Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Darstellung und dem humoristischen Ton seines Berliner Kollegen ist bei Gryphius allerdings nichts zu finden.

6. 1-39 folgt der genaue Abdruck des Schulspiels: „Die entdeckte und verworffene Unsauberkeit der falschen Dicht- und Reimkunst/Am 22. Nov. Anno 1700. Als am 126 ften Gedächtniß-Tag der Aufrichtung des Berlinischen Gymnasii / In einem einfältigen SchulSpiel vorgestellet / Und aus unterschiedlichen Absichten / Besonders aber Denen/welche Natur und Lust in gedachter Schule vor andern fähig gemacht/Zur stetswährenden Erinnerung in den Druck gegeben/von Johann. Leonhard. Frisch/Sub Rector. Berlin/gedruckt mit Salfeldischer Wittwe Schriften."

Sprachlich macht der Text gar keine Schwierigkeiten, wir danken dem Herausgeber, daß er ihn jezt so bequem zugänglich gemacht hat, ich habe das Spiel jezt zum erstenmal gelesen. Der Inhalt wird durch die zahlreichen Anmerkungen (S. 49-65) gut erläutert, besonders eingehend sind diejenigen über die Rätsel, Bildergedichte und Leberreime. Die Rätsel bildeten wie die Leberreime eine beliebte Tischunterhaltung im 17. Jahrhundert. Ob die Lösungen, die Fischer giebt, richtig sind, ist mir sehr zweifelhaft. Das sechste scheint, wenn überhaupt an eine Arzenei zu denken ist, eher ein Schwizmittel als ein Vomitiv oder Purgiermittel zu bezeichnen. Bildergedichte, wie sie hier mitgeteilt werden (S. 31–35), giebt es schon in der griechischen und römischen Litteratur. In Form einer Syring finden sie sich in den Theokrit zugeschriebenen Gedichten. Vergl. Theocriti idyllia cum comm. crit. et exeget., ed. A. Th. H. Fritzsche (Lipsiae 1864-1868) II p. 150 und Bergk, Anthologia graeca p. LXXII. Die Form der Flügel des Eros, eines Eies und eines Beiles haben Gedichte des Rhodier Simmias. Der Angelsachse Alcuin dichtete ein Paar Akrosticha, die zugleich Bildergedichte sind, das eine auf das Kreuz Christi, das andere auf Karl den Großen als Kaiser. (Vergl. H. Hagen, Carmina medii aevi, Bern 1877, q. 115-128 und 215-222.) Im Anfange des 18. Jahrhunderts wollte man nichts mehr von ihnen wissen. (Vergl. das absprechende Urteil bei Daniel Georg Morhof, Unterricht von der Teutschen Sprache, Kiel 1682, S. 773.) 3u S. 36 3. 7 ist Plutarch Moralia p. 346 flg. au vergleiden: Πλὴν ἑ Σιμωνίδης τὴν μὲν ζωγραφίαν ποίησιν σιωπῶσαν προσαγορεύει, τὴν δὲ ποίησιν ζωγραφίαν λαλοῦσαν, aut G. 36. 3. 25 Batrachomyomachia v. 9 u. 10.

S. 56 flg. spricht der Verfasser über die Leberreime, jene halb an Toast, halb an Gesellschaftsspiel erinnernde Tischunterhaltung des 17. und 18. Jahrhunderts. Doch muß sie, wie aus dem Titel der ersten bekannten Sammlung von Leberreimen hervorgeht, bereits im 16. Jahr

hundert üblich gewesen sein. Fischer hat die Litteratur über diese Erscheinung ziemlich vollständig herangezogen. Ursprünglich haben wohl Fisch- und Geflügellebern jeder Art Veranlassung zu den Leberreimen geboten, und erst später ist die Beschränkung auf die Hechtleber eingetreten. Die älteste bekannte Sammlung von Leberreimen ist,,Rhythmi mensales. Dat ys: Ein seer lustich vnde kortwylich Bökeschen, darin beyde Geistlike vnde Werldtlike Ryme tho vinden van de Leuern, so öuer Dische, in kösten, Gastbuden vnde dergelyken Geselschoppen könen vnde mögen gebruket werden: So thovörn nüwerle in Drücke geseen worden. Nu öuerst körtlick thosamen gestellet, vnde in öffentliken Drück gegeuen dörch Johannem Juniorem.... Gedrücket im Jare, 1601." Aus dem auf der Stadtbibliothek zu Lüneburg befindlichen Exemplar hat Ad. Hofmeister in Rostock im 10. Bande des Niederdeutschen Jahrbuches (S. 59-89) die weltlichen Leberreime der Sammlung abdrucken lassen. Recht unsaubere Leberreime enthält die Sammlung von Huldrichus Therander (Joh. Sommer aus Osterweddigen bei Magdeburg), Epatologia hieroglyphica rythmica, Magdeburg 1605. Vergl. auch Hermann Brandes, Zur Geschichte der Leberreime (Niederdeutsches Jahrbuch XIV, 1888, S. 92-95). Eine umfassendere hochdeutsche Bearbeitung der niederdeutschen Sammlung des Junior befizen wir in: Jocoseria Mensalia etc. aus dem Jahre 1649 (Königl. Bibliothek zu Berlin Y d 3506, 8°). Daß die Sitte bei Schmausereien, die Leber zu bereimen, sich bis in unser Jahrhundert erhalten hat, ist bekannt. Karl Koppmann erwähnt in seinem Buche Aus Hamburgs Vergangenheit" (1885) I, 61, daß in Hamburg diese Tischunterhaltung noch vor hundert Jahren üblich gewesen ist, und Fr. Latendorf hat in Frommanns Deutschen Mundarten (1858) V, 285 einige Leberreime mitgeteilt, wie er sie in Meklenburg aus dem Munde des Volkes gehört hat. Hier ge= rade ist diese Art, aus dem Stegreif zu dichten, bis in die fünfziger Jahre unseres Jahrhunderts allgemein in Gebrauch gewesen, wie ich von alten Leuten auf dem Lande noch in diesen Tagen gehört habe. Wossidlo, der bekannte Sammler meklenburgischer volkstümlicher Redensarten und Lieder, hat eine ganze Anzahl ungefähr 140- von solchen Leberreimen zusammen. Ich will ihm nicht vorgreifen, sie werden hoffentlich bald erscheinen. Um den Fachgenossen einen Begriff zu geben, wie das meklenburgische Volk bei solchen Reimereien verfährt, gebe ich mit Übergehung des allzu derben

[ocr errors]

Dê lêwer is von'n hêkt

[ocr errors]

Un nich von'n karnînken; etc.

andere ganz interessante, die sich in Wossidlos Besig befinden:

De lewer is von'n häkt un nicht von'n boi,
twischen mi un mien feinsliebchen wassen

poor roggenohr,

die Blätter sein verwesen,

mein feinsliebchen hat sich eine andere erlesen;
feinsliebchen, warum quälst du mich?

ich will dich bei Gott verklagen

und will meinen kranz ins grab vertragen.

Recht hochmütig klingt es, wenn ein Mädchen ausruft:

de lewer is von'n hohn un nich von'n bessenstel,

oll frugens snacken vel,

jung frugens kranken vel,

ick dank Gott in mienen sinn,

dat ick noch jungfru bün.

Eine ganz andere Stimmung spricht sich in folgendem Leber

reim aus:

Die Leber ist braun und in Oel verwandt,

ich stelle mein Glück in Gottes Hand,

vom Anfang bis zu Ende

steht alles in Gottes Händen.

Hiermit sind die Leberreime zu vergleichen, die Frisch im zweiten Auftritt der Anderen Abhandlung" dem Reiche in den Mund legt (Fischers Ausgabe S. 26):

"

Die Leber ist vom Hecht und nicht von einem Hahn.
Heut will ich wohlgemuth zu mein'r Hertzliebsten gahn.
Die Leber ist vom Hecht und nicht von einer Elster,
Mein Bruder ist mir lieb, und lieber noch die Schwester.
Die Leber ist vom Hecht und nicht von einer Gans.
Die Magd heisst Ursula, der Hausknecht aber Hans.
Doberan i. M.

O. Glöde.

Beiträge und Vorarbeiten für eine Würdigung der Stellung Christian Weises zu den pädagogischen Theoretikern und innerhalb der Schul- und Bildungsgeschichte des 17. Jahrhunderts. Von Max Wünschmann. Leipzig, Druck von

G. Kreysing. 1895. 142 .

Es ist mit großer Freude zu begrüßen, daß der berühmte Zittauer Schulrektor Christian Weise, der bis jetzt meist nur vom litterar geschichtlichen Standpunkte aus betrachtet worden ist, hier endlich einmal eine Würdigung vom pädagogischen Standpunkte aus findet, denn es gebührt ihm in der That, wie der Verfasser der vorliegenden Dissertation sagt, innerhalb der deutschen Geschichte des gelehrten Unterrichts ein Ehrenplay." Das Hauptverdienst Christian Weises ist, daß er dem

[ocr errors]
[ocr errors]

deutschen Unterrichte in dem höhern Schulwesen eine dauernde Heimstätte und geregelte Pflege errungen hat. Auch seine dichterischen Arbeiten dienen in erster Linie diesen Bestrebungen, und man thut Weise geradezu Unrecht, wenn man seine Dichtungen aus einem andern Gesichtspunkte betrachtet. Er selbst hält sich, wie er das wiederholt ausspricht, gar nicht für einen Dichter, sondern für einen Schulmeister, der seinen Schülern in poetischen Übungen mit gutem Beispiel vorangeht, und mit den poetischen Exerzitien," zu denen er seine Schüler anhält und anleitet, will er keineswegs Dichter erziehen, sie sind ihm nur,,Progymnasmata, welche den Stylum in prosa zu einiger perfection bringen lernen“, indem sie einen jungen Menschen so wohl anführen, daß er seine concepte nicht nur deutlich, sondern auch lieblich vorbringen lernet.“ Die deutsche Poeterey" ist ihm innerhalb der geregelten schulmäßigen Pflege nichts anderes als eine „Dienerin der Wohlredenheit," als „der galanteste Teil der Beredtsamkeit," und wer sich darin wohl geübt hat, der wird von der klugen Welt" nicht als Poet, sondern als politer Redner ästimieret" werden. Den Redner oder den Verfasser prosaischer Auffäße hat Weise im Auge, wenn er sagt: „Es ist kein besser Mittel vorhanden, Copiam Verborum zu erlangen, als wenn man viel Worte nach einander in den Gedanken herum werfen muß, ehe man ein rechtes antrifft, welches sich in den Vers ungezwungen schickt.“

"

Die Weiseschen Lehrbücher mit ihren klaren, wohldurchdachten, mit Beispielen reich ausgestatteten Anweisungen zur Wohlredenheit, zum Briefeschreiben, zum Versemachen u.s. w. müßten natürlich in einer noch zu schreibenden Geschichte des deutschen Unterrichts an den Lateinschulen eingehender betrachtet werden, als es in der vorliegenden Schrift hat geschehen können. Dann würde z. B. auch einzugehen sein auf einen Litteraturgeschichtlichen Abschnitt, wie er sich am Anfang des zweiten Teiles der „Curiösen Gedanken von deutschen Versen“ findet, auf Weises Stellung zu den Fragen des Fremdwörterunwesens, der Orthographie u. s. w., die in der vorliegenden Schrift nur gestreift sind, und auf manches andere. Die Hauptpunkte aber für eine solche Untersuchung sind hier bereits largestellt. Besonders wichtig erscheint der Nachweis, daß in den Lateinschulen des 17. Jahrhunderts viel mehr deutsch gesprochen und geschrieben worden ist, als man offiziell zugeben wollte, daß viele die Notwendigkeit eines Unterrichts im Deutschen einsahen und heimlich nach dieser Einsicht handelten, während Weise jene Notwendigkeit und sein entsprechendes Verfahren offen und ehrlich bekannte und dadurch am meisten zur Nachfolge ermunterte. Wie einflußreich Weise und seine Schriften für den deutschen Unterricht in höheren Schulen gewesen sind,

das deutet die vorliegende Schrift nur kurz an, indem sie etliche Männer nennt, die sich offen als Weises Schüler und als begeisterte Vertreter seiner Ansichten bekennen.

Aber nicht nur auf dem Gebiete des deutschen Unterrichts ist Weises Bedeutung für die Geschichte des deutschen Schulwesens zu suchen. Auch der Unterricht in den sogenannten Realien verdankt Weise Anregung und Förderung, und man wird nicht irren, wenn man ihm in dieser Beziehung mindestens ebenso viel Verdienst zuschreibt wie Aug. Herm. France. Johann Hübner, einer der ersten Förderer des geographischen Unterrichts, ist ein Schüler Christian Weises und wurde von seinem Lehrer an Alberti in Leipzig empfohlen mit dem Bemerken, daß er über Weises pädagogische Ansichten und seinen Schulbetrieb die sicherste und ausgedehnteste Auskunft geben könne. Über Weises Forderungen für den Geschichtsunterricht, die sich z. B. in der besondern Betonung der neuern Geschichte in überraschender Weise mit Forderungen der allerneuesten Zeit berühren, hat der Schreiber dieses auf Grund der Weiseschen Schrift,,Der kluge Hofmeister" ausführlich gehandelt in dem Schriftchen: Geschichtsunterricht im siebzehnten Jahrhundert. Von Albert Richter." (Langensalza 1893.),,Logikalischen Weisianismus" erkannte man schon früher wieder in den Rechenbüchern des Zittauer Rechenmeisters Christian Pescheck, und so ließe sich noch viel von Weises Einfluß auf den Schulbetrieb am Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts nachweisen. Von besonderem Interesse ist namentlich auch der pädagogisch-seminaristische Zug, der durch Weises Unterrichtsthätigkeit und die damit in engem Zusammenhange stehenden Schriften hindurchgeht" und dessen der Verfasser der vorliegenden Schrift wenigstens mit kurzen Hindeutungen (S. 83 flg.) gedenkt.

"

Neben den besonderen methodischen Winken, die Weise in seinen zahlreichen Schriften giebt, behandelt Wünschmann auch die allgemein didaktischen Ansichten Weises, seine Forderungen an die Lehrer und ans Elternhaus. In ein System hat Weise auch diese nicht gebracht, seine ,, vertrauten Gespräche vom Informations - Werke“ bieten keine erschöpfende Darstellung seiner pädagogischen Ansichten, und so hat denn Wünschmann mit großer Belesenheit auch aus den übrigen Weiseschen Schriften eine reiche Fülle gelegentlicher Äußerungen über pädagogische Dinge zusammengetragen; in den Anmerkungen aber mißt und vergleicht er sie mit den Ansichten und Forderungen der Zeitgenossen, sodaß ein sehr klares Bild sowohl von den Forderungen der Pädagogen als auch von den Leistungen der Schulen jener Zeit gewonnen wird. Hierauf weiter einzugehen, ge= stattet der Rahmen einer Zeitschrift für den deutschen Unterricht" nicht. Und so mag es genügen, mit den zusammenfassenden Worten des Ver

[ocr errors]
« ZurückWeiter »