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der die italienische Staatsangehörigkeit für sich in Anspruch genommen hatte.

Da Italien im letzterwähnten Falle keine geringere Genugtuung als die Amtsenthebung des höchsten türkischen Verwaltungsbeamten in Tripolis forderte, verschärfte sich die Situation zu Ende des Jahres 1910 und in den ersten Monaten des folgenden Jahres bereits so weit, daß ein diplomatischer Bruch unvermeidlich schien und in der Tat harrte die italienische Mittelmeereskader durch mehrere Wochen nur mehr des endgültigen Befehles zum Auslaufen in die türkischen Gewässer.

Verschiedene Zeitungsnachrichten wollten auch von der Bereitstellung eines für Tripolis bestimmten Expeditionskorps wissen, doch fanden sie keine Bestätigung, zumal das Nachgeben der Pforte der geplanten Aktion den Vorwand benommen hatte.

Dermaßen schien die Tripolis-Frage im Frühjahr 1911 ihre Bedeutung wieder verloren zu haben, sie wurde jedoch schon wenige Monate später mit voller Leidenschaftlichkeit wieder aufgerollt, als zunächst Frankreich und Spanien, dann auch Deutschland auf Marokko Hand legten und teils durch das Eindringen eigener Expeditionskorps, teils durch die Entsendung von Kriegsschiffen ihr Interesse an der Aufteilung des scherifischen Besitzes zu verstehen gaben.

Das bereits gekennzeichnete Dogma von dem unantastbaren Rechte Italiens auf Kompensationen im Mittelmeer hatte hiedurch neue Nahrung erhalten; es wurde im Laufe des Sommers 1911 von der gesamten italienischen Presse nicht ohne journalistische Überschwänglichkeit erörtert und zu der völlig unverblümten Forderung erhoben die Regierung müsse sich endlich zu einer energischen Aktion in Tripolis entschließen, umsomehr, als die mangelhafte Unterstützung der kommerziellen Bestrebungen in diesem Lande zu fortwährenden Zurücksetzungen der italienischen Industrie, ja selbst zu direkten Beleidigungen der italienischen Nation durch die türkischen Ortsbehörden führe.

Der italienische Minister des Äußern, Marchese di San Giuliano, stand dieser Forderung eher zustimmend als ablehnend gegenüber ; der Ministerpräsident Giolitti gilt zwar als Gegner aller expansiven Bestrebungen, doch mochte er den ihm drohenden Vorwurf fürchten, daß er, gleich mehreren Vorgängern, durch unzeitgemäße Zaghaftigkeit die Erweiterung der Grenzen des Königreiches verhindere und entschloß sich mithin in völliger Übereinstimmung mit der überwiegenden Majorität im Parlamente, mit der Presse und der öffentlichen Meinung in der letzten Septemberwoche, an Stelle des fruchtlosen Notenwechsels mit der Pforte eine aggressive Politik treten zu lassen, die in der militärischen Okkupation von Tripolis und Cyrenaika zum Ausdruck kommt.

Geographisch-statistische Daten.

Die türkische Provinz Tripolis samt dem östlich angrenzenden Mutessariftlik Benghazi (auch Barka oder Cyrenaika)

siehe Textskizze auf der nächsten Seite umfaßt ein Gebiet von annähernd 1,051.000 km 2*), dessen Einwohnerzahl auf etwa 1,000.000 geschätzt wird. Nachdem der Flächeninhalt des ottomanischen Reiches rund 3,000.000 km3 beträgt (hievon 167.300 in Europa und 1,768.800 in Asien) stellt Tripolis den dritten Teil des gegenwärtigen türkischen Gesamtbesitzes dar.

Weitaus der größte Teil der Provinz ist vegetationsloses Gebirgsland oder Wüste, die stellenweise bis ans Mittelmeer heranreicht. Die Fruchtbarkeit des Bodens, die Pflanzen- und Tierwelt stehen hinter den übrigen afrikanischen Mittelmeerländern, insbesondere hinter Tunis und Algier, sehr bedeutend zurück; nur der westliche Teil hat zahlreiche fruchtbare Landstriche (vorwiegend Datteln, Oliven und Feigen) aufzuweisen.

Charakteristisch ist der durch die steppenartige Beschaffenheit des Landes bedingte Mangel an größeren Flüssen; nur in der Nähe der Küste finden sich ergiebige Quellen, die zur Regenzeit (fast nur in den Sommermonaten) zu periodischen Bächen anschwellen, welche meist nach kurzem Lauf wieder im Sandboden verschwinden.

Das Klima gilt im allgemeinen als gesund und auch für Europäer erträglich; die Temperaturverhältnisse im Küstengebiete unterscheiden sich kaum von jenen in Süditalien und Sizilien, im Inneren jedoch herrscht ein streng kontinentales Klima, das z. B. in Murzuk (26° nördlich vom Äquator) zwischen + 56o und schwankt.

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Die Bevölkerung in den Küstenorten besteht vorwiegend aus Mauren und spaniolischen Juden, auf dem Lande aus arabischen Beduinen und Berbern, die vielfach auch mit Negerstämmen vermischt sind. Mit Ausnahme der Spaniolen bekennen sich alle einheimischen Bewohner zum Islam, doch gehören viele auch religiösen Sekten an **).

*) Entspricht annähernd dem Flächeninhalt von Deutschland und Frankreich zusammengenommen; die Längenausdehnung in westöstlicher Richtung beträgt 1600 km (gleich der Entfernung Wien-Petersburg oder Ostende-Tarent), die Ausdehnung in nordsüdlicher Richtung kann durchschnittlich mit 700 bis 800 km angenommen werden.

**) Nach amtlichen türkischen Angaben leben in Tripolis über 50.000 Türken, doch dürfte diese Zahl mit Einschluß des Militärs und der Beamten kaum zur Hälfte erreicht werden, zumal aus den übrigen Provinzen des Reiches nur ein sehr spärliches Zuströmen rein türkischer Elemente stattfindet.

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Der Ausführhandel Elfenbein, Straußenfedern, Gammi, Edelmetalle, auch Wolle, O. und Getreide, gent ausschließlich über Tripolis; Hauptstapelplatz im Binnenlande ist Marzuk.

Die genannten Orte werden durch eine vielbegangene Karawanenstraße verbunden, die in das Innere Afrikas weiterführt. Im übrigen ist das Land überaus wegarm und in den gebirgigen Teilen nur sehr schwer gangbar.

Eisenbahnen bestehen nicht; die Schiffsverbindungen führen von Tripolis über Malta nach Siracusa 20-24 Stunden) und nach Genua (ca. 6 Tage,. dann direkt nach Marseille 5-6 Tage).

Telegraphische Verbindungen: Die Stadt Tripolis ist mit den wichtigeren Küstenorten bis Derna, dann mit Murzuk, Ghadames und Tunis telegraphisch verbunden. Nach Malta führt ein Kabel.

In Benghazi und Derna bestanden Radiostationen, die mit Petara in Kleinasien (die einzigen Radiostationen in der Türkei) korrespondierten.

Die politische Verwaltung der Provinz Tripolis lag in den Händen eines von der Pforte ernannten Generalgouverneurs (Vali), jene von Barka erfolgte durch einen Gouverneur (Mutessarif). Gleich allen übrigen türkischen Provinzen ist das Land in Sandschaks und Kazas (Kreise und Regierungsbezirke) eingeteilt, an deren Spitze ausschließlich türkische, d. h. nicht arabische oder sonst einheimische Beamte standen, deren Willkürakte nicht nur den Europäern, sondern

*) Nach Berichten des deutschen Konsulats in Tripolis betrug die Ausfuhr im Jahre 1909 nach Italien 356.000, nach Österreich 25.000 und nach Deutsch

land 10.000 Mark.

Der Einfuhrhandel aus Italien erstreckt sich auf alle Arten Stoffe, Bauholz, Petroleum, Maschinen, Zucker, Kaffee, Gewürze, in geringeren Mengen auch auf Glaswaren, Papier und Seife.

auch den autochthonen Bewohnern gar häufigen Anlaß zu Klagen und Beschwerden gegeben hatten *). Fremde Reisende waren teils aus

Angst vor Spionage, teils aus Furcht vor Verantwortung und wohl auch aus fanatischem Übelwollen ständigen Bedrückungen ausgesetzt; Reisen in das Innere der Provinz wurden ihnen meist systematisch verwehrt, allen Eingeborenen war es zur Pflicht gemacht worden, keinem Nichtmoslim ohne ausdrückliche Erlaubnis der Behörden Unterkunft zu gewähren.

Fernab von der Hauptstadt des Reiches und vom unmittelbaren Einflusse des jungtürkischen Komitees, sind in Tripolis auch die Versuche des letzteren, die Zivil- und Justizverwaltung nach moderneren Grundsätzen zu reorganisieren, kaum über die ersten bureaukratischen Verfügungen gediehen, und dermaßen fühlte sich die Mehrzahl der Beamten weniger dazu berufen, zu verwalten und Recht zu sprechen, als bestrebt, ihre Stellung so viel als nur möglich für die eigene Bereicherung auszubeuten. Summarisches Verfahren aber durchaus nicht unempfänglich für klingenden Bakschisch kennzeichnete die politische Verwaltung, ebenso wie die Steueradministration und die Kriminaljustiz.

Nur der letzteren können zahlreiche Ausnahmen kategorischer Rechtlichkeit und salomonischer Urteilsfällung nachgerühmt werden.

Die Streitkräfte zu Lande.

A. Italien.

Für die Besetzung von Tripolis wurde in der letzten Septemberwoche und anfangs Oktober ein Expeditionskorps zusammengestellt und in Neapel, Messina, Palermo und Siracusa zur Einschiffung bereitgehalten.

Abweichend von dem Grundsatze der Vereinigung organischer Einheiten und Verbände, wurde dieses Korps aus einzelnen, verschiedenen Korps- und Divisionsbereichen entnommenen Truppenkörpern sowie aus eigens aufgestellten Stäben, Trainformationen und Anstalten gebildet.

Die Truppen bestehen nur aus aktiver, ausgesuchter Mannschaft (größtenteils sich freiwillig Meldende); die Standeserhöhungen (die Kompagnien sollen annähernd kriegsstark sein, ca. 220 Mann) wurden nicht durch Einteilung von Reservisten, sondern durch Ver

*) Eine teilweise Erklärung kann darin erblickt werden, daß nach Tripolis insbesondere unter dem Hamidischen System fast nur miẞliebige, politisch verdächtige oder sonst straffällige Beamte versetzt worden sind. Auch die meisten Offiziere gelangten strafweise zu tripolitanischen Truppenkörpern.

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