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Mittelsalon hat die Unterredung zwischen dem König Wilhelm und dem Kaiser Napoleon stattgefunden, während selbst der Kronprinz in dem vordern Glassalon zurückblieb. In dem Glassalon zur Linken, der eben so einfach möblirt ist, wie der zur Rechten, lagen zwei Bogen einer illustrirten Ausgabe des Lebens Cäsars auf dem Tische. Der eine enthält Capitel VII. >>Les Germains dans la Gaule«. Der Besizer der Villa ist ein Herr Amour, ein Negociant, dessen Bild man, sammt den Portraits seiner Familie, in einem etwas weiter nach hinten liegenden Schlafzimmer sehen kann. Hier war noch Alles so, wie es die Familie verlassen hatte.«

In und um Sedan.

2. September Nachmittag.

Um 24 verließ der König Schloß Bellevue; fünf Stunden lang (bis 71⁄2)

befuhr er das meilenweite Schlachtfeld. »Der Empfang der Truppen,« so schreibt er selbst, »das Wiedersehen des decimirten Garde-Corps, das Alles kann Ich Dir heute nicht beschreiben; Ich war tief ergriffen von so vielen Beweisen der Liebe und Hingebung.« Ein anderer Bericht sagt: »Der König erschien bei den, Garden, als die Dämmerung bereits hereingebrochen war. Ein dumpfes Brausen, das mit jedem Augenblick lauter und deutlicher wurde, kündete sein Nahen an. Bald unterschied man das Hurrahrufen der Soldaten, und dann sah man eine Reitergruppe, die in scharfem Galopp querfeldein daher gesprengt kam; an ihrer Spiße König Wilhelm. Die Garden empfingen ihn mit unbeschreiblichem Jubel und des Königs Antlig zeigte tiefe Rührung und innige Freude. Er umarmte den commandirenden General, Prinzen August von Würtemberg, und sprach in kurzen, bewegten Worten seine Anerkennung für die Dienste aus, die das Corps am glorreichen Tage von Sedan geleistet habe. Die Soldaten waren kaum in Reih und Glied zu halten, und viele drängten sich, die Helme schwenkend, vorwärts, um den greisen Feldherrn von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Die Offiziere des königlichen Stabes unterhielten sich unterdessen mit den Offizieren des Garde - Corps und brachten ihnen die märchenhaft klingende Kunde von der Gefangennahme des Kaisers und seiner Armee; denn bei den Truppen selbst waren alle diese Dinge noch nicht bekannt geworden.«

Vom Schlachtfelde aus kehrte König Wilhelm nach Vendresse zurück.*)

Er traf daselbst erst nach Mitternacht ein.

*) Hier wurden Tags darauf (am 3.; Ruhetag) alle höheren Offiziere des Hauptquartiers zur königlichen Tafel geladen, bei welcher die Regimentsmusik des Königs - GrenadierRegiments Nr. 7. musicirte. Da die königliche Tafel während der Campagne immer sehr einfach

Etwa um dieselbe Zeit, wo König Wilhelm das weite Schlachtfeld zu befahren begann, rückten die ersten deutschen Truppen in Sedan ein. Schon vorher hatte sich innerhalb der Festung alle und jede Disciplin gelöst; sie wiederherzustellen war die Wimpffen'sche Proclamation, die wir auf S. 575 mitgetheilt haben, völlig außer Stande. Alles ging drunter und drüber. Ein französischer Offizier hat das wüste Schauspiel jener Stunden wie folgt geschildert:

»Viele Soldaten zerschlugen in ihrer Wuth die Gewehre, und die Straßen waren mit zerbrochenen Waffen aller Art übersäet. Zerbrochene Säbel, Flinten, Pistolen, Lanzen, Helme, Cürasse, selbst Mitrailleusen bedeckten den Boden, und an einer Stelle, wo die Maas durch die Stadt fließt, verstopften die Haufen solcher Trümmer den Strom. Der Schmuß in den Straßen war schwarz von Pulver. Die Pferde waren an die Häuser und an die Kanonen angebunden, aber Niemand dachte daran, ihnen Futter oder Wasser zu geben, und so rissen sie sich, vor Hunger und Durst wild geworden, los und rannten durch die Straßen. Wer da wollte, konnte ein Pferd bekommen; er mußte es sich nur einfangen.

Als die. Preußen in die Stadt kamen, waren sie über den Anblick all dieser Zerstörung und Verschleuderung sehr aufgebracht. Verschleudert war auch die Kriegskasse. Sobald die Uebergabe beschlossen worden, hatte man nämlich den Offizieren gesagt, sie sollten möglichst hohe Rechnungen ausstellen, sie sofort einreichen und Zahlung empfangen. Natürlich reichten solche Rechnungen bald hin, den Schatz zu leeren. Ich kenne Offiziere, welche Zahlung für Pferde, die nicht getödtet worden, und für Gepäck, das sie nicht verloren hatten, forderten und erhielten. Demoralisation zeigte sich in jeder Weise. Selbst die Fahnen wurden verbrannt oder vergraben, ein Act der Treulosigkeit, der selbst durch den Schmerz und die Wuth einer geschlagenen Armee nicht beschönigt werden kann. Gegen Niemand war die Wuth größer als gegen General de Failly. Er hatte ein Zimmer in dem Hotel, wo ich logirte. Am Freitag versammelte sich eine große Menge Soldaten vor dem Hause, dessen Thüren geschlossen waren und verlangten mit solchen Rufen und Drohungen nach dem General, daß der Wirth es für räthlich hielt, ihn schleunigst durch ein nach hinten gehendes Fenster zu entfernen. «

ist und nur gewöhnlicher Tischwein getrunken werden darf, so befahl der König eigens, aus Veranlassung der glorreichen Erlebnisse, Champagner zu serviren und brachte die folgende Gesundheit aus: »Wir müssen heute aus Dankbarkeit auf das Wohl Meiner braven Armee trinken. Sie, Kriegsminister v. Roon, haben unser Schwert geschärft; Sie, General v. Moltke, haben es geleitet, und Sie, Graf v. Bismarck, haben seit Jahren durch die Leitung der Politik Preußen auf seinen jezigen Höhepunkt gebracht. Lassen Sie uns also auf das Wohl der Armee, der drei von Mir Genannten und jedes Einzelnen unter den Anwesenden trinken, der nach seinen Kräften zu den bisherigen Erfolgen beigetragen hat.«

Einem deutschen Berichte entnehmen wir das Folgende:

»Vor dem Festungsthore traf ich gerade zum glücklichsten Moment ein. Oberst - Lieutenant v. Bronsart und ein baierischer Offizier hielten zu Pferde zwischen den beiden Außenthoren und unterhandelten mit einem sehr jungen blondbärtigen, ungemein prächtig ausstaffirten, hohen französischen Militair auf arabischem Schimmel, über die Paragraphen anscheinend eines Capitulationsentwurfs, den der erstgenannte in der Hand hielt. Während deß kam ein zweiter von der Brücke her herangeritten, begleitet von einem Husarentrompeter mit tief in die Brauen gedrückter Bärenmüße und einem Lancier ohne Czako, mit der weißen Fahne am Arm. Nach einigen Worten jagten die drei mit den Baiern die Chaussee hinauf, ersichtlich nach Bellevue hin, und Herr v. Bronsart hatte das triste Geschäft des stummen Harrens neben dem Franzosen bis zu ihrer Rückkehr. Endlich schienen die letzten Schwierig. keiten beseitigt zu sein. Herr v. Bronsart wies auf die Karte und dann mit der Hand den Weg draußen, um den Graben herum, nach der Maaswiese und dem Kanal hin, wo ein Spalier von Baiern der mit ihren Waffen abziehenden Truppen warten würde, um sie dort zu entwaffnen. Die Parla mentaire ritten hinein. Noch einmal kam ein junger kokett in Scene gesezter Offizier in blauer, schwarzgestickter pelzbesezter Blouse und rothen Hosen herauscourbettirt, von ein paar Kofferträgern begleitet, und schien um die Erlaubniß zu unterhandeln, geradeaus zum Kaiser reiten zu dürfen. Daß ich auf seiner Reisetasche den Namen » le Prince Achille Murat « las, erklärte mir unschwer die gewährte Erlaubniß.

Dann eine Pause fast unheimlicher Spannung. Die Wälle hatten sich mit tausenden von lärmenden und schreienden französischen Soldaten bedeckt. Endlich öffneten sich alle Thore, und aus der dunklen Höhlung des innersten bewegte sich über die dunkle Brücke hin ein wunderbarer Zug: die zu ihrer Entwaffnung ausziehende Artillerie. Ein trauriges und erschütterndes Schauspiel! Man brauchte nur diese zu Skeletten abgemagerten Pferde, diese haltungslosen, hohläugigen, abgehezten, hungrigen, theils düster verzweifelten, theils frech lustigen Reiter und Bedienungsmannschaften, dieses in völligen Verfall, in desolate Auflösung gebrachte Material der Wagen und Geräthschaften zu sehen, um die Unvermeidlichkeit des Schicksals einer vor wenig Wochen sich noch so unbesieglich dünkenden Armee zu begreifen. Der eine ritt, das Hemd über den Hosen, der eine in Strümpfen, der andere in gänzlich zerfeßter Uniform, ohne Müße, ein Tuch um den Kopf; sie hingen in den Sätteln und auf den Kanonen, wie es der Zufall gab. Ich dachte an Göthe's Schilderung des Auszugs der besiegten republikanischen Besatzung aus Mainz, »jeder Einzelne einem Don Quixote ähnlich, sahen sie doch im Ganzen höchst ehrwürdig aus«. Davon freilich war hier

wenig zu spüren. Verfall und unhaltbares Verkommen, das sein Schicksal erfüllen muß. Aber, wenn dem Franzosen nichts mehr bleibt einen Theatereffekt muß er haben, um sich daran in allem Elend zu erquicken und aufzurichten. Von den Wällen her wurde das Geschrei immer lauter: »à l'eau, à l'eau!« das ich mir anfangs gar nicht zu erklären wußte. Das Räthsel löste sich bald. Ein Offizier der ausziehenden Truppen riß sein Portépée ab, brach seinen Degen über dem Knie und schleuderte Alles von der Brücke in den Stadtgraben. Ah bravo! bravo! von allen Wällen. Das fand Nachahmung. Ein Reiter nach dem andern riß den Säbel von der Seite, die Patronentasche von der Schulter, die Müße vom Kopfe und warf sie wüthend herab.«

Wir beschließen dies Capitel mit einer Schilderung des Schlachtfeldes, wie es sich am 2. Nachmittags darstellte.

»>Am Thore von Sedan waren wir abgewiesen worden; so mußten wir die Hoffnung aufgeben, auf kürzestem Wege, nämlich durch die Festung, zum jenseitigen Schlachtfelde zu gelangen. Sowohl die Pontonbrücke, als die ungesprengte Brücke über die Maas bei Donchery lagen zu weit ab, um auf ihnen den Uebergang zu suchen. In dieser Verlegenheit erfuhren wir, daß in nicht allzugroßer Entfernung eine Fähre sei, die uns hinüberfahren könne. Längs der Eisenbahn vorgehend, kamen wir nach einem halbstündigen Marsche in ein stilles Dorf, das von Granaten und Brand noch verschont geblieben war. Hier war auch ein altes Mütterchen, das die Fähre über die Maas lenkte.

Unmittelbar jenseits des Flusses auf der weiten Wiesenfläche, welche sich von ihr aus bis zur Straße am Fuß des Hügels mit der »>einsamen Pappel« erstreckt, beginnen die Spuren des Kampfes. Man hatte in der Nacht zuvor und am Morgen zwar bereits bedeutend aufgeräumt. Aber es blieb noch immer genug an Pferdeleichen und besonders weggeworfenen feindlichen Cürassierwaffen und Rüstgegenständen, Panzern, Helmen, Pallaschen. Die Reiterleichen selbst aber, untermengt mit denen unserer Jäger und Infanteristen, besonders vom V. Corps, lagen vom beginnenden Hügelabhang an bis zu dessen Kuppe hinauf in immer dichterer Menge. Dort hatten sich, nach 1 Uhr, am Tage zuvor jene Schwadronen von Chasseurs d'Afrique und Lanciers auf sie gestürzt mit ihrer ganzen zermalmenden Wucht, an ihrer Spize General Margueritte, dann, nach dem Tode des Leztern, Marquis Gallifet, der Gemahl der berühmten rothblonden Marquise.

Am Hügelabhang war man in eifrigster Thätigkeit, die kaum zu bewältigenden Massen der Todten wegzuräumen. Lange Gruben waren gegraben und

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