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8. Der scharfe S-Laut der Nachsilbe nis, sowie der S-Laut der Deklinationsendungen es oder s wird durch s bezeichnet. Z. B. das Gleichnis (die Gleichnisse), das Ereignis (die Ereignisse), des Kindes, des Vaters. Merke: der Iltis (des Iltisses), der Atlas (des Atlasses, des Atlanten), der Kürbis (des Kürbisses).

9. Der scharfe S-Laut als Zeichen der Zusammenseßung wird durch 8 (Schluß-8) bezeichnet. Z. B. der Freiheitsdrang, die Ord= nungsliebe.

10. Der scharfe S-Laut innerhalb eines Wortes wird durch s bezeichnet, wenn ein Konsonant vorhergeht. 3. B. die Eidechse, die Erbse, der Lotse.

11. Der scharfe S-Laut innerhalb eines Wortes wird durch s bezeichnet, wenn ein zur Stammsilbe gehöriges t oder p darauf folgt. 3. B. fasten, die Liste, die Espe, die Knospe, die Haspe.

12. Der scharfe S-Laut vor der Konjugationsendung t wird durch s bezeichnet, wenn der Infinitiv des Verbums den weichen S-Laut enthält. Z. B. er reist (reisen), er liest (lesen).

13. Der scharfe S-Laut vor der Konjugationsendung t wird durch ß bezeichnet, wenn der Infinitiv des Verbums den scharfen S-Laut enthält. 3. B. er reißt (reißen), er heißt (heißen), er ißt (von essen); dagegen: er ist (von sein).

14. Der S-Laut in den Endungen sel, sal, sam wird stets durch s bezeichnet, auch wenn diese Endungen mit scharfem S-Laut gesprochen werden. 3. B. das Häcksel, das Labsal, ratsam.

15. Merke folgende Wörter mit 3: als, bis, bisher, es, was, dies, diesseits, dasselbe, Dienstag, Donnerstag, das Ries Papier (des Rieses), das Mus (des Muses; Brei, breiartige Speise), boshaft (dagegen erbosen oder erboßen zornig machen).

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16. Merke folgende Wörter mit s: die Mause oder die Mauser (der regelmäßige Wechsel in der Bekleidung der Vögel und anderer Tiere), mausern, die Schleuse, die Schneise (Durchhau in einem Walde).

17. Merke folgende Wörter mit ß: die Geiß (Ziege), der Grieß (grobgemahlenes Getreide), der Kloß (etwas Zusammengeballtes), bloß (in den Bedeutungen nackt und nur).

18. Achte auf folgende Wörter: weiß (die Farbe), ich weiß, er weiß (von wissen), weise (sehr klug), die Weisheit, naseweis (vorlaut), weissagen (vorher verkündigen), die Geißel (ein Werkzeug zum Antreiben, zur Züchtigung; eine Peitsche), geißeln (peitschen, züchtigen), der Geisel (der Leibbürge; einer, der mit seiner Person für etwas haftet); gleißen (glänzen, einen trügerischen Schein annehmen,

heucheln), der Gleisner (Heuchler), gleisnerisch (heuchlerisch), die Nieswurz (eine Pflanze, deren Wurzel Niesen erregt); der Nießbrauch (die Nuznießung; das Recht, den Ertrag einer Sache zu gebrauchen); das Vließ (des Vließes, auch das Vlies, des Vlieses, das Fell), das Fließ (des Fließes, der Bach), die Fliese (die Steinplatte).

Das ist:

1. Neutrum Singular des bestimmten Artikels. Z. B. das Buch, das Haus.

2. Neutrales Demonstrativum (hinweisendes Fürwort), zu

tauschen mit dieses". 3. B. Das sage ich dir: wenn du nicht fleißig bist, kannst du keine Fortschritte machen. (Dieses sage ich dir u. s. w.)

ver:

3. Neutrum Singular des Relativums (des rückbezüglichen Fürworts), zu vertauschen mit welches". Z. B.

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bindenden Das Buch, das du mir geliehen hast, gefällt mir sehr. (Das Buch, welches du mir geliehen hast, gefällt mir sehr.) Daß (welches nicht mit „dieses“ oder „welches“ vertauscht werden kann) ist Konjunktion. 3. B. Ich hoffe, daß ihr aufmerksam sein

werdet.

19. In lateinischer Schrift wird s und Schluß-8 durch s, si durch ss, ß durch B bezeichnet.

20. si trennt man in s-s oder 3-s. 3. B. Wasser oder Wasser. 21. st bleibt ungetrennt: 1. wenn die mit st beginnende Sprechfilbe auf einen Konsonanten folgt. Z. B. die Bürste. 2. wenn mit st die Stammsilbe beginnt. Z. B. die Gestalt. 3. nach einem Diph: thongen. Z. B. lei-sten, die meisten. 4. in der Superlativendung ste. 3. B. am lebhafte-sten.

22. st wird in st oder st getrennt: 1. wenn st zum Stamm gehört und auf einen geschärften (d. i. betonten kurzen) Vokal folgt. 3. B. die Las-ten, der Kas-ten. 2. wenn das s zum Stamm, das t zur Endung gehört. 3. B. er reis-te, er brems-te (wir ras-ten ist Präsens von rasten und Imperfektum von rasen).

23. sp bleibt ungetrennt, wenn es die Stammsilbe beginnt. 3. B. das Ge-spinst, das Gespenst. sp vor einer Nachsilbe, die mit einem Vokal beginnt, wird in sp oder 3-p getrennt. 3. B. Knos-pe oder Knos-pemäßig bleibt am besten ungetrennt, da mit ß keine Silbe beginnen kann.

24. In Fremdwörtern werden st und sp nicht getrennt. 3. B. die Distinktion (die Auszeichnung). Der De-spot (der Gewalt

Ein Blick in d. deutsch. Unterr. d. Siebenbürger Sachsen. Von Ludwig Fränkel. 473 herrscher). Bei Zusammenseßungen, deren erster Teil auf 3 ausgeht und leicht als ein selbständiger Bestandteil der Zusammenseßung erkannt werden kann, wird dieser auf s ausgehende Teil von der folgenden mit t beginnenden Silbe getrennt. 3. B. dis-tribuieren (verteilen), disputieren (über Ansichten streiten), dagegen abstrakt (gedacht).

Ein Blick in den deutschen Unterricht der Siebenbürger Sachsen. Von Ludwig Fränkel in München.

Wo die deutschsprachlichen Schulen in Petersburg, Moskau, Bukarest, Sofia, Konstantinopel, Neapel, Porto Alegre und anderwärts, draußen" in der Diaspora sich der verschiedensten Hilfsmittel bedienen, die eigens für ihren Gebrauch zugeschnitten sind, so nimmt es wahrlich nicht wunder, wenn neue Lesebücher immer wieder auftauchen „soweit die deutsche Zunge klingt." Auf dem südöstlichsten Vorposten unserer Kultur, wenigstens wenn man fest zusammenhaltende Massen deutschen Bluts meint, wirken unter dem strammen Sachsenstamme nördlich der ungarisch-rumänischen Grenze die Gymnasial- und Realschullehrer durch Wort und That musterhaft im Dienste des Mutterlauts und durch deren eifrige Pflege, Reinhaltung und Verbreitung als unerschrockene Feldwacht unseres Schrifttums in schier erdrückendem Gegnerschwarme des tobenden Nationalitätenstreits. Die meisten Lehrer des Deutschen auf der mittlern und der obern Stufe, die im,,Reiche," in der Deutsch-Schweiz oder reindeutschen Strichen Deutsch-Österreichs das Glück genießen, die heranwachsende Jugend in die Wunder und Geheimnisse unserer Sprache einzuführen und zu begleiten, ahnen auch nicht leise, wie jenen Berufsbrüdern in den fernen Karpathenausläufern diese hehre Aufgabe erschwert ist. Der Zufall verschaffte mir während meiner germanistischen Studienjahre die Bekanntschaft etlicher jungen Fachgenossen aus Siebenbürgen, die zu Berlin, Leipzig, Jena ihren deutschphilologischen und theologischen Studien oblagen 1) — denn officiell müssen diese Lehrer evangelisch-lutherischer Gemeindeanstalten nun sämtlich in Budapest die

1) Nebenbei: Zu der überaus herzlichen Aufnahme, die solche sächsisch-siebenbürgische Kommilitonen in reichsdeutschen Studentenkreisen fanden (und hoffentlich auch noch finden!) vergleiche man den Abschnitt „Die Siebenbürger im Verein“ (seit 1881) in der „Geschichte des studentischen Shakespeare - Vereins in Halle a. S. während der Jahre 1864-1889" (Halle 1889), S. 68 flg.

Staatsprüfung als Geistliche „A(ugsburgischen) B(ekenntnisses)“ ablegen, ehe sie ihre pädagogische Thätigkeit beginnen. Mit einem, Oskar Netoliczka, dem einen Verfasser der jeßigen Neuerscheinung*, schloß ich in Berlin während seiner lebensgefährlichen Krankheit im Winter 1887 eine überaus innige Studenten- und Lebensfreundschaft, die mir seitdem, tro leider andauernder Trennung durch den weiten räumlichen Abstand und die Berufsgeschäfte, einen höchst fruchtbaren Gedanken, Erlebnis- und Schriftenaustausch eintrug. Diese persönlichen Beziehungen hier einzu flechten, betrachte ich nicht als aufdringlich, da sie erst mich in den Stand seßten, meiner innigen Teilnahme für das ernste Ringen jenes deutschen Einsprengsels festen Boden zu verleihen, und, das leugne ich keineswegs, der Ausgang meiner betreffenden Referate und Empfehlungen1) geworden sind.

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Das dort kürzlich erschienene Lesebuch kommt mir vor wie die Erfüllung eines Paragraphen aus dem Programme, das der,,Bericht über die am 29. Oktober 1893 in Mediasch abgehaltene Versammlung sächsischer junger Männer") enthält, zu deren 73 Mitgliedern auch unsere beiden Verfasser, und zwar auch mit ratendem Worte, gehörten (s. darin S. 5).3) Da steht z. B. auf S. 13 in A. Scheiners Referat der Sat: „Sächsische

* Deutsches Lesebuch für Mittelschulen. Zweiter Teil. Zweite Klaffe. Herausgegeben von Dr. Oskar Netoliczka, Gymnasialprofessor in Kronstadt, und Dr. Hans Wolff, Gymnasialprofessor in Schäßburg. Hermannstadt, Drud und Verlag von W. Krafft. 1895. gr. 8. XI und 326 Seiten.

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1) Von O. Netoliczka, der eine überaus stoff- und gehaltreiche Jenaer Dissertation über „Schäferdichtung und Poetik im 18. Jahrhundert“ (Vierteljhrschr. f. Littes raturgesch. II 1 flg.) schrieb und neuerdings die dritte, völlig neubearbeitete Auflage von Lohmanns bekanntem „Lehrbuch der Kirchengeschichte“ (1893) — einen gründlichen Abriß auf nur 166 Seiten! besorgte, zeigte ich seine Kronstädter Programm- Abhandlung zu Heines Romanzen und Balladen“ (1891; im Buchhandel bei G. Fock in Leipzig) in den,,Blätt. f. litter. Unterhaltung“ 1892 Nr. 2, S. 26, und die vorzügliche Schulausgabe von Lessings,, Nathan dem Weisen" (1893, in der Tempsty-Freytagschen Sammlung) in der ,,Ztschr. f. d. dtsch. Unterr." VIII 628-630 an. Vergleiche auch Netoliczkas kurzes Referat über seines Landsmannes Heinr. von Wlislocki's Heft,, Sitte und Brauch der Siebenbürger Sachsen" im „Litteraturbl. f. germ. u. roman. Philol.“ XI 300 flg.

2),,Als Manuskript gedrudt" beim Verleger des hier angezeigten Buches, an dem nunmehr auch die „Romänischen Jahrbücher", wo oft für „das alte gute Recht" der Siebenbürger Sachsen eine Lanze gebrochen ward, einen mutigen buchhändlerischen Vertreter gefunden haben.

3) Über die entsprechende Herbstversammlung 1894 (nicht die 1893 er?) und allerlei hergehörige nationale Fragen vergl. die höchst sachkundigen Bemerkungen bei F. G. Schultheiß,,,Das Deutschtum im Donaureiche" (Berl. 1895), einem wertvollen Thatsachenbuche, S. 67 flg. (überhaupt S. 64-72 und 111 flg.).

Mundart, sächsischen Glauben, deutsche Geisteskultur - diese drei möchte ich als unsere unentbehrlichsten Kulturgüter bezeichnen," und S. 25 flg. redet A. Schullerus, der in Leipzig als Lieblingsschüler Fr. Zarndes promoviert und die erste Schelmuffsky-Fassung des von diesem entdeckten Christian Reuter erneuert hat1), mit ebenso viel Einsicht wie Begeisterung von den nationalen Schäßen, die die Volks- und Mittelschule den Sachsen aus den Denkmälern deutscher Sprache heben kann und soll. Bloß aus solcher Hingabe an das heimische Volkstum ist es zu erklären, wenn unsere zwei Verfasser den Antrag auf sich nahmen, binnen Jahresfrist den fast unvorbereiteten zweiten Teil des von Johann Wolff, einem zu früh verblichenen der siebenbürgisch-sächsischen Deutsch - Schulmeister 2), in seiner be= währten Art begonnenen,,Mittelschul-Lesebuchs" für den Gebrauch fertig zu stellen, wozu das trop der vielfältigen einschlägigen Thätigkeit vorhandene Sonderbedürfnis des ihnen naheliegenden engern Kreises hinzutrat. So liefern sie denn ein Beförderungsmittel muttersprachlicher Unterweisung, dem das höchste Lob gebührt, und zwar nicht nur unter der Einschränkung, daß allerlei Hilfe ihnen in ihrer Angelegenheit unzugänglich war und die Rücksicht auf die zum Teil sehr diffizilen Bedingungen, an die hier der Einlaß eines Schulbuches gebunden ist" (S. III) nämlich auf magyarische Empfindlichkeit und Regierungsmaxime, was natürlich nicht eigens ausgesprochen zu werden braucht verschiedentlich Ausschluß an sich geeigneter Dinge, anderseits Einschub mancher von Bezug zum ,,ungarischen Vaterlande" (vergl. S. IV und dazu. Nr. 4, 6, 21)-24, 34, 38, 41 flg., 55, 89-91, 124, 126, 159, 175) veranlaßte. Nichtsdestoweniger wird die etwaige Brauchbarkeit des Werkes deutschen Schulen außerhalb Siebenbürgens, sogar im deutschen Reiche, nicht im geringsten beeinträchtigt, denn den Ansprüchen auf Heranziehung der gemeindeutschen nationalen Vergangenheit ist, sowohl was Geschichte wie was Sage und Poesie anlangt, in reichlichem Maße Rechnung getragen. Ja, der Vorschlag, dies frische aus der Praxis

1) Halle 1885, Braunes,,Neudrucke deutscher Litteraturwerke des 16. und 17. Jahrhunderts" Nr. 59.

2) Und tüchtigen Germanisten: zuerst wohl in der Hermannstädter ProgrammArbeit,,Der Consonantismus des Siebenbürgisch- Sächsischen“ (1873); im übrigen behandelt diese Seite seiner ergebnisreichen Wirksamkeit der in unserer Schlußanmerkung angezogene Aufsaß eingehend.

3) Auf diese von Fr. Müller (j. u.) vorgenommene Bearbeitung der magharischen Sage vom Burgbau von Deva, die im Siebenbürger Mittelschulunterricht durch Vergleich mit der stoffgleichen rumänischen (erneuert in Carmen Sylvas Drama,, Meister Manole" 1892) weitergreifende Anregung liefern kann, wies ich im Zusammenhange der Parallelen soeben hin Ztschr. f. verglchd. Litteraturgesch. N. F. IX, 265.

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