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Beinah gleichzeitig trafen beide Colonnen an der westlicheren der beiden Brücken, die hier über die Maas führen, zusammen. Eine Trainabtheilung, die zunächst wagenburgartig vom Feinde vertheidigt, dann aber durch die Unseren genommen worden war, fiel uns hier in die Hände. Sie bildete wahrscheinlich die zweite, noch zurückstehende Hälfte jener ProviantColonne, deren andere Hälfte (S. 453) seitens der 16. Brigade erbeutet worden war. In allgemeiner und ersichtlicher Auflösung wichen die Reste des V. französischen Corps, untermischt mit Abtheilungen des XII., auf die eigentliche Stadt und das jenseitige Maasufer zurück.

Auch gegen dieses, nachdem die diesseitigen Brückenaufgänge beseßt worden waren, wurde noch gegen 9 Uhr Abends ein Vorstoß unternommen, der aber scheiterte.*) Der Feind am jenseitigen Ufer war zu stark, als daß ein solcher mit einzelnen Compagnieen unternommener Angriff irgendwie Aussicht auf Erfolg hätte haben können.

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Die Corps Artillerie des IV. Corps, die inzwischen auf dem Mont de Brune aufgefahren war, hatte, während dieser lezten Stunden des Gefechts, einen unausgesetzten Geschüßkampf mit der auf dem jenseitigen Maasufer stehenden feindlichen Artillerie geführt.

Aus diesem Artilleriekampf, wie aus der hartnäckigen Vertheidigung der Stadt selbst, mußte der Schluß gezogen werden, daß der Feind gewillt war, diese Position zu halten.

Dies war in der That der Fall. Aber der Zweck dieser hartnäckigen Vertheidigung war nicht die Position selber, sondern nur der ungestörte Abmarsch der am jenseitigen Ufer versammelten Corps, nicht ostwärts auf Montmedy und Meg, sondern westwärts auf Sedan.

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Die Verluste hüben und drüben.

Das V. Corps, de Failly, hatte in den Kämpfen südlich und nördlich von Beaumont 1800 Mann an Todten und Verwundeten, und 3000 Mann an Gefangenen verloren. Dazu 19 Geschüße, 8 Mitrailleusen und zahlreiches Kriegsmaterial. Die Verluste des XII. Corps, Lebrun, und der Cürassier-Brigade Béville sind in die obigen Zahlen nicht mit eingerechnet, doch können dieselben höchstens 500 Mann betragen haben.

Es würde sich daraus ergeben, daß auch dieser Sieg wieder -- wie

*) Die ganze Nacht verlief unruhig für unsere in Mouzon stehenden Truppen, namentlich für das an den Brückenaufgang gestellte Füsilier - Bataillon 27. Nicht nur drüben stand ein an Zahl weit überlegener Feind, auch diesseits wurden unsere Vorposten durch am linken Ufer befindliche Abtheilungen, die sich durchzuschlagen und das andere Ufer zu gewinnen trachteten, beständig alarmirt. Diese Versuche kosteten uns manches Opfer. Noch um 4 Uhr Morgens fand ein solches Gefecht statt, bei dem der Hauptmann der 12. Compagnie 27. Regiments getödtet wurde.

alle, die wir bis dahin erfochten hatten (Sedan war die erste Ausnahme) uns größere Opfer an Todten und Verwundeten auferlegte, als dem unterliegenden Feinde. Unser IV. Corps verlor an 3000 Mann, wovon 60 Unteroffiziere und 629 Mann allein auf das 66. Regiment entfielen. Die Verluste der 26er waren kaum geringer, die der 86er wahrscheinlich noch größer.

Die Resultate des 30. waren sehr bedeutend. Der Tag von Beaumont leitete den »Tag von Sedan« ein, wenngleich schon hier bemerkt werden mag, daß die Katastrophe vom 1. September nicht die natürliche und nothwendige Consequenz des 30. August, sondern erst die Folge von Fehlern war, die nachträglich und zu sehr erheblichem Grade unabhängig vom »Tage von Beaumont« begangen wurden. Wir kommen später darauf zurück.

Zum Schluß dieses Kapitels, wie dieses Tages (des 30.), werfen wir noch einmal einen Blick auf Beaumont selbst, das inzwischen aus einer Stadt der heitern Dejeuners, das es bis 12 Uhr Mittags gewesen war, sich in eine Hospital-Stadt, in eine düstere città dolente umgewandelt hatte. Jedes Haus ein Lazareth. Vor Allem die Kirche. Eine Schilderung davon ist uns aus jenen Tagen aufbewahrt geblieben.

Beaumont am Abend des 30.

»Die Stadt Beaumont, als wir am Abend einrückten, bot einen erschrecklichen Anblick dar. Man konnte sich nur mit Mühe durch die Straßen drängen, in denen Fuhrwerk an Fuhrwerk stand und Quartiere suchende Soldaten, sowie herrenlose Pferde umherirrten. Jedes Haus, jede Scheune, jeder Stall war, zum Ersticken voll, von Soldaten beseßt.

Die Verwundeten hatte man bestmöglich untergebracht. Aber es ging den Armen schlimm in dieser Nacht, wo für so Viele gesorgt werden mußte, und wo der größte Eifer der Aerzte und Gehülfen nicht genügte, um das Nothwendigste zu beschaffen. Auf dem Marktplage standen, saßen und lagen mehrere Hundert französischer Gefangenen, von einer halben Compagnie unserer Infanterie bewacht. Die Gefangenen gehörten den verschiedenartigsten Waffengattungen an. Einige sahen troßig und ingrimmig aus; der allgemeine Ausdruck, der auf allen Gesichtern zu lesen war, war der gänzlicher Ermattung. Viele lagen auf dem kalten, harten Pflaster und waren dort eingeschlafen; die andern bewahrten anscheinend nur noch mit großer Mühe eine gewisse militairische Haltung. Wenn man an die leichtfüßigen, eleganten Fantassins dachte, die so übermüthig, siegesgewiß in den

Kampf gezogen waren, und die stolzen Cavallerie-Regimenter, die von allen bewundert auf den Champs de Mars zu paradiren pflegten, so konnte man sich eines gewissen Bedauerns nicht erwehren, während man diese elenden Reste jüngst vergangener Größe und Herrlichkeit betrachtete.

Vor der Kirche lagen Tausende von Chassepots und Patronentaschen aufgestapelt; daneben Bänke und Stühle, die man aus der Kirche geschafft hatte, um dort so viel wie möglich Plaß für die Verwundeten zu gewinnen. Am schlimmsten sah es in der Kirche selbst aus. Der ganze Fußboden war mit Stroh bedeckt und bildete ein großes Schmerzenslager, auf dem Hunderte von Verwundeten, Deutsche und Franzosen stöhnten, jammerten, wimmerten, starben. Die Einen wanden sich in unerträglichen Schmerzen, Andere lagen steif und still, als wären sie schon aus diesem Leben geschieden; die leichter Verwundeten blickten, mit wilden, ängstlichen Augen nach Hülfe suchend, umher und einige, in blutbesudelte Mäntel gehüllt, krochen auf allen Vieren einher, um sich ein wärmeres oder weicheres Lager zu suchen, oder um einen Schluck Wasser aus der großen Kruke zu holen, die auf einem niedrigen Tische in der Mitte der Kirche stand. Ein halbes Dußend großer Pechfackeln, die an den Strebefeilern befestigt waren, warfen ein dunkelrothes, unheimliches Licht auf das grausige Bild. Einige Aerzte, von Gehülfen begleitet, die im Zugwinde flackernde Kerzen trugen, eilten von Verwundeten zu Verwundeten, um ihnen die nothdürftigste Hülfe angedeihen zu lassen. Mehrere gefangene französische Aerzte und Krankenträger standen ihnen dabei treu zur Seite. In den schmalen Gängen, die zwischen den in langen Reihen systematisch nebeneinander gelegten Patienten gelassen waren, lagen blutige Verbände, zerrissene Kleidungsstücke und standen Stühle und kleine Tische, mit Medikamenten und chirurgischen Instrumenten bedeckt. Von Zeit zu Zeit hörte man den gellen, furchtbaren Schmerzensschrei eines Patienten, dessen Wunde der Arzt untersuchte. Dem Zuschauer trat der kalte Angstschweiß auf die Stirn und er verließ den Ort des Jammers, um ihn nie wieder aus dem Gedächtniß zu verlieren.«

Das I. baierische Corps v. d. Tann gegen das VII. französische

Corps Douay.

Warniforet, La Besace, Raucourt.

(30. August.)

Für den 30. August war von Seite des Armee-Obercommandos für das I. baierische Corps befohlen:

»Das Corps v. d. Tann marschirt früh 6 Uhr in zwei Colonnen über Bar und Busanch nach Sommauthe, von wo es in der Richtung der großen Straße gegen Beaumont vorgeht und den Feind zurückwirft.«

Früh 6 Uhr brach die 2. Infanterie - Division, General-Major Schumacher, aus ihrem Bivouac bei Sommerance auf und marschirte mit der 4. Brigade über Busanch, woselbst sie kurze Zeit rastete, nach Sommauthe. Die 1. Division, Stephan, welche zu gleicher Stunde von St. Juvin abmarschirt war, und die Reserve - Artillerie zwischen die 1. und 2. Brigade genommen hatte, rückte über Bar ebenfalls nach Sommauthe.

General v. d. Tann, welcher sich mit seinem Stabe an der Spige des Gros der Avantgarde befand, erhielt um 114 Uhr Vormittags die Meldung, daß Sommauthe und die diesseitige Lisière des südlich Beaumonts gelegenen Waldes vom Feinde frei sei, daß man aber westlich und östlich der Stadt Beaumont, sowie auf den Höhen nördlich derselben feindliche Lager bemerke.

Der commandirende General eilte an die Spiße der Avantgarde auf die Höhe nördlich von Sommauthe. Die soeben eingetroffene Meldung bestätigte sich vollkommen; man konnte deutlich vier feindliche Lager, jedes ungefähr für mehr als eine Brigade, erkennen, aber man bemerkte nicht den geringsten Sicherheitsdienst auf feindlicher Seite. Diese vollständige Vernachlässigung der gewöhnlichsten Vorsicht, in unmittelbarer Nähe eines großen,

Fontane 1870/71. I.

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jede Umsicht hemmenden Waldes, ließ während einiger Zeit den General v. d. Tann zweifeln, daß die Lager noch mit französischen Truppen beseht seien. Jeder Zweifel sollte indessen sehr bald schwinden. Gleich nach 12 Uhr sah man baierischerseits die Colonnen des preußischen IV. Corps aus dem Bois Dieulet debouchiren und die ersten Kanonenschüsse fielen.

Eine große Verwirrung im Lager bei Beaumont wurde sichtbar. Um die feindliche Rückzugslinie nachdrücklich zu bedrohen und vor Allem, um den sich allmälig um Beaumont concentrirenden Widerstand des Feindes gegen das IV. Corps zu brechen und dieses Corps kräftig zu unterstüßen, befahl General v. d. Tann der 2. Infanterie - Division ihren Aufmarsch nördlich des Waldes mit Aufbietung aller Kräfte zu beeilen und in nordwestlicher Richtung vorzudringen. Die an der Spiße befindliche 4. InfanterieBrigade debouchirte dann auch alsbald aus der Waldlisière, rückte, verdeft im wellenförmigen Terrain, links von ihren Batterieen vor und begann sodann den Aufmarsch, indem 3 Bataillone ins erste Treffen und 3 Bataillone in das zweite Treffen kamen.

Die Division Schumacher bei Warniforet.

Unter Festhaltung seines Planes, den Feind von seiner Rückzugslinie gegen Westen, falls er diese einzuschlagen gedenke, abzudrängen und ihn im Vereine mit den aus südlicher und östlicher Richtung lebhaft vorrückenden IV. und XII. Corps gegen Norden zu werfen, befahl General v. d. Tann der 3. Infanterie-Brigade, schleunigst der 4. Brigade zu folgen und links von dieser in das Gefecht einzugreifen.

Noch ehe die 3. Brigade indeß vollständig debouchirt war, und bevor sie ihren Aufmarsch begonnen hatte, machte sich gegen die linke Flanke der unterdessen in nördlicher Richtung gegen die Straße Beaumont- Stonne vor gehenden 4. Infanterie- Brigade ein lebhafter feindlicher Gegenstoß fühlbar, der aus der Richtung von Warniforet kam (21⁄2 Uhr). Diesem unerwarteten *) feindlichen Angriff, den Abtheilungen des hier stehenden VII. Corps Douay unternahmen, wurde von Seite der 4. Infanterie-Brigade sogleich entgegengetreten, indem einige Bataillone links schwenkten, und das feindliche Vorrücken theils auf hielten, theils durch eigenes Vorgehen den Gegner zum Weichen brachten.

*) Die Aufgabe des I. baierischen Corps für den 30. bestand zunächst lediglich darin, den Angriff unseres IV. Corps auf das Corps de Failly in der linken Flanke zu souteniren. Vier Bataillone, von denen eins (siehe S. 452) bei La Harnoterie, nördlich Beaumont, mit eingriff, kamen dieser ursprünglichen Aufgabe auch nach; alles Andere aber wurde einerseits durch diesen französischen Vorstoß von Warniforet her, andererseits durch direkte abändernde Ordres, von dem Vertikalmarsche gegen Norden nach links hinübergeschoben und kam in die Lage, statt soutenirend gegen das V. Corps de Failly, selbstständig gegen das VII. Corps Douay kämpfen zu müssen.

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