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Sedan gefangen nahmen, endete das Zeitalter französischer Gewaltthaten, französischer Halbbarbarei und begann die Periode des deutschen Friedens und der deutschen Bildung.«<

Hundert Lieder frommen Dankes durchklangen alle Provinzen:

Nun laßt die Glocken von Thurm zu Thurm
Durch's Land frohlocken im Jubelsturm!
Des Flammenstoßes Geleucht facht an!

Der Herr hat Großes an uns gethan.

Ehre sei Gott in der Höhe!

Unter immer wechselnden Namen und Vergleichen wurde König Wilhelm gepriesen, als Erneuerer des deutschen Reiches, als Kaiser Weißbart, als Schmied von Sedan«¡

»

Der Schmied von Sedan, dem Keiner gleich,

Soll Kaiser sein im deutschen Reich.

Auf den Bergen Mitteldeutschlands lohten die Freudenfeuer; überall, wo es eine Pflege der Künste gab, füllten Vorstellungen die festlich geschmückten Häuser und patriotische Ansprachen erhoben noch das allgemeine Gefühl.

Schon stand das Korn zum Schnitt bereit, die Sonne brütete am Hang,
Jn's Lied der Mäher mischte sich der Sommervögel heller Sang,
Im sanften Lufthauch zitterten die tausend Blumen auf der Au',
Darüber wölbte friedlich sich der Himmel wolkenlos und blau.

Da warf verwegne Leidenschaft die glüh'nde Fackel ins Gefild, Da wuchs die Flamme voller Gier bald riesengroß und ungestillt, Da ras'te fränk'scher Uebermuth in wildem Toben zu uns her, Denn wen der Herr vernichten will, gerade Den verblendet Er.

Uns aber, aus dem Mittagstraum des Sommers jählings aufgeschreckt,

Uns hat des Feindes Feuerruf den rechten Brudersinn geweckt,

Rasch schlug der Baiern treuer Sinn die mächt'ge Brücke über'n Main,
Und in gewalt'gen Strömen drang Alldeutschland nun in Frankreich ein.

Vier Wochen kaum: Und Tag für Tag, wie Mähr' aus grauer Vorzeit rauscht Die hellste Siegeskunde her, der athemlos der Erdkreis lauscht; Hoch schwillt das Herz vom stolzen Klang glorreichen Ruhms, und zaubergleich Erwacht das fast verschollne Lied, das alte Lied vom deutschen Reich.

Der Brief des Königs an die Königin.

Vendresse, südl. Sedan, 3. September.

Du kennst nun durch meine drei Telegramme den ganzen Umfang des großen geschichtlichen Ereignisses, das sich zugetragen hat! Es ist wie ein Traum, selbst wenn man es Stunde für Stunde hat abrollen sehen!

Wenn ich mir denke, daß nach einem großen glücklichen Kriege ich während meiner Regierung nichts Ruhmreicheres mehr erwarten konnte und ich nun diesen weltgeschichtlichen Akt erfolgt sehe, so beuge ich mich vor Gott, der allein mich, mein Heer und meine Mitverbündeten ausersehen hat, das Geschehene zu vollbringen, und uns zu Werkzeugen Seines Willen bestellt hat. Nur in diesem Sinne vermag ich das Werk aufzufassen, um in Demuth Gottes Führung und Seine Gnade zu preisen.

Nun folge ein Bild der Schlacht und deren Folge in gedrängter Kürze. Die Armee war am Abend des 31. und am 1. früh in den vorgeschriebenen Stellungen angelangt, rund um Sedan. Die Baiern hatten den linken Flügel bei Bazeilles an der Maas, daneben die Sachsen gegen Moncelle und Daigny, die Garde gegen Givonne noch im Anmarsch, das V. und XI. Corps gegen St. Menges und Fleigneur; da hier die Maas einen scharfen Bogen macht, so war von St. Menges bis Donchery kein Corps aufgestellt, in diesem Orte aber Würtemberger, die zugleich den Rücken gegen Ausfälle von Mézières deckten. Cavallerie - Division Graf Stolberg in der Ebene von Donchery als rechter Flügel. In der Front gegen Sedan der Rest der Baiern. Der Kampf begann, troß dichten Nebels, bei Bazeilles schon früh am Morgen, und es entspann sich nach und nach ein sehr heftiges Gefecht, wobei Haus für Haus genommen werden mußte, was fast den ganzen Tag dauerte, und in welches die Erfurter Division Schöler (aus der Nerserve, IV. Corps) eingreifen mußte. Als ich um 8 Uhr auf der Front vor Sedan eintraf, begann die große Batterie gerade ihr Feuer gegen die Festungswerke. Auf allen Punkten entspann sich nun ein gewaltiger Geschützkampf, der stundenlang währte, und während dessen von unserer Seite nach und nach Terrain gewonnen wurde. Die genannten Dörfer wurden genommen.

Sehr tief eingeschnittene Schluchten mit Wäldern erschwerten das Vordringen der Infanterie und begünstigten die Vertheidigung. Die Dörfer Jlly und Floing wurden genommen, und zog sich allmählich der Feuerkreis immer enger um Sedan zusammen. Es war ein grandioser Anblick von unserer Stellung auf einer dominirenden Höhe hinter jener genannten Batterie, rechts vom Dorfe Frénois vorwärts, oberhalb Petit Torch. Der heftige Widerstand des Feindes fing allmälig an, nachzukassen, was wir an den aufgelösten Bataillonen erkennen konnten, die eiligst aus den Wäldern und Dörfern zurückliefen. Die Cavallerie suchte einige Bataillone unseres V. Corps anzugreifen, die vortreffliche Haltung bewahrten; die Cavallerie jagte durch die Bataillons - Intervallen durch, kehrte dann um, und auf demselben Wege zurück, was sich dreimal von verschiedenen Regimentern wiederholte, so daß das Feld mit Leichen und Pferden besäet war, was wir Alles von unserem Standpunkte genau mit ansehen konnten. Ich habe die Nummer dieses braven Regiments noch nicht erfahren können.

Da sich der Rückzug des Feindes auf vielen Stellen in Flucht auflöste und Alles, Infanterie, Cavallerie und Artillerie in die Stadt und nächste Umgebungen sich zusammendrängte, aber noch immer keine Andeutung sich zeigte, daß der Feind sich durch Capitulation aus dieser verzweifelten Lage zu ziehen beabsichtige, so blieb nichts übrig, als durch die genannte Batterie die Stadt bombardiren zu lassen; da es nach 20 Minuten ungefähr an mehreren Stellen bereits brannte, was mit den vielen brennenden Dörfern in dem ganzen Schlachtkreise einen erschütternden Eindruck machte - so ließ ich das Feuer schweigen und sendete den Oberstlieutenant v. Bronsart vom Generalstabe als Parlamentair mit weißer Fahne ab, der Armee und Festung die Capitulation antragend. Ihm begegnete bereits ein baierischer Offizier, der mir meldete, daß ein französischer Parlamentair mit weißer Fahne am Thore sich gemeldet habe. Der Oberstlieutenant v. Bronsart wurde eingelassen, und auf seine Frage nach dem General en Chef, ward er unerwartet vor den Kaiser geführt, der ihm sofort einen Brief an mich übergeben wollte. Da der Kaiser fragte, was für Aufträge er habe, und zur Antwort erhielt: »Armee und Festung zur Uebergabe aufzufordern«, erwiderte er, daß er sich dieserhalb an den General v. Wimpffen zu wenden habe, der für den blessirten Mac Mahon so eben das Kommando übernommen habe, und daß er nunmehr seinen General - Adjutanten Reille mit dem Briefe an mich absenden werde. Es war 7 Uhr, als Reille und Bronsart zu mir kamen; Letterer kam etwas voraus, und durch ihn erfuhren wir erst mit Bestimmtheit, daß der Kaiser anwesend sei. Du kannst Dir den Eindruck denken, den es auf mich vor Allem und auf Alle machte! Reille sprang vom Pferde und übergab mir den Brief seines Kaisers, hinzufügend,

daß er sonst keine Aufträge habe. Noch ehe ich den Brief öffnete, sagte ich ihm: »Aber ich verlange als erste Bedingung, daß die Armee die Waffen niederlege. Der Brief fängt so an: »N'ayant pas pu mourir à la tête de mes troupes je dépose mon épée à Votre Majesté,« alles Weitere mir anheimstellend. Meine Antwort war, daß ich die Art unserer Begegnung beklage und um Sendung eines Bevollmächtigten ersuche, mit dem die Capitulation abzuschließen sei. Nachdem ich dem General Reille den Brief übergeben hatte, sprach ich einige Worte mit ihm als altem Bekannten, und so endigte dieser Act. Ich bevollmächtigte Moltke zum Unterhändler und gab Bismarck auf, zurück zu bleiben, falls politische Fragen zur Sprache kämen, ritt dann zu meinem Wagen, und fuhr hierher, auf der Straße überall von stürmischen Hurrahs der heranziehenden Trains begrüßt, die überall die Volkshymne anstimmten. Es war ergreifend! Alles hatte Lichter angezündet, so daß man zeitweise in einer improvisirten Jllumination fuhr. Um 11 Uhr war ich hier und trank mit meiner Umgebung auf das Wohl der Armee, die solches Ereigniß erkämpfte.

Da ich am Morgen des 2. noch keine Meldung von Moltke über die Capitulationsverhandlungen erhalten hatte, die in Donchery stattfinden sollten, so fuhr ich verabredetermaßen nach dem Schlachtfelde um 8 Uhr früh und begegnete Moltke, der mir entgegenkam, um meine Einwilligung zur vorgeschlagenen Capitulation zu erhalten, und mir zugleich anzeigte, daß der Kaiser früh 5 Uhr Sedan verlassen habe und auch nach Donchery gekommen sei. Da derselbe mich zu sprechen wünschte, und sich in der Nähe ein Schlößchen mit Park befand, so wählte ich dies zur Begegnung. Um 10 Uhr kam ich auf der Höhe vor Sedan an; um 12 Uhr erschienen Moltke und Bismarck mit der vollzogenen Capitulations - Urkunde; um 1 Uhr seßte ich mich mit Frig in Bewegung, von der Cavallerie-Stabswache begleitet. Ich stieg vor dem Schlößchen ab, wo der Kaiser mir entgegen kam. Der Besuch währte eine Viertelstunde; wir waren Beide sehr bewegt über dieses Wiedersehen. - Was ich Alles empfand, nachdem ich noch vor 3 Jahren Napoleon auf dem Gipfel feiner Macht gesehen hatte, kann ich nicht beschreiben.

Nach dieser Begegnung beritt ich von 13 bis 18 Uhr die ganze Armee vor Sedan.

Der Empfang der Truppen, das Wiedersehen des decimirten GardeCorps, das Alles kann ich Dir heute nicht beschreiben; ich war tief ergriffen von so vielen Beweisen der Liebe und Hingebung.

Nun lebe wohl. Mit bewegtem Herzen am Schlusse eines solchen Briefes Wilhelm.«

Das Lager von Glaires.

Die französische Armee, welche am 3. September Morgens, nachdem sie in

Sedan die Waffen niedergelegt, aus dieser Festung abzurücken begann, wurde auf einer Halbinsel vereinigt, die, nordwestlich von Sedan, durch eine starke Krümmung der Maas gebildet wird. Innerhalb dieser Halbinsel sind verschiedene Dörfer: Iges, La Villette, Glaires gelegen, nach denen nun dieselbe wechselnd und willkürlich genannt wird. (Karte S. 483 und 529.) Seitens unseres Ober-Commandos waren am 2. schon das XI. und das I. baierische Corps, sowie die 4. Cavallerie - Division, dazu bestimmt worden, einerseits den Vollzug der Capitulation in ihrer ganzen Ausdehnung zu überwachen, andererseits den Transport der Kriegsgefangenen nach Deutschland durchzuführen. In Gemäßheit dieses Befehles rückten das XI. Corps und die 4. Cavallerie-Division auf die Höhen des rechten Maasufers (nördlich), während das I. baierische Corps die Halbinsel südlich, zwischen Glaires und Villette abzuschließen begann.

Es kamen nun, vom 3. bis 11. September, harte Lage für Freund und Feind. Wir folgen der Schilderung eines Augenzeugen: »Der Abmarsch der entwaffneten Truppen von Sedan zeigte viele Franzosen in einem höchst ungünstigen Lichte. Die Offiziere und mit ihnen ein nicht unbedeutender Theil der Mannschaften hatten eine würdige Haltung; sie waren ernst, niedergeschlagen und zogen gesenkten Hauptes ihrer Straße. Aber neben ihnen sah man Hunderte von Soldaten, die in einem Zustande bestialischer Trunkenheit dahintaumelten; andere fluchten oder rissen Zoten und erbärmliche, rohe Wize, welche die Schamröthe auf die Wangen ihrer Offiziere und besseren Kameraden trieben. Das Wetter, das während des Schlachttages hell und trocken gewesen, war nun trübe, kalt und regnerisch geworden. Die Wege, auf denen Geschüße, Munitionswagen und andere schwere Fuhrwerke hin und her fuhren, befanden sich in einem so schlechten Zustande, daß

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