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»Der Kaiser wird für seine Person Alles erhalten, was ihm belieben wird zu verlangen.« *)

Auf diese Worte General v. Moltke's wiederholte v. Wimpffen nur: »So werden wir denn die Schlacht wieder aufnehmen. «<

»Um 4 Uhr früh läuft der Waffenstillstand ab. Ich werde um diese Stunde das Feuer auf die Stadt eröffnen lassen.«

Die Unterhandlungen waren am Ende; Alles schien gescheitert; die Pferde wurden befohlen. Niemand sprach; es war ein eisiges Schweigen.

In diesem Augenblick nahm Graf Bismarck noch einmal das Wort: »Ja, General, Sie verfügen über tapfere Soldaten und Ihre erneuten Anstrengungen werden uns neue, herbe Verluste verursachen; aber wozu kann es dienen? Morgen Abend werden Sie nicht weiter sein wie heute und nur das Bewußtsein wird Sie begleiten, das Blut Jhrer und unserer Soldaten nuglos vergossen zu haben. Soll eine momentane Verstimmung über das Schicksal dieser Conferenz entscheiden! General v. Moltke wird Ihnen, wie ich hoffe, den Beweis führen, daß jeder Widerstand von Ihrer Seite vergeblich ist.«

Man sezte sich wieder. General v. Moltke nahm das Wort: »Ich bestätige aufs Neue, daß ein Durchbrechungsversuch nie und nimmer gelingen kann; denn abgesehen von unserer großen Ueberlegenheit an Truppen und Artillerie, verfügen wir auch über Positionen, von denen aus wir im Stande sind, Sedan in zwei Stunden in Brand zu schießen.«

»Oh, diese Positionen sind nicht so stark, wie Sie sie schildern,« unterbrach v. Wimpffen.

»Sie kennen nicht die Topographie der Umgebungen von Sedan,« fuhr General v. Moltke fort, »und hier ist so recht ein Fall gegeben, um die Einbildungen Ihrer Nation an einem Musterbeispiel zu zeigen. Bei Beginn des Feldzuges sind Karten von Deutschland an alle Offiziere der französischen Armee vertheilt worden und so haben sie sich selber des Mittels beraubt, in entscheidenden Momenten sich im eigenen Lande zurechtfinden zu können. Es ist, wie ich gesagt habe: unsere Positionen sind nicht nur sehr stark, sie sind unangreifbar.«<

General v. Wimpffen fand keine Antwort; er fühlte zu sehr die Wahrheit dessen, was gesagt worden war. Nach einer Pause bemerkte er: »Ich würde gern von dem Anerbieten Nußen ziehen, das Sie mir, General,

*) Capitain d'Orcet macht hier eine Anmerkung, in der es heißt: »Es schien mir eine gewisse Meinungsverschiedenheit (une secrète divergence d'opinion) zwischen Graf Bismarck und General v. Moltke obzuwalten, die dahin ging, daß jenem eine Beendigung des Krieges nicht ungelegen gewesen wäre, während dieser (Moltke) die Fortsetzung des Kampfes wünschte. «<

Fontane 1870/71. I.

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bei Beginn unserer Unterredung gemacht haben; gestatten Sie mir, zur Kenntnißnahme Ihrer Positionen einen meiner Offiziere absenden zu dürfen. Nach seiner Rückkehr will ich meine Entscheidung treffen.«<

»

»Schicken Sie Niemanden, es ist nuglos,« erwiderte General v. Moltke trocken, »Sie können mir glauben. Ueberdies bleibt nicht viel Zeit mehr zu Ueberlegungen. Es ist Mitternacht; um 4 Uhr früh läuft der Waffenstillstand ab und ich kann Ihnen keine längere Frist bewilligen.«<

»Unter allen Umständen kann ich eine so wichtige Entscheidung nicht allein treffen,« replicirte Wimpffen, »ich muß meine Generale zu Rathe ziehen. Wo soll ich sie zu dieser Stunde in Sedan finden; eine bestimmte Antwort bis um 4 Uhr zu geben, ist unmöglich; eine kurze Verlängerung des Waffenstillstandes scheint mir unerläßlich zu sein.«

Als General v. Moltke dies verweigerte, neigte sich Graf Bismarck etwas nach rechts und flüsterte ihm einige Worte zu, die wahrscheinlich darauf hinwiesen, daß der König erst um 9 Uhr einträfe, und daß es nöthig sein werde, dies Eintreffen abzuwarten. Gleichviel, General v. Moltke wandte sich nach diesem kurzen, in gedämpfter Stimme geführten Zwiegespräch an v. Wimpffen, um ihm mitzutheilen, daß der Waffenstillstand bis 9 Uhr verlängert werden solle.

Hiernach war die Conferenz im Wesentlichen beendet; was noch gesprochen wurde, betraf einige Details, für den Fall eines Zustandekommens der Capitulation. Im Prinzip (diesen Eindruck gewann ich) war, als die Unterredung schloß, die Capitulation Seitens des Generals v. Wimpffen angenommen. Daß er den sofortigen Abschluß vermied, geschah einerseits um den Schein zu retten, andererseits um die Verantwortlichkeit dadurch nach Möglichkeit zu verringern, daß er die übrigen Generale zu Mitträgern dieser erdrückenden Last machte.

Dies der Bericht Capitain d'Orcets vom 4. französischen Cürassier Regiment. Er wurde in den Wintermonaten 1870–71 in Stettin abgefaßt und später dem General Ducrot zur Verfügung gestellt, der ihn veröffentlicht hat. Im Ganzen genommen decken sich diese Aufzeichnungen vorzüglich mit der Darstellung, die Wimpffen selbst von dieser denkwürdigen »>Conferenz von Donchery« gegeben hat.

Am 2. September, 7 Uhr früh, war der Kriegsrath versammelt, der über Annahme oder Verwerfung unserer Bedingungen entscheiden sollte. Er bestand aus den Corps - Commandeuren, den Divisionsgeneralen und den Commandeuren vom Artillerie- und Genie-Corps.

General v. Wimpffen theilte mit, daß der Inhalt der stattgehabten Unterhandlung sich dahin zusammenfassen lasse, daß deutscherseits die tapfere

Haltung der Armee anerkannt und darauf hin eine ehrenvolle Behandlung zugestanden worden sei, daß indessen so habe sich General v. Moltke geäußert die Forderungen der Politik nicht außer Acht gelassen werden könnten, Forderungen, die gebieterisch erheischten, daß die französische Armee capitulire. Sie werde kriegsgefangen nach Deutschland geführt werden. Die Offiziere sollten ihren Degen und ihre Equipirung behalten, die Soldaten ihre Waffen in den Magazinen der Stadt niederlegen.

Man kam nach kurzer Debatte überein, mit Rücksicht darauf, daß es absolut an Munition und Lebensmitteln gebräche, daß alle Communication gehemmt, die Stadt überfüllt und von der gesammten feindlichen Artillerie (die im Falle weiteren Widerstandes ein ebenso furchtbares wie nußloses Blutbad herbeiführen werde) umstellt sei, die Bedingungen des Feindes anzunehmen und gab diese Entschließung wie auch die Motive zu Protokoll. Dann wurde das betreffende Schriftstück von den Generalen Wimpffen, Ducrot, Lebrun, Douay, Fargest und Dejean unterzeichnet.*)

Noch vor 9 Uhr hatte man im deutschen Hauptquartier Kenntniß von der Annahme der gestellten Bedingungen; so unterblieb der Wiederbeginn des Bombardements. Nur die Einzelnheiten waren noch zu regeln. Dies geschah zu späterer Stunde.

*) Zwei von den Divisions - Generalen, die Generale Pelle und Carré de Bellemare, fanden die Bedingungen entehrend und stimmten für Ablehnung, also für Fortseßung des Kampfes. General Ducrot, in seiner Schrift »La Journée de Sedan« hebt zwar hervor, daß beide Generale schließlich ihren Widerstand aufgegeben und der Ansicht der Mehrheit sich angeschlossen hätten, doch scheint dies nach einem am 3. September geschriebenen Briefe des Generals Pellé nicht der Fall gewesen zu sein. Dieser Brief lautet: »Sedan, 3. September. Ich bin Kriegsgefangener mit der ganzen Armee. Niemals ist einem Volke eine solche Beleidigung zugefügt worden. Sage Deinem Bruder, daß, wenn das Kriegsgericht zusammenberufen wird, um über die Uebergabe der Armee abzuurtheilen, so wird er hören, daß zwei Generale die Ansicht, zu capituliren, nicht theilten; man hat sie nicht genannt. Sage ihm, daß er schreibe, und daß alle Welt wisse, daß die zwei Generale, die ihre Zustimmung nicht gaben, der General Pellé und der General Carré de Bellemare waren. Der Divisionsgeneral Pellé. « Bewundern können wir solch Schriftstück nicht. An der Einsicht, daß fortgesetter Widerstand die Stadt und die Armee innerhalb zweier Stunden vernichtet haben würde, konnte es beiden Herren unmöglich gebrechen, so war ihre Abstimmung, deren Ungefährlichkeit ihnen einleuchtete, nichts besseres als bequeme Popularitätshascherei. In solchen Momenten muß man darauf verzichten können, eine Sonderstellung einnehmen oder etwas Apartes sein zu wollen. So haben auch die französischen Generale die Sache aufgefaßt und (wie wir nachträglich erfahren) dem General Pellé eine ernste Reprimande ertheilt. General Faure, Generalstabschef der Armee von Chalons, schrieb darüber das Folgende an General v. Wimpffen: »Le Général Pellé, qui n'a pas craint de traiter la capitulation de honteuse et de protester dans une lettre écrite à sa famille et publiée dans les journaux, a été mandé à Coblentz devant une réunion de généraux. Le Général Douay l'a trèsvertement traité et lui a reproché, avec raison, de vouloir se poser sur un piedestal et faire blanc de son épée aux dépens de ses camarades.«

Um 10 Uhr begab sich v. Wimpffen zu den preußischen Generalen zurück, mit denen er in der Nacht vorher unterhandelt hatte. Sie befanden sich nicht mehr in Donchery, sondern etwas näher nach Sedan zu, in dem bei Frénois gelegenen Schloß Bellevue. Hier war es, wo der Wortlaut der Capitulation festgeseßt, die Einzelnheiten der Uebergabe geregelt wurden. Wir kommen darauf zurück. Vorauf ging das Folgende.

v. Wimpffen, als er, um etwa 10%, die Höhe von Frénois erreicht hatte, begegnete daselbst dem Kaiser, der vergeblich bemüht gewesen war, den König zu sehen, statt dessen aber in aller Morgenfrühe (vergl. S. 583) ein eingehendes Gespräch mit dem Grafen Bismarck gehabt hatte. Der König hatte bestimmt erklärt, erst nach Abschluß der Capitulation mit dem Kaiser sprechen zu wollen.

Wimpffen, als er neben dem Wagen des Kaisers hielt, fragte: »Was haben Ew. Majestät erhalten?«

Nichts. Ich habe den König noch nicht gesehen.

»Dann bleibt es also bei den alten Bedingungen. Sie werden die Basis der Capitulation bilden.«<

Nach diesem Gespräch bog

General v. Wimpffen rechts ab, um sich nach Schloß Bellevue zu begeben. Er fand hier den Grafen Bismarck, verschiedene Generalstabsoffiziere, bald auch den General v. Moltke, der um eben diese Stunde dem Könige den Capitulations - Entwurf vorlegte.

Der König billigte denselben. Um 12 Uhr war Alles geregelt, die Capitulation abgeschlossen und unterzeichnet.

Wir geben den Wortlaut derselben an anderer Stelle (S. 587). Ebenso eine Schilderung der Ereignisse, sowohl auf der Höhe von Donchery wie in Schloß Bellevue, die der Unterzeichnung der Capitulation unmittelbar folgten.

Zuvor nehmen wir in unserem nächstfolgenden Kapitel Abschied vom General v. Wimpffen, dessen Name und Thun mit dem Tage von Sedan so eng verknüpft worden ist.

General v. Wimpffen's Abschied.

Wimpffen und Ducrot.

General v. Wimpffen kehrte, nach Abschluß und Unterzeichnung der Capitulation in Schloß Bellevue, nach Sedan zurück. Er fand die Dinge hier, wenn man lediglich seinen Aufzeichnungen folgt, nicht allzu schlimm. »Die Offiziere gaben ihren Soldaten das Beispiel ruhiger Ergebung, wie sie ihnen bis dahin ein Vorbild des Muthes und der Aufopferung gewesen waren. Ich hörte kein bitteres Wort; im Gegentheil, man erwies mir einen besonderen Respekt, wie um mir zu zeigen, daß man das Opfer zu würdigen wisse, das ich, mit Hintanseßung meiner Person, um der Armee willen gebracht habe.« Möglich, daß sich dem General die Dinge so günstig darstellten, in Wahrheit lagen sie anders. Wir geben S. 593 eine Darstellung der Zustände, wie sie am 2. September in Sedan die herrschenden waren. Auch die anderen Generale, so weit sie sich über die Schlacht und ihre unmittelbaren Folgen geäußert haben, sprechen von einer »völligen Desorganisation der Armee«. Alle Disciplin war aufgelöst. General Faure, aufgefordert über die Verluste zu berichten, erwiderte: daß es kaum möglich sein werde, sie auch nur annähernd zu bestimmen, da alle Truppentheile aus dem Zusammenhang gekommen seien. Dies war das Richtige.

Im Laufe des Nachmittags erließ General v. Wimpffen nachstehende Proclamation an die Armee. Es war zugleich ein Abschiednehmen von ihr.

Proclamation.

»Soldaten! Gegen sehr überlegene Kräfte habt Ihr Euch gestern geschlagen. Von frühem Morgen an bis in die Nacht habt Ihr dem Feinde mit größtem Muthe Widerstand geleistet und Eure lezte Patrone verschossen. Erschöpft vom Kampfe, habt Ihr der Aufforderung Eurer Generale und Offiziere, Euch bis Montmedy durchzuschlagen und dem General Bazaine die

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