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weniger bekannt geworden ist, als manch geringeres Lied, mag hier eine Stelle finden:

Es brüllt die Schlacht von Mars la Tour

Und hagelt Blei und Tod.

Dort steh'n die Brandenburger nur

Und leiden große Noth.

Da sprengt und ruft ein Offizier

Durch Dampf und Donner durch:
»Vor, Halberstädter Cürassier,
Und rettet Brandenburg!«

Sein Testament schreibt der Major

Auf seinem Sattelknopf,

Die Reiter biegen weit sich vor

Bis auf den Pferdekopf ;

Es jauchzen die Trompeten auf

Und die Standarte fliegt:

Marsch, marsch, in Gottes Namen drauf!
Haut ein, bis Alles liegt!

So geht es drauf. Als Schmettow sie

Zum Sammeln wieder ruft,

Ist stumm des Feindes Batterie,

Und Brandenburg hat Luft.

Doch was ist das? In Frankreich hat

Es im August geschneit;

Da liegt das halbe Halberstadt
Jm weißen Waffenkleid.

Wie Sedan nach der strategischen, so glänzt Vionville nach der tactischen Seite hin als eine Schlacht ersten Ranges.

»In keiner der neueren Kriegsactionen seit 1815 wurde mit einer so bewunderungswürdigen Energie, Präcision und Erkenntniß auf das vorgesteckte Ziel hin manövrirt, ergaben sich so viele schöne Gefechtsmomente, zahl reiche Episoden gemeinsamen Zusammenwirkens aller drei Waffen, zweckmäßige Dispositionen der Führung, geschickte tactische Züge und Gegenzüge 2c., als in dieser Waffenentscheidung. Alle Waffengattungen wurden in tactischer Harmonie im vollsten Maße ausgenügt. Durch wechselseitige Kraftanwendung ergänzte die eine Waffe die Wirkung der andern und verlieh ihr hier durch jenen Zusag von Kraft, welcher der Gesammtheit den Weg zum Ruhme und Erfolge ebnete. Wer sich mit dem Studium der neuesten Tactik der drei Waffen näher befassen und aus den letzten kriegerischen Ereignissen Belehrung schöpfen will, dem dürfte sich die Darstellung der verschiedenen Gefechtsmomente der Schlacht bei Vionville vorzugsweise empfehlen, da hier

zwei gleich tapfere und tüchtig geschulte und geführte Armeen in einem zehnstündigen, äußerst blutigen Gefechte um die Ehre des Tages rangen.<< Dieser ausgezeichneten Charakteristik der Schlacht, der wir in der Streff. Leur'schen Zeitschrift begegnen, haben wir nur zuzustimmen, nicht aber dem Tadel, der an die Bazaine'sche Oberleitung der Schlacht geknüpft wird. Bazaine bewährte sich an diesem Tage völlig als ein Mann von superiorer Begabung. Er operirte vorsichtig, aber nicht kleinlich. Drei Dinge sind ihm vorgeworfen worden:

daß er bis Mittag seine Uebermacht weder erkannte noch ausnußte; daß er eigensinnig an der Vorstellung festhielt, wir gedächten ihn von Mez abzudrängen (daher stete Sorge für seinen linken Flügel); endlich daß er auch von Norden her, also gegen die Straße ConflansEtain gerichtet, unsern Angriff erwartete.

In Punkt 2 und 3 hatte er unserer Meinung nach zwar nicht thatsächlich, aber in seinem Jdeengange vollständig Recht, und wenn er darin. Recht hatte, wenn er nach Lage der Sache eben sowohl einen Stoß die Gravelotte-Schlucht hinauf (von Süd nach Nord), wie eine Umfassung seiner gesammten Stellung von Norden her durch zwei unserer Corps erwarten durfte, so war er verpflichtet, mit seinen Kräften zu öconomisiren und dieselben für die bedrohteste Stunde und die bedrohteste Stelle aufzusparen. Es bliebe darnach nur noch etwa der Vorwurf übrig, daß er über die Zahl und den Marsch unserer Armee Corps besser hätte unterrichtet sein müssen; aber so leicht diese Forderung gestellt ist, so schwer ist sie bekanntlich zu erfüllen. Wir wußten auch nicht, was wir vor uns hatten, und die Schlacht wurde unter Voraussetzungen begonnen, die weit ab davon waren richtig zu sein. Genaue Kenntniß des Gegners, wo es sich um ganze, mit Truppen überdeckte Quadratmeilen handelt, ist unter den denkbar günstigsten Verhältnissen immer noch eine höchst schwierige Aufgabe; im Drang der Stunden und Ereignisse aber gestaltet sich die Erlangung jeder derartigen exacten Kenntniß nahezu zur Unmöglichkeit. Die Meldungen reichen nicht aus oder widersprechen sich und das Beste fällt dem Calcül anheim. Der Calcül Bazaine's aber war ein berechtigter.

Der 17. August.

Freund und Feind hatten auf dem Schlachtfelde bivouakirt. Unfrerseits wurde

für den 17. eine Erneuerung des Kampfes erwartet; schon um 4 Uhr früh traf Prinz Friedrich Karl von Gorze aus, 2 Stunden später der König selbst von Pont à Mousson her, auf dem Schlachtfelde ein. Jeder Angriff Seitens des Feindes aber unterblieb; wir unsrerseits, die wir frische Corps in Anmarsch wußten, konnten keinen Grund haben, mit unsern hart mitgenommenen, zum Theil bis auf die Hälfte zusammengeschmolzenen Bataillonen einen erneuten Vorstoß zu wagen. Die Initiative lag bei Bazaine. Wir hielten ihn einfach fest; wollte er sich dem entziehen, so mußte er die Offensive ergreifen. Im französischen Heere, so heißt es, zweifelte man nicht, daß der Abmarsch auf Verdun am 17. fortgesezt werden würde, was eben so viel bedeutet hätte, wie Wiederaufnahme des Kampfes. Statt dessen wurde nachstehender Befehl aus dem Bazaine'schen Hauptquartier erlassen: »Der nach der Schlacht vom 16. eingetretene Mangel an Munition und Lebensmitteln zwingt uns, auf Mez zurückzugehen.« Daran schlossen sich die Ordres, in welcher Weise die einzelnen Corps die Linie Gravelotte Verneville zu besehen hätten, eine Linie, die alsbald auf die Vorstellung Marschall Canroberts verlängert und von rückwärts Gravelotte (Point du Jour) bis St. Privat ausgedehnt wurde. Die Details der Stellung geben wir weiterhin. Der 17. verging mit Marschbewegungen, die nöthig waren, um die Truppen, die bis dahin im Wesentlichen parallel mit der Straße Rezonville-Mars la Tour standen, in ihre neue, senkrecht auf diese Straße stoßende Linie überzuführen. Die Division Metman vom 3. Corps Leboeuf, welche bei Malmaison, an der Straße nach Etain, in Gefechtsbereitschaft lagerte, deckte diese den größten Theil des Tages in Anspruch nehmende Unterneh mung. Die endlosen Convois bewegten sich auf der einzigen, von Gravelotte zu dem Bett des Mancebaches niedersteigenden und dann auf das Plateau

von Rozerieulles hinaufführenden Chaussee. Regiments - Bagagen, MunitionsFahrzeuge, Administrations - Fuhrwerke, Krankenwagen, Geschüße und Truppen. drängten sich bunt durcheinander auf jener Straße, ohne Ausgänge nach rechts und links, inmitten einer unbeschreiblichen Confusion. »Wäre der Feind,« bemerkt ein französischer Militairschriftsteller und Augenzeuge, »mit Cavallerie und Artillerie Morgens über Gravelotte der abziehenden Armee gefolgt und wären die Tirailleurs des Generals v. Steinmeß auf der rechten Flanke der Marschcolonne in dem von uns gar nicht bewachten Bois des Ognons erschienen, so würden wir Zeugen einer schreckenerregenden Panique und vielleicht auch einer fatalen Deroute gewesen sein. Glücklicher Weise machte der Feind nur schwache Demonstrationen gegen unsere Arrièrgarde und Abends war die ganze Operation zum Abschluß gebracht.«<

Unsererseits, so weit die Corps in Betracht kommen, die am 16. gekämpft hatten, verging der Tag ruhig. Die Gefechtsbereitschaft dauerte bis gegen Mittag, d. h. bis zum constatirten Abmarsch des Feindes, worauf den Truppen das Abkochen gestattet wurde.

Die noch restirenden Corps und Divisionen der II. und I. Armee rückten inzwischen heran.

Am 17. früh 6 Uhr trafen bereits die Têten des IX. Armee - Corps Manstein ein und nahmen eine verdeckte Rendezvous - Stellung westlich des Bois de Vionville.

Das XII. Corps Kronprinz v. Sachsen setzte sich um 2 Uhr früh nach Zurücklassung eines Bataillons in Pont à Mousson in Marschbewegung. Das Corps traf in den ersten Nachmittagsstunden in den Bivouacs zwischen Mars la Tour und Purieux ein, während die Cavallerie - Division über Vigneulles auf Buzy vorpoussirt ward, um die Straßen von Meß auf Verdun und auf Etain zu beunruhigen und möglichst aufzuklären.

Das Garde Corps Prinz August von Würtemberg wurde in Folge demselben zugegangener Mittheilung über den Ausgang der Schlacht bei Vionville in seiner Stellung nördlich von Toul, auf halbem Wege zwischen der Mosel- und Maas-Linie, in der Nacht vom 16. zum 17. August alarmirt und trat seinen Marsch zwischen 4 und 5 Uhr früh an. Kurz nach 3 Uhr Nachmittags war die Spiße der Garde nach einem Gewaltmarsche von 44 und 5 Meilen zwischen Mars la Tour und Hannonville au Passage angelangt und hatte links vom XII. Armee - Corps, südlich der großen Heerstraße Mez-Verdun, Bivouacs bezogen.

Fontane 1870/71. I.

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Für die am 18. August in Aussicht genommene Fortsetzung der Offensiv-Operationen konnte noch das II. Armee Corps Fransedy wenn auch nur als Reserve - Corps — wirksam werden; deshalb wurde dem selben Nachmittags 1 Uhr der Befehl gesandt, am 18. früh 4 Uhr von Pont à Mousson aufzubrechen und über Arnaville, Bayonville, Onville und Buxières zu marschiren, wo das Corps sich massiren und abkochen sollte. Von der I. Armee des General Steinmeß waren vom 16. zum 17. August, unter Zurückbelassung des I. Armee-Corps v. Manteuffel und der Cavallerie Division Groeben auf dem rechten Moselufer, die Neste des VIII. Corps Goeben, dann das gesammte VII. Corps Zastrow, endlich die 1. Cavallerie - Division Hartmann bei Corny und Anch über die Mosel gegangen, und es kamen am lezteren Tage das VII. Corps in und vor wärts Ars sur Moselle, das VIII. Corps und die Division Hartmann in und vorwärts Gorze ins Lager. Die so concentrirte I. Armee stand ruhig in verdeckter Aufstellung und nahm Fühlung mit dem Feinde südlich von Gravelotte.

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Die nach dem Abzuge der Franzosen am 17. Nachmittags vorgeschobenen Vorposten der II. Armee nahmen beim Bois des Ognons Anschluß an die Vorposten der I. Armee und erstreckten sich von hier, Rezonville vor der Front, bis zu dem Walde nordwestlich Vionville und dann bis zum Yron - Bache.

Wir vermochten demnach, wenn der Feind am 18. die Schlacht an nahm, in erster Reihe mit fünf Corps in den Kampf einzutreten, von denen zwei Corps, XII. und Garde, bis dahin noch gar nicht, ein Corps, das IX., nur theilweise (eine Brigade), zwei weitere Corps indessen, das VII. und VIII., bereits erheblich gelitten hatten.

III. und X. Corps bildeten die Reserve; das Eintreffen des II. Corps wurde für den Nachmittag erwartet.

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