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Fürst Bismarck.

5-9095-

Sein politisches Leben und Wirken

urkundlich

in Thatsachen und des Fürsten eigenen Kundgebungen

dargestellt

von

Ludwig Hahn.

(Vollständige, pragmatisch geordnete Sammlung der Reden, Depefchen, Staatsfchriften und
politischen Briefe des Fürsten.)

Dritter Band

bis 1879.

Berlin.

Verlag von Wilhelm Herz.
(Bessersche Buchhandlung.)

1881.

Vorrede.

Nach einer schweren Krankheit habe ich zunächst Gott zu danken, daß ich noch im Stande war, den vorliegenden Band dieses Werkes zu bearbeiten, und um Entschuldigung zu bitten, wenn die Ausführung der Größe des Gegenstandes nicht überall entspricht.

Die vorliegende Fortseßung des Buches giebt zunächst eine Uebersicht über den gesammten Verlauf der orientalischen Frage und der Einwirkung der deutschen Politik auf dieselbe bis zu deren Hervortreten zu mächtiger Bewährung in dem Berliner Kongreß. Es ist der höchste Triumph dieser Politik und der ihr zu Grunde liegenden aufrichtigen Friedensliebe, die höchste Anerkennung, die ihr zu Theil werden konnte, daß in einer Frage, die Deutschland am wenigsten unter den Mächten unmittelbar berührte, die uns nicht die Knochen eines Musketiers werth schien, doch des Fürsten Bismarck Wort einen so großen Einfluß übte, daß die Rolle des „ehrlichen Maklers" auf allen Seiten so hohe und bereitwillige Aufnahme fand. Die orientalische Frage war übrigens einer der Anlässe, warum der Herausgeber wünschen mußte, diesen Band möglichst bald erscheinen zu lassen; denn die lezte Zeit hat zur Genüge erwiesen, daß eben die Beschlüsse des Kongresses von Berlin in jeder Beziehung die Grundlage bilden, auf welcher sämmtliche Mächte in der orientalischen Frage weitere Entwickelungen anzubahnen gedenken. Daß aber solche weitere Entwickelungen in naher Zeit zu erwarten find, scheint jezt unzweifelhaft, weniger um der englischen Politik willen, als in Folge der Verblendung der Pforte selbst, welche die Möglichkeit einer

Forteristenz, die ihr der Berliner Vertrag darbot, vermessen aufs Spiel sept. Angesichts dieser neuen Entwickelungen erschien es um so dringender, den Gesammtverlauf der früheren Phasen der orientalischen Frage, die Stellung der deutschen Politik in jeder derselben und besonders die Verhandlungen des Berliner Kongresses in Erinnerung zu rufen. Zu leßterem Zweck sind die Protokolle des Kongresses selbst, welche, zumal in ihrer vollständigen Gestalt, nur geringe Verbreitung gefunden haben, welche aber auf jeder Seite von dem großen und maaßgebenden Einfluß des Fürsten Bismarck zeugen, sowie die maaßgebenden Urtheile der Staatsmänner in allen Ländern über die Bedeutung der Berliner Abmachungen hier mitgetheilt.

Vielleicht wird es als ein Mangel empfunden werden, daß dieser Band bei den nächsten Erfolgen des Kongresses innehält und von der Kaiserbegegnung in Alexandrowo und von den durch den Besuch des Fürsten Bismarck in Wien eingeleiteten Beziehungen der deutschen Politik nichts enthält. Diese Beziehungen gehören aber überhaupt einem neuen Abschnitt der Politik an und es wird sich erst in Zukunft zeigen, inwieweit dieselben von thatsächlicher Wichtigkeit waren. Ueberdies sind aus dieser Phase der Bismarck'schen Politik Aktenstücke nicht in authentischer Weise bisher veröffentlicht worden, das vorliegende Werk konnte daher nach den für den Herausgeber maaßgebenden Grundsäßen auf dieselbe nicht näher eingehn. Deshalb mußte auch die neueste Entwickelung der orientalischen Frage, die Berliner Nach-Konferenzen und was sich daran knüpft, noch unerwähnt bleiben. Ebenso natürlich die weiteren Schritte der Bismarck'schen Politik seit dem Herbst 1879.

Dagegen erschien es nicht wohl thunlich, mit der Sammlung der offiziellen Thatsachen und Aeußerungen in Bezug auf den Sozialismus und auf die Grundlegung der neuen Wirthschaftspolitik in einem Werke, das nicht ausschließlich für die Zukunft bestimmt ist, länger zu warten.

Im Sinne des Fürsten Bismarck zumal sind die beiden Seiten der Sache, die Bekämpfung der Sozialdemokratie und der Aufbau · der neuen Volkswirthschaft, nicht von einander zu trennen. Fürst Bismarck hat vor dem Ueberwuchern falscher sozialer Anschauungen und Bestrebungen in den Massen rechtzeitig gewarnt und die Autorität des Staates und der Gesetzgebung in vollem Maaße gegen diese geltend zu machen gesucht; aber er hat nie verkannt, daß die Gesellschaft vor Allem auch Pflichten den Massen gegenüber zu erfüllen habe, und bei der Wirthschaftspolitik, wie sie in ihrem Zusammenhange dem Geist des großen Staatsmanns vorschwebt, ist die Erfüllung jener Pflichten, die Berücksichtigung der Massen, einer der hauptsächlich leitenden Gesichtspunkte. Die Bekämpfung der Bourgeoispolitik (nicht des deutschen Bürgerthums, das im Parteiinteresse mit jener identifizirt oder vielmehr zusammengeworfen wird) war von Anfang an eine der Aufgaben seiner inneren Politik, und auch seine Beziehungen zu hervorragenden Sozialisten erklären sich sehr einfach durch jene Ueberzeugung von den positiven Pflichten der Gesellschaft.

Die neue Wirthschaftspolitik ist noch nicht nach allen Seiten ausgebaut, aber die Grundlegung derselben ist von solcher Bedeutung für unser öffentliches Leben, daß es nothwendig erschien, die maaßgebenden Aeußerungen Bismarck's in ihrem Zusammenhange schon jezt zu reproduziren. Die neueren Phasen der Entwickelung der Wirthschaftspolitik, insbesondere der Eisenbahnpolitik, haben ohne ostensible Mitwirkung des Fürsten Bismarck stattgefunden und werden später nur im Zusammenhange der weiteren Schritte des Fürsten zu erwähnen sein. Die Verhandlungen über die Stellvertretung des Kanzlers u. s. w., besonders die betreffenden Reden des Fürsten Bismarck find von dem höchsten Interesse für die innere Gestaltung des deutschen Reichs.

In Bezug auf die Wiederherstellung des kirchlichen Friedens und die dazu gethanen Schritte der preußischen Regierung lag in den betreffenden Depeschen, welche zum Theil vom Fürsten Bismarck

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