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Sedan.

Sedan.

Unter den Festungen an der Maas und ihres Nebenflusses des Chiers, ist Sedan die bedeutendste, nicht in fortificatorischer aber doch in städtischer Beziehung. Es ist Hauptort des gleichnamigen Arrondissements im ArdennenDepartement, hat gegen 18,000 Einwohner und genießt eines hohen Ansehens durch seine Tuchfabriken. Ein Drittel seiner Bevölkerung ist in diesen Fabriken beschäftigt. Tuch und Kasimir, darunter die berühmten Sedantücher, werden hier zu einem jährlichen Betrage von 16 Millionen Franken producirt. Ebenso sind hier die Sedanchairs oder Porte - Chaisen zu Hause, die nur noch im Englischen ihren alten Namen, der auf ihren Entstehungsort hindeutet, behalten haben.

Seine Bedeutung als Festung hat Sedan, wie schon angedeutet, seit Einführung der gezogenen Geschüße mehr oder minder eingebüßt. Die einfassenden Höhen, namentlich von der Südseite her, gestatten einen Einblick und ein Bombardement.

Dieser Umstand, wie wir im Verlaufe dieses Abschnitts sehen werden, beschleunigte die Katastrophe. Die Anwesenheit von Magazinen und Waffenvorräthen vermochte wohl seine Bedeutung als Kriegsplay ersten Ranges, aber nicht seine Festigkeit zu steigern.

Historisch bleibt zu erwähnen, daß Sedan bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts hinein ein selbstständiges Fürstenthum an der Nordgrenze Frankreichs war. Mehrfach wechselte es seine Besizer; 1588 kam es an Heinrich Herzog von Bouillon La Tour d'Auvergne, unter dessen ältestem Sohne es in ausbrechenden Fehden für immer an die Krone Frankreich gelangte (1642). Der zweite Sohn des Herzogs von Bouillon war Henri de La Tour d'Auvergne Vicomte von Turenne, 1611 auf Schloß Sedan geboren. Er setzte eine größere Ehre darin Marschall von Frankreich als Fürst von Sedan zu sein.

Die Stadt, deren größter Sohn er ist, errichtete ihm 1823 ein bronzenes Standbild auf dem Plaz vor dem Stadthause. Es trägt einfach die Inschrift »>Turenne«. Wenn man ihn so stehen sieht, begreift man kaum, daß es in seinen Biographieen heißt: »er war bis in sein spätes Alter den Frauen sehr ergeben«. Zwischen diesem Plaze und der Citadelle läuft die Rue de Commerce, die belebte mit alten und zum Theil pittoresken Häusern besezte Hauptverkehrsstraße der Stadt. Anmuthig sind die Partieen am Flusse hin, die einen prächtigen Blick auf das Panorama gestatten, das die Windungen der Maas, die einfassenden Hügel und endlich, diese überragend, die dunklen Waldberge der Ardennen schaffen.

Dies führt uns auf das Terrain überhaupt. Um die Kämpfe, die sich vorbereiteten, zu verstehen, ist es nöthig, bei diesem »Sedan - Panorama« noch einen Augenblick zu verweilen.

Ein unter Spezialkarten großgezogener Generalstabsoffizier, der sich mit Hülfe genauester Pläne ein Schlachtfeld so sicher aufbaut, wie ein die Partitur lesender Musiker die ganze Oper bereits auf sich hereinbrausen fühlt, ein solcher Generalstabsoffizier mag, wenn er, während der Kriegswochen,

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von Sedan las, diese für alle Zeit berühmt gewordene Localität klar und plastisch und richtig vor seiner Seele gehabt haben; anders der gewöhnliche, mit der Plan- und Karten-Sprache unvertraute Leser, der mit seinem Verständniß auf den Zeitungsbericht und ein eingezeichnetes Drei - Linien - Croquis angewiesen war. Er wird sich (wie es uns selbst erging) die Gesammtlocalität von Sedan in Gestalt einer Tortenform gedacht haben, in deren Mitte unten die Franzosen standen, während die Deutschen oben auf dem Rande der Form erschienen. Diese begannen nun von allen Seiten her auf den unten in Massen stehenden Feind ein concentrisches Feuer zu richten, dem er schließlich erlag. Diese Vorstellung von Sedan ist auch keineswegs unrichtig, sie reicht nur einfach nicht aus. Die Localität ist um etwas complicirter. Sehen wir wie.

Der mit Küchenapparaten und Backgeräthschaften auch nur oberflächlich Vertraute wird wissen, daß die Tortenform die wir nach wie vor im Dienste plastischer Ortsbeschreibung verwenden ohne an ihrer Simplicität erhebliche Einbuße zu leiden, in allerhand Spielarten vorkommt, unter denen eine sich dadurch auszeichnet, daß aus dem Mittelpunkte der Vertiefung eine Art Bergkegel auftaucht, der nach phantastischer Klempnerlaune mal dicker, mal dünner, mal zugespißt, mal plateauartig, mal in einfacher Rundung, mal in senkrecht gestellter Wellenlinie in die Erscheinung tritt.. Hier haben wir die Sedanlocalität wie sie leibt und lebt. Auf diesem aus dem Mittelpunkt der Vertiefung auftauchenden, alle jene Formationen grotesk in sich vereinigenden Kegel,*) an dessen Fuße Sedan selbst gelegen ist, standen die Franzosen, die gegen den weitgespannten Tortenrand hin, ja bis auf diesen hinauf, einzelne Divisionen vorgeschoben hatten.

Diese Andeutungen mögen genügen. Weitere Ausführungen verwirren nur.

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*) Nicht die plastische Anschaulichkeit, wohl aber die Correctheit des Bildes vermag ich durch ein Amendement des Vorstehenden noch um ein Weniges zu steigern. Dieser aus der Mitte aufwachsende, zersplissene Kegel ist, auf seine Grundform zurückgeführt, weniger ein enggezogener Kreis als ein Dreieck. Der Fuß des Dreiecks die Maas; der Bach von Floing die linke, der Bach von Bazeilles die rechte Seite. Will man das Dreieck nach Punkten bestimmen, so handelt es sich um Floing, Bazeilles und Jlly. Jlly oben an der Spize, Floing-Bazeilles unten der Fuß. Innerhalb dieser drei Punkte, oder was dasselbe sagen will, innerhalb der drei genannten Wafferläufe, erhebt sich jene unregelmäßige, dreiseitige Kegelpyramide, auf der die Franzosen Stellung genommen hatten. Ein zurückgelegener Kranz bewaldeter Berge, wie schon im Texte angegeben, umspannt diese Position in meilenweitem Bogen. Die Angriffs Linien gingen radienweise von diesem Bogen aus gegen die Mitte.

Fontane 1870/71. I.

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