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Die schweizerischen Reformatoren.

legenheit der Uebertretung gezüchtiget werden". So weit war man also in den deutschen Landen gekommen, daß der Gebrauch der deutschen Muttersprache mit der Gotteslästerung gleicher Verdammniß unterlag.

Der Kurfürst Joachim Friedrich (1598-1608) widmete gleichfalls dem Schulwesen seine Aufmerksamkeit. Die Instruktion vom 9. Febr. 1600 legte den Visitatoren die Pflicht auf, zu erkunden, ob und wie viel Schulgesellen an der Schule jedes Orts bestellt wären, ob und wie oft jährlich Examen gehalten würde und in welcher Gestalt; wie sich die Schulgesellen in ihrem Amte und Leben verhielten, was für eine Ordnung sie in den Lektionen hielten, ob sie auch mit nothdürftigem Unterhalte, mit Wohnungen und Tischen versehen. wären, und ob der Küster etwa ein Schulkollege sei. Der Kurfürst gründete im Jahre 1607 nach dem Muster der sächsischen Fürstenschulen (Meißen, Grimma und Pforta) ein Alumnat in einem Luftschlosse bei der Stadt Joachimsthal und stattete es mit eingezogenen geistlichen Gütern zum Unterhalte von 120 adligen und bürgerlichen Schülern aus.

Noch mehr wie die wittenberger hatten aber die schweize= rischen Reformatoren den Unterricht der Jugend gefördert. In Genf erhob sich, gedrungen durch den tiefernsten und mächtigen Geist Kalvin's, eine evangelische Gemeinde, der alle die politischen Voraussetzungen fremd waren, auf welchen sich im Reiche die neuen kirchlichen Ordnungen auferbaut hatten, eine Gemeinde von durchaus republikanischer Form. In großartiger Wirksamkeit, die bald Frankreich, Schottland, England, die Niederlande erfüllen und erschüttern sollte, entwickelte sie diejenigen Momente des evanglischen Lebens, wie z. B. das allgemeine Priesterthum, die Theilnahme der Gemeinde an Lehre und Verwaltung der Kirche u. s. w., die in der Auffassung, wie sie in Wittenberg maßgebend wurde, immermehr zurücktraten und ganz schwanden, als die Kon

Die Universität Königsberg.

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fordienformel mit Strenge und empörendem Gewissenszwange zur Einführung gelangte.

Kurfürst Joh. Sigismund vonBrandenburg(1608–1619) hatte seine Erziehung und Bildung von einem eifrigen Lutheraner, dem Domprobst Sim. Gedicke zu Berlin, empfangen, aber dennoch war seine Frömmigkeit mehr ethischer als konfessioneller Natur. Er neigte sich schon früh der reformirten Lehre zu und trat endlich, vielleicht mit bewogen durch das Beispiel anderer Fürsten und namentlich seiner Brüder, zum reformirten Bekenntnisse über und zeigte dies am 18. Dez. 1613 dem versammelten Geheimenrathe an. In hoher Bedrängniß wegen der Jülich'schen Angelegenheit, einer dunkeln Zukunft entgegensehend, wollte er wenigstens - das ist sein Ausdruck „Ruhe in seinem Gewissen haben“. Es war dies mehr als ein politischer Schritt; es war eine andere, eine größere, lebensreichere Weltanschauung, für die sich der Kurfürst entschied. Und diese mußte auch der brandenburgischpreußischen Schule zu Gute kommen, sie endlich aus den beengenden konfessionellen Fesseln lösen und auch ihr eine freiere Bewegung gestatten. Lange hat es freilich gewährt, ehe das gestreuete Samenkorn seine Frucht bringen konnte.

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Kurfürst Joh. Sigismund gab am 13. April 1610 der Universität Frankfurt neue Geseze und Statuten, und Gleiches geschah unter'm 6. Dez. 1622 durch den Kurfürsten Georg Wilhelm (1619-1640).

Als im Jahre 1618 das Herzogthum Preußen an Brandenburg fiel, überkam dies auch die Universität Königsberg. Der Markgraf Albrecht von Brandenburg, 1510 zum Hochmeister der Deutschen Ritter in Preußen erwählt, gründete nach seinem Uebertritte zur lutherischen Lehre und nachdem er Preußen als weltliches Herzogthum von dem Könige von Polen zu Lehen empfangen, 1541 zu Königsberg ein Pädagogium mit philosophischen Vorlesungen in den oberen Klassen,

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Der dreißigjährige Krieg.

das bis 1619 bestand, und bald darauf, im Jahre 1543, die Universität, deren Fundationsurkunde unter'm 20. Juli 1544 ausgestellt ist. Das kaiserliche Privilegium war nicht zu erlangen; dagegen wurde die Universität, auf Ansuchen des Herzogs Albrecht, vom Könige Sigismund August von Polen im Jahre 1560 nach dem Muster der Universität zu Krakau bestätigt und ihr insbesondere auch das Promotionsrecht in allen Fakultäten ausdrücklich beigelegt.

3. Abschnitt.

Die Zeit vor und nach dem dreißigjährigen Kriege und die Anfänge des Volksschulwesens.

Durch die Reformation und deren Folgen hatten die Städte, d. h. die größten und mächtigsten im Reiche, die Freundschaft des Kaisers verloren, ihre Eintracht war gestört und dafür die Macht der Territorialherren gestärkt, die Autorität des Kaisers aber in gleicher Weise geschwächt worden. Indem die Kaiser der alten Kirche treu blieben und die neue bekämpften, sanken sie zu Parteimännern, von der einen Seite erhoben, von der anderen gehaßt, immer weiter herab; dazu kam, daß ihre Politik immer mehr Deutschland entfremdet, der deutsche Kaiser immer österreichischer, die Macht und Kraft Deutschlands einer ihm fremden Hauspolitik geopfert wurde.

Der dreißigjährige Krieg, dieser Würgengel des deutschen Landes und Lebens, brach vollends die Blüthe der Städte; er schadete ihnen noch weit mehr als dem Adel, da in ihnen das Besigthum meistens aus beweglicher Habe bestand, die

Die Folgen des dreißigjährigen Krieges.

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den Bürgern genommen wurde. Vollständig verarmten dieselben und die Einwohnerschaft sank in vielen auf den zehnten Theil herab.*) An die Förderung geistiger Interessen, an die Behauptung alter Rechte und Freiheiten konnte in der allgemeinen Noth nicht mehr gedacht werden. Das Geschütz des Feindes hatte die alten morschen Mauern niedergestürzt und mit ihrem Schutte die Gräben gefüllt, welche die spätere bessere Zeit zum Vergnügen der Bewohner in freundliche Promenaden umwandelte. Die Bauern aber traf das härteste Loos; ihre Felder wurden verwüstet und ihre Höfe zerstört; viele wurden erschlagen, zu Tode gemartert; viele verhungerten oder starben an ansteckenden Krankheiten. Ganze Dörfer wurden wüst und erstanden nicht wieder, so daß da, wo der Krieg am furchtbarsten gewüthet, wie z. B. in Sachsen und Brandenburg, nur noch der Name der Feldmarken Kunde von den ehemals hier vorhanden gewesenen Dörfern giebt. Der Markgraf Sigismund schrieb seinem Neffen, dem Kurfürsten Georg Wilhelm, wie es in der Mark so viel Wild gäbe, daß es bald die Bauern auffräße. Die Hunde der vielen zerstörten Dörfer verwilderten und fielen aus Mangel an Nahrung die Menschen an. Es ist thatsächlich, daß Wölfe in den Kirchen ihre Jungen warfen. Man trieb die Kinder wie Gänse auf die Weide, um Gras zu essen. Deutschland wurde um zwei bis drei Jahrhunderte zurückgebracht; aber die deutschen Fürsten schwangen sich durch den westfälischen Frieden fast zur vollen Souveränetät empor, und der Adel ahmte ihnen nach. Er drückte den Bauer mit Frohnden und allen nur möglichen Leistungen, die unter 750 verschiedenen Namen

*) Worms z. B., das zur Zeit des weltberühmten Reichstages 100,000 Einwohner zählte, freuete sich in der Mitte des 18. Jahrhunderts, daß es wieder bis auf 6000 gestiegen sei; Köln, welches früher noch bedeutendere Bevölkerung hatte, erreichte am Ausgange des 18. Jahrhunderts noch nicht 40,000, und ähnlich war es in Speier, Augsburg, Ulm, Soest, Magdeburg und vielen anderen Städten.

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Das Schulwesen in Ostpreußen.

vorkommen. Die Zeit von 1650 bis etwa 1750 war die der größten Ueberhebung des deutschen Adels, aber auch die der größten Unterdrückung des deutschen Bauers und des tiefsten Versalles der ganzen deutschen Nation. Der dreißigjährige Krieg hat in der That an Deutschland Größeres und Edleres verdorben, als blos die Verfassung des Reiches geändert, dasselbe verkümmert und den Wohlstand zerrüttet. Der stolze, selbstbewußte, thatkräftige Sinn des Volkes, der sich seit dem Mittelalter doch noch in etwas erhalten hatte, wurde vernichtet und eine ganz andere Nation schienen die Deutschen seitdem geworden zu sein, bis endlich die Freiheitskriege, der deutsche Kampf gegen Frankreich und die Wiederaufrichtung des Reiches deutscher Nation gezeigt haben, daß jene Phase vergangen und die alte Kraft und Macht des Volkes wieder erwacht ist.

Der unglückselige dreißigjährige Krieg mußte auch bei dem allgemeinen Jammer und Elende die ersten Keime des deutschen Schulwesens wieder zerstören, und namentlich in denjenigen Ländern, in denen er am verheerendsten wüthete, wie in Brandenburg und Sachsen, neben äußerem Elende ohne Grenze, schreckliche Rohheit und Verwilderung zur Folge haben. Auch die Schule zu Joachimsthal wurde sammt dem. Orte und den ihr zugehörigen Gütern von den Kaiserlichen, von den Schweden und Sachsen gänzlich verwüstet.

Etwas besser mochte es im fernen Ostpreußen stehen. In dem Kirchenvisitationsrezeß der Insterburgischen und anderen Lithauischen Aemter vom Jahre 1638 wurde nämlich verordnet:

Daß die Eltern ihre Kinder fleißig zur Schule halten, sie auch nicht zu früh und zu zeitig, wenn sie am allerbesten etwas fassen und lernen, aus der Schule herausnehmen sollen; daß die Schulmeister auf dem Lande sich nicht auf die faule Seite legen und nur gute Tage suchen, sondern fleißig studiren, lesen und den Pfarrern

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