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Prinzen sollte so viel heißen wie politischer Rückzug des Königs, eine vor dem Zusammenstoß verlorene Schlacht, ein sich Beugen vor der superioren Macht Frankreichs und — dadurch vor aller Welt eine Anerkennung dieser Superiorität.*)

Wer König Wilhelm kannte, wußte, daß dies nicht von ihm zu erpressen sein werde.

Also Krieg!

Wir nehmen nun, auch Behufs Schilderung der lezten Phase dieser Entwicklung, die in den Benedettischen Schriftstücken gegebene Darstellung wieder auf.

Die Darstellung der Ereignisse in Ems in Briefen und Depeschen des Grafen Benedetti vom 12. bis 14. Juli.

Ems, 13. Juli 1870. Herr Herzog! Um Mitternacht habe ich Ihr Telegramm von gestern 7 Uhr Abends empfangen, in welchem Sie mir den Rücktritt des Prinzen von Hohenzollern von der Throncandidatur mittheilten und mir auftrugen, vom Könige zu fordern, daß er sich dieser Entschließung anschließe und zugleich die Versicherung gebe, daß er ein Zurückkommen auf diese Candidatur dem Prinzen Leopold nicht gestatten wolle.

zu früher Stunde war ich auf der Brunnenpromenade, um mich Sr. Majestät dem Könige zu nähern und Ihre Befehle auszuführen. Ich theilte ihm den Ihnen durch den spanischen Gesandten, Herrn Olozaga, zuerst gemeldeten Verzicht des Prinzen mit, zugleich hinzufügend, daß dieser Verzicht keinen Werth für uns habe, wenn er nicht durch Se. Majestät gebilligt, anerkannt (approuvé) würde, und daß wir außerdem versichert sein müßten, daß ein spätres Zurückkommen auf das eben aufgegebene Project seinerseits nicht erlaubt werden würde.

Der König ebenso erstaunt über den Schritt des Prinzen von Hohenzollern, wie über den Auftrag, dessen ich mich zu entledigen hatte, antwortete mir, daß er den Entschluß des Prinzen Leopold noch nicht kenne, und daß er schon deshalb mir weder Aufschlüsse geben noch zu der weitren Erklärung, die ich fordere, mich autorisiren könne.

Ich erwiederte, daß der Verzicht des Prinzen nicht zweifelhaft sei, daß wir indessen, bis zur Bestätigung der Nachricht, die Frage annahme

*) Ueber dies Superioritäts- Gelüst Frankreichs sagte Garibaldi später in einem

an den Professor Lazzarini gerichteten Briefe:

»Ich bin alt und krank, aber ich werde glücklich sein, wenn ich noch jenen Fanatismus der Suprematie bezwungen sehe, welcher die Hauptursache des Unglücks von Frankreich ist und war.«

weise (par hypothèse) behandeln und auch in diesem Augenblick schon feststellen könnten, daß Se. Majestät vorkommenden Falls gewillt sei, jeden neuen Versuch, auf diese Combination zurückzukommen, kraft seiner Autorität zu hindern.

»So fordern Sie denn«, entgegnete der König, »ein mich Binden ohne Ende und für alle Fälle; ich kann darauf nicht eingehen.« Um diese seine Anschauungsweise zu rechtfertigen, führte Se. Majestät aus, daß er seine Freiheit der Entschließung nicht aufgeben dürfe und daß er sich unter allen Umständen der Fähigkeit nicht berauben wolle, bei vielleicht veränderter Sachlage den Verhältnissen Rechnung zu tragen; von versteckten Absichten könne keine Rede sein, zudem habe diese Angelegenheit zu schwere Verwicklungen heraufbeschworen, als daß er nicht wünschen solle, ein für allemal davon befreit zu sein; nichtsdestoweniger sei es ihm unmöglich, so weit zu gehn, als wir es von ihm forderten.

Ich suchte nunmehr meinerseits mich über diese Punkte zu verbreiten, der König lehnte aber so entschieden ab, daß ich mich unschwer überzeugen konnte, es werde unmöglich sein, die Entschlüsse Sr. Majestät zu ändern. Er brach zudem unsre Unterhaltung (auf der Brunnenpromenade) ab und drückte mir sein Bedauern aus, daß es ihm unmöglich sei, uns eine solche neue und unerwartete Concession zu machen.

In mein Hôtel zurückgekehrt, fand ich, Herr Herzog, Ihr zweites Telegramm. Nach Allem durfte ich annehmen, daß binnen wenigen Stunden, und zwar nach Eintreffen einer direkten Nachricht aus Sigmaringen, Gelegenheit gegeben werden würde, nicht nur den Inhalt dieser Nachricht (wie mir Se. Majestät in Aussicht gestellt hatte) durch ihn selber kennen zu lernen, sondern auch mich von Neuem über die Frage und die Unerläßlichkeit unsrer Forderungen auslassen zu können. Aber die Situation veränderte sich im Laufe des Vormittags, und Se. Majestät, anstatt mich zu empfangen, schickte mir, nach Eintreffen der sigmaringer Nachricht, seinen Flügeladjutanten, den Prinzen Radziwill, mit der Meldung: daß Prinz Leopold seine Candidatur zurückgezogen habe, und daß er, der König, mich bäte, an meine Regierung zu telegraphiren, wie er nunmehr die ganze Angelegenheit als definitiv beigelegt ansähe.*)

*) Oberstlieutenant Prinz Radziwill hat über diese seine erste Meldung an den Grafen Benedetti, wie über eine zweite und dritte Mittheilung, die er in den Stunden von 2 bis 51⁄2 dem Grafen Benedetti zu machen hatte, einen genauen Bericht gegeben, den wir, bei der Wichtigkeit der Sache, hier folgen lassen. Uebrigens decken sich beide Berichte (der Radziwill'sche und der Benedetti'sche) beinah vollkommen. Prinz Radziwill schreibt d. d. Ems 13. Juli 1870: »Se. Majestät der König hatte die Gnade, mich gegen 2 Uhr Nachmittag mit folgendem Auftrag zu dem Grafen zu schicken: Se. Majestät hätte vor einer Stunde durch schriftliche Mittheilung des Fürsten zu Hohenzollern aus Sigmaringen die vollkommene Be

Fontane 1870/71. I.

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Ich stellte, nach Empfang dieser Meldung, dem Flügeladjutanten vor, daß erneute Weisungen aus Paris mich verpflichteten, auf den zwei Punkten zu bestehn, über die ich bereits am Morgen die Ehre gehabt hätte, zu Sr. Majestät zu sprechen.

Prinz Radziwill, nachdem er dem Könige meinen Wunsch vorgetragen, kehrte zu mir zurück, um mir zu erklären, daß Se. Majestät keine Schwierigkeit sehe, mir die Mittheilung zu erlauben, daß er den Rücktritt des Prinzen Leopold gebilligt habe (qu'il approuvait la renonciation du prince Léopold). Hierüber hinaus indessen ging der König nicht. Auf mein erneutes Audienz - Gesuch wurde mir durch Prinz Radziwill die Meldung, daß Se. Majestät eine Discussion über die von uns geforderten »Garantieen für die Zukunft« nicht wieder aufnehmen wolle, vielmehr sich auf die Auseinandersehungen beziehe, die er mir bereits am Morgen gemacht habe.

Alles läßt mich glauben, daß Se. Majestät fest entschlossen ist, die

stätigung dessen erhalten, was ihm der Graf des Morgens in Betreff der Verzichtleistung des Prinzen Leopold auf die spanische Throncandidatur, als direkt aus Paris erfahren, mitgetheilt hätte. Se. Majestät sähe hiermit diese Angelegenheit als abgemacht an. (Erste Meldung.)

Graf Benedetti, nachdem ich ihm diesen Auftrag ausgerichtet, äußerte, er hätte seit seiner Unterredung mit dem Könige eine neue Depesche des Herrn v. Gramont erhalten, in der er beauftragt würde, sich eine Audienz von Sr. Majestät zu erbitten und nochmals Sr. Majestät den Wunsch des französischen Gouvernements nahe zu legen: 1. die VerzichtLeistung des Prinzen zu Hohenzollern zu approbiren und 2. die Versicherung zu ertheilen, daß auch in Zukunft diese Candidatur nicht wieder aufgenommen werden würde.

Hierauf ließ Se. Majestät dem Grafen durch mich erwiedern, daß Se. Majestät die Verzichtleistung des Prinzen Leopold in demselben Sinne und in demselben Umfange approbirten, in dem Se. Majestät dies vorher mit der Annahme dieser Candidatur gethan hätten. Die schriftliche Mittheilung der Verzichtleistung hätten Se. Majestät von dem Fürsten Anton zu Hohenzollern erhalten, Höchstwelcher hierzu vom Prinzen Leopold autorisirt worden sei. In Betreff des zweiten Punktes, der Versicherung für die Zukunft, könne sich Se. Majestät nur auf das berufen, was Allerhöchstderselbe dem Grafen des Morgens selbst erwiedert hätte. (Zweite Meldung.)

Graf Benedetti nahm diese Rückäußerung Sr. Majestät dankbar entgegen und äußerte, er würde dieselbe, wie er hierzu autorisirt sei, seinem Gouvernement zurückmelden.

In Betreff des zweiten Punktes (Garantie für die Zukunft) müsse er aber, weil er durch die letzte Depesche des Herrn v. Gramont die ausdrückliche Anweisung hierzu hätte, seine Bitte um eine nochmalige Unterredung mit Sr. Majestät aufrecht erhalten, und wäre es auch nur, um dieselben Worte Sr. Majestät wieder zu vernehmen, um so mehr, als sich in dieser lezten Depesche neue Argumente vorfänden, die er Sr. Majestät unterbreiten möchte.

Hierauf ließ Se. Majestät dem Grafen Benedetti durch mich zum dritten Male (dritte Meldung) nach Tisch, etwa um 51⁄2 Uhr, erwiedern, Se. Majestät müsse es entschieden ablehnen, in Betreff dieses leßten Punktes (bindende Versicherungen für die Zukunft) sich in weitere Discussionen einzulassen. Was er heute Morgen gesagt, wäre Allerhöchstsein leztes Wort in dieser Sache, und er könne sich lediglich darauf berufen.

Auf die Versicherung, daß auf die Ankunft des Grafen Bismarck in Ems auch für den nächsten Tag bestimmt nicht zu rechnen sei, erklärte Graf Benedetti, sich seinerseits bei dieser Erklärung St. Majestät des Königs beruhigen zu wollen.

Satisfaction, die wir fordern, uns zu verweigern. Ew. Excellenz mögen versichert sein, daß ich keine Anstrengung unversucht lassen werde, Ihren Instructionen und den Befehlen des Kaisers nachzukommen, und daß ich entschlossen bin, alle nöthige Energie daran zu sehen... Ich erwarte Ihre Aufforderung, Ems zu verlassen und brauche wohl nicht hinzuzufügen, daß ich mich in diesem Falle, so es Ihnen genehm, direkt nach Paris begeben werde. Benedetti.

Ems, 14. Juli 1870. Mittags 121⁄21⁄2 Uhr.

An den Minister des Auswärtigen (Herzog v. Gramont) in Paris. Ich habe diese Nacht Ihr Telegramm von gestern Abend erhalten. Nach der Erklärung, die mir der König durch seinen Flügeladjutanten hatte zugehen lassen, konnte ich mich nicht aufs Neue an Se. Majestät wenden. Ich hatte von ohngefähr ein Gespräch mit dem Minister des Innern, Grafen Eulenburg, und benutte die Gelegenheit, ihm klar zu legen, was wir unter »Garantie« verständen, discutirte auch mit ihm die verschiedenen Formen, die derselben gegeben werden könnten. Der Minister drückte mir seine Absicht aus, meine Bemerkungen Sr. Majestät zu unterbreiten und versprach, mich wiederzusehen. Er kam indessen nur, um mich wissen zu lassen, daß er mir nichts mitzutheilen habe.

Um es schließlich an allem Schicklichen nicht fehlen zu lassen, habe ich den Flügeladjutanten vom Dienst gebeten, dem Könige Mittheilung zu machen, daß ich diesen Abend noch abzureisen vorhabe und bei Sr. Majestät mich verabschieden möchte. Der König ließ mir antworten, daß er mich auf dem Bahnhof in dem für Se. Majestät reservirten Salon zu sehen gedenke. Der König reist um 3 Uhr, wie es heißt, nach Coblenz zur Königin. Wird er hierher zurückkehren, oder sich direkt nach Berlin begeben? Ich weiß es nicht.

Morgen früh 10 Uhr 15 Minuten werde ich in Paris sein, und mich direkt ins Ministerium begeben. Einen Extra- Zug zu nehmen, empfiehlt sich nicht, da er nicht früher eintreffen würde.

Benedetti.

Ems, 14. Juli 1870. 3 Uhr 45 Minuten.

An den Minister des Auswärtigen (Herzog v. Gramont) in Paris. Ich sah eben den König am Bahnhof. Er beschränkte sich darauf, mir zu sagen, daß er mir nichts weiter mitzutheilen habe, und daß alle weitere Verhandlungen nunmehr seitens seiner Regierung geführt werden würden. Se. Majestät hat mir bestätigt, daß seine Abreise nach Berlin morgen früh (15.) stattfinden wird. Benedetti.

Die wirklichen Ursachen des Krieges.

So o die Vorgänge in Ems. Sie zeigen, nach unserem Ermessen, deutlich, daß man in Frankreich den Krieg wollte, und daß die hohenzollern'sche Throncandidatur nur ein lang ersehnter Vorwand war. Bis zum 12. Juli konnte darüber für Optimisten ein Zweifel bestehen. Nachdem indessen der gewünschte Verzicht geleistet und durch den König (schon im Voraus) gutgeheißen war, drückte die peremtorische Forderung weiterer Concessionen ersichtlich das Verlangen einer Demüthigung Preußens aus, so daß sich eine mildere Auffassung verbot. In der That haben, nach den Vorgängen des 12. Juli, europäische Mächte, auch die uns abgeneigtesten, die von französischer Seite erfolgte Provocation zugeben müssen. Selten sprachen Thatsachen klarer.

Nichtsdestoweniger unterzieht sich Graf Benedetti an den verschiedensten Stellen seines Buches der undankbaren Aufgabe, die friedfertigen Gesinnungen des Kaisers und seines Gouvernements zu beweisen. Wie wenig ihm das glückt, in welche Widersprüche er sich dabei verwickelt, mag sich aus folgender Stelle ergeben. »Wir forderten, daß der König den Prinzen Leopold zur Verzichtleistung auf die spanische Krone veranlassen möge; der König hingegen beschränkte sich darauf, jeder Entscheidung des Prinzen seine Zustimmung geben zu wollen. Konnten wir uns damit begnügen? Nach meiner Meinung »ja«, auch lag nichts vor, woraus ich hätte schließen können, daß das Gouvernement des Kaisers anders darüber denke. Woran uns liegen mußte, das war, den Verzicht des Prinzen durch den König anerkannt zu sehen, und dies Resultat waren wir sicher, zu erhalten.«<

Diese Erklärung, von der wir einfach Act nehmen, räumt unzweideutig ein, daß man französischerseits schließlich mehr forderte, als nöthig. Dies »mehr als nöthig« enthielt aber die Provocation; Benedetti selbst giebt es zwischen den Zeilen zu. Nichtsdestoweniger macht er im Verlauf seiner

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