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Die Kirchenordnung vom Jahre 1687.

Glanz und Ruhm, den ein solches nie dagewesenes Unternehmen auf ihn werfen werde, wie auch durch die Vorstellung, daß die aus Arabien zu berufenden Alchymisten hier würden Gold machen können, bestimmen, vorläufig die Sache nicht ganz abzuweisen, obwohl klar sehende Männer, wie der Oberpräsident v. Schwerin, das Gegentheil anriethen. Der Kurfürst war bereit, 15,000 Thlr. und die nöthigen Gebäude in Tangermünde zu geben und erließ selbst am 22. April 1667 ein in lateinischer Sprache abgefaßtes überschwängliches Patent für die neue Brandenburgische Universität der Völker, Wissenschaften und Künste.

Die Sache kam jedoch nicht zur Ausführung. Der Kurfürst wurde in schwere politische Angelegenheiten verwickelt, die ihn von der Verwirklichung dieses phantastischen Planes für immer zurückhielten.

Weit wichtiger für die Bildung des Volkes war die Schulordnung, welche er sammt der lutherischen Kirchenordnung für das Herzogthum Kleve und die Grafschaft Mark unter dem 6. August 1687 erließ und in welcher es unter Anderem heißt:

„Die von Altersher sowohl in den Kirchspielen als auch in Städten fundirten und hergebrachten Schulen sollen mit Fleiß erhalten, auch mit frommen und fleißigen evangelisch- lutherischen Schulmeistern von den Predigern, Magisträten und Vorstehern bestellt, die Neben- und Winkelschulen aber nicht gestattet werden. Die Schularbeit soll durchgehends, sowohl in den lateinischen, als auch den gemeinen deutschen Knaben- und Mägdleinschulen mit dem Veni sancte Spiritus, latein oder deutsch, auch sonsten mit dem Gebet jederzeit angefangen und geendigt, auch alle Tage zwei Kapitel aus der Bibel latein oder deutsch gelesen werden. Die Lehrer sollen die Kinder zur Gottesfurcht erziehen und selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Sonsten sollen in Schulen auch einerlei Praecepta gelehrt werden, damit die Jugend mit mancherlei Praeceptis nicht beschweret noch im Lauf ihres Studirens irre gemacht werde.

In den Classical- oder Synodal - Conventen sollen die Schulmeister sammt und sonders erscheinen. Die Schulen aber sollen, sowohl in Dörfern als Städten, von den Magistraten und einigen

Aufwendungen für Schule und Wissenschaft.

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Gelehrten beneben, wo nicht sämmtlichen, jedoch einem oder anderem Prediger, auf den Kirchspielen oder Dörfern aber beneben den Predigern von einigen aus dem Mittel der Kirchenräthe oder Vorsteher anzuordnen, monatlich zum wenigsten einmal besucht, auch die Schularbeit anderer Gestalt nicht, als mit Gutachten und Einrathen jetzt besagter Prediger und Scholarchen, denen dann die Schulkollegen diesesfalls zu folgen schuldig, wie denn auch, nach geendigter halbjähriger Schularbeit, und wenn die ordinariae lectiones auf einen Monat Frist cessiren, von den sämmtlichen Predigern und Scholarchen ein Eramen in allen Lectoriis gehalten werden soll."

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Noch in demselben Jahre wurde sogar in Wesel eine Pflanzschule für Schulmeister, ein „Contubernium" in Vorbereitung genommen, woraus später das Weseler Seminar hervorging, welches nach der Occupation durch die Franzosen nach Soest verlegt wurde.

Zur Unterstützung der Studirenden setzte der große Kurfürst 1686 die Zinsen eines Kapitals von 20,000 Thlrn. aus und stiftete Freistellen für die Universität Frankfurt und das Joachimsthal'sche Gymnasium in Berlin. Die Lehrer am grauen Kloster erhielten 1681 jährlich 500 Thlr. Gehaltserhöhung aus der Accise. Schon 1671 hatte er in Frankfurt auch eine Ritterakademie, an welcher Reit-, Fecht-, Tanz- und Sprachenmeister angestellt wurden, gegründet und auf dem neu angebauten Friedrichswerder in Berlin eine Stadtschule gestiftet.

Große Sorge widmete er auch der kurfürstlichen Bibliothek in Berlin. Dieselbe besaß schon 1687 1618 Handschriften und 20,600 gedruckte Bände. Den berühmten Geschichtsschreiber Sam. Pufendorf nahm er 1686 als Historiographen in seine Dienste.

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Der Pietismus in Kirche und Schule.

4. Abschnitt.

Der Einfluß des Pietismus auf die Bildung des Volkes und die Begründung des eigentlichen Volksschulwesens.

Mit dem Pietismus, wie ihn zuerst Phil. Jakob Spener, anknüpfend an Joh. Arnd, Joh. Val. Andreä, Matth. Meyfarth, Quistorp u. A., einführte, kündigte sich für die evangelische Kirche und auch die mit ihr verbundene Schule eine neue Zeit an, eine Zeit, deren Geist sich durch das GewichtLegen auf das Recht des religiösen Subjekts und die innerliche Frömmigkeit gegenüber der „alleinseligmachenden“ Dogmatik kennzeichnet. Die neue Universität Halle und die dortigen France'schen Stiftungen", das hallische Waisenhaus, wurden die Pflanzstätte des Pietismus und blieben es bis über die Mitte des 18. Jahrhunderts hinaus, wogegen in dem benachbarten Kursachsen, in Leipzig und Dresden, nach dem rohen Carpzov der edle und gelehrte Dr. Val. Ernst Löscher (Superintendent in Jüterbogk und Delitzsch, dann Professor in Wittenberg und bald darauf Superintendent und Oberkonsistorialrath in Dresden) den Pietismus bekämpfte, dessen Schwächen sich schon bei Aug. Herm. France, noch mehr aber bei den hallischen Lehrern der zweiten Generation geltend machten; denn an die Stelle der dogmatischen Formel, haarscharf zuletzt im „Bergischen Buche" gegeben, war die Herrschaft der frommen Phrase getreten und die Aeußerlichkeit der orthodoren Lehr- und Bekenntnißgerechtigkeit war durch Die wo möglich noch größere Aeußerlichkeit gottseliger Manieren und Geberden ersetzt worden. Der geistliche Hochmuth der Vietisten nahm in demselben Grade zu, in welchem sie die ernsten Studien vernachlässigten und eine ernste, gründliche theologische Wissenschaft als profanes Treiben verachteten. Gegen das Ende des 18. Jahrhunderts

Die preußische Königskrone.

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hin ging der Pietismus, aus der Theologie verdrängt, mehr in religiös angeregte Laienkreise über, welche der Richtung des Zeitgeistes auf einseitige Verstandesbildung widerstrebten, und drang namentlich in Württemberg und im Wupperthale in die mittleren und niederen Volksschichten ein, die sich manche Ausschreitungen, wie die Zioniten in Ronsdorf und Umgegend, zu Schulden kommen ließen. Andererseits wurde der Pietismus noch in hoch aristokratischen Cirkeln als eine Modesache behandelt und gepflegt, die der nun auftretende Rationalismus freilich bitter bekämpfte. So viel aber steht fest: von allen kirchlichen Strömungen seit der Reformation hat der Pietismus am meisten und nachhaltigsten auf die Entwickelung nicht des höheren, wohl aber des eigentlichen deutschen Volksschulwesens gewirkt.

In derselben Zeit, da der Pietismus auf dem Gebiete der Kirche seine ersten Gänge machte, vollzog sich in Deutschland ein Akt von hoher politischer Bedeutung. Des großen Kurfürsten Nachfolger Friedrich III., als König Friedrich I., (1688-1713) sezte sich statt des Kurhutes die Königskrone auf's Haupt. Die Macht Brandenburgs stand mit der Kurwürde nicht mehr in richtigem Verhältnisse; es mußte auch dieses ausgeglichen, es mußte auch dieser Schritt vorwärts gethan werden. Vielleicht hatte schon der große Kurfürst daran gedacht, vielleicht diesen Gedanken schon dem Kurprinzen in die Seele gegeben; ja er soll noch auf dem Todtenbette diesem die Erhebung des Herzogthums Preußen zu einem Königreiche angerathen haben. Vor allen Dingen aber mußte, nach der damals im Reiche noch herrschenden Ansicht, wenn die Anerkennung der neuen Würde von den anderen Höfen erfolgen sollte, die Genehmigung und Zustimmung des deutschen Kaisers eingeholt werden. Hierüber wurde seit 1690 ganz im Geheimen, zuleßt durch den brandenburgischen Residenten v. Bartholdi und den Jesuitenpater Wolf Baron v. Lüdinghausen in Wien

Gesch. d. preuß. Volksschulwesens.

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Die Krönung in Königsberg.

verhandelt, und so manche Nachgiebigkeit von Seiten Friedrich's gegen den Kaiser ist hieraus zu erklären. Endlich bewogen die politischen Verhältnisse, der im Jahre 1700 ausgebrochene nordische, wie der im folgenden Jahre entstandene spanische Erbfolgekrieg, den Kaiser, den Wünschen des Kurfürsten, dessen Hilfe gar nicht entbehrt werden konnte, nachzugeben. Am 16. Nov. 1700 wurde gegen schwere Opfer der betreffende Traktat zwischen Friedrich und Leopold I. abgeschlossen und in demselben der erstere als „König in Preußen" anerkannt.*) Friedrich nannte sich darum nur König in Preußen, weil noch ein Theil dieses Landes, Westpreußen, zu Polen gehörte. Am 17. Dez. 1700 reiste er von Berlin ab, langte am 29. in Königsberg an, stiftete hier am 17. Jan. 1701 den Orden vom Schwarzen Adler und setzte sich und seiner Gemahlin am 18. Jan. die Königskrone auf's Haupt.

*) Gleichzeitig mit dem Traktat traf am 24. Nov. ein Schreiben des Kaisers vom 19. in Berlin ein. Es sei zwar noch nicht Alles in Richtigkeit, heißt es in demselben, aber er vertraue nicht so sehr auf Worte, als auf des Kurfürsten aufrichtiges Gemüth; und da er erfahren, daß derselbe sich zur Reise nach Preußen fertig halte, so habe er sich nicht länger aufhalten wollen, sondern den Traktat am 16. schließen lassen: „Ich thue demnach zu der anzunehmen vorhabenden Würde allen gedeihlichen Segen und Glück, und daß dieselbe in Dero Posterität zu ewigen Zeiten kontinuiren möge, freund-, oheim- und gnädiglich wünschen."

Als man den in Wien konzipirten Vertrag prüfte, fand sich der dort eingeschobene Ausdruck, daß der Kurfürst die Krone ohne Zustimmung des Kaisers, als des höchsten Oberhauptes der Christenheit, anzunehmen nicht befugt" sei. Sofort ließ der Kurfürst in Wien fordern, dies nicht befugt“ in „nicht gemeint“ abzuändern. Er erbot sich dafür zuzulassen, daß die Hälfte des Corps, das er dem Kaiser zur Verfügung zu stellen habe, in Mailand verwandt werde. Es kostete viele Mühe, den Kaiser zu dieser Aenderung zu vermögen, doch ratifizirte derselbe am 4. Dezbr. den erneuten Allianztraktat".

Pater Wolf kam im August des Jahres 1701 nach Berlin mit dem geheimen Auftrage, die Vermählung der jüngsten Tochter des Kaisers mit dem preußischen Kronprinzen anzubieten, um den Jesuitismus am Berliner Hofe einzuführen. Die Sache scheiterte aber an der Festigkeit des Königs.

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