommen ist. Wozu ist der Mensch auf Erden? Laßt das Fragen, erfüllt Eure Pflicht. Voll und ganz. Wird sie Euch

Fontane 1870/71. I.

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schwerer, übt Ihr sie nur mit Widerstreben, um so erhabener glänzt ihr heiliges unerbittliches »Soll!««

Das »Soll der Pflicht« wie es jene Tage beherrschte, so gab es auch eine freudige Zuversicht auf Sieg. »Das Schicksal dieser oder jener Schlacht,« so hieß es damals an andrer Stelle, »kann Niemand mit voller Sicherheit voraussagen; der kühnste Soldat scheut die Ueberhebung. Aber die Nation darf mit Zuversicht von ihrem Siege sprechen, wenn sie für ihre heiligsten Güter in den Kampf zieht und nicht eitler Ruhmsucht oder eingebildeten Interessen den Segen des Friedens opfert. In tiefem Verfall wäre die Nation, welche nicht die Gewißheit in sich verspürte, ihre höchsten Güter gegen einfallende Heere siegreich zu vertheidigen.

Ja, sie haben uns bei Jena besiegt, sie waren in Berlin, aber haben. sie Leipzig und Waterloo vergessen? Sind wir nicht zweimal in Paris gewesen und haben die Siegesgöttin, die sie uns geraubt, glorreich zurückgeführt? Die Armee Soubises bei Roßbach ist in viel lächerlicherer Weise auseinandergesprengt worden, als jemals Franzosen die Preußen haben laufen sehn.... Wir haben den Feind nicht herausgefordert, maßgebende Leiter unserer Politik sind vielmehr dem drohenden Zusammenstoß ausgewichen, haben selbst die innigsten Ziele des Volkes vertagt, um einen zweifelhaften Frieden zu erhalten, bis der gewaltsame Sinn des Feindes kein Ausweichen mehr zuließ als auf dem Wege der Unehre. Das Schwert ist uns in die Hand gedrückt worden, aber nun halten wir es fest.«

»Er kennt fein Maß«, dies Wort, das sich einst gegen den ersten Napoleon persönlich gerichtet hatte, es richtete sich jetzt gegen die französische Nation überhaupt, die Hoffnung Deutschlands aber gipfelte in einer schon 1814 in verwandter Lage gedichteten Goethe'schen Strophe:

Zwar was dem Abgrund kühn entstiegen,

Kann durch ein ehernes Geschick

Den halben Weltkreis übersiegen,

Zum Abgrund muß es doch zurück.
Schen droht ein ungeheures Vangen,
Vergebens wird Er widerstehn!
Und Alle, die noch an ihm hangen,
Sie müssen mit zu Grunde gehu.

Die französische Armee.

Marschall Leboeuf hatte seine mehreitirte Erklärung

»> nous sommes

archiprêts« sehr wahrscheinlich in gutem Glauben abgegeben, und in der That, wie Manches, ja wie Vieles selbst (wie wir S. 74 gezeigt haben) an dieser »Erzbereitschaft« fehlen mochte, jedenfalls war es eine zahlreiche, durch persönliche Bravour, Kriegserfahrung und praktisches Geschick ausgezeichnete Armee, die in den letzten Julitagen, bereit zur Beschreitung deutschen Gebietes, an der Rheingrenze stand. Mit Recht ist auch später noch, in den Tagen, die dem Sturze des Kaiserreichs folgten, von eben dieser Armee gesagt worden, daß sie »an Kriegsübung, Bewaffnung und Ausrüstung wahrscheinlich jeder früheren französischen Armee (vielleicht mit Ausnahme der einen, die der erste Napoleon gegen Rußland führte) überlegen gewesen. sei.« Sie unterlag, nicht weil sie schlecht war, sondern, weil dem Guten ein Besseres, der großen Zahl eine noch größere, der bewährten Führung eine noch bewährtere gegenübertrat. Ein sehr anschauliches Bild der franzöfischen Armee entwarf kurz vor Ausbruch des Krieges ein deutscher Offizier, der längere Zeit in der Fremdenlegion gedient hatte. Seine verhältnißmäßig kurze Schilderung möchten wir als das Sachgemäßeste und Unparteiischste ansehen, was von Freund und Feind über diesen Gegenstand geäußert worden ist.

»Die französische Armee,« so schrieb er (und die nachfolgenden Ereignisse haben im Wesentlichen alle seine Aussprüche bewahrheitet), »ist nicht zu unterschätzen; dennoch darf ihr nicht ohne Weiteres und in allen Stücken jene Superiorität zugesprochen werden, die ganz Europa nur allzu geneigt ist, ihr anzuweisen.

Mit dem Jahre 1830, will sagen mit der Eroberung Algiers, beginnt ein neuer Abschnitt in dem Leben und der Geschichte der »französischen Armee«. Der unausgesetzte Scharmüßel- und Guerilla-Krieg beginnt umgestaltend einzuwirken, nach der Seite des Guten wie des Schlimmen hin.

Dies algerische Blatt der französischen Kriegsgeschichte hat einmal den Vortheil gehabt, die Armee gradatim zu einer kriegsgewohnten zu machen, ferner sind durch sie jene Elite Truppenkörper entstanden, die theils mit Recht, theils mit Unrecht heute als die unüberwindlichen Helden der französischen Armee, als der Schrecken jeder anderen betrachtet werden: die Zuaven, die Fremdenlegion, die Turcos, die Chasseurs d'Afrique, die Spahis und endlich die sogenannten »Zephirs«, oder offiziell die leichten InfanterieBataillone der afrikanischen Armee, welche aus den kriegsrechtlich bestraften Soldaten der ganzen Armee sich recrutiren, nachdem dieselben die ihnen zuerkannten Strafen verbüßt haben. Die sämmtlichen genannten Truppentheile bilden mit der Kaisergarde (garde impériale), die zumeist in Paris und Umgegend garnisonirt, den eigentlichen Kern der Armee. Ihre Cavallerie, nämlich die der Garde, die vier Regimenter der Chasseurs d'Afrique und die drei Regimenter der Spahis (eingeborene afrikanische leichte Cavallerie im orientalischen Kostüm und rothem Burnus), ist gut, die afrikanische mit arabischen Pferden der gewöhnlichen Race beritten, die übrigens durch Transplantation und den Verlust ihres gewohnten Futters, das in Europa für sie nicht zu beschaffen ist, bedeutend an ihrer in Algerien zähen Ausdauer, Kraft und Schnelligkeit verlieren.

Die in Frankreich selbst stehende Linien-Cavallerie ist der preußischen in keiner Hinsicht gewachsen; sie ist fast ausschließlich mit den schweren normannischen Pferden remontirt und steht meiner festen Ueberzeugung nach hinter jeder andern mir bekannten europäischen Reiterei zurück.

Die Infanterie der Linie, weit mehr als die Cavallerie, ist geübt und stark im Entbehren und im Ertragen von Mühseligkeit und Strapazen jeglicher Art. Sie hat namentlich eine allen französischen Soldaten eigene Manier des Angriffs, die einem Tornado gleich, Alles vor sich niedermeheln zu wollen scheint; und wenn ein französisches Regiment unter dem tausendstimmigen »Vive l'Empereur!« zur Attake vorgeht, sieht es so aus, als sei die leßte Stunde der Gegner gekommen! Allein es ist nicht so. Trifft die französische Infanterie bei ihrem ersten heftigen und enthusiastischen Anprall auf eine fest, kaltblütig und geschlossen sie erwartende Colonne, wird in Folge dessen ihr erster Angriff abgeschlagen, so ist in hundert Fällen neunzig Mal ein sofortiges Verlöschen des durch Offiziere und Unteroffiziere künstlich geschaffenen Strohfeuer - Enthusiasmus die Folge, und die Leute wiederholen den Angriff schon mit sehr merklich fallendem Muth.

Ueberhaupt ist schneller und unzweifelhafter Erfolg eine Lebensfrage für den französischen Soldaten nicht allein, sondern für das ganze Volk. Wirklicher Muth, d. h. Consequenz im Muthe, werden und müssen von vornherein unseren bewährten und weit zäheren Truppen ein bedeutendes

Uebergewicht verleihen. Ferner sind wirklich gute, ruhige, kaltblütige und geübte Schüßen in der Masse der französischen Linien-Infanterie eine Seltenheit; der französische Infanterist schießt meistens zu sorglos, mit zu sehr erregtem Blute, ohne die mindeste Berechnung und deshalb immer zu hoch. Wirklich ebenbürtige (um nicht zu sagen »gefährliche«) Gegner in der französischen Armee sind unseren Truppen nur die Zuaven; doch sie bestehen eben nur aus vier Regimentern. Die Fremdenlegion anlangend, so besteht sie zu zwei Dritteln aus Deutschen und aus Belgiern, und ist mindestens ebenso tüchtig als die Zuaven.

Die Turcos, meist aus Kabylen recrutirt, schlagen sich gut und mit zäher Ausdauer, sind aber schlechte Schüßen und deshalb besteht auch ihre Force im Bajonetangriff. Sie und die Zuaven tragen eine im Schnitt ganz gleiche, nur in den Farben verschiedene orientalische Uniform, die bei den Zuaven aus rothen Beutelhosen und dunkelblauer Jacke mit rothem Fez und blauer Hängequaste und grünem Turban, bei den Turcos aus ganz hellblauem Costüm mit gelber Passepoilirung, rothem Fez mit gelber Hängequaste und weißem Turban besteht; beide Corps führen geschweifte Haubajonets in eiserner Scheide, gleich den Fußjägern (chasseurs de Vincennes), die dunkelgrüne Röcke mit gelbem Vorstoß und blaugraue Pantalons tragen und sich im Schießen nicht im Entferntesten mit unseren Jägern messen fönnen.<<

Diese Schilderung der französischen Armee, an der vielleicht nur auszusehen ist, daß sie mehr den algerischen Bruchtheil des Heeres, als den heimischen Hauptbestandtheil ins Auge faßt, spricht zwischen den Zeilen die Ueberzeugung von einer vergleichungsweise vorhandenen Inferiorität des französischen Heeres aus, und diese Ansicht, wie wir schon andeuteten, ist durch die Ereignisse gerechtfertigt worden. Aber sehr bald, nachdem die Katastrophe hereingebrochen war, genügte diese maßvolle Anschauung der verlegten französischen Eitelkeit nicht mehr, und während die Volksmassen ihr unerträgliches »>Verrath« - Geschrei erhoben, gefielen sich denkende Köpfe darin, die kaiserliche Armee als solche, den Nepotismus, der die höchsten Stellen besezte, die Unwissenheit der Offiziere, die an Ehrlosigkeit grenzende Indifferenz des gemeinen Mannes, die fehlende Volksschule, das Stellvertreter - System, das Ueberhandnehmen des Parteitreibens und die in Folge davon gelockerte Disciplin für die ganze Reihe der Niederlagen verantwortlich zu machen. Geben wir einzelne solcher Stimmen.

so

»Die Unwissenheit der großen Mehrzahl unserer Offiziere« schrieb unmittelbar nach dem Friedensschluß eine der gelesensten »Revuen« »müssen wir in erster Reihe für die Niederlagen, die uns betroffen, verantwortlich machen. Unglaubliches haben wir nach dieser Seite hin erlebt. Aus

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