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errungen, einen Sieg, der auch dadurch nicht aufhörte ein solcher zu sein, daß während der Debatte selbst Herrn Thiers zugerufen worden war: »Jhre Rede schadet uns mehr, als eine verlorene Schlacht.« Am nächsten Tage schon (16.) begab sich eine Deputation des geseßgebenden Körpers zum Kaiser nach St. Cloud, um ihm die Mittheilung zu machen, »daß die Regierungsvorlage angenommen, die Subsidien bewilligt seien.« Der Kaiser erwiederte:

»Meine Herren! Ich empfinde. eine hohe Befriedigung, am Vorabende meines Abganges zur Armee, Ihnen für die patriotische Unterstüßung, welche Sie meiner Regierung gewährt haben, zu danken. Ein Krieg ist legitim, wenn er mit der Zustimmung des Landes und der Bewilligung seiner Vertreter geführt wird. Sie haben Recht, an die Worte Montesquieu's zu erinnern: »»Der wahre Urheber des Krieges ist nicht der, welcher ihn erklärt, sondern der, welcher ihn nothwendig macht.«« Wir haben Alles, was von uns abhing, gethan, um ihn zu vermeiden, und ich kann sagen, daß es das ganze Volk ist, welches unter seinem unwiderstehlichen Drange unsere Beschlüsse dictirt hat. Ich vertraue Ihnen bei meiner Abreise die Kaiserin an, welche Sie berufen wird, wenn es die Umstände erheischen sollten. Sie wird mit Muth die Pflicht erfüllen, welche ihre Stellung ihr auferlegt. Ich nehme meinen Sohn mit mir. Er wird inmitten der Armee lernen, seinem Lande zu dienen. Entschlossen, mit Thatkraft die große mir anvertraute Mission zu erfüllen, habe ich den Glauben an den Erfolg unserer Waffen, denn ich weiß, daß Frankreich hinter mir steht und daß Gott Frankreich beschüßt.«

Am andren Tage (17.) brach der Kaiser auf, um sich zur Armee zu begeben, erst nach Chalons, dann nach Meß. So laut das >> Vive l'Empereur« flang, das ihn begleitete, so gewiß es an die Tage seiner vollsten Popularität erinnerte, so fraglich bleibt es, ob er an den Erfolg seiner Waffen so unbedingt glaubte, als er der Deputation des geseßgebenden Körpers versichert hatte. Er brauchte diesen Erfolg zu nöthig, als daß er ganz ohne zweifelnde Sorge hätte sein können. Zudem hatte das Auftreten Thiers, dessen kriegerische, ja mit Rücksicht auf Preußen beinah chauvinistische Neigungen er kannte, eines Eindrucks auf ihn nicht verfehlt. Der Geschichtschreiber des ersten Kaiserreichs hatte diesen Krieg nicht blos als einen ungerechten, er hatte ihn auch als einen Fehler bezeich net. Das war das Schlimmste. Keinenfalls konnten Worte, wie die im gesetzgebenden Körper gesprochenen, im Lande verhallen, und wenn im eigenen Lande, so doch sicherlich nicht im Auslande.

Einer Natur wie der seinen aber widersprach es, Alles auf die Spitze des Schwertes zu stellen.

Die Vorgänge in Berlin.

Am 15. früh hatte der König Ems verlassen, um über Cassel, Göt

tingen, Magdeburg in seine Hauptstadt zurückzukehren. Ihm voraus war die Nachricht geeilt, daß der Krieg so gut wie gewiß sei, daß Frankreich Zumuthungen gestellt habe, die weder mit der persönlichen Würde des Königs, noch mit der Ehre des Landes vereinbar seien, und so gestaltete sich denn die Heimreise, die zum größeren Theile durch neue Provinzen führte, zu gleicher Zeit zu einer Huldigungsreise. Ueberall wo der Zug in die Bahnhöfe der Hauptstationen einfuhr, ertönten donnernde Hochs, wurde der König durch Volk und Behörden begrüßt, so namentlich in Cassel und Göttingen. An beiden Orten erwiederte der König die Ansprachen der Behörden. »Sie sehen Mich, Meine Herren so etwa lauteten seine Worte in der hessischen Hauptstadt — auf der Rückreise begriffen, um zu beschließen, was noth thut. Daß Sie Mir hier, in der Hauptstadt einer neuen Provinz, einen solchen Willkommen bereiten, solche patriotischen Gesinnungen entgegenbringen, thut Meinem Herzen wohl.« In Göttingen fügte er hipzu: »Die Lage ist ernst; der Uebermuth regt sich jenseits des Rheins wieder in alter Weise; man kann sich das Uebermaß der Prätensionen nicht länger gefallen lassen.«<

Aehnlich in Magdeburg. In Brandenburg hatten sich der Kronprinz, Graf Bismarck, die Generale v. Moltke und v. Noon zur Begrüßung des Königs eingefunden; endlich 8% Uhr glitt der Zug in den mit Tausenden von Menschen besetzten Potsdamer Bahnhof ein und in das ftürmische Hurrah der Menge mischten sich die Rufe: »Nieder mit Frankreich.«

Der König grüßte freundlichst nach allen Seiten, nahm von den Damen Blumensträuße entgegen und betrat dann den Wartesalon, wo er die städtischen Corporationen empfing und auf ihre Ansprache einige dankende Worte erwiederte. Dann bestieg der König den vor dem Bahnhof haltenden Wagen. Hunderte von Privat- Equipagen waren aufgefahren und schlossen fich an. Die Fahrt, welche mehr dem Triumphzug des siegreichen, als der

Heimkehr des tief beleidigten Königs glich, bewegte sich unter dem steten Zuruf der Massen durch die Link- und Königgräßerstraße zum Brandenburger Thor, dann die Linden hinunter zum königlichen Palais, wo die zur Stauung gebrachte Menschenwoge den Einzelnen fast erdrückte. Als der König aus dem Wagen stieg, trat er dicht an die von Offizieren aller Waffengattungen besezte Nampe heran, augenscheinlich in der Absicht, eine kurze Ansprache an das Volk zu halten. Der steigende Jubel, die sich durchkreuzenden Gesänge des Preußenliedes und der Siegeshymne, die Lebehochs und Hurrahrufe ließen ihn jedoch nicht zu Worte kommen. Unter den Linden wurden sofort Tische aufgestellt Behufs Unterzeichnung einer Adresse an den König, die sich schnell mit Tausenden von Unterschriften bedeckte. Die Volksmenge, welche das Palais umwogte, wuchs mit jeder halben Stunde; wiederholt mußte sich der König dem Volke am Fenster zeigen, das ihn entblößten Hauptes empfing. Als kurz vor 11 Uhr General v. Moltke sich in das Palais begab, wurde er auf dem ganzen Wege stürmisch begrüßt; es fehlte nicht viel, so hätte man ihn auf die Schultern gehoben und die Nampe hinaufgetragen. Die Begeisterung kannte keine Grenzen. Bald nach 11 Uhr hieß es: Se. Majestät ließe um Ruhe bitten, da der Kriegsrath während der Nacht noch eine schwere Arbeit vor sich habe. »Nach Hause!« erscholl es jezt plöglich in dem Gewühl, und wenige Minuten später lag der große Plaz vor dem Palais so ruhig, wie im tiefsten Frieden.

Wie im tiefsten Frieden! Aber im Palais, in den Kanzleien der Ministerien, in den Bureaus der Militairbehörden begann jezt die Arbeit. Noch in derselben Nacht (vom 15. auf den 16.) ergingen telegraphisch die Mobilmachungs-Ordres, Befehle wurden ausgefertigt an alle Stationen der deutschen Nordseeküste, die Seezeichen aufzunehmen und die Feuerschiffe einzuziehen, vor Allem schritt man zur Einberufung des Reichstags. Für den 21. Juli in Aussicht genommen, erfolgte sie jezt, mit Rücksicht auf die Lage, zum 19. schon.

Die Tage bis dahin waren vor Allem Huldigungs- und Zustimmungstage in Hunderten vielleicht in Tausenden von Telegrammen und Adressen. Magistrate und städtische Corporationen, Handelskammern und Universitäten, Börse und Studentenschaften, Alles drängte herzu, um in Person oder in Adressen das Gelöbniß unverbrüchlicher Treue und begeisterter unbedingter Opferwilligkeit darzubringen. »Was auch dieser uns aufgedrungene Krieg von uns fordern möge, wir sind bereit, es herzugeben, in dem festen Bewußtsein, daß des Einzelnen Glück und Wohlergehen nur unter dem Schuße eines mächtigen, für seine Ehre eintretenden Vaterlandes bestehen kann. « So klang es von allen Seiten. Selbst die avancirtesten Liberalen traten aus ihrer dem »herrschenden System« bekanntlich nicht allzu zugeneigten Hal

tung heraus, und unter Wahrung des Prinzips, das auch bei dieser Gelegenheit von »militairischer Dressur« und »übermäßiger Dienstzeit« nichts wissen wollte, wandten sie sich mit folgender patriotischer Ansprache an das Volk: »In dem Augenblicke, wo wir zu den Wahlen zum Reichstage und zum Abgeordnetenhause zu schreiten gedachten, ist ein Ereigniß eingetreten, welches für den Moment alle inneren Fragen verschwinden läßt vor der einen großen Angelegenheit: Erhaltung des Vaterlandes! Mag man den Krieg im Allgemeinen mißbilligen (und wir sind stolz, zu denen zu gehören, die dies thun), in einem Moment, wo ein übermüthiger Nachbar ohne jeden Grund Unbilliges und Demüthigendes von unserer Regierung verlangt hat, bleibt nur Eins übrig: ihn mit dem Schwerte in der Hand zur Vernunft zu bringen und so die Existenz und die Ehre des Vaterlandes zu sichern. Diese Aufgabe hat das deutsche Volk erkannt und es wird sie glänzend lösen, dess sind wir sicher. Naturgemäß muß, so lange die Existenz des Vaterlandes bedroht ist, aller Parteihader, aller Streit um innere Angelegenheiten zurücktreten ist der Feind von den Grenzen zurückgewiesen, ist die Existenz des Staates gesichert, dann wird es Zeit sein, mit Ernst und Eifer die Fragen über den inneren Ausbau unseres Staatswesens wieder in den Vordergrund zu stellen. . . Bis dahin kennen wir, ebenso wie das ganze Volk, nur einen Gegner. Das ist der Feind, welcher an den Grenzen unseres Vaterlandes steht. Ihm mit allen Kräften entgegenzutreten, zu seiner Bekämpfung jedes Opfer zu bringen, das ist jetzt die Aufgabe jedes Deutschen.«

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So die Fortschrittspartei. Was aber mehr noch als diese Kundgebungen der demokratischen Partei das Herz erheben konnte, das waren die Zurufe solcher, die jede alte oder neue Gegnerschaft, auch die verbittertste, vergaßen und aus der Fremde her, wohin sie sich selbst verbannt, ihr »AllDeutschland sei's« zu uns herüberriesen.

So veröffentlichte Karl Blind in London einen Aufruf, in dem es hieß:

»Alle Deutschen zusammen! Nicht länger handelt es sich um Diplomaten- und Dynastenzank. Die Rheingrenze ist das Ziel der französischen Militairpolitik. Alle vaterländisch Gesinnten haben dieser nichtswürdigen Eroberungssucht die Spitze zu bieten. Darum geschlossene Front und vereinigten Widerstand! Vor Allem Deutschlands Unabhängigkeit gegenüber dem fremden Angreifer! Sind wir seiner ledig, dann mit verdop peltem Eifer an die innere Befreiung!«

Aehnlich ließ sich Arnold Ruge in Brighton vernehmen: »Jeder Deutsche, wer er auch sei, ist ein Verräther, der jetzt nicht zu seinem Volke

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Im Einklang mit solchen Aeußerungen war die gesammte Presse des

Landes; selbst die des Auslandes, soweit sie dem französischen Einfluß entrückt, frei, unverwirrt und ungehässig war, trat mit verschwindenden Ausnahmen auf unsere Seite. Am bedeutsamsten war die Sprache der Times; nach den erneuten Forderungen Frankreichs war sie in ihrer Haltung zu unseren Gunsten entschieden. Schon am 16. Juli schrieb sic wie folgt:

»Das größte nationale Verbrechen, das seit dem ersten französischen Kaiserreiche geschehen, ist nun vollzogen. Ein ungerechter, absichtlich angelegter Krieg ist so gut wie erklärt — das lezte Ergebniß des persönlichen Regiments. Klarsehende Politiker haben es geahnt, als Gramont von Wien nach Paris berufen wurde, und sie haben sich nicht getäuscht. Was er, bald nach seinem Amtsantritt, in der Kammer verlas, das war die That eines Duellanten, der mit dem Rufe: »Die Ehre oder das Leben«, den Gegner an der Gurgel packt. Die Lockung, der Welt die Wunderkraft des Chassepots und der Mitrailleuse zu zeigen, scheint eben eine unwiderstehliche gewesen zu sein, und Ollivier, der Schmiegsame, wurde offenbar hinters Licht geführt. Den Zweck dieses traurigen Krieges kennt die Welt jezt: es ist das linke Rheinufer. Wird er auf Preußen und Frankreich beschränkt bleiben? Viele hoffen es. So lange am Rhein nichts Entscheidendes geschehen, wird es an der Donau, Tiber und Elbe wahrscheinlich ruhig bleiben, aber wenn erst Erschöpfung eingetreten, dürften die alten Nachegedanken wieder lebendig werden. Oesterreich würde, sofern es nicht durch Nußland stark eingeschüchtert wird, schwerlich lange neutral in einem Kriege bleiben, dessen Zweck die Nache für Sadowa ist.. Auf diese Momente rechnet Frankreich wahrscheinlich, doch wetten gar Viele auf Preußens und Deutschlands Ausdauer, gegen französischen Ungestüm. Ueber das Eine kann gegenwärtig kein Zweifel herrschen, daß aller Welt Sympathieen sich jezt dem angegriffenen Preußen zuwenden. Napoleon hat sich zu einer unpolitischen und verbrecherischen That hinreißen lassen, die Gedanken des ersten Kaiserreichs scheinen der Fluch des zweiten werden zu wollen. Wehe dem Kaiser, wenn seine Soldaten eine Schlappe, oder gar eine Niederlage erleiden sollten. Er kann nur als Eroberer heimkehren, und zwar in dem Maße, als sein Oheim von Austerliß oder Wagram heimgekehrt war. Doch ist es sehr fraglich, ob Preußen durch Ein Solferino so leicht wie Oesterreich abgethan sein würde. Selbst wenn Preußen vollständig besiegt werden sollte, dürfte sich zeigen, daß hinter ihm Truppen in zweiter Linie stehn.«

Schon am 17. und 18. waren die Mitglieder des Reichstags in Berlin eingetroffen, am 19. wurde die außerordentliche Session, die kürzeste und die folgenreichste, im Weißen Saale eröffnet. Wohl nicht ohne tiefere Bedeutung war gerade dieser Tag gewählt worden. Es war der Todes

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