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einfache Art der Namengebung genügte noch bis zur Zeit der sächsischen und fränkischen Kaiser. Die Kreuzzüge erst brachten Wechsel und Bewegung und damit verwickeltere Rechtsverhältnisse. Die Unterscheidung der Namen mußte nun eine genauere werden. Außerdem war im Laufe der sprachlichen Entwickelung der Namen eine Masse ursprünglich verschiedener schließlich in eine Form zusammengefallen, sodaß sich nur zu häufig gerade in den Städten, den Mittelpunkten des Verkehrslebens, dieselben Namen wiederfanden.1) Abhilfe wurde dadurch gefunden, daß man zum eigenen Namen den des Vaters oder das Amt oder sonstige Beschäftigung, irgend eine hervorstechende Eigenschaft oder endlich den Wohnsiz als Beinamen zufügte. Der Name des Vaters sollte eigentlich immer im Genitive stehen, zu erklären aus einer Ellipse von Sohn, aber schon frühzeitig findet sich der Nominativ. Diese Beinamen gingen später vom Vater auf den Sohn über, befestigten sich in der Familie und wurden so zu Familiennamen, die nun von Geschlecht zu Geschlecht übertragen werden. Diese von Italien beeinflußte Entwickelung nimmt ihren Lauf vom Rhein aus. In Italien gab es nach Kleemann schon im 9. Jahrhundert erbliche Familiennamen, so in Venedig 809, in Mailand 882, in Verona 905 und in Florenz 973. Die Familiennamen treten zuerst 1106 in Köln auf, 1145 in Zürich, 1168 in Basel, um dieselbe Zeit etwa in Mainz und Worms, in Frankfurt a. M. in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Dann folgt Hamburg, wo die durchgreifende Entwickelung in die Zeit von 1250-1270 fällt. In den lippischen Städten begegnen sie ebenfalls im Laufe des 13. Jahrhunderts, auf dem platten Lande treten sie dagegen erst etwa 100 Jahre später auf. Ähnlich entwickeln sich die Familiennamen in Schlesien, Luxemburg, den meklenburgischen Städten und den alten Hansastädten der südbaltischen Küstenländer. Für Meklenburg ergeben meine Quellenstudien, daß sich Familiennamen nicht vor 1340 finden. Dann aber sind sie plöglich da, wie viele Urkunden zur Genüge beweisen. In Quedlinburg begegnet die erste Spur eines Familiennamens ca. 1184 bis 1203, sie sind aber im Jahre 1244 noch nicht fest. Die Entwicklung ist natürlich schneller in der Stadt als auf dem Lande - in Meklenburg ist dies Verhältnis sehr deutlich nachzuweisen — und dabei gehen zuerst die besißenden, vornehmen Bürger voran, erst später folgen die Ritter, Geistlichen und Handwerker; im 14. und 15. Jahrhundert

1) Wie sehr die Bildungen von den einzelnen Stämmen in einander übergehen, hat besonders auch Albert Heinze (Die deutschen Familiennamen geschichtlich, geographisch, sprachlich. Halle a. S. 1882) hervorgehoben, dem ich an dieser Stelle meinen Dank für seine Mitteilungen zu meiner Sammlung der Tiernamen ausspreche.

ist sie im ganzen abgeschlossen, wenn ja auch bekanntlich die Juden erst im Anfange unseres Jahrhunderts durch verschiedene Verordnungen gezwungen wurden, allgemein feste Familiennamen anzunehmen.

Kleemann unterscheidet nun unter den heutigen Familien- oder Geschlechtsnamen drei große Schichten:

1. Altdeutsche Namen, die ursprünglich Personennamen waren; sie
sind die ältesten und anziehendsten und überragen an Schönheit
des Inhalts und der Form alle anderen weitaus.
2. Kirchliche Personennamen als Familiennamen.

3. Die große Klasse der Beinamen, die hergenommen sind von
Gewerbe, Stand und Amt, von charakteristischen Eigenschaften,
von Herkunft und Wohnsiz.

Alle diese Namen sind nach Stämmen übersichtlich geordnet. Das gegebene Material ist überaus reichlich, die Erklärungen, wenn auch im einzelnen anfechtbar, sind stets streng wissenschaftlich gehalten.

Das Register am Schlusse erhöht die Brauchbarkeit des Buches bedeutend. Der Namenforscher, der sich mit den deutschen Familiennamen im allgemeinen beschäftigt, kann sich also leicht orientieren, ob er für seinen Zweck Passendes in dem Buche findet. Solche Spezialuntersuchungen werden später immer die Grundlage für ein großes deutsches Namenbuch bilden müssen, für Ortsnamen, die ja auch für die Erforschung der Familiennamen wichtig sind, ist neuerdings eine interessante Studie auf Bayern bezüglich von Haselmayer erschienen (Über Ortsnamenkunde, Würzburg 1890). Kleemanns Buch wird alle Germanisten interessieren, für Forscher auf dem Gebiete der Namenkunde ist es geradezu unentbehrlich. Man könnte auf dasselbe ohne Bedenken den Ausspruch anwenden, den Isaac Taylor von Förstemanns Altdeutschem Namenbuch gebraucht: ,,a work which only a German could have conceived. or executed, and which, even in Germany, must be considered a marvellous monument of erudite labour".

Doberan i. M.

O. Glöde.

Drucke des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung IV: Niederdeutsche Schauspiele älterer Zeit. Herausgegeben von J. Bolte und W. Seelmann. Gedruckt auf Kosten der Germanistischen Sektion des Vereins für Kunst und Wissenschaft in Hamburg. Norden und Leipzig. Diedr. Soltaus Verlag. 1895. In der Entwickelung des Dramas besteht ein enger Zusammenhang zwischen nord- und süddeutscher Dichtkunst. Es ist interessant, daß noch im Zeitalter der Reformation in hoch wie in niederdeutscher Sprache dieselben Stoffe behandelt und dieselben Formen benußt werden. Von

da an nimmt die Mannigfaltigkeit ab, die das niederdeutsche Drama mit dem hochdeutschen teilte. Die Spiele ernsten Inhalts in niederdeutscher Sprache werden immer seltener. Im 17. Jahrhundert weist die niederdeutsche Dramendichtung fast nur noch kurze Schwänke auf, in denen auf Kosten roher und tölpelhafter Bauern Heiterkeitserfolge erzielt werden sollen. Der Grund liegt natürlich darin, daß das Niederdeutsche als Schriftsprache immer mehr schwand und von den Gebildeten verachtet wurde, wie die Leute, die es sprachen. Im Hause und auf der Straße lebte das Niederdeutsche weiter, im amtlichen und schriftlichen Verkehr wurde hochdeutsch gesprochen und geschrieben. Kirche, Gericht und Schule wirkten dahin, daß die Kenntnis des Hochdeutschen in den Städten der Maßstab der erlangten Bildung wurde. Die Unfähigkeit hochdeutsch zu verstehen und zu sprechen galt als bäurisch. Ich habe in meinem Auffah,,Die Stellung des niederdeutschen Dialekts und seiner Werke zur hochdeutschen Schriftsprache und Litteratur“1) auf diese untergeordnete Stellung des Niederdeutschen hingewiesen, zugleich aber auch auf den großen Reichtum der niederdeutschen Litteratur auf allen Gebieten und in allen Jahrhunderten. Wie der Städter mit Verachtung auf den Bauern herabsah, dem er Dummheit, Roheit und Unflätigkeiten aller Art mit Unrecht zuschrieb, so sehr verachtete er seine Sprache. Und doch hatte diese Sprache manche Vorzüge vor der Hochdeutschen voraus, wie auch die Herausgeber unserer Sammlung anerkennen, die sonst die Stellung des Niederdeutschen mit ziemlich schwarzen Farben malen. Im niederdeutschen Drama, wenn es auch ziemlich einseitig fast nur Bauern vorführt, ist die Ausdrucksweise stets einfach und natürlich, in den hochdeutschen durchweg schwülstig und gespreizt. Mit Recht weist daher Chr. Weise, der Vorkämpfer gegen den Marinismus der deutschen Dichtung des 17. Jahrhunderts, auf die Niedersachsen hin. Er sagt im Vorwort seines 1690 erschienenen Josephs: „Die niedersächsischen Possenspiele präsentieren sich besser als die Hochdeutschen. Und wer die Ursache wissen will, der mag nur dieses bedencken. Die Nieder Sachsen bleiben bey ihrer familiaren pronunciation, damit ist alles lebendig und natureαl.“ Auch Lessing rühmt einmal von den niederdeutschen Szenen eines späteren Dramas:,,Die naive Bauernsprache giebt Allem eine ganz eigene Würze." Die Herausgeber begrüßen in den späteren niederdeutschen Schau- und Zwischenspielen, die sonst vielleicht für die deutsche Litteraturgeschichte von nebensächlicher Bedeutung sind, mit den Hochzeitsgedichten zusammen willkommene Zwischenglieder zwischen der mittelniederdeutschen

1) Festschrift zum siebzigsten Geburtstage Rudolf Hildebrands, ed. O. Lyon, Ergänzungsheft zum achten Jahrgang der Ztschr. f. d. dtsch. Unterr. Leipzig (Teubner), 1894, S. 35-61.

und der heutigen Mundartlitteratur. Merkwürdig ist die Mischung von Formen aus verschiedenen niederdeutschen Dialekten, die sich oft in einem Stücke zusammen finden. In diesem Bande sind solche Stücke gedruckt, die besonders für Hamburgs ältere Sprache und Litteratur wichtig sind. Während man sonst annahm, daß das erste Denkmal dramatischer Poesie in Hamburg erst aus dem Jahre 1630 datiert, sind hier zwei Spiele vom Jahre 1616 und eins vom Jahre 1618 abgedruckt, zusammen mit zwei kurzen holländischen Kluchten, die zu älteren mittelniederdeutschen Fastnachtspielen in Beziehung stehen. Es sind: I. Moorkensvell (S. 1-14), II. Boeren Vasten-avonds-spel (S. 15–21), III. Vitulus (S. 23—60), IV. Scriba (S. 61-84), V. Hanenreyerey (S. 85-147).

Wertvoll sind die Einleitungen zu jedem Stück (S. *1-*48) und die Anmerkungen (S. 149-164). Das erste Stück mit der Überschrift 'Moorkens vel, Vande quade Wyven' trägt das Motto:

Ick ben ghenaemt het Moorkens - vel,

De quade Wyven kennen my wel.'

Dies niederländische Stück ist verwandt mit dem niederdeutschen Fastnachtsspiel Böse Frauen' und anderen alten Schwänken. Es ist in einem Antwerpener Druck vom Jahre 1600 erhalten. Es enthält die Zähmung einer bösen Frau durch ihren Mann, der sie blutig schlägt und in das gesalzene Fell eines toten Rappen 'Moorken' widelt. Kalff sezt das Stück in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts, ein noch älteres Zeugnis nimmt der Verfasser aus der 1538 gedruckten lateinischen Schulkomödie Andrisca des Utrechter Rektors Georg Macropedius. Sehr interessant ist die Analyse eines anderen Werkes auf S. 9 flg. Das ist die Bearbeitung des Stoffes durch einen deutschen Schulmeister im Jülichschen, Martin Schmidder (Fabritius) in Düren, der 1582 folgende Komödie veröffentlichte: 'Das New Morgens Fell. Von der Frawen herschung, vnd gebiet der Weiber vber jhre Man. Schmidder sagt am Schluß, daß er 'Das Büchlein Morgens Fell' in ein Drama ein kürtzweilig Spill umgewandelt habe. Es muß also eine niederländische Erzählung existiert haben; die englische, nach der Shakespeare sein Lustspiel 'The taming of a shrew' schrieb ist, in epischer Form erhalten: A merry Jeste of a shrewde and curste Wyfe, lapped in Morelles skin, for her good behauyour. Die Verfasser kommen auf S. 21 zu dem Schluß, daß das niederländische Moorkensvel und das niederdeutsche Fastnachtsspiel die beiden ältesten Bearbeitungen des Stoffes sind. Welches von diesen beiden Stücken Vorlage und welches Bearbeitung ist, bleibt noch zu untersuchen.

Das Boeren Vasten-avonds-spel (aus demselben Antwerpener Drucke vom Jahre 1600) ist sicher eine wörtliche Übersetzung des mittelnieder

deutschen Vastelavendesgedichts' von der Bauernbetrügerei. Wir sehen also wiederum, daß auf diesem Gebiete wenigstens das Niederdeutsche etwas Originelles leistete. Die beiden folgenden Stücke Vitulus und Scriba find die ältesten niederdeutschen Dramen Hamburgs, die die Verfasser nachweisen können. Sie sind spätestens 1616 in Hamburg aufgeführt. Ihre Sprache weist nach Meklenburg, wo der Verfasser nach der Annahme der Herausgeber seine Jugend verlebt hat. Der Vitulus ist eine zwar freie, aber sehr gewandte Übersetzung von der lateinischen Schulkomödie des Rektors Cornelius Schonaeus aus Harlem, die 1595 erschien. Auch eine holländische Bearbeitung existiert. Der Titel der holländischen Posse ist: 'Lacchelicke Cluchte, Van een Boer die in een Calfsvel benaeyt was.' Der Vitulus des Schoenaeus erinnert an die 1535 gedruckte Posse Aluta' des Macropedius. Der Scriba ist ein ziemlich geschickt angelegtes Stück, nach verschiedenen entlehnten Motiven angefertigt, worin der Schreiber eines Junkers den alten Bauern Chim betrügt. Es kommt darin das Strebekaßenziehen vor, der Bauer wird an seiner Identität irre gemacht, und seinem Sohne Drewes das Latein eingetrichtert. Alle drei Motive finden sich vielfach in der deutschen und in fremden Litteraturen verwertet. Noch derber als der Scriba ist der Hanenreyerey, das fünfte abgedruckte Stück. Das ist von einem Hamburger verfaßt, das beweisen die Sprachformen aufs deutlichste. Buhlerei zwischen einem Mönch und einer Wirtsfrau, Streit zwischen Bauern und Narren bilden den Inhalt. Bearbeitungen dieses Schwankes in epischer und dramatischer Form in der Litteratur aller Völker sind nicht selten. Für den deutschen Bearbeiter wird die Fabel des Burkard Waldis die Quelle gebildet haben.

Wir wissen den Herausgebern für die interessante Publikation Dank, da die meisten Stücke nur in einem einzigen, schwer zugänglichen Drucke erhalten sind.

Doberan i. M.

O. Glöde.

A. Dühr, Homers Gesänge in niederdeutscher poetischer Übertragung. Teil I. Niederdeutsche Ilias. Kiel und Leipzig.

Verlag von Lipsius u. Tischer. 1895. XII u. 656 S. 8°.

Endlich ist nun das originelle Werk erschienen, auf das schon seit längerer Zeit in verschiedenen Zeitschriften hingewiesen ist.) In dem

1) Vergl. A. Dühr, Eine niederdeutsche Homerüberseßung, Ztschr. f. d. deutschen Unt. VII 3. S. 180-193. O. Glöde, Eine niederdeutsche Homerüberseßung. Von

A. Dühr. Herrigs Archiv XCI 2. u. 3. S. 293-297.

O. Glöde, Noch einmal August Dührs niederdeutsche Homerüberseßung, Herrigs Archiv XCII 2. S. 192 bis 197.

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