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Einleitung.

Der glorreich geführte Kampf gegen Frankreich, wie die Gründung des neuen Reiches deutscher Nation hat durch ganz Deutschland hin ein neues Leben und Streben erzeugt. Der Zug nach Zusammenschluß und nach Einigung ist in das selbstbewußte Leben des deutschen Volkes eingetreten und macht sich selbst auf denjenigen Gebieten geltend, die nicht im unmittelbaren Dienste der äußeren Politik stehen, die mit den materiellen Interessen zwar verwachsen, aber nicht lediglich Faktoren derselben sind. So konnte die Gründung des Deutschen Reiches auch nicht ohne Einfluß auf diejenigen Institutionen bleiben, die verfassungsmäßig der Reichskompetenz noch entzogen sind; vor allen Dingen. nicht auf die deutsche Volksschule, welche, obwohl in den meisten deutschen Landen oft vernachlässigt und stiefmütterlich behandelt, in so manche falsche Bahnen geleitet, fremden, ja feindlichen Interessen dienstbar gemacht, sich dennoch nicht den kleinsten Theil an den großen Erfolgen der lezten Jahre zuzuschreiben braucht. Sie ist es, welche, troz

Gesch. d. preuß. Volksschulwesens.

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schwieriger Verhältnisse, dem deutschen Volke die ange= staunte Intelligenz gegeben; sie ist es, welche die deutsche Jugend mit Vaterlandsliebe, mit Opferfreudigkeit ausgerüstet, welche den nationalen Gedanken, selbst in einer Zeit, da deutsch zu denken, geschweige denn zu reden, oder zu handeln, fast als ein Verbrechen galt, lebendig erhalten und ihm endlich zum Durchbruche verholfen hat. Gerade aber in dem größten deutschen Staate, in Preußen, hat die Schule in den Zeiten bitterer Reaktion am schwersten gelitten; was Wunder, wenn die hereingebrochene neue Zeit, die der Beginn einer Epoche der Weltgeschichte ist, gerade auf dem Gebiete des Volksunterrichtes um so lebendiger wirkt. Das Alte stürzt und Neues ist im Werden; mannigfacher Wechsel in Personen und Anschauungen hat sich vollzogen, und das schon von der preußischen Verfassung vor 25 Jahren angekündigte Unterrichtsgesetz hat endlich Aussicht in nicht zu ferner Zeit Wahrheit zu werden.

Das Beispiel des größten und mächtigsten deutschen. Staates kann aber nicht ohne Einfluß und Nachwirkung auf die übrigen bleiben. Gerechtfertigt ist es darum, daß wir uns vor allen Dingen bezüglich des preußischen Volksschulwesens und dieses hat ja so Vieles mit dem im

übrigen Deutschland gemein die Vergangenheit vergegenwärtigen; auf ihr beruht die Jetztzeit, auf dieser die Zukunft. Mit Recht wird darum Jeder fragen, wie einst der Herr v. Schön: Woher? Wohin?

1. Abschnitt.

Das deutsche Schulwesen im Mittelalter.

In der ältesten Zeit stand in Deutschland die Schule in engster Verbindung mit der Kirche. An sie wandte sich deßhalb auch Karl d. Gr., um dem Volke eine größere Bildung zu verschaffen und mit ihr das Christenthum und die Kultur in Deutschland zu befestigen. Die Geistlichkeit war es denn auch, welche bei den Klöstern, den Kathedralen und Bischofssiten Schulen errichtete, in denen die Fürstensöhne, die Adligen und Vornehmsten des Volkes Unterricht empfingen, ihre Bildung erhielten, freilich nur eine durch lateinische Sprache vermittelte gelehrte, theologische, so weit man es eben für rathsam fand. Mönche und andere Geistliche, von den Aebten und Bischöfen zu Vorstehern der Dom- und Klosterschulen berufen, waren natürlich die Lehrer, die Scholastici. Sie verwalteten, als Gelehrte geschäßt, ein ehrenvolles und auch einträgliches Amt und standen im Genusse reicher Pfründen.

In den brandenburgischen Landen war in der Zeit, da die Markgrafen aus dem anhaltischen Hause dieselben beherrschten, der Bildungsstand des Volkes aber noch äußerst gering. Für den Unterricht desselben war von den Fürsten nichts gethan; was eben geschah, ging auch hier von der Kirche aus und blieb ihr überlassen, vornehmlich, um den geistlichen Stand heranzubilden. Wir finden darum in den betreffenden Gegenden schon früh einige Dom- und Kloster

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Dom- oder Klosterschulen.

schulen, z. B. in Magdeburg, namentlich hier im Johanniskloster unter dem Abte Rigdag und dem Philosophen Geddo, wo auch der Chronist Dietmar, Bischof von Merseburg, seine Bildung erhielt; ferner in Quedlinburg, Halberstadt, Brandenburg, Havelberg, 1116 im Kloster Neuenwerk bei Halle a. d. S. u. s. w., in denen der Unterricht unter der Leitung und Aufsicht der Scholastici ertheilt wurde.

Da, wo keine Dom- oder Klosterschulen bestanden, gründete auch wohl der Ortspriester, der Parochus, aus eigenem Antriebe oder auf Befehl seiner geistlichen Oberen eine Schule, um „das Volk zu ermahnen, den Glauben und das Gebet des Herrn zu lernen.“

Gar bald schwand aber bei der höheren Geistlichkeit der Sinn für ernste Wissenschaft, die Theilnahme an dem Wohle des Volkes; die Bischöfe vergaßen über ihren Fehde- und Kriegszügen und ihrer Einmischung in die weltlichen Händel ihres Hirten- und ihres Lehrberufes, und so konnte es auch nicht fehlen, daß die ihnen untergebenen Scholastici das Lehren und Schulehalten von sich wiesen, die ihnen zustehende Arbeit einem Stellvertreter (Rektor) übertrugen, den. sie, da die Kirche einen unwiderstehlichen Hang nach Reichthum hatte, gering genug bezahlten, während sie den Ehrennamen „Scholastikus“ ruhig weiter führten, im Vollbesige und Vollgenusse der Kirchenund Schulgüter blieben und die reichen Einkünfte im Nichtsthun verzehrten. Dem Beispiele der Scholastici in den Klöstern. und den Domstiftern folgten gar bald die Parochi in den Städten, indem auch sie sich Gehülfen, sogen. Kindermeister annahmen, welche die Kinder unterrichten und nebenher auch noch manche kirchliche Verrichtungen, die Küsterdienste, besorgen mußten. Die Geistlichen waren die Herren, die von ihnen abhängigen schlecht gelohnten Rektoren und Kindermeister die gehorsamen Diener, die, um ihrer Dienste sicher und gewiß zu sein, stets in abhängigem Verhältnisse gehalten wurden.

Dom- oder Klosterschulen.

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Aber durch solches Nichtwarten des Amtes von Seiten der Geistlichkeit wurde auch der erste Anfang zur Bildung eines eigenen Lehrerstandes gelegt, dem sich Laien zuwandten, die sich auf irgend eine Weise eine gewisse Bildung angeeignet hatten; der erste Keim zur Trennung der Schule von der Kirche war gepflanzt. Woran die Geistlichkeit gesündigt, daran ward sie gestraft.

Mit den Kreuzzügen wurde den Wissenschaften im Abendlande frischer Impuls gegeben; eine Fülle neuer Kenntnisse war erworben worden; Gewerbfleiß, Handel und Unternehmungsgeist blüheten empor; der Wohlstand und mit ihm die Kraft und Macht der Städte nahmen immer mehr zu und so wuchs namentlich in ihnen das Bedürfniß und der Drang nach einer weit besseren Bildung, als die herabgekommenen Stifts- und Klosterschulen und noch weniger die spärlich vorhandenen Parochialschulen sie gewähren konnten. Auch die Kirche besann sich in manchen Diözesen auf ihren Beruf und suchte nachzuholen, was sie versäumt und vernachlässigt hatte. Wie früher die Benediktiner - wir erinnern nur an das Kloster Korvei, so suchten jezt die Dominikaner und Franziskaner und später die Hieronymianer dem Berufe der Geistlichkeit, die Jugend zu unterrichten, gerecht zu werden. Freilich ohne sonderlichen Erfolg. Der wachsende Reichthum der Kirche, die angeschwollene Masse der Ceremonien, die zunehmende Trägheit, Ueppigkeit und der beginnende sittliche Verfall der Klöster überwucherten das bessere Streben Einzelner.

Anders ist es in den Städten, wo Mannesmuth und Bürgersinn, der Geist der Freiheit und ein starkes Gemeingefühl, wo Handel und Wandel in Uebung sind *). Sie

*) Prof. Berthold führt in seiner „Geschichte der deutschen Städte und des deutschen Bürgerthums" aus, daß in dem Worte Burg“ von

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