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XVIII.

Die Friedenspräliminarien

zwischen Oesterreich und Preußen zu Nikolsburg,
26. Juli 1866.

(Der deutsche Krieg vom Jahre 1866.)

Die Differenzen zwischen Preußen und Desterreich nahmen im Monat April 1866 durch die neben ihnen hergehenden Rüstungen einen immer drohenderen Charakter an. Der deutsche Bund mahnte zum Frieden; er war auf den von Preußen am 9. April 1866 gestellten Antrag auf Bundesreform eingegangen und hatte am 29. April für die Berathung desselben einen aus neun Mitgliedern bestehenden Ausschuß eingesetzt; Desterreich selbst hätte bei dem üblen Stand seiner Finanzen den Krieg gerne vermieden und that versöhnliche Schritte ; aber Preußen wollte Krieg, nicht die Nation, jedoch der König und das Ministerium. Es schien sich noch von den Tagen von Bronze Il und Olmüş (1850) her ein alter Groll in den preußischen maßgebenden Kreisen fortgeerbt zu haben, der sich auch durch Neuerungen in der Heerverfassung bereits seit mehreren Jahren vorbereitet hatte, endlich mit Gewalt der Waffen die Rivalität des Hauses Habsburg aus dem Wege zu räumen, die überall hindernd dazwischen trat, wo das Haus Hohenzollern seinen Einfluß in Deutschland erweitern wollte. Das Verfahren Oesterreichs gegen Preußen in den Jahren 1848 bis 1851, die Mißgunst, mit welcher damals das österreichische Kabinet der versuchten Erhebung der preußischen Tynastie auf den deutschen Kaiserthron entgegentrat, die Zerstörung der hierauf von Preußen in's Leben gerufenen deutschen Union, der zu diesem Behufe von Oesterreich und Bayern unternommene Kriegszug nach Hessen, die zuletzt in Verbindung mit Rußland ausgeführte vollständige Demüthigung der preußischen Machtbestrebungen in Olmüß, endlich der im Jahre 1863 unerwartet und ohne

Vorberathung mit Preußen vom österreichischen Kabinet berufene Fürstentag, welcher den Kaiser von Oesterreich an die Spiße von Deutschland stellen sollte dies waren allerdings Punkte, welche die preußische Dynastie verletzen mußten und nach dem Tode des bedenklichen und unentschiedenen Königs Friedrich Wilhelm IV. Genugthuung zu verlangen schienen; wenn man auch auf der anderen Seite nicht in Ab= rede stellen kann, daß auch die habsburgische Dynastie sich im Recht fühlen mochte, indem sie sich bemühte, ihren alten Traditionen gemäß sich an der Spitze von Deutschland zu behaupten. Für die deutsche Nation selbst war freilich diese fortwährende Rivalität der beiden mächtigsten Häuser ein beständiges Hinderniß der Einigung und Kraftentwicklung gegen Außen, und vom deutsch-nationalen Standpunkt aus konnte man also nicht anders, als wünschen, daß dieser Streit endlich aufhöre, indem eine der Mächte entweder freiwillig zurücktrete oder im Kampf unterliege.

Eine am 26. April 1866 an das preußische Kabinet gerichtete österreichische Note sagte, der Kaiser von Oesterreich habe den dringenden Wunsch, den zwischen beiden Kabineten schwebenden Conflikt gründ lich zu beseitigen; dazu sei aber nicht blos eine gegenseitige Ab rü stung erforderlich, sondern auch eine Verständigung über Schleswig-Holstein. Bei der Eroberung der Herzogthümer durch die österreichischpreußische Armee sei es nicht auf die gegenwärtig bestehende Theilung von Schleswig-Holstein zwischen Preußen und Desterreich abgesehen gewesen; das preußische Kabinet möge sich daher mit dem österreichischen dahin verständigen, dem deutschen Bundestag zu erklären, beide Mächte hätten beschlossen, die von Dänemark durch den wiener Frieden erwor= benen Rechte auf die Herzogthümer auf denjenigen Prätendenten überzutragen, welchem der deutsche Bund die überwiegende Berechtigung zur Erbfolge im Herzogthum Holstein zuerkennen würde. Biete Preußen zu diesem Ausgleiche die Hand, so wolle Desterreich überall mitwirken, damit dem preußischen Kabinet die Vortheile in den Herzogthümern bleibend gesichert würden, mit denen Oesterreich einverstanden sei; nämlich die Erwerbung militärischer Stellungen in Kiel, Rendsburg und Sonderburg, Anlage eines Kanals von der Ost- zur Nordsee, Marineleistungen der Herzogthümer an Preußen bis zur Herstellung einer deutschen Flotte, Eintritt der Herzogthümer in den Zollverein. PreuBen ging auf diesen Antrag nicht ein; es erklärte, beide Mächte hätten nicht als Bundesmächte, sondern als europäische Großmächte die Herzog= thümer erobert, und es stünde also dem deutschen Bunde keine Entscheidung über diese Eroberung zu; die preußische Antwort vom 30. April verlangte, daß Oesterreich vor Allem seine Truppen aus Schlesien, Mähren und Galizien, die dort in den letzten Wochen angehäuft wor

den seien, zurückziehe; im andern Falle müsse Preußen bei den wich tigen und folgenschweren Verhandlungen, welche mit dem österreichischen Kabinet beverstünden, sich gleichfalls in Kriegsbereitschaft sehen. In: zwischen machte seit Mitte April die italienische Regierung sehr ernste Vorbereitungen zum Kriege, welche deutlich zeigten, daß zwischen dem italienischen und preußischen Kabinet ein geheimes Einverständniß und auf beiden Seiten der feste Entschluß bestehe, mit Desterreich anzubinden. Auch Sachsen, das entschieden österreichisch gesinnt und als Nachbarland von Preußen am meisten bedroht war, brachte seine Armee auf den Kriegsfuß. Auf eine preußische Anfrage vom 27. April 1866, was diese Rüstungen zu bedeuten hätten, antwortete das säch= fische Kabinet, Sachsen suche seine Armee nur in den bundesmäßigen Stand zu sehen, um etwaigen Anforderungen des Bundes entsprechen zu können. Aus Oesterreich gingen in der letzten Woche des April starke Truppensendungen nach Venetien. Das österreichische Kabinet richtete zur Rechtfertigung seiner Rüstungen am 27. April 1866 cin Rundschreiben an die auswärtigen Mächte, worin es sagte: „Wir haben zu viele Pfänder unserer friedlichen Absichten ertheilt, es ist zu offenkundig, daß weder die Politik der kaiserlichen Regierung noch Desterreichs Interessen bei Angriffsplänen ihren Vortheil finden, als daß in Europa Zweifel an der Aufrichtigkeit unserer Rede obwalten könnten. Unsere Maßregeln haben nur den Charakter streng ster Defensive, und es kommt der kaiserlichen Regierung nicht in den Sinn, mit irgend Wem einen Krieg hervorzurufen. Aber wir halten es zugleich für eine gebieterische Pflicht, Nichts zu versäumen, um uns in den Stand zu setzen, eine bewaffnete Invasion zurückzutreiben. Kein Kabinet könnte, davon sind wir überzeugt, die Verantwortlichkeit auf sich nehmen, uns den Rath zu geben, daß wir anders handeln sollten; denn keines würde bei dermaliger Lage uns die Unverletzbarkeit unseres Gebieies garantiren wollen." Zugleich verstärkte die österreichische Regierung die Besatzungen in Böhmen, Mähren und Schlesien, con= trahirte gegen Verpfändung von Staatsgütern ein Anlehen von 72 Millionen Gulden und befahl die Anfertigung von Staatsnoten zu einem und zu fünfzig Gulden bis zur Summe von 150 Millionen. Die von Preußen durch eine Note vom 30. April 1866 geforderte Abrüstung lehnte das österreichische Kabinet in seiner Antwert vom 4. Mai ab, indem es wiederholt und feierlich versicherte, es beabsichtige weder Preußen noch Italien anzugreifen, fühle sich aber verpflichtet, für die Vertheidigung der Monarchie zu sorgen. Darauf verfügte ein unter dem Vorfiz des Königs von Preußen gehaltener Kriegsrath Kriegsbereitschaft für sechs preußische Armeecorps und die Versehung der ganzen preußischen Infanterie auf Kriegsstärke; der Kaiser von Desterreich seinerseits er

ließ am 6. Mai 1866 den Befehl, die ganze österreichische Armee auf den Kriegsfuß zu setzen und die Nordarmee an der böhmischen und schlesischen Grenze zu concentriren. Desterreichische Blätter gaben das mals den Gesammtstand der österreichischen Armee auf dem Kriegsfuße, ohne die vierten Bataillone, auf 690,009 Mann an; 380,000 Mann mit 500 Geschüßen sollten gegen Preußen, 130,000 Mann gegen Italien aufgestellt werden. Diese Angaben waren, wie die nun folgenden kriegerischen Ereignisse zeigten, viel zu hoch und hatten das Vertrauen der deutschen Mittelstaaten auf die österreichische Macht allzusehr gesteigert. Es schien gar keinem Zweifel zu unterliegen, daß Preußen einer solchen, noch mit den Armeen sämmtlicher Mittelstaaten vergrößerten Macht nicht gewachsen sei. Als im Frühjahr 1867 die kaiserliche statistische Commission ihren Bericht veröffentlichte, erfuhr man, daß die gesammte sowohl gegen Preußen als gegen Italien gerichtete österreichische Armee nicht mehr als 407,223 Combattanten zählte. Die von Preußen aufgebotenen Streitkräfte betrugen, nach offi= ciellen Nachrichten, 669,079 Mann. Hievon kamen auf die active Armee aller Waffengattungen 442,466 Mann, auf die Ersaßtruppen 129,025 Mann, auf die Festungsbesatzungen 97,588 Mann. Noch nicht aufgeboten bis zum Schlusse des Krieges waren 33 vierte Bataillone, 80 Escadrons Landwehr und beinahe die ganze Landwehr zweiten Aufgebotes. Der preußische Major Beißke bemerkte in seiner Broschüre: „Das preußische Heer vor und nach der Reorganisation, seine Stärke und Zusammensetzung im Kriege 1866", Preußen hätte diesen Kraftaufwand nicht lange aushalten können; von etwa 32 Einwohnern sei einer unter die Waffen gerufen gewesen; bei einer längeren Dauer des Krieges hätten Gewerbe und Ackerbau und mit ihnen die erwerbsunfähig gemachten Familien auf das Empfindlichste leiden müssen.

Am 5. Mai 1866 legte der sächsische Gesandte dem deutschen Bundestag die preußische Aufforderung zur Abrüstung vor und ver langte, der Bund solle Preußen zu beruhigenden Erklärungen veranlassen; dieser Antrag wurde mit 10 gegen 5 Stimmen angenommen. Der preußische Gesandte erklärte hierauf, die preußischen Rüstungen seien blos defensiver Natur, und seine Regierung erwarte, der Bund werde vielmehr Sachsen und Oesterreich auffordern, ihre Rüstungen einzustellen. Es ist bemerkenswerth, daß sich die Volksstimmung in Preußen um diese Zeit, nämlich vor dem wirklichen Ausbruch des Krieges, überall sehr entschieden gegen den Krieg aussprach und gar nicht verhehlte, daß das preußische Volk sehr wohl einsehe, Preußen sei von Oesterreich nichts weniger als bedroht, das preußische Kabinet suche vielmehr Krieg mit Desterreich. Volksversammlungen in Berlin

(5. Mai), Königsberg (9. Mai), Köln (13. Mai), die Handelskammern von Elberfeld, Düsseldorf, Dortmund, Crefeld, Trier, Münster (Ende Mai) erklärten sich gegen den Krieg. Die Einberufung auch der verheiratheten Landwehrmänner zur Armee (Mitte Mai) erregte im ganzen Lande große Unzufriedenheit, namentlich in Berücksichtigung der höchst dürftigen Unterstüßung, welche die ihres Ernährers entbehrenden Familien erhielten; eine Frau bekam nämlich für sich einen Silbergroschen und für jedes Kind sechs Pfennige täglich, womit unbemittelte Familien kaum ihre Miethe bestreiten konnten. Als jedoch der Krieg einmal im Gang war und Siegesberichte einliefen, legte sich die Verstimmung und an vielen Orten zeigte sich im Gegentheil eine freudige Theilnahme an den Ereignissen, die eine Erhöhung des preußischen Kriegsruhmes versprachen. Auf österreichischer Seite erließ der Feldzeugmeister Be= nedek bereits am 12. Mai 1866, sechs Wochen vor der eigentlichen Kriegserklärung (am 23. Juni), einen Armeebefehl, worin er bekannt gab, daß er vom Kaiser zum Oberbefehlshaber der Nordarmee ernannt sei; „die kaiserliche Armee“, sagte er, „wird in jedem Kampfe mit Begeisterung und altösterreichischer Zähigkeit in Treue und Ehre siegen, in Treue und Ehre zu sterben wissen für Kaiser und Vaterland." Die Minister der deutschen Mittel- und Kleinstanten (Bayern, Württemberg, Sachsen, Baden, Darmstadt, Nassau, Weimar, Koburg, Meiningen) hielten am 13. und 14. Mai 1866 eine Conferenz in Bamberg, um sich über eine gemeinsame Haltung in der Streitsache der beiden deutschen Großmächte zu vereinigen. Sie kamen überein, folgende Punkte aufrecht zu erhalten: 1) Desterreich und Preußen sollen gleichzeitig entwaffnen und, wenn sich Preußen weigert, soll Bundesexecution eintreten. 2) Die Lösung der Herzogthümerfrage gehört allein dem deutschen Bunde zu. 3) Eine ausgedehnte liberale Bundesreform ist zeitgemäß und soll in's Werk gescht werden. 4) Preußen soll seine Vorschläge für Bundesreform vor der Berufung des deutschen Parlaments mittheilen. Diese Staaten waren damals, wie ganz Deutschland, noch in dem guten Glauben, sie würden vereinigt eine dritte deutsche Großmacht darstellen, die mit Hülfe der Bundesverfassung das Schiedsrichteramt zwischen Preußen und Oesterreich ausüben könnte; allein die Ereignisse bewiesen, daß das Bundesband, welches sie zusammenhielt, ein sehr lockeres war, und daß ihr aus verschiedenen Bestandtheilen zusammengesettes gemeinsames Heer gegen die concentrirte Heeresmacht des preußischen Großstaates Nichts auszurichten vermochte. Am 19. Mai 1866 stellten die genannten Staaten in der Bundesversammlung den Antrag, lettere möge bei den Regierungen, die sich zum Kriege rüsteten, Anfrage halten, ob und unter welchen Bedingungen sie bereit seien, gleichzeitig und zwar an einem von der Bundesversamm

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