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Der Vorpostenkrieg an der Saar.

In dem Momente, in welchem die Kriegserklärung ausgesprochen wurde,

waren uns die Franzosen mit ihren Rüstungen und, wenn dies zweifelhaft sein sollte, so doch jedenfalls mit ihren Truppenconcentrationen an der Grenze erheblich voraus.

Diese Grenze, einen nach Osten hin vorspringenden rechten Winkel bildend, hatte eine Länge von 48 Meilen, wovon 12 Meilen auf Preußen, 13 Meilen auf die baierische Rheinpfalz und 23 Meilen auf Baden kommen. Die senkrechte Linie des Winkels wurde durch den Rhein, die unregelmäßig-wagerechte im Wesentlichen durch die Saar gebildet. Die Hauptmassen des Feindes standen auf der Linie Thionville - Mez - Nancy, das V. Corps bei Saargemund, das II. bei St. Arold, auf Forbach zu vorgeschoben. Es war also ersichtlich, daß er zunächst gegen die Saarlande zu operiren, einen Vorstoß gegen Baden aber zu vertagen oder ganz aufzugeben gedenke. So handelte es sich denn unsrerseits darum, die bedrohte Linie (Saar) zu schüßen. Zur Vertheidigung derselben und des ganzen dahintergelegenen (linksrheinischen) Terrains hatten wir vorläufig nur eine einzige Division, die 16., unter Generallieutenant v. Barnekow, zur Verfügung. Sie bestand aus den Infanterie-Regimentern Nr. 29, 69, 70 und dem hohenzollernschen Füsilier - Regiment Nr. 40, dem 7. Ulanen- und 9. Husaren-Regiment, die dahin verwendet wurden, daß

das 1. und 3. Bataillon Füsilier Regiments Nr. 40, sowie drei Escadrons vom Husaren-Regiment Nr. 9 bei Trier und Saarburg (rechter Flügel),

das Regiment Nr. 70 und beide Musketier-Bataillone vom Regiment Nr. 69 in Saarlouis (Centrum),

und das 2. Bataillon Füsilier - Regiments Nr. 40 nebst drei Escadrons vom Ulanen-Regiment Nr. 7 in Saarbrücken (linker Flügel) standen. Zwischengelegene Punkte hatten einzelne Detachements empfangen. So war Merzig durch eine Escadron vom 9. Husaren - Regiment, Völklingen durch 100 Pferde vom Ulanen - Regiment Nr. 7, sowie, von Saarlouis aus, durch das Füsilier-Bataillon vom 69. Regiment beseßt worden.

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Das Centrum (Saarlouis) hatte zunächst wenig zu befürchten; die beiden Flügel indeß (besonders der linke: Saarbrücken) waren andauernd bedrohte Punkte und den hier stehenden schwachen Truppendetachements fiel vor Allem die Aufgabe zu, durch Rührigkeit, Hin- und Hermarschiren, Patrouillendienst und unausgesezte Recognoscirungen beim Feinde die Vorstellung zu wecken, er befinde sich einer erheblichen Truppenmacht gegenüber. Dieser Zweck wurde vollständig erreicht. Bis zur Besetzung von Saarbrücken durch die Divisionen Bataille und Laveaucoupet (am 2. August) glaubte der Feind es mit eben so vielen Brigaden zu thun zu haben, als ihm Compagnieen und Escadrons gegenüber standen.

Dieser 14 tägige lebhafte Vorpostendienst führte selbstverständlich zu einer ganzen Anzahl von Scharmügeln, die abwechselnd durch ein Avanciren. des Feindes oder durch ein Vorgehen unsererseits eingeleitet wurden.

Der 19. eröffnete den Reigen der Feindseligkeiten. Etwa um.

54 Uhr früh überschritt eine starke Truppe Chasseurs d'Afrique die preußische Grenze beim »Goldnen Brassen «, Brême d'or, einem Wirthshause an der von Forbach nach Saarbrücken führenden Landstraße, 1 Stunde von Saarbrücken. In dem etwa 10 Minuten diesseits der Grenze gelegenen Zollhause rissen sie 2 Zollbeamten unteren Ranges halb angekleidet aus dem Bette und führten sie, als Gefangene, zu Pferde fort. Unsere Ulanen, viel schwächer, rückten, mit eingelegter Lanze, gegen die feindliche Truppe vor, die sich sofort wandte und dabei fünf bis sechs Schüsse that.

Am selben Tage (charakteristisch für die französische Sorglosigkeit) wurde, zum Jubel der Saarbrücker, ein betrunkener Zuave eingebracht, der sich's hart an der Grenze in einem preußischen Wirthshause hatte wohl sein lassen und über seinem vin blanc eingeschlafen war.

Am 21. hatte eine zweite Begegnung statt, an der diesmal Infanteriepatrouillen theilnahmen. Ein Unteroffizier von der 7. Compagnie des hohenzollernschen Regiments Nr. 40 schoß auf Entfernung von 7—800 Schritten einen französischen Chasseur vom Pferde; zahlreiche Schüsse, die der Feind aus einem Walde abfeuerte, verwundeten nur einen Füsilier.*)

Der 23. und 24. führten zu einer ganzen Anzahl kleiner Rencontres. Am 23., in aller Frühe, rückte der Feind in der ungefähren Stärke eines Bataillons auf Wehrden (bei Völklingen) zu, um sich in den Besitz der dortigen Brücke zu sehen, was ihm jedoch nicht gelang, indem der Commandant der Festung Saarlouis das schon erwähnte Füsilier-Bataillon 69. Regiments bereits dorthin entsandt hatte, um den Feind zu empfangen. Derselbe mußte sich unverrichteter Sache wieder zurückziehen. Gegen 7 Uhr wollten die Franzosen, welche Gersweiler stark besezt hielten, sich der Eisenbahnbrücke am Schanzenberge bemächtigen, vermuthlich in der Absicht, dadurch die Eisenbahnverbindung mit Saarlouis um so leichter unterbrechen zu können. Die Füsiliere vom 40. InfanterieRegiment verhinderten den Feind daran, der sich nach lebhaftem Kugelwechsel in seine früheren Stellungen zurückzog. Es scheint, daß mehr Leute von der Bevölkerung, als von den eigentlich Kriegführenden getroffen wurden.

*) An dem »kleinen Krieg«, den die Besazung von Saarbrücken in diesen Tagen führte, nahm auch Capitain Seton vom 102. englischen Regimente Theil. Er war von Kreuznach gekommen, wo seine Gemahlin die Kur brauchte, und hatte sich beim 40. Regiment attachiren lassen, um mit demselben die bevorstehende Campagne durchzumachen. Er war ein Original, das in der schlimmsten Situation mit Seelenruhe der Gefahr ins Auge blickte, wie es seine Landsleute bei Balaklawa unter Cardigan thaten. Er trug seine englische Uniform, ein wenig der preußischen accommodirt, und erwies sich als ein braver Kamerad. Mit ihm waren noch zwei andere englische Offiziere erschienen, um sich zu gleichem Zwecke dem 40. Regiment attachiren zu lassen. Ob sie angenommen wurden, stehe dahin. Im Allgemeinen galt als Regel, solche Anerbietungen abzulehnen, mit dem Bemerken, daß Krieg eine ernsthafte Sache und für uns wenigstens kein »Sport« sei.

Ein Mann aus Burbach, Colporteur Ackermann, wurde getödtet, zwei andre verwundet. Am 24. wiederholte sich das Scharmußiren bei Gersweiler. Der Feind ging mit einem Verlust von 10 Mann in seine Position zurück. Auch von Saarlouis aus ging man an diesem Tage (24.) über die Grenze vor. Eine Compagnie von 70. Regiment bemächtigte sich des Zollhauses zu Schrecklingen und führte die Zollkasse fort. Die Douaniers, die sich vertheidigten, wurden getödtet oder verwundet. Noch ein drittes Vorgehen der Unsern fand an diesem Tage statt. 30 Mann vom 7. Ulanen- Regiment rückten über die Grenze, sprengten einen Eisenbahn-Viaduct in die Luft und unterbrachen dadurch die Verbindung zwischen Saargemünd und Hagenau. (Nach einer anderen Version waren es baierische Jäger, die von Zweibrücken aus diesen glücklichen Coup ausführten. Ueberhaupt unterstüßten die baierischerseits bis an die pfälzisch-französische Grenze vorgeschobenen Detachements unsern Scharmügelkrieg an der Saar.)

Wir leisten darauf Verzicht, auf diese kleinen Rencontres, die sich auch während der nächsten Tage fortsetten, näher einzugehn; sie trugen alle denselben Charakter; am 26. ein kleines Gefecht an der Brücke von Rheinheim, am 27. bei Völklingen, am 28. verschiedene Recognoscirungen, am 30. ein erster Versuch des Feindes, Saarbrücken zu nehmen (der abgeschlagen wird), am 1. August ein Ritt baierischer Chevaurlegers und preußischer Husaren unter Major v. Egloffstein auf Bitsch zu, zum Dorfe Stürzelbrunn. Alle diese Scharmügel und Recognoscirungen, vielleicht mit Ausnahme des gesprengten Viaducts, waren unerheblich; ihre Bedeutung lag nur darin, daß sie unseren Truppen ein Gefühl der Ueberlegenheit, mindestens vollster Ebenbürtigkeit gegeben hatten. Selbst das Chassepotgewehr, das uns später, in den großen Kämpfen vor Meß, der Zahl der Opfer nach, so verderblich werden sollte, war in diesem Vorpostenkrieg zu keiner rechten Geltung gekommen. Die Kugel flog weit, aber sie traf nicht. So gestalteten sich diese Begegnungen bald zu Neckereien, in denen es die Rheinländer, bei ihrer Hinneigung zum Humor, an allerhand Scherzen nicht fehlen ließen. Besonders excellirten die Ulanen, sie legten große Papierkragen und die weißen Helme der Feuerwehr an, seßten Infanterie-Pickelhauben auf und gingen, statt mit der Lanze, mit dem bloßen Säbel vor. Dadurch erreichten sie es, daß dieselben Schwadronen abwechselnd für Ulanen, für Cürassiere und Dragoner gehalten wurden. Außer, daß es zur Unterhaltung diente, verwirrte es auch den Feind, der in seiner Vorstellung von »größeren Truppenmassen an der Saar« immer sichrer wurde.

Alles was wir bis hieher mitgetheilt haben, waren Rencontres oder Recognoscirungen an der Saar, an denen nur, außer den mehrgenannten, mit Vertheidigung dieses Flusses betrauten Truppentheilen, kleinere Detachements aus den unmittelbar angrenzenden Districten der Pfalz theilgenommen hatten. Das weitaus interessanteste Ereigniß in diesen VorspielWochen war der große Recognoscirungsritt, der vom 24. bis 26. Juli von dem würtembergischen Generalstabs - Offizier Grafen Zeppelin, bis hinter die erste französische Aufstellung, unternommen wurde. Ein glänzendes Bravourstück, das freilich die meisten seiner Theilnehmer zum Opfer forderte. Wir geben, nachstehend, einen ausführlichen Bericht.

Der Recognoscirungsritt des Grafen Zeppelin.

Am 23. Juli 1870 Abends wurde dem würtembergischen Generalstabs-Hauptmann Grafen Zeppelin vom Chef des badischen Generalstabes, Oberstlieutenant von Lescinsky (die würtembergische Reiterei war damals noch der badischen Division unterstellt), der Auftrag ertheilt, durch Recognoscirung zu erfahren: ob Mac Mahon's Truppen sich zu offensivem Vorgehen gegen die Lauter anschickten, insbesondere wo sich die 3. Division des Mac Mahon'schen Corps befinde. Man wußte von der 1. und 2. Division, daß sie in der Gegend von Hagenau eingetroffen seien. Cavallerie zeigte sich schon längs der Lauter.

Badische Dragoner, weil an der Grenze stehend, sollten, an Stelle der noch hinter Karlsruhe cantonnirenden würtembergischen Reiter, den Grafen Zeppelin begleiten, welcher hierzu einen bis zwei Offiziere und zwei bis drei Unteroffiziere oder Dragoner auf möglichst guten Pferden wünschte. Als derselbe am 24. Juli früh von Durlach zum Rendezvous nach Hagenbach kam, fand es sich, daß mehrere Offiziere die Bitte gestellt hatten, die Recognoscirung mitmachen zu dürfen, so daß Graf Zeppelin vier Offiziere (v. Wechmar, v. Villier, Winsloe, v. Gayling) und acht Dragoner mitzunehmen hatte.

Die wenigen Lauter-Uebergänge waren von Gendarmerie - Posten besezt; doch gelang es unentdeckt bis nahe an das Festungsthor von Lauterburg zu kommen. Für diesen Fall hatte Graf Zeppelin, um zu prüfen, wie es in der kleinen Festung aussehe, bestimmt, dreist einzureiten und auf der Hauptstraße, deren Richtung Allen beschrieben worden, vorzudringen. Die Ueberraschung mußte dies Stücklein ziemlich ungefährlich machen. So war es in der That; denn als diese ersten deutschen Reiter auf feindlichem Boden, den

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