Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Wenn die Schlacht bis dahin, oder doch bis kurz vorher, ein un sicheres Tappen gewesen war, so kam jezt, mit einem Schlage, Einheit und Festigkeit in die Aktion.

Der Kronprinz hielt Umblick. Wie stand es?

Am äußersten rechten Flügel ruhte der Kampf. Das II. baierische Corps, einem Befehle Folge leistend, über dessen Ursprung und Beweggrund die Aufklärung vorläufig noch aussteht, war in die Position von Langenfulzbach zurückgegangen. Auf seine rasche Mitwirkung war nicht zu rechnen; die Entfernungen waren zu groß, das Terrain zu schwierig.

Aber fiel der äußerste rechte Flügel aus, so doch nicht der rechte: das I. baierische Corps, General v. d. Tann, das um 6 Uhr früh aus seinem Bivouac bei Ingolsheim aufgebrochen war und auf schwierigen, vom Regen aufgeweichten Wegen, erst Memmelsdorf, Keffnach und Lobsann, zulezt Lampertsloch passirt hatte. Es hielt jezt, 1 Uhr, in Front von Görsdorf, hart an der Sauer, der formidablen Fröschweiler-Position gegenüber. Nur die Sauer, hier ohne Brücke, zwischen ihnen.

Im Centrum das V. Corps. In seiner Mitte der Kronprinz selbst. Vor Preuschdorf, in langer Linie, die Corps- und Divisions - Artillerie, vor dieser die 9. Division, vor dieser (hart an der Sauer) die 19. Brigade. Dann Wörth. Jenseits der Stadt, am untersten Abhange des FröschweilerBerges, die zerschossenen Reste der 20. Brigade.

[ocr errors]

Am linken Flügel das XI. Corps, eben gesammelt. Gunstett von der 42. Brigade besetzt; rechts daneben, in Front von Oberdorf, die 41. Brigade; links rückwärts die ganze 22. Division, der feindlichen Position von Morsbronn gegenüber.

Am äußersten linken Flügel (noch zurück) die anrückende würtembergische Division, Brigade Starkloff an der Tête.

So stand die Schlacht. Jenseits der Sauer hatten wir nur schwache Detachements: 2 Bataillone 50er und 2 Bataillone 37er an der mehrgenannten Wörth - Hagenauer Chaussee, 1 Bataillon 87er im Niederwald, zur Linken von Elsaßhausen. Wie durch ein Wunder waren diese fünf Bataillone der Gefangennahme oder der Vernichtung entgangen. Sie frei zu machen, den Feind zu umstellen und einzufangen, ergingen nun die Ordres, theils vom Obercommando direkt, theils durch die Corps - Commandeure.

Das 1. baierische Corps erhielt Befehl, die Sauer zu forciren und Fröschweiler an seiner scharfen Ecke zu fassen.

Das V. Armee - Corps, seiner Avantgarde (20, Brigade) nachrückend, sollte von Wörth aus, unmittelbar links neben den Baiern, dieselbe Position erstürmen. Das XI. Corps, sich theilend, wurde angewiesen, links und rechts von Gunstett über die Sauer zu gehen, mit der 21. Division den Niederwald zu

nehmen, mit der 22. Division denselben Niederwald in seinem Rücken zu umgehen und gegen die Rückzugslinie des Feindes: Fröschweiler-Reichshofen, zu operiren.

Alles das geschah. Aber auch die weitgespanntesten Flügelpunkte kamen noch in die Lage, erfolgreich mit eingreifen zu können; am äußersten rechten Flügel gelang es Abtheilungen des II. baierischen Corps, am äußersten linken Flügel der rechtzeitig einschwenkenden würtembergischen Brigade Starkloff zum glänzenden Gelingen des Ganzen das Ihre beizutragen. Wir geben nun (ohne uns in Details zu verlieren) einiges Nähere über die Ausführung dieser entscheidenden Bewegungen.

Der Gang der Schlacht
von 1 bis 3 Uhr.

Die Weisungen zum allgemeinen Vorgehen waren gegeben, ohne Verzug sezten sich die Divisionen auf der ganzen Linie in Bewegung; allerorten wurde der Sauerbach überschritten; aber bei aller Bravour der an den Flügeln und im Centrum ziemlich gleichzeitig avancirenden Bataillone wurden doch (in den Stunden von 1 bis 3) nur am linken Flügel große Resultate errungen. Bei Fröschweiler selbst umstellte man den Feind immer enger, ohne ihn aus seiner mit größter Zähigkeit festgehaltenen Position verdrängen zu können. Erst die wachsenden Erfolge auf dem Terrain zwischen Morsbronn und Elsaßhausen ließen zu einer späteren Stunde (etwa um 4 Uhr) auch den leßten großen Frontal - Angriff des V. Corps und der Baiern gelingen.

[Division Stephan vom 1. baierischen Corps] war wie in Kürze schon gemeldet etwa um 1 Uhr auf der Höhe von Görsdorf eingetroffen. Hier erhielt General Stephan die Weisung, mit seiner 2. Brigade geradaus gegen den feindlichen linken Flügel vorzugehen, die 1. Brigade aber weiter rechts gegen Altermühle rücken zu lassen, wo eine Brücke über die Sauer führt.

Der Feind hatte die jenseitige Höhe (Fröschweiler), gegen welche die Angriffsdirektion der 2. Brigade gerichtet war, dicht mit Infanterie und einer Mitrailleusen - Batterie besetzt; es erschien deshalb ein direktes frontales Vorgehen nicht thunlich und ein Rechtsschieben auch der 2. Brigade geboten. Die ganze Division kam dadurch wieder zusammen und ein gemeinschaftlicher Angriff gegen die feindliche Position wurde angeordnet :

Die 1. Brigade sollte, in direktem Vorgehen, von Altermühle aus die Bergterrassen von Fröschweiler zu ersteigen,

die 2. Brigade aber durch weiteres Rechtsausholen den feindlichen linken Flügel zu umgehen suchen.

Fontane 1870/71. I.

12

So geschah es. Es war jetzt 24 Uhr. Sämmtliche Abtheilungen überschritten theils auf Nothstegen, theils unter Benutzung der Altermühler Brücke die Sauer und gingen zum Angriff vor, unterstüßt durch das 59. preußische Regiment und das 5. (Görlizer) Jäger-Bataillon, die hier, vor dem Eintreffen der Baiern, mit Deckung unseres rechten Flügels betraut worden waren.

[graphic][subsumed][subsumed][subsumed][subsumed][subsumed][subsumed][subsumed][ocr errors][subsumed][subsumed][subsumed]

Um 3 Uhr standen alle diese Truppentheile am Fuß der zu nehmen

den Position im heftigsten Gefecht; links neben ihnen die Sturmbataillone des V. Corps.

[Das V. Corps] soweit es noch diesseits der Sauer stand, also die 19. Brigade und dahinter die 9. Division, ging 14 Uhr gegen Wörth vor, passirte es, überschritt die Linie, in der die Reste der 20. Brigade sich zu halten gewußt hatten und rückte ohne Säumen bergan, um die auf den Terrassen bunt durcheinander stehenden Bataillone der Division Raoult und Ducrot vor sich her zu treiben. Aber der Feind, in seinen Vormittagskämpfen (wenigstens an dieser Stelle) minder erschöpft als wir, keinesfalls aber in seiner Widerstandskraft gebrochen, war nicht gewillt, einem Ansturme zu weichen, dem er, gestüßt auf die Ueberlegenheit seiner Stellung und seiner Waffe, immer noch siegreich zu begegnen hoffte. Und in der That, auch jezt noch, soweit seine Front und die nach links hin abbiegende, unsrem rechten Flügel gegenüberliegende, scharfe Ecke in Betracht kam, war seine Lage keineswegs eine verzweifelte; die Gefahr drohte ihm von der anderen Seite her (durch unseren linken Flügel); einen vollen Einblick indeß in eben diese Gefahr mochte er zu dieser Stunde des Tages noch nicht haben; Elsaßhausen war noch nicht genommen; zudem stand er mit zwei Divisionen Gunstett gegenüber, warum sollte er der Widerstandskraft dieser Truppe mißtrauen, gegen die unser vom Marsch ermüdeten Bataillone des XI. Corps, besonders auch der eben eingetroffenen 22. Division, um eben diese Stunde vorrückten.

So hielt er denn bei Fröschweiler aus, vertheidigte jeden Fußbreit Landes und ließ die von Wörth aus fächerförmig vorgehenden Bataillone unseres V. Corps nur mit äußerster Anstrengung Terrain gewinnen. Man kam über die erste Terrasse des Berges nicht hinaus. Die Tête hatte jezt die 20. Brigade, Regimenter 6 und 46. Die 46er, hart links neben den Baiern und 59ern, hatten den schwersten Stand und die größten Verluste. Sie büßten in zwei, vielleicht in einer einzigen Stunde, dieselbe Zahl von Offizieren und Mannschaften ein, wie die 37er und 50er, die ziemlich an eben dieser Stelle (besonders die 37er) ihre Vormittagskämpfe geführt hatten. Ein Unteroffizier (Freiwilliger) schreibt: »Um 2 Uhr gingen wir mit klingendem Spiele durch Wörth hindurch. Unmittelbar hinter der Stadt empfing uns ein wahres Höllenfeuer. Wir wurden viermal geworfen. Unser Hauptmann war beim zweiten Angriff gefallen, mit ihm 2 Offiziere, vorher schon ein Dritter. Ich warf Helm, Tornister und Mantel fort und schloß mich einigen beherzten Leuten an, welche die wichtigste Position besetten. Unserem Beispiel folgten glücklicherweise Mannschaften von allen möglichen Regimentern. Ein Offizier vom 47. Regiment und ich ordneten die Leute und dirigirten das Feuer. Ich habe mindestens 80 Patronen verschossen aus drei verschiedenen Flinten, die eine nach der anderen verschleimten. Wir schossen mit aller Macht und konnten uns gerade so lange halten

bis die sehnlichst erwarteten Reserven, Bataillone der 9. Division, mit eingriffen.<<

Diese kurze Schilderung, wie sie ein Angehöriger eines der vorzugsweise engagirten Regimenter entwarf, zeigt am besten den Charakter jener ersten Nachmittagsstunden. Man schlug sich mit der größten Bravour, ein furchtbares Geknatter am Fuße des Berges, wie auf seinen untersten Stufen; aber man kam nicht vorwärts. Die Wirkung auf die Flanken der Fröschweiler - Position war entweder noch nicht erheblich fühlbar geworden, oder Mac Mahon hoffte, diese Wirkung noch wieder balanciren, das Verlorengegangene noch wieder einbringen zu können. Erst von dem Augenblick an, wo Elsaßhausen im gesicherten, nicht länger zu bestreitenden Besit unseres XI. Corps sich befand, erst von diesem Augenblick an erlahmte der Widerstand in der Front, betrachtete sich der Gegner als überwunden. Wir wenden uns den Vorgängen zu, die zur Einnahme von Elsaßhausen führten.

[Das XI. Corps] überschritt um 1 Uhr, von Gunstett aus, die Sauer in drei Colonnen:

die 42. Brigade ging rechts neben dem Dorf (nördlich) auf einem aus Balken und Scheunenthoren improvisirten Uebergang über den Bach; die 41. Brigade passirte die nach Westen gehende Brücke, Richtung auf Albrechtshäuserhof;

die 22. Division, soweit sie nicht schon vorher eingetroffen und bei dem Mittagskampfe (gegen 12 Uhr) mit engagirt gewesen war,*) dirigirte sich links daneben ebenfalls auf Albrechtshäuserhof und umschritt theils den Niederwald von hinten her, theils drang sie in diesen ein und betheiligte sich an den Kämpfen, die die 21. Division an dieser Stelle führte.

Wir folgen zunächst den beiden erstgenannten Brigaden. Sie wandten sich, die 42. Brigade am rechten, die 41. Brigade am linken Flügel, gegen das ganze zwischen Elsaßhausen und Albrechtshäuserhof gelegene Terrain, warfen, nach heißem Gefecht, die hier in vorderster Reihe stehenden, mit ihren Flügeln sich berührenden Brigaden der Divisionen Raoult und Lartigue zurück, erstürmten mehrere Schanzen, drangen von Ost und Süden

*) Beinah die ganze 43. Brigade, nämlich das 32. Regiment und das 1. und 2. Bataillon vom 95., hatte, die Téte der Division bildend, schon zwischen 11 und 12 Uhr Gunstett erreicht. Das 32. Regiment bog sofort links ab, passirte die nach Süden zu über den Sauer- und Bieberbach führenden Brücken, schwenkte dann rechts auf Morsbronn und nahm, trog starken Artilleriefeuers, das Dorf. Die beiden Bataillone vom 95. unterstüßten die buntgemischte und bereits hartbedrängte Besaßung von Gunstett gegen den Angriff eines ZuavenRegiments, passirten dann nach Westen zu die Sauer und nahmen die jenseitige Höhe im ersten Anlauf. Hier von überlegenen Kräften angegriffen, behaupteten sie sich zwar, erlitten aber ernste Verluste. Oberst v. Beckedorff wurde dreimal, der Commandeur des 1. Bataillons tödtlich verwundet.

« ZurückWeiter »