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unternehmen. Dies geschah. Daß die Baiern, höherer Weisung folgend, im selben Moment zurückgehen würden, wo man im Centrum vorging, um den rechten Flügel, die 4. baierische Division, zu soulagiren und den noch mehr gefährdeten linken Flügel, unsere 21. Division (XI. Corps), geradezu zu retten, das konnte man beim V. Corps nicht wissen. Disposition von oben und Helfedrang der einzelnen Truppentheile geriethen mit einander in Conflikt; so entwickelte sich die Schlacht. Kein Wunder, daß sie in ihren ersten Stadien Klarheit und Einheit der Aktion vermissen läßt.

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So viel im Allgemeinen. Wir wenden uns nun den speziellen Vorgängen im Centrum von etwa 10 bis 1 Uhr zu.

10 oder 10% mochte es sein als ein mit Vehemenz unternommener Vorstoß einiger Truppentheile der 3. vielleicht auch der 4. französischen Division (die sich mit ihren Flügeln bei Elsaßhausen berührten) einige von Gunstett her über den Sauerbach vorgedrungene Bataillone des XI. Corps rasch zurückdrängten. Diese unmittelbar gefährdeten Bataillone zu degagiren, oder doch ihnen den Rückzug auf Gunstett zu erleichtern, erhielt jezt die Avantgarde des V. Corps: die 20. Brigade, den Befehl, gegen Wörth vorzurücken, den Ort zu nehmen und dann, rechts und links sich haltend, die hintergelegenen Höhen zu erstürmen. Es waren die Regimenter 37 und 50. Sie passirten die Sauer auf Nothbrücken unmittelbar südlich von Wörth; die 37 er gingen durch die Stadt selbst.

Wir folgen den 50ern, die, nur 8 Compagnieen stark, (das 2. Bataillon war nach Gunstett abkommandirt), in der Richtung von Elsaßhausen vordrangen. Wohl selten hat sich eine Infanterietruppe in einer schwierigeren Lage befunden. Einzeln, auf zusammengelegten Hopfenstangen, über den Bach gegangen, mußten sie sich drüben auf einer sumpfigen Wiese, im verheerendsten feindlichen Feuer formiren. Wenigstens einigermaßen, denn von einem Avanciren in Linie konnte füglich nicht die Rede sein. In langen Tirailleurschwärmen ging es bergan. Die 1. Compagnie (Hauptmann v. Burgsdorff) hatte den rechten Flügel. Sie eilte im Geschwindschritt über die 700 Schritt breite Wiese, warf sich in den Graben der am Fuß der Anhöhe entlang laufenden Chauffee, rastete einen Augenblick und begann dann die Abhänge zu ersteigen. Sie nahm einen Weinberg zum Angriffspunkt, der sich dicht neben einer weithin sichtbaren Bergkuppe in der Nähe des Dorfes Elsaßhausen erhebt. Rollendes Chassepotfeuer empfing die Unseren; die Offiziere voran erstieg die ganz aufgelöste Compagnie die Anhöhe unter lautem Hurrah, den Feind vor sich hertreibend. Aber kaum sind sie oben, so wirft sich eine dichte Linie Noth- und Weißhosen (Zuaven und Turcos von der Division Naoult) mit wildem Schlachtschrei den Unseren ent

gegen. Hauptmann v. Burgsdorff schwingt den Säbel und mahnt zum Standhalten. Da fällt er von sieben Kugeln durchbohrt; Lieutenant Oppermann und Fähnrich Thiel werden verwundet. Wir müssen zurück. Aber nur 50 Schritt¡ hinter einer steilen, Deckung gewährenden Erhöhung am Abhang, sezt sich die Compagnie wieder fest.

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Inzwischen sind auch die andern Compagnieen des 1. Bataillons unter Major v. Rössing über die Sauer gegangen, die Reste der Compagnie v. Burgsdorff werden von ihnen aufgenommen und abermals, in verschiedenen Strahlen, geht es gegen den Bergkegel bei Elsaßhausen vor. Die Franzosen weichen; beim Passiren der Stelle, wo Lieutenant Oppermann verwundet niedersank, findet man diesen todt und halb unkenntlich, -die bestialischen Kerle haben ihre Nache an ihm geübt. Weiter; höher hinauf! Aber aufs Neue sehen die Franzosen gegen die vom Steigen und Klettern athemlos Gewordenen zum Gegenangriff an und werfen sie abermals hinab. »Stehen bleiben!« rufen die Offiziere. Die Leute gehorchen, werfen sich hin¡ eine Viertelstunde arbeitet die Zündnadel gegen das Chassepot. Dann ein neuer Anlauf und die Höhe wird wieder genommen, - leider auch wieder verloren. Premierlieutenant v. Müllenheimb fällt, mit ihm die Offiziere seiner Compagnie (der 2.); alle anderen Abtheilungen haben ähnliche Verluste. Das 2. Zuaven- und 2. Turcos-Regiment der Brigaden L'Hériller und Lefebvre, sie fochten hier mit ungebrochener Kraft und dem ganzen Ungestüm, der je diese Truppen auszeichnete. Die Unsrigen, in einer einzigen langen Tirailleurlinie aufgelöst, hatten bereits mehr als ein Drittel ihrer Mannschaften und fast alle Offiziere verloren; dennoch hielten sie aus; nicht am Abhange, aber in den leidliche Deckung gewährenden Gräben an der Chaussee hin.

Wie beim 1. Bataillon, so auch bei den Füsilieren desselben Regiments. Die 9., 10. und 11. Compagnie nahmen die Nichtung auf die Weinberge nördlich des Niederwalds und suchten sich in den vorgelegenen Hopfenpflanzungen festzusehen. Die 12. Compagnie drang ebenfalls über die Sauer vor und warf sich in schnellem Laufe in den an seiner Lisière nicht besezten Wald. Kaum aber war sie 300 Schritt in demselben vorgedrungen, als sie auf dichte Zuavenlinien stieß. Nun entspann sich ein äußerst hartnäckiges, stundenlang hin und her schwankendes Gefecht, in dem Freund und Feind ihre Stellung behaupteten. Das Terrain bot hier dem Angreifer ziemlich dieselben Vortheile wie dem Vertheidiger; deshalb war die 12. Compagnie die einzige, die sich auf der Anhöhe hielt und wicht zurückgeworfen wurde.

Die 10. Compagnie hatte sich etwas rechts gewendet und ging zu gleicher Zeit mit dem 1. Bataillon, v. Rössing, gegen den Weinberg vor.

Schon beim Ersteigen der Höhe fiel ihr Führer, der Premierlieutenant v. Wissel II., einer der kaltblütigsten Offiziere, der schon im schleswigholsteinschen Kriege bei Lundby dekorirt worden war. Seine Compagnie indessen stuzte nicht und drang ohne Führer bis zu beträchtlicher Höhe vor. Links neben dieser (der 10.) suchten die 9. und 11. Compagnie den Nand des Waldes zu gewinnen; aber ein furchtbares Schnellfeuer dichter Zuavenschwärme hemmte jedes weitere Vordringen. Auch die schon errungene Position zu halten, war nicht möglich; alle drei Compagnieen (die 10. theilte alsbald das Schicksal der beiden andern) mußten bis an die mehrgenannte Chauffee zurück. Hier sammelte Oberstlieutenant v. Sperling die Mannschaften, ordnete sie und ließ Front machen, um den Kampf wieder aufzunehmen. Das Feuer rollte ohne Unterbrechung. Man konnte sich nur verständigen, wenn man in nächster Nähe zu einander sprach. Die Tirailleurpfeifen der Offiziere ertönten fortwährend. Es war ein schwer zu leitendes Gefecht; aber die Mannschaften bewiesen einen Muth und eine Einsicht, die der vollsten Anerkennung werth waren.

Und wie hier links, auf Elsaßhausen zu, die beiden Bataillone 50er vorgingen, so avancirten das 2. und 3. Bataillon vom 37. Regiment (das 1. war nach Görsdorf abkommandirt) mehr rechts in der Richtung auf Fröschweiler zu. Der Kampf war derselbe, auch der Ausgang. Der großen Uebermacht, wie allen Vortheilen des Terrains gegenüber, vermochten sich auch die 37 er nur eben an der Chaussee hin, oder am Fuß der Höhe, wo Vertiefungen eine Deckung boten, zu halten. Drei Stunden lang standen hier, in exponirtester Lage, den Sauerbach im Rücken, 4 unserer Avantgarden-Bataillone der ganzen Division Naoult gegenüber, ein Kampf 1 gegen 3. Die Verluste, namentlich an Offizieren, waren enorm. Die 20. Brigade (Walther v. Montbary) erwarb sich hier einen unvergänglichen Ruhm, einen Nuhm, der durch die Betrachtung nicht verringert wird, daß es jeden Augenblick in der Macht des Feindes gelegen hätte, diese zerschossenen und beinah führerlos gewordenen Bataillone über die Sauer zurück oder in diese hinein zu treiben.

Die Frage bleibt: warum unterließ er es? Er hatte zwischen 12 und 1 das Spiel so ziemlich in der Hand; überall in der Mehrzahl, minder angestrengt und (bis dahin wenigstens) von geringeren Verlusten heimgesucht, würde es ihm, um die genannte Stunde, leichtmöglicherweise gelungen sein, durch einen raschen und energischen Vorstoß über Wörth hinaus unser Centrum zu durchbrechen. Ob es uns dann, im Laufe des Nachmittages, geglückt wäre, ihm eine zweite Schlacht zu liefern, will sagen ihn zwischen das Feuer unsrer auf beiden Flügeln anrückenden Corps zu nehmen, muß dahingestellt bleiben. Einen momentanen Erfolg hätten wir ihm nicht wehren können.

Noch einmal: warum unterließ er es? Erkannte er von seiner, einen vollen Ueberblick gewährenden Höhe von Fröschweiler aus die superiore Masse unsrer von drei Seiten her in beflügelter Eil heranrückenden Colonnen? Hatte unser Artilleriefeuer ihn mehr geschädigt, als wir diesseits wissen oder auch nur annehmen konnten? War er einfach widerwillig, eine brillante Stellung aufzugeben, um die Chancen eines Kampfes in der Ebene, oder wohl gar die noch geringeren eines Sturms gegen unsre Hochstellung zu versuchen? oder endlich, war es ein Blick auf unsern, von Viertelstunde zu Viertelstunde stärker werdenden linken Flügel, was ihn abhielt, sein Haupt- Bollwerk (Fröschweiler) von Truppen zu entblößen, das, wenn einmal entblößt davon, einem Angriff von eben unsrer linken Flanke her sehr wahrscheinlich rasch erliegen mußte? So drängen sich die Fragen. Möglich, daß es ein Zusammenwirken aller dieser Erwägungen war, was ihn bestimmte, in seiner Erdfestung auszuharren und ein zunächst verlockendes, im Ganzen aber immer gewagt bleibendes Spiel nicht zu spielen.

Wir wenden uns jezt unsrem linken Flügel zu, wo die Dinge, bis dahin schwierig genug, zwischen 12 und 1 Uhr allerdings solche Gestalt anzunehmen begannen, daß Mac Mahon zu erheblichem Grade mit diesem Faktor rechnen mußte.

Die 21. Division (XI. Corps) am linken Flügel.
Bis 1 Uhr.

Gunstett, am linken Flügel unserer Aufstellung, war am Abend des 5. durch das 2. Bataillon 50. Regiments, Major Crüger, besetzt wor den. Auch hier engagirte man sich in aller Frühe des 6.; die 5. Compagnie hatte, noch ehe 7 Uhr heran war, einen Angriff gegen die Mühle abgewiesen, während die 8. Compagnie bis an die Sauer vorgegangen war. Sie konnte sich indeß, wegen heftigen Geschüßfeuers, das sie empfing, an dieser Stelle nicht halten und mußte Deckungs halber in das Dorf zurückgehen. Die hohe, festungsartige Lage Gunstetts ermöglichte es, sich hier bis zum Eintreffen von Unterstüßungen zu halten.

Diese Unterstützungen brachte, erst in einzelnen Bataillonen, dann brigadenweise, das an unserem linken Flügel über Holschloch und Sursburg heranrückende XI. Corps.

Die Tête hatte die aus dem hessischen Füsilier- Regiment Nr. 80 und dem ersten nassauischen Infanterie-Regiment Nr. 87 zusammengeseßte Brigade v. Koblinski; sie war um 7 Uhr früh bei Holschloch (eine halbe Meile östlich vom Schlachtfelde) eingetroffen, rückte also spätestens um 9 Uhr in die Gefechtslinie ein, gab vier Compagnien an die Vertheidigung von Gunstett ab

und schob sich mit dem Rest ihrer Bataillone bis in die Front von Oberdorf, ziemlich dicht bis an die Sauer vor. Mit ihr zugleich waren die vier Batterieen der 21. Division eingetroffen, die in gleicher Linie, nur etwas weiter rückwärts, Aufstellung nahmen. Die Kanonade mit den feindlichen Batterieen am Niederwald und bei Elsaßhausen begann unverzüglich.

Etwa um 10 mochte die ganze 21. Division in und bei Gunstett versammelt sein, gerade noch rechtzeitig genug, um einem ersten ernsteren Angriff des französischen rechten Flügels begegnen zu können.

Dieser Angriff erfolgte um 10 Uhr durch eine Brigade der Division Conseil- Dumesnil und richtete sich gegen Gunstett selbst. So lebhaft er unternommen wurde, so unausreichend waren doch seine Mittel. Mit einer Brigade war hier nichts mehr zu effektuiren; der Angriff scheiterte; ja, es gelang uns, die wir uns im Allgemeinen auf die Defensive beschränkten, ein Bataillon vom 87. Regiment über die Sauer in den Niederwald vorzuschieben, wo sich dasselbe bis zur endlichen Entscheidung der Schlacht glücklich behauptete.

Der Feind, mehr und mehr erkennend, welche Gefahr ihm, bei voraussichtlich raschem Eintreffen neuer diesseitiger Bataillone, von unserem linken Flügel her drohe (nur von dieser Seite her war der sonst steil abfallenden Fröschweiler Position leidlich beizukommen), beschloß einen zweiten energischen Vorstoß gegen Gunstett zu unternehmen, der, wenn er glückte, namentlich auch unser bereits jenseits des Sauerbachs stehendes Bataillon (vom 87.) gefährden mußte. Um 111⁄2 Uhr drang er mit größeren Kräften, wahrscheinlich aus den Divisionen Lartigue und Conseil - Dumesnil gemischt, bis an die Brücke vor, überschritt diese und suchte die hohe Dorf- Enceinte zu erklettern. Aber dies mißlang; unser eben eingetroffenes 11. Jäger- Bataillon griff erfolgreich mit ein; unter erheblichen Verlusten des Gegners wurde auch dieser zweite Angriff zurückgewiesen.

Hiermit erlosch die französische Offensive gegen Gunstett. Um 12 Uhr etwa, oder doch wenig später, war auch die 22. Division, links neben der 21., in die Schlachtreihe eingerückt. Das ganze XI. Corps war also am linken Flügel versammelt; alle Batterieen eröffneten ihr Feuer und die Infanterie formirte sich, um nun ihrerseits zum Angriff auf die feindliche Stellung überzugehen.

Dies geschah um 1 Uhr.

Der Kronprinz auf der Höhe von Preuschdorf.

1 Uhr.

Um 1 Uhr erschien der Kronprinz, von Sulz her, auf der Höhe von Preuschdorf. Mit ihm Generallieutenant v. Blumenthal und die Suite des Stabes.

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