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wächst natürlich mit zunehmender Schußdistanz und erreicht auf 2000 bereits 33°. Ein schräges Beschießen der feindlichen Linien (worauf aber zumeist vergessen wird) steigert die Wirkung ganz bedeutend. Auf den kleineren Distanzen ist ferner das Schießen von tempierten Granaten aus Kanonen oder Haubitzen auch gegen die bestgedeckten Ziele sehr wirksam, ja selbst die Granaten im Aufschlage sind gegen deutlich profilierte Deckungen und bei nicht zu großer Entfernung mit Erfolg anzuwenden.

Mittel also genügend, um einem eingegrabenen Gegner beikommen zu können, allerdings unter der Bedingung, daß die Artillerie jeweilig auf wirkungsvolle Distanz herangelangt ist. Daß dieser letzteren Forderung in den Schlachten in der Mandschurei ganz unzulänglich oder gar nicht nachgekommen wurde, haben die vorausgeschickten Schilderungen deutlich erkennen lassen. Hieraus wurde gefolgert, daß ein näheres Herangehen mit der Artillerie oder ein Begleiten des Infanterieangriffs auch anderwärts in Hinkunft so gut wie unmöglich sein werde und nahm man dies sogar für einzelne Reglements zum Ausgangspunkt. Fast scheint es, daß das ziemlich verlustreiche offene, Vorgehen einzelner Batterien in den ersten Gefechten (so z. B. auch der japanischen Artilleriedivision bei Daschitsao) später auf die Gesamtheit der Artillerie retardierender als notwendig wirkte. Große Unentschlossenheit und Langsamkeit« sollen der Artillerie sogar von vielen japanischen Offizieren vorgeworfen worden sein*) und die Aufforderung zu ihrer kühneren Verwendung, als im späteren Verlaufe des Krieges das Vertrauen der japanischen Artilleristen wieder wuchs, » scheint aus den Reihen der Infanterie gekommen zu sein« **).

I.

4.

Die Annahme, daß es für die Feldartillerie unmöglich ist, nahe genug herankommen zu können, ist natürlich auch die Schöpferin der diversen, die ausbleibende Artillerieunterstützung surrogierenden kleinkalibrigen, leichtbeweglichen und leicht zu verbergenden Spezialgeschütze. So angenehm und nützlich es oft sein könnte, deren Mitwirkung zu besitzen, so wird selbst für den Fall, daß sie, wie die Maschinengewehre, der Infanterie angegliedert würden, jeder Einsichtige gegen ihre Einführung Stellung nehmen; denn, wiederum vorausgesetzt, daß die Artillerie es versteht, sich bis auf richtige Schußweite heranzuarbeiten, so können die ungenügend kleinen Kaliber der Pompoms im Vergleiche zu unseren beihabenden Geschützen nur Unzureichendes leisten; hingegen tragen sie eine weitere, bisher sehr unterschätzte Komplikation in die Kriegführung hinein. Zu unseren heutigen Typen: Gebirgs- und Feldkanonen für fahrende und reitende Batterien, Feld

*) Siehe »Artilleristische Monatshefte« 1910, 1. Bd., S. 384, gibt ausführliche Details hierüber.

**) Siehe »Artilleristische Monatshefte« 1908, 1. Bd., S 106, mit Beispielen

und schwere Haubitzen, noch 1-2 Muster von kleinen Kalibern zudies kann unmöglich am Begehrzettel des Taktikers

zufügen figurieren!

Ist es nicht doch zu optimistisch, stillschweigend eine klaglose Abwicklung des Munitionsersatzes anzunehmen, wenn zu den Wagen mit Gewehrmunition und jenen mit Maschinengewehrmunition, ferner zu den wenigstens acht verschiedenen Geschoßgattungen für alle Geschütztypen des Feldheeres, fürderhin noch eine Unmenge von Munition für diese Projektsgeschütze hinzukommen müßte?

Ist es nicht schon kompliziert, die gegenwärtigen Geschützgattungen ihrem Zwecke entsprechend richtig zu verwenden und rechtzeitig zur Stelle zu haben und würde nicht zu besorgen sein, daß dies durch Hinzufügung weiterer Muster in schädlichem Maße gesteigert werden kann?

Daß das Vorbringen von Feldbatterien ungemein schwierig sein wird, ist gar keine Frage; ebenso, daß dies in der Regel nur unter dem Schutze der Dunkelheit erfolgen wird oder bei Tageslicht nur ganz vorzüglich ausgebildeten, geschickt geführten Abteilungen unter günstigen Bedingungen des Terrains oder seiner Bedeckung dann gelingen könne, wenn die ganze Geschützabteilung bis zum letzten Kanonier der feste Wille zum »Vorwärts! drängt. Auch dann werden oft nur vereinzelte Geschütze reussieren und ein großer Teil derselben schon beim Versuche des Stellungswechsels am Wege liegen bleiben. Es ist ferner ebenso fraglos, daß auch der Munitionsersatz die gleiche schwierige Aufgabe zu bewältigen haben wird und es daher leicht eintreten kann, daß solche Begleitbatterien in ihrer vorderen Stellung Munitionsmangel leiden, falls nicht gleich anfangs genügende Munitionsvorräte mitgeführt werden konnten. Selten wird. aber für diese Feldbatterien die Notwendigkeit bestehen, näher als etwa 2000 × an die feindliche Infanterie herangehen zu müssen, so daß man sagen kann, daß sie lediglich das Artilleriefeuer zu fürchten haben werden.

Fast wörtlich übereinstimmend fordern daher unser und das deutsche Exerzierreglement für die Feldartillerie, daß einzelne Batterien den Infanterieangriff auf nähere Entfernung begleiten. Das französische Reglement, welches in den letzten Jahren gerade in diesem Punkte wiederholte Änderungen erfuhr, äußert sich in seiner letzten Ausgabe von 1907 darüber vorsichtig umschrieben: »Sobald die Bewegung der angreifenden Infanterie beginnt, ist jedem Artillerieteil die ihm zufallende Aufgabe zuzuweisen.*).

Ausführlicheres darüber enthält der nach russischen Quellen zusammengestellte Aufsatz des Hauptmanns Engel in Heft 10, Jahrgang 1910, der >> Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Genie wesens«.

Eine russische Gefechtsvorschrift ist nach dem Feldzuge noch nicht erschienen, doch sprechen sich maßgebende Anschauungen für das Begleiten des Infanterieangriffes dezidiert aus*).

In ganz neuer und eigenartiger Lösung behandelt diesen Gegenstand**) das jüngste englische Feldartilleriereglement vom Jahre 1908. Es fordert die Unterstützung des Infanterieangriffs aus unmittelbarer Nähe der Infanterie durch die Artillerie, gibt für die Durchführung des Stellungswechsels der Feldbatterien präzise Anhaltspunkte, mit der Bestimmung, daß das Vorrücken, wenn günstige Bedingungen hiefür nicht vorhanden sind, bei Nacht zu erfolgen hat; erwägt an späterer Stelle die Vorzüge der Gebirgsartillerie für die Begleitung der Infanterie und kommt zu dem Schlusse, daß vornehmlich diese letztere, ganz unabhängig von Kriegsschauplatz und Kampffeld, gleichzeitig mit der Infanterie vorzurücken und den Angriff zu unterstützen hat.

Russischerseits findet diese Lösung Anklang und es muß zugegeben werden, daß diese, nunmehr als Tragtier batterien« bezeichneten Geschützabteilungen, in ihrer neuen Aufgabe ein Kompromiß mit den Verfechtern der Pompoms bedeuten. Jedenfalls aber ein recht glückliches, da das Gebirgsgeschütz ein vollkräftiges Geschütz repräsentiert und damit alle für die kleinkalibrigen Maschinengeschütze bei Bewegung etc. ins Treffen geführten Vorteile verbindet. Die Tragtierbatterien sollten daher zur Nachahmung empfohlen werden.

3.) Kann somit der eine Teil der von den Vertretern der Pompoms erhobenen berechtigten Bedenken und Forderungen auf diese befriedigende Weise eine aussichtsvolle Lösung finden, so wird für die andere, von Major Bernatzky vertretene Richtung, die Bekämpfung der Schildartillerie betreffend, in neuerer Zeit gleichfalls eine lebensberechtigtere Perspektive eröffnet. Eine solche ist in der Vervollkommnung der Geschoßkonstruktion und der hiemit gesteigerten Einzelschußwirkung zu erblicken. Welche gewaltigen Fortschritte die gemeinsame, stille Arbeit der Waffen- und Sprengtechniker hierin. leistete, veranschaulicht am deutlichsten die auf das Dreifache gesteigerte zerstörende Wirkung der 10-cm-Granate M. 9 gegenüber jener M. 99***).

>>Streffleur«, Novemberheft von 1910, enthält im Auszuge den vom Warschauer Militärbezirkskommandanten ausgegebenen Behelf und lautet die bezügliche Stelle: »Stellungswechsel beschränkt sich nur auf Ausnahmsfälle (Begleitung des Infanterieangriffes).«

**) Gleichfalls dem Heft 10 unserer »Komiteemitteilungen« ex 1910 entnommen. ***) »Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens«, 7. Heft von 1910, S. 489, gibt die Sprengwirkung der 10-cm-Granate M. 99 mit 97 mt und jene der M. 9 mit 270 mt an.

Doch bereits dieses letztere Geschoß kann den im ostasiatischen Kriege verwendeten ähnlichen Spezies als weit überlegen angesehen werden. Es wird deshalb schon mit einer Brisanzgranate von wesentlich kleineren Dimensionen eine bedeutend ausgiebigere Wirkung, als sie früher möglich war, erzielbar sein. Ein gewöhn liches Hülsenschrapnell, in seinem Kopfteile mit einer solchen kleinen Brisanzgranate adjustiert, repräsentiert im Prinzipe den Typus des Einheitsgeschosses, welches als Erhardtsches Brisanzschrapnell oder »Kruppsches Granatschrapnell bereits bekannt und in Deutschland als Feldhaubitzgeschoß 05. schon zur Einführung gelangte. Eine nur für Interessenten bestimmte Broschüre der Rheinischen Metallwaren- und Maschinenfabrik in Düsseldorf *) läßt die bedeutende Vervollkommnung und die Vorzüge des 7.5-cmBrisanzschrapnells vor anderen Konkurrenten erkennen und seine Überlegenheit über die gewöhnlichen Schrapnells und Granaten auf Grund von zahlreichen, beigeschlossenen Schießlisten **) ersehen. Dieses Geschoß, welches nach der Angabe der Broschüre bereits in mehreren Artillerien angenommen worden ist, hat den Granatteil in die Schrapnellhülse derart eingepreßt (nicht eingeschraubt), daß sich derselbe bei einer Luftexplosion leicht und regelmäßig abtrennt (indem durch die Explosion der Schwarzpulversprengladung der Bodenkammer der ganze Geschoßinhalt wie bei jedem anderen Hülsenschrapnell ausgestoßen wird). Der Granatteil verfolgt darnach infolge seiner günstigen Schwerpunktslage die ursprüngliche Flugbahn mit großer Beständigkeit und explodiert schließlich im Aufschlage als wirkungsvoller und gut beobachtungsfähiger Brisanzschuß. Jeder Luftexplosion folgt beim nämlichen Geschosse somit stets noch eine Bodenexplosion. »Die Vorteile eines beobachtungsfähigen Granatteils liegen auf der Hand. Er ermöglicht die Lage der Flugbahn zum Ziel und damit die Sprengweite zu kontrollieren. Dadurch aber wird man in den Stand gesetzt, namentlich Schildgeschützen gegenüber mit dem Schuß nahe ans Ziel heranzugehen und die volle Kugelgarbe und mit ihr die Sprengteile des Kopfes zur Wirkung zu bringen. Hiedurch erlangt der Schrapnellschuß unseres Einheitsgeschosses eine durchschnittlich größere Wirkung, als sie einem Schrapnell mit größerer Kugelzahl, aber ohne beobachtungsfähigem Kopf innewohnt. Um eine Vorstellung von der großen

*) »Das Brisanzschrapnell Erhardt van Essen und das Kruppsche Granatschrapnell«, Düsseldorf, August 1910. Im nachfolgenden sind derselben einige Stellen wörtlich entnommen.

**) Dieselben, im ganzen 15, entstammen nur Versuchen, die im Auslande oder vor ausländischen Prüfungskommissionen (Ausland in bezug auf die Fabrik stattfanden.

Wirkungsfähigkeit des Geschoßkopfes zu verschaffen, ist auf Textfigur 3
die Wirkung eines solchen gegen einen Schildhalbzug reproduziert.

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Wirkung des Kopfes eines Brisanz-Schrapnells Ehrhardt-van Essen auf 3000 m.

Geschütz: 3 Mann durch 31 scharfe Treffer außer Gefecht gesetzt. Ferner im linken Rad 3, im rechten 1 scharfer Treffer. Munitionswagen: Ganze Bedienung (4 Mann) vernichtet durch Kopftreffer im Panzer (5 mm). Loch im Panzerschild: 17 X 19 cm. Im linken Rad 10 scharfe Treffer, rechtes Rad teilweise zerstört.

Mit Zustimmung der Fabrik reproduziert.

Textfigur 3.

Im Schrapnellteile sind ferner die Füllkugeln nicht wie bisher in einer für die Geschoßwirkung indifferenten Masse (z. B. Kolophonium), sondern in einem Sprengpräparat (Trinitrotoluol) eingelagert, so daß

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