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Der Realismus, sobald vom richtigen Ziele abgeirrt und zur Karrikatur geworden, empfing wieder in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch die Aufklärung“ und durch die Berührung mit den Rousseau'schen Erziehungsideen neue Gestalt und neuen Gehalt, indem er in den Philantropinismus überging und so eine neue Bildungsrichtung in die Schulkreise einführte. Jeßt, nachdem der Rationalismus über die starre Orthodoxie gesiegt und den Pietismus als eine Halbheit verworfen, jest war der Geist erwacht, der Alles, was bestand, um seine Berechtigung fragte, der alles historisch Gewordene und faktisch Vorhandene schon zum voraus im Verdacht hatte, daß es verkehrt und darum der Vertilgung geweiht sei, jener Geist, der stets verneint und nie bejaht. Wie man dem positiven Rechte das Naturrecht gegenüberstellte und nur das leztere gelten lassen wollte, so war der Grundgedanke der Philantropen, deren Zeit jezt beginnt, die Natur, das Natürliche. Wollte der Realismus einen Geschäftsmann bilden, so der Philantropinismus einen allgemeinen Menschen,“ ohne Nationalität, ohne Konfession! Die Philantropen traten aber auch in scharfen Gegensatz, ja in einen Kampf auf Leben und Tod mit Aug. Herm. Francke und seinen Nachfolgern und unterbrachen den Segen, der durch diesen Mann sonderlich über die evangelischen, aber auch über die katholischen Schulen gekommen war. Basedow (geb. 1723, gest. 1790), Salzmann (geb. 1744, gest. 1811), Campe (geb. 1746, gest. 1818) und A. streben, nach dem Vorgange J. J. Rousseau's (geb. 1712, gest. 1778), auf dem Wege einer neuen Erziehungsmethode eine vollständige Verbesserung der Welt und die Herstellung eines paradiesischen Zustandes des Menschengeschlechts herbeizuführen. Basedow, der im Jahre 1774

Leder gemacht worden. Man kann der Jugend von mehr als 90 Arten des Leders vorzeigen 2c."

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das Philantropin in Dessau gründete, verkündete pomphaft, daß die Schule nur Weltbürger erziehen solle, und zwar nicht durch sprachliche und kirchliche Belehrung, sondern durch die Mittheilung von Realien und durch Verstandesbildung, d. i. Aufklärung; denn der Weg zum Herzen gehe durch den Kopf, und die Grundbedingung einer rechten Erziehung sei die Naturmäßigkeit. Von Allem, was Vernunft und Natur fordere, sei man unendlich weit abgeirrt und daher komme das allgemeine Elend in Staat und Kirche, Gemeinde und Familie, an den Höfen wie unter dem Volke. An die Stelle dieses Elends müsse für das ganze Menschengeschlecht die höchstmöglichste Glückseligkeit in konkreter, greifbarer Gestalt treten.

So weit stimmte der Philanthropinismus mit den Strebungen Rousseau's überein. Dieser aber wandte sich in seinem Hasse gegen alles Bestehende, alles historisch Gewordene und Berechtigte mit revolutionärem Angriffe gegen den Staat selbst; Rousseau's Theorien entsprang die spätere Praris der scheußlichsten Hinrichtungen en masse, um die Welt zu reformiren und zu beglücken; anders die deutschen Philanthropen. Sie suchten sich mit den Regierungen gut zu stellen; Basedow erklärte sogar, seine Zöglinge so zu erziehen, „daß sie sich unter dem russischen Scepter nicht minder glücklich fühlen werden als in der Republik des Alpenlandes." Aber die allermeisten der Philantropen meinten es ehrlich, hatten aufrichtige Liebe zur Jugend und widmeten sich selbst dem schweren Erziehungswerke, während Rousseau, ohne innern moralischen Halt, nur mit der Feder ihm dienen wollte und dienen konnte und dem Irrthume verfiel, daß er die Kultur verfluchte und nicht in dem durch Kultur wieder zur Natur zurückgekehrten Menschen, sondern in dem Wilden der anderen Hemisphäre sein Ideal erblickte, wie er es in seinem weltberühmten Roman ,,Emile" niederlegte, ein Buch, das eben soviel geschadet als genügt hat.

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Es ist gewiß, daß die Philanthropen in Deutschland eine heilsame Gegenwirkung gegen mancherlei pietistische und realistische Uebertreibungen übten und auch läuternd auf die eigentlichen Gelehrtenschulen, auf die Gymnasien, wirften. Darin bestehen denn auch lediglich ihre Verdienste, und in dieser Beziehung sind sie in der Entwickelung der deutschen. Pädagogik epochemachend. Aber schnell verfielen die von ihnen gegründeten Erziehungsinstitute bis auf die zwar auf gleichen Grundlagen errichtete, aber eigenthümlich patriarchalisch organisirte, von dem lieblichen Grün des Thüringer Waldes umfriedigte Anstalt zu Schnepfenthal, von Salzmann 1784 gegründet, und die durch unermüdliche und opferfreudige Thätigkeit des Pfarrers Herbing zu Nachterstädt bei Quedlinburg eingerichtete „Volksschule,“ später mit einem „Volkslehrinstitut" verbunden.

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Die Philantropen suchten vorzugsweise auf die Bildung und Erziehung der höheren Stände zu wirken, der Besuch ihrer Institute kostete schweres Geld. Die wenigen Schulen, die sie auf Dörfern in's Leben riefen, waren nur Nachbildungen der Bürgerschulen in den Städten. An eigentliche Dorfschulen hatten sie nicht gedacht. Auch deren Zeit sollte kommen.

In Preußen trat ein Mann auf, der aus herzlichem Erbarmen mit dem armen, ganz vernachlässigten Landvolke zu helfen beschloß, den Gedanken mit staatsmännischem Blicke, mit Eifer und Hingebung ausführte, und das noch dazu in einer Zeit, wo Adel und Geistlichkeit der Bildung des Volkes oft mit Erfolg widerstrebten. Jener edle Mann war der Domherr Friedr. Eberh. v. Rochow, Erbherr auf Reckahn bei Brandenburg (geb. 1734, gest. 1805), welcher die philanthropischen Ideen in die eigentlichen Volksschulen einzuführen sich bemühete. Mit seinem Wirken begann für die Dorfschulen eine neue Zeit. Die Schule zu Reckahn, die mit dem 2. Jan. 1773 in's Leben trat und Heinr. Jul. Bruns zum Lehrer

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hatte, wurde für lange Zeit eine strahlende Leuchte für das gesammte evangelische Dorfschulwesen Deutschlands. Durch Rochow, der selbst durch Schulschriften thätig war, auf bessere Lehrmethoden sann und der Lehrerbildung nachdachte, ist die Erziehungsidee wesentlich gefördert worden; er hat die folgende, die Pestalozzi'sche Periode vorbereitet.

6. Abschnitt.

Das Allgemeine Landrecht und sein System des gesammten
Unterrichtswesens.

Die Fortschritte, welche das Schulwesen unter der Regierung Friedrich's II. machte, hatten wirklich ihren Grund weniger in den Maßnahmen des Staates und in den von ihm gegründeten Anstalten Behufs der Lehrerbildung, als in dem Triebe, der Thätigkeit und Hingabe einzelner Personen und in dem Drange nach Wissen, der sich, entsprungen aus veränderten Verhältnissen, schon im Bürgerstande geltend zu machen begann. Die Zeit neigte sich ihrem Ende, daß der Bürger für's irdische Leben die hohe Regierung und für's ewige den Pfarrer sorgen ließ und kaum eine eigene Meinung hatte. Es bereitete sich eine Ablösung der Schule von der Kirche vor, und die Entwickelung der Staatsidee bedingte, daß die Regierung die freie provinzielle, städtische oder Gemeinde-Verwaltung derselben, wie auch die Betheiligung der Kirche immer mehr beschränkte. So erklärte das noch unter Friedrich II. ausgearbeitete, aber erst unter dem 5. Febr. 1794 zur Publikation gelangte Landrecht Universitäten und Schulen nicht nur für „Veran

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staltungen des Staates," sondern stellte auch ein umfassendes Rechtssystem über das ganze Unterrichtswesen auf, das in seinen Grundbestimmungen, die auch in die Verfassungsurfunde vom 31. Januar 1850 übergegangen sind, bis auf den heutigen Tag maßgebend geblieben ist.

Das Allg. Landrecht sagt in Thl. II. Tit. 12:

§. 1. Schulen und Universitäten sind Veranstaltungen des Staates, welche den Unterricht der Jugend in nüßlichen Kenntnissen und Wissenschaften zur Absicht haben.

§. 2. Dergleichen Anstalten sollen nur mit Vorwissen und Genehmigung des Staates errichtet werden.

§. 3. Wer eine Privaterziehungs- oder sogenannte PensionsAnstalt errichten will, muß bei derjenigen Behörde, welcher die Aufsicht über das Schul- und Erziehungswesen des Ortes übertragen ist, seine Tüchtigkeit zu diesem Geschäfte nachweisen, und seinen Plan, sowohl in Ansehung der Erziehung, als des Unterrichtes, zur Genehmigung vorlegen.

§. 4. Auch solche Privat-Schul- und Erziehungsanstalten sind der Aufsicht der Behörde unterworfen, welche von der Art, wie die Kinder gehalten und verpflegt, wie die physische und moralische Erziehung derselben besorgt, und wie ihnen der erforderliche Unterricht gegeben werde, Kenntniß einzuziehen und verpflichtet ist.

§. 5. Schädliche Unordnungen und Mißbräuche, welche sie dabei bemerkt, muß sie der dem Schul- und Erziehungswesen in der Provinz vorgesetzten Behörde zur näheren Prüfung und Abstellung anzeigen.

§. 9. Alle öffentlichen Unterrichts- und Erziehungsanstalten stehen unter der Aufsicht des Staates und müssen sich den Prüfungen und Visitationen desselben zu allen Zeiten unterwerfen.

§. 10. Niemand soll, wegen Verschiedenheit des Glaubensbekenntnisses, der Zutritt in öffentliche Schulen versagt werden.

§. 11. Kinder, die in einer anderen Religion, als welche in der öffentlichen Schule gelehrt wird, nach den Gesetzen des Staates erzogen werden sollen, können dem Religionsunterrichte in derselben beizuwohnen nicht angehalten werden.

§. 15. Die Obrigkeit und der Geistliche müssen sich nach den vom Staate ertheilten oder genehmigten Schulordnungen achten,

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