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an ihrem Rande die Körper zu Dußenden zusammengetragen. Die todten Pferde wurden von ihren lebenden Verwandten, die davor gespannt waren, zur Gruft geschleift*). Von den Villen und Gehöften der Nachbarschaft wehten die Fahnen mit dem rothen Kreuz, und immer neue Bahren und Wagen voll aufgelesener Verwundeter entluden sich dort ihrer blutigen Last. Erst hier zeigte sich die ganze Furchtbarkeit der feindlichen Stellung. Der Abhang fällt terrassenförmig und kaum weniger steil ab, als die Weinberge von Wörth. Und es schien mir, als ob die Ernte des Todes, die ich auf diesen gesehen, nur gering gewesen wäre, gegen diese Massen der Opfer, welche allseitig am Hügelrücken nieder und über seine ganze breite ausgedehnte Kuppe hin verstreut lagen in unerschöpflicher Mannigfaltigkeit der Stellung und der Todesart. Die Vernichtung hat eine wahrhaft höllische Erfindungskraft darin. Alle menschliche Phantasie ist klein, arm und kindlich dagegen. Wenn es am südlichen und östlichen Abhang mehr Reiterleichen mit ihren Rossen waren, so lagen auf der höchsten Höhe selbst mehr der grauröckigen Fantassins. Wenn dort die Spihkugeln, so hatten hier ersichtlich die Granaten gewirkt, jene Granaten, die wir gestern von unserer Höhe in ihrer mörderischen Thätigkeit hatten beobachten können. Es wäre unmöglich und überflüssig, die Schrecknisse im Einzelnen nach der Natur zu schildern, die sich allüberall am Boden zwischen diesen zerstampften Kartoffel-, Klee- und Stoppelfeldern bei jedem Schritt dem Auge zeigten.

An jenem scharfen westlichen Rande an der Pappel, wo die Batterie gestanden, sah man noch die tiefen Schüßengräben in den Boden geschnitten,

*) Ein anderer Bericht schildert diesen Theil des Schlachtfeldes, wo die großen Cavallerie - Angriffe gegen unsere 46er, 32er, 83er und die Görlißer Jäger stattfanden, wie folgt: Je weiter ich vorwärts schritt und je mehr ich mich der einsamen Pappel näherte, wo die französische Batterie gestanden, desto schreckenvoller waren die Spuren des Kampfes, der hier gewüthet. Gräßlich zerschmetterte Leichen deutscher und französischer Krieger, Pferde - Aeser, Cürassierhelme mit blinkenden Messingkämmen, rothen und schwarzen Pferdeschweifen, Pallasche, Tschakos, Brust und Rückenharnische, Sättel, Hufeisen, Feldflaschen und Kochgeschirre rings über den Boden verstreut! Dazwischen unzählige Briefe und andere aus den Tornistern herausgeschleuderte Gegenstände. In der Nähe der Pappel und in der Schlucht von Cazal steigerte sich noch das Grausen des Anblicks. Pferde, die, vom Wall herabspringend, den Todesschuß empfangen, waren in nahezu unmöglichen Stellungen hingefallen; ein Pferd stand fast auf dem Kopfe, ein anderes streckte die Vorderbeine über den Wall, während es sphingartig auf dem Bauche ruhte, und den wider einen Baumstamm gelehnten Kopf noch beinahe wie lebend aufrecht hielt. Ein Soldat stand aufrecht, am Walle kaum merklich nach rückwärts gelehnt, das Haupt von einer Kugel zerschmettert. Unweit des Dorfes Floing zeigte man mir die auf einer Anhöhe gelegene Bauernhütte, von wo aus Napoleon den Gang der Schlacht während einer halben Stunde überwacht hatte. In der Nähe stand ein blumengeschmückter Nischen - Altar, mit der Inschrift: »Notre Dame de Consolation«. Mancher armer Bursche mag inmitten des mörderischen Feueres hier seine Arme zur Muttergottes flehend emporgestreckt haben, und vielleicht nicht vergebens, so lange er in ihrem unmittelbaren Schuhe stand, denn der Altar selber war unverlegt von Kugeln und Granaten geblieben.

sah man auch die Unmöglichkeit, daß die hohl überhängende gewaltige Höhe durch die von hier etwa ankletternde Infanterie hätte genommen sein können. Die Granaten von drüben waren es, welche jene tapfere Batterie schließlich stumm gemacht hatten. Unten in der Tiefe und an der jenseitigen Höhe hinauf lagerten nun unsere Regimenter und zwischen ihnen Haufen von Hunderten französischer Gefangenen. Hier oben aber ganz nahe dem Standpunkte der Batterie sieht man zwei niedere kleine Häuschen, zerrissen an Dächern und Mauern von den Granaten, im Innern zermalmt mit Allem, was sie einst enthielten. Dort war, so heißt es, eine halbe Stunde lang das Quartier des Kaisers während der Schlacht; dort hielt er aus, bis Alles verloren war, und suchte buchstäblich den Tod, der ihn höhnisch mied, nur um ihn der schrecklicheren Stunde des nächsten Morgens aufzusparen. Wie die Gefangenen sagen, hat er geweint, als er, die Schlacht verloren gebend, nach Sedan hineinritt. [Der Kaiser kann nur kurz vor seiner Rückkehr in die Festung wenige Minuten an dieser Stelle gehalten haben. Sein Stand, während der ersten Morgenstunden, war eine halbe Meile weiter östlich, in Nähe von Lamoncelle. Vgl. auch S. 521 Anmerkung.]

Auf der Breite des Hügels kampiren und kochen nun unsere Regimenter, wo sie den Plaz von den Todten gereinigt haben, zwischen denen sie ihre Kartoffeln für die Kochgeschirre gruben. Die Musikcorps intoniren eben: »Ein' feste Burg ist unser Gott«. Hinunter am östlichen Abhang, nach der Schlucht von Cazal hin, immer die gleichen Scenen in immer neuen Variationen. Gestürzte Ambulance- und Marketenderwagen. Hier sind die französischen Gefangenen zur Arbeit des Abräumens herangezogen und helfen fleißig ihre zerschmetterten Brüder zur Grube tragen. Jenseits der Schlucht war es schon etwas leerer geworden. Dafür gewährte jene zweite Höhe einen unschäzbaren Einblick in die außerordentlich pittoreske Stadt jenseits der Festungswerke, die sich hier unten zwischen der Maas, der Citadelle und den höheren Waldbergen gleichsam eingeklemmt findet. Auf allen zu ihr niedersteigenden und am Flusse hingehenden Wagen zahllose Gefangene, in Gruppen von 20-50 von wenigen Bewaffneten bewacht. Drüben auf der Höhe der Wälle wieder Alles roth von der Menge der bei einander stehenden Soldaten. Auf den großen weiten Plägen innerhalb der Enceinte und auf den beiden inneren Brücken, welche sich dort unten über ein großes Wasserbassin spannen, ein ungeheures Gewirre von Menschen, Wagen, Rinderheerden, fahrenden oder sich in Reihen ordnenden Colonnen. Ein brausender fast elementarischer Lärm, wie aus hunderttausend Menschenstimmen, Viehbrüllen, Pferdewiehern, Räderrasseln, Signalhörnern, Trommelwirbeln gemischt, dringt von dort her zu mir herauf.

Ich prägte mir das wunderbare Bild ein und kehrte dann zum Fluß

zurück, um an der alten Stelle meinen Uebergang zu suchen. Der Weg führte unten zu einem verlassenen, zerschossenen Gehöft mit großem alten Herrenhause. Die Todten von zwei Cürassier-Regimentern, die hier wieder, wie bei Gunstedt, von unsern hessischen (13er) Husaren, als man nach Westen hin durchzubrechen versuchte, zusammengehauen wurden, waren bereits ent fernt. Pferde, Waffen, Sättel lagen noch überall umher. Bei dem einen lag, heulend und winselnd, ein großer schöner brauner Hühnerhund.

Pikets jener blauen Husaren schweiften auch jetzt noch hier auf der Stätte ihrer gestrigen Thaten umher, zwischen den Weiden und Erlen des traulichen Flußthals. «

Das Resultat der Schlacht. Trophäen. Verluste.

»Die Schlacht von Sedan wird für alle Zeiten eine hervorragende Stelle in der Kriegsgeschichte einnehmen, sowohl hinsichts ihrer meisterhaften strategischen Einleitung und energischen tactischen Durchführung Seitens der deutschen Heere, wie auch hinsichts der durch sie errungenen, beispiellos großartigen Resultate.« Diesem Urtheile haben wir nur zuzustimmen. Das beispiellos großartige Resultat war die Gefangennehmung einer Armee von 100,000 Mann*), sammt ihrem Kaiser, ihren beiden Oberfeldherren (Mac Mahon und Wimpffen) und sämmtlichen Generalen. Der Krieg schien hiernach beendet, da die Capitulationen von Straßburg und Meß, die noch ausstanden, nur als eine Frage der Zeit, und zwar der nächsten Zeit, angesehen werden konnten.

100,000 Mann, darunter 39 Generale, 230 Stabsoffiziere, 2095 Sub. alternoffiziere. Fünfhundert Offiziere waren auf Ehrenwort entlassen worden. Unter jenen 39 Generalen befanden sich sämmtliche Corpsführer und Divisionaire, weshalb es zwecklos ist, dieselben hier aufzuzählen; die an den verschiedensten Stellen unseres Buches mitgetheilten Ordres de Bataille der französischen Corps geben Aufschluß über diese Namen. Den Generalen Ducrot und Cambriels gelang es, sich während ihrer Reise nach Deutschland

*) Ueber die Zahl der am 1. und 2. September in Gefangenschaft gerathenen Franzosen zu voller Klarheit zu kommen, ist schwer, wo nicht bis zur Stunde unmöglich. Die Angaben schwanken zwischen 80. und 120,000 Mann. Die eine Zahl faßt nämlich nur die durch Capitulation, die andere die durch Capitulation und Kampf (während der Schlacht also) in Gefangenschaft Gerathenen ins Auge. Die Capitulation spricht von 83,000 Mann,†) dar. unter 14,000 Verwundete; im Laufe der Schlacht aber waren wenigstens 20,000 unverwundete Gefangene in unsere Hände gefallen. Das Garde- und XII. Corps allein trieben 11,000 zwischen Givonne und Jlly und im Bois de la Garenne zusammen. Darauf hin habe ich oben im Texte die Gesammtzahl der Gefangenen auf 100,000 Mann angegeben.

†) Die einzelnen Corps participirten daran wie folgt: I. Corps 32,400 Mann, V. Corps 11,106 Mann, VII. Corps 15,618 Mann, XII. Corps 25,309 Mann.

zu befreien. Bei der ehrenhaften Gesinnung Beider muß man annehmen, daß sie dabei in gutem Glauben gehandelt und ihre Berechtigung zu einem solchen Schritte nicht bezweifelt haben.

Es fielen ferner 350 Feldgeschütze, 70 Mitrailleusen und 12,000 Pferde in unsere Hände; dazu überaus zahlreiches Armeematerial und 184 Positionsgeschüße der Festung selbst. Von den Feldzeichen waren viele vorher absichtlich zerstört worden, um sie nicht in unsere Hände übergehen zu sehen. Unsere Verluste während der Schlacht stellten sich wie folgt:

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II. baierisches Corps (fast sämmtlich von der 3. Di

vision v. Walther)

XI. Corps.

V. Corps (fast sämmtlich von der 19. Brigade)
Garde Corps (meist Artillerie und Garde Füsiliere)

XII. Corps

IV. Corps (meist 71er)

Total.

2079.

1982.

2078.

. . 1001.

566.

1363.

337.

9406.

Dem ungeheueren Erfolge gegenüber erschien dieser Einsatz gering, troßdem er größer war, als der bei Königgrät. So wurde denn, unmittelbar nach der Schlacht, von »verhältnißmäßig unbedeutenden Verlusten« gesprochen; ein Ausdruck, der übrigens eben so sehr mit Rücksicht auf die 40,000 Mann, die wir in den drei Tagen« vor Mez gelassen hatten, als im Hinblick auf das colossale Sieges - Resultat dieses Sedan-Tages gewählt sein mochte.

Am meisten gelitten hatte die 19. Brigade (Regimenter 6. und 46.); demnächst die dritte baierische Division v. Walther. Die Verluste des 1. baierischen Corps v. d. Tann und unseres XI. Corps halten sich genau die Wage.

Gefallen waren oder ihren Wunden erlegen: Generallieutenant von Gersdorff, der an Stelle des bei Wörth verwundeten Generals v. Bose das XI. Corps führte,*) Oberst v. Bessel vom 94., Oberstlieutenant v. Bassewih vom 95. Regiment, Oberst v. Scherbening und Hauptmann v. Noon

*) Hermann Constantin v. Gersdorff wurde am 2. Dezember 1809 in Kießlingswalde bei Görlig geboren. Im Cadettencorps zu Dresden erhielt er seine militairische Vorbildung. Die Lehrjahre gehörten dem 2. Garde-Regiment zu Fuß (in welches er 1827 eintrat), dem Garde-Reserve-Regiment und dem Garde-Schüßen - Bataillon an. Die Wanderjahre führten ihn in die Schweiz er war 1841 Werbe-Offizier in Neufchatel und in den Kaukasus. Mit seinem 1866 gebliebenen Freunde Hiller v. Gärtringen und dem in diesem Feldzuge so berühmt gewordenen General v. Werder durfte er 1842 und 1843 an einem Feld. zuge der russischen Truppen Theil nehmen. Seine im Jahre 1844 entstandene Schrift: »Patrouille

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