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aus Weimars Blüteperiode vor Augen treten sollten. Da konnte nun Schillers unvollendetes Werk nicht fehlen, zumal es ja auch mit Rücksicht auf das Haus Romanow begonnen war (vergl. Hempel, Goethes Werke 11. Bd. 1. Abtlg. S. 351 flg. Das Epos im Maskenzuge). — Die dramatische Demetriuslitteratur beschließt Popek mit der böhmischen Bearbeitung des Schillerschen Fragmentes von Ferd. Mikovec, die den Titel führt: Dimitr Jvanovič." Tragödie in 6 Akten. Mit teilweiser Benutzung des Schillerschen Fragments. Prag, Pospisil. 1856; Aufbau, Durchführung, Charakteristik sind ganz das Eigentum Schillers. Er übersetzt leztern ganz wörtlich in Prosa, läßt wohl hin und wieder einiges weg, ändert auch Unbedeutendes, manches mit Rücksicht auf Rußland und führt statt einiger Namen Schillers die historischen Fredro, Dvořicky, Něborsky ein. Seine Fortseßung beruht größtenteils auf Körners Mitteilungen, bei deren Benuzung ihm Maltig als Muster vorschwebte. Er ist ebenso breit wie dieser, ja manchmal überbietet er ihn und strebt vor allem wie dieser nach Bühneneffekten. Er hat wohl einiges aus Chroniken genommen, was Körner nicht bietet. Aus der Romanlitteratur, soweit sie sich mit dem Geschicke des Demetrius beschäftigt, erwähnt P. außer Joh. Scherr,,Menschliche Tragikomödie“ und Mérimée Der falsche Demetrius", Julius Orion,,Demetrius der Erste, Czar von Moskau" 1824, Leopold Lindau Boris Gudenow oder der Sturz vom Czarenthron" 1827, Niedmann (Belani) „Dimitry“ 1829, Satori (Joh. Neumann) „Xenia, die Tochter des Boris Godunow“ 1842, Ed. Gehe,,Demetrius und Boris Godunow oder Rußland in den Jahren 1591-1606," 1836; Lubojazky,,Eine lateinische Czarin und ihr Schicksal," 1862; Fürst Skopin Schuiski oder Rußland zur Zeit des falschen Demetrius" (234-237. Bd. des,,belletristischen Lesekabinetts der neuesten und besten Romane aller Nationen," herausgegeben von Meynert), eine Überseßung aus dem Russischen. Nicht von Demetrius handelt, aber doch durch die Geschichte desselben hervorgerufen ist der Roman von Julius Groffe,,Ein bürgerlicher Demetrius" 1884. — Aus dem schäzbaren Material, das P. zur Demetriuslitteratur zusammengetragen hat, geht deutlich hervor, wie das Genie Schillers noch Jahrzehnte fortwirkt und neue Dichtergenerationen beeinflußt.

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Die Grundzüge in dem Schillerschen Gedichte: „Die Künstler“. Von Dr. Franz Klein, wirkl. Gymnasiallehrer am k. k. deutschen Staats-Untergymnasium in Smichow. Aus dem Jahresberichte dieser Anstalt, 1895. 16 .

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Wer einen klaren Einblick in das Gedicht „Die Künstler“ erhalten will, dem dürfte die bloße Erläuterung einzelner Stellen nicht genügen;

Beitschr. f. d. deutschen Unterricht. 10. Jahrg. 9. Heft.

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er wird vielmehr ganze Gedankenreihen verfolgen, Verschiedenes trennen und Verwandtes verbinden müssen." Von diesem Saße ausgehend, versucht K. in dem bekanntlich von Schiller vielfach umgeänderten und verbesserten Gedichte drei große Gedankenreihen, Schichten, wie er sie nennt, zu unterscheiden. Die erste Schicht A bezeichnet entsprechend den Lehren der Wolffischen Schule, die auch das Wahre und Gute als Zweck, das Schöne als Mittel ansah - als Früchte der Erziehung durch die Kunst wissenschaftliche und sittliche Bildung. In der zweiten Schicht B sind nicht mehr wissenschaftliche und sittliche Bildung Zweck jener Erziehung, vielmehr wird sich in Schönheit schließlich alles auflösen. Die dritte Schicht C enthält eine Allegorie, die sich durch das Ganze hinzieht; diese bildet die Hauptidee, der alles andere dient, das Ziel, dem alle anderen Gedanken zueilen. Venus Urania, die Göttin der himmlischen Wahrheit, deren Strahlen nur reinere Geister ertragen, legt ihre Feuerkrone ab, nimmt den Gürtel der Schönheit und tritt so als Venus Cypria mit gemildertem Glanze dem Menschen entgegen, um seine Erziehung zu übernehmen. Nachdem aber dieser die höchste Höhe seiner geistigen Vervollkommnung erklommen hat, nimmt die Göttin wieder ihr früheres Aussehen an und steht, umleuchtet von dem Feuer der himm lischen Wahrheit, vor ihrem Zögling als Venus Urania. — K. versucht nun aus einem Briefe Schillers an Körner vom 9. Februar 1789 und gestüßt auf Schillers Abhandlung:,,Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken?“ nachzuweisen, daß ursprünglich die Schicht A die Hauptsache war. Wie in der ursprünglichen Fassung A und C verbunden waren, läßt sich freilich nicht mehr erkennen. Für das Verständnis des Gedichtes ist fernerhin die Erklärung des Begriffs Urania, d. h. was der Dichter unter ihm verstand, von großer Bedeutung. Schon als Akademiker hatte sich Schiller eine in Leibniz' Lehre von der besten Welt wurzelnde philosophische Weltanschauung gebildet, welche in den ,,Philosophischen Briefen des Julius an Raphael" niedergelegt ist. Diese Philosophie weicht von der Mendelssohnschen einigermaßen ab. Eine Betrachtung und Vergleichung der Schillerschen und Mendelssohnschen Weltanschauung ergiebt, daß die Gedanken der Allegorie im philosophischen Systeme des Julius wurzeln, während die Namen der Mendelsohnschen Philosophie entnommen sind. „Urania“, die „Wahrheit" entspricht dem lichtvollen Durchschauen der großen Weltharmonie: mit Hilfe der „Cypria“, der,,Schönheit" oder der auf die Kunst angewendeten,,Geisterliebe“ des Julius strebt die Menschheit jenem großen Ziele entgegen. Unter der Einwirkung dieses Systems des Julius, das lange zu den Lieblingen des Dichters gehörte, ist die Allegorie (C) der Brennpunkt des Gedichts geworden. Die Schicht B endlich ist unter Wielands Anregung ent

standen. In dem obenerwähnten Briefe Schillers an Körner ist nämlich auch davon die Rede, Wieland habe es sehr unhold empfunden, daß die Kunst nach der bisherigen Vorstellung nur die Dienerin einer höhern Kultur sei. Dessen Forderungen entspricht nun der Dichter: die Veredlung durch die schönen Formen der Kunstwerte tritt mehr in den Vordergrund. Beiträge zur Erklärung der philosophischen Gedichte Schillers, die wie die vorliegende den Kern in fesselnder und klarer Sprache herauszuschälen versuchen, dürften dem Lehrer des Deutschen willkommener sein als langatmige Kommentare.

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Studien zum „Don Carlos“. Von Dr. Mary Möller. Nebst einem Anhang: Das Hamburger Theatermanuskript (Erster Druck). Preis Mark 4,80. Greifswald, Verlag und Druck von Julius Abel. 1896.

Möllers Arbeit ist auf dem Gebiet der Schillerphilologie ein Ereignis: sie bringt hinter dem 6. Kapitel (S. 1—137) den ersten Druck der Hamburger Theaterhandschrift des „Don Carlos" (= Hm). Ehe wir ihm zu dieser bedeutungsvollen Wiederauffindung denn bereits Vollmer hat Hm vorgelegen selbst das Wort erteilen, mag hier eine Übersicht über den interessanten Inhalt der ersten fünf Kapitel gegeben werden. In der düstern Stimmung, die infolge der Enttäuschungen seines bisherigen Lebens entstanden war, plante Schiller zunächst das bürgerliche Schauspiel: „Der Menschenfeind", von dem nur ein Bruchstück zu stande kam. An Stelle dieses Dramas und aus derselben seelischen Verfassung heraus schuf er das historische Trauerspiel vom Menschenfeind, die Tragödie, in der König Philipp, der Menschenfeind auf dem Throne, leidet und zu Grunde geht. Aber Philipp ist, und diesen Um: stand sollte der Darsteller auf der Bühne berücksichtigen, nicht wie der Großinquisitor ein versteinerter Menschenfeind, sondern erst am Schlusse ist er ganz vereinsamt und in völliger Gemütsverfinsterung (1. Kap. S. 1-7). Auf die Gestaltung des ,,Don Carlos" hat zunächst die Lektüre Einfluß gehabt. Der Verfasser verfolgt diese Abhängigkeit des Dichters von anderen, und dies muß ihm zum besondern Lobe an= gerechnet werden, nicht in pedantischer Weise; zweifellos ist der Einfluß von Julius von Tarent", an den, abgesehen von bestimmten Redewendungen, die Örtlichkeit, besonders am Anfang und Ende, erinnert; ferner bemerkbar ist der Einfluß von Shakespeares Hamlet, da letterer und Don Carlos sich in ihrem Verhältnis zur Umgebung ähneln, endlich der von Lessings Nathan, mit dem Schillers Drama manches gemeinsam hat in der äußern Kunstform (Jamben) und in der Tendenz, in einigen Charakterzügen, Situationen und Sentenzen (2. Kap. S. 8-21). So

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dann zeigt sich aber auch die Einwirkung eigener Erlebnisse auf den ,,Don Carlos". Der Verfasser erinnert hier an den liebeskranken, einsamen und jähem Stimmungswechsel zugänglichen Dichter, an die Mannheimer, Bauerbacher und Dresdner Zeit (3. Kap. S. 22-25). Die erste Fassung des Werkes in der Thalia (=A), die erste Buchausgabe des Dramas, dem sogenannten ersten Druck von 1787 (=D), ferner der Druck vom Jahre 1801 (= Ea) und der Ausgabe im Theater von 1805 (Lh) werden in ihrem Verhältnis zu einander im 4. Kapitel (S. 26-67) erörtert. D enthält im Gegensatz zu A bedeutende Verbesserungen in der Tendenz, namentlich aber in der Charakteristik. Gerade dieses Kapitel läßt uns einen tiefen Blick in die Arbeitsstätte des Dichters thun; Anachronismen werden beseitigt; seine Erfahrung im Theaterwesen führt ihn auf bühnentechnische Veränderungen, und der verfeinerte Geschmack des Dichters bringt edlern und bezeichnendern Ausdruck. Ein besonderes Kapitel (5, S. 68–80) behandelt die sogenannte Schmierenausgabe, d. i. die Prosafassung vom Jahre 1787 (= Bs): „Schiller nahm Rücksicht auf die denkbar kleinlichsten Verhältnisse, auf eine strenge, beschränkte Zensur der Geistlichkeit, auf ein ästhetisch rohes Publikum und auf mangelhafte Darsteller und Bühnenzustände." Aus dem 6. Kapitel (S. 81-93) erfahren wir die hohe Bedeutung von Hm, namentlich ihr Verhältnis zu Mh (der Mannheimer Theaterhandschrift). ,,In der Einleitung zum Wiederabdruck der ersten Ausgabe des „Don Carlos" (Stuttgart 1880) spricht W. Vollmer über die Mannheimer Theaterhandschrift. Wir ersehen aus seinen Ausführungen, daß „schwere Zweifel an der Echtheit des Mannheimer Soufflierbuches vorhanden sind“; die Handschrift“, heißt es, „ist in einem höchst strapazierten Zustand, der ursprüngliche Text oft durch Ausstreichen, Überschreiben, Zukleben, Beschreiben der überklebten Streifen, Wiederausstreichen des Aufgeschriebenen, Herstellen des ursprünglichen Textes u. dergl. fast bis zur Unleserlichkeit entstellt." Vollmer kommt zu dem Schluß, das Mannheimer Soufflierbuch sei eine von einem dritten, wahrscheinlich von Dalberg, überarbeitete Fassung des vom Dichter eingereichten Manuskripts.

Am Schluß seiner Einleitung bemerkt Vollmer, daß ihm die in zwischen aufgefundene Hamburger Handschrift zugesandt sei, er denke sie zu veröffentlichen.

Leider ist das nicht geschehen, so daß bisher immer noch ein Bericht über diese wertvollste Theaterfassung fehlt. Die Handschrift aber - dieselbe, die einst Vollmer vorgelegen hatte - fand der Herausgeber im Sommer 1894 bei Nachforschungen auf der Bibliothek des Hamburger Stadttheaters. Sie ist leidlich geschrieben und zeigt nur zwei weniger bedeutende Lücken." M. zitiert zur weitern Erläuterung Schillers

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Brief vom 13. Juni 1787 an Schröder (Jonas, Schillers Briefe I, 345): Achtundzwanzig gedruckte Bogen auf soviel, als Sie hier erhalten, zu reduzieren, war so leicht nicht. Vollends, wenn ich gewissen Rollen wenig abschneiden wollte, wie z. B. beim Philipp geschehen ist. Ich habe mich bei den anderen Theatereditionen, die zum Teil schon verschickt sind, so ungeschickt als möglich aus der Schlinge gezogen, aber was ich für Sie machte, sollte reif und gedacht sein, darum verschob ich Ihren Carlos bis zuleßt. Ich weiß nicht zu bestimmen, wie weit in Hamburg die Toleranz geht; ob z. B. ein Auftritt des Königs mit dem Großinquisitor stattfinden kann. Wenn Sie ihn gelesen haben, werden Sie finden, wie viel mit ihm für das Stück verloren sein würde. Weil ich es aber nicht aufs Ungewisse wagen wollte, so habe ich diesen Auftritt so angebracht, daß er, ohne dem Zusammenhang Schaden zu thun, wegbleiben kann. Was also zwischen eingeschlossen ist, kann auf den schlimmsten Fall weggelassen werden. Sollte das Stück in seiner jezigen Gestalt noch zu lang spielen, so habe ich gleichfalls mit roter Kreide diejenigen Stellen bezeichnet, die ich lieber als andere aufopfere und dem Stücke selbst für entbehrlicher halte. Sie treffen meist deklamatorische, die ohnehin oft die Kunst des Schauspielers und die Geduld des Publikums in Verlegenheit sehen.

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Alle diese Merkmale, bemerkt M. weiter, zeigt die Handschrift (= Hm). Wenn auch Hm der Mannheimer Theaterfassung am nächsten steht, zeigt Hm doch mancherlei Vorzüge vor Mh."

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Auf die nun folgenden Einzelerörterungen können wir hier nicht eingehen. Die Bereicherung, die die Don Carloslitteratur durch Möllers Arbeit erfährt, wird berechtigtes Aufsehen erregen, denn der Dichter hat auf diese Theaterfassung besondere Sorgfalt verwendet. Leider sind an zwei Stellen (II, 8, II, 9) von ungeschickter Hand Blätter herausgerissen worden. Bemerkt sei nur noch, daß die zwei großen Irrtümer, die sich sonst im Carlos finden (1. Albas unerlaubtes Eintreten und seine unmögliche Beobachtung des Infanten, sowie 2. der Widerspruch des Infanten, der behauptet, noch nichts von der Hand der Königin gelesen zu haben und doch ihre Briefe bei sich trägt), in Hm getilgt sind.

Geisteshelden, herausgegeben von Anton Bettelheim, 18. Band.

Cotta. Von Albert Schäffle. K. t. Minister a. D. 199 S.
Preis 2 Mark. Berlin, Ernst Hofmann u. Co.

Die vorliegende Schrift unternimmt es nicht, Johann Friedrich Cotta nach der litteraturgeschichtlichen Seite, nach seiner Werkführerschaft deutscher Geistesproduktion, bis ins Einzelne zu verfolgen — sie verweist in dieser Beziehung vielmehr auf W. Vollmers,,Briefwechsel zwischen

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