Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

hazusa (prich: hazusa) wird nun nach dieser neueren Theorie als eine alte Partizipialbildung zu dem ahd. Verbum hazzên, got. hatan, d. i. hassen, betrachtet und bedeutet demnach: die Hassende, die Feindselige. Das Wort hagazusa ist dann eine Zusammenseßung des ursprünglichen hazusa mit hag, d. i. Wald, Hag, und aus ahd. *hagahazusa entstanden. Demnach bedeutet hagazusa: die Hassende im Hag, die Haffende im Walde, kurz: die hassende oder feindselige Waldfrau. Diese Erklärung verdient deshalb Beachtung, weil sich diese Bedeutung mit dem alten gotischen und althochdeutschen Worte für Here ganz nahe berührt: got. unhulþô und ahd. unholda, noch mhd. unholde, die Unholdin. Die Unholde oder Unholdin ist die ursprüngliche deutsche Bezeichnung für Here, die erst später im 16. und 17. Jahrhundert unter dem Einflusse der Herenprozesse durch das Wort Here verdrängt wird. Unhold heißt fie, weil sie den Menschen nicht hold, weil sie ihnen widrig, feindlich ist; das wäre dann dieselbe Grundbedeutung wie die Hassende, Feindliche, hazusa. Auch der Umstand, daß furia, striga, erynnis, eumenis mit hagazusa gloffiert werden, läßt auf die Grundbedeutung: die Hassende, Verfolgende, Feindliche schließen. Da diese neuere Aufstellung von F. Kauffmann in den Beiträgen 18,155 Anm. 1, von Noreen in den Indogermanischen Forschungen 4,326, von Wolfgang Golther in seinem Handbuch der germanischen Mythologie S. 116 flg. vertreten wird, so dürften wohl auch Heyne und Kluge nicht mehr schweigend daran vorüber gehen und sollten sie wenigstens als beachtenswerte Hypothese erwähnen. Einfluß eines altengl. tesu, tesvian ist wohl kaum anzunehmen.

Ebenso wäre bei Werwolf, das unter Verweisung auf wergeld in der üblichen Weise als Mensch in Wolfsgestalt" erklärt wird, ein Hinweis auf die neuere Annahme, daß das wer in ahd. weriwolf zu altsächs. werian, got. wasjan, fleiden, zu stellen sei und Werwolf also Wolfsgewand bedeute (Kögel, Pauls Grundriß I, S. 1017 Anm.), wünschenswert. Die Erklärung als Wolfsgewand wird nicht nur durch das nordische úlfshamr (d. i. Wolfshülle, Wolfshemd) gestüßt, sondern auch durch das Federgewand der Freyja, das Schwanengewand der Walküren und das Bärengewand der Berserker, sowie durch die Volksanschauung, daß die Verwandlung von Männern oder Frauen in Wölfe durch das Anlegen eines Gürtels geschehe, der aus Wolfsleder oder Menschenhaut gemacht sei. Aus dem Wolfsgewand ist nach und nach ein bloßer Gürtel geworden. Das nordische Berserker erklärt man gewöhnlich als Zusammensegung aus berr, Bär, und serkr, das Gewand, also: Bärengewand. Wenn wir auch selbst noch an der Erklärung des Werwolfs als Avxávdówños festhalten, so ist doch die Hypothese Kögels sehr beachtenswert und verdient auch in einem allgemeinen deutschen Wörterbuche Erwähnung.

[ocr errors]

Bei Drude (d. i. Here, Zauberin, spätmhd. trute) begnügt sich Heyne mit dem Hinweis: mit dem altnord. þrûdr, Name einer Schlachtjungfrau, zusammengebracht." Freilich ist das Wort Drude noch ganz in Dunkel gehüllt; Grimm stellte es zu trût, lieb, und führte auf trût auch die Endung -drûd in althochdeutschen Eigennamen und altnordd. þrûdr, die Jungfrau, zurück; Kluge, Et. Wb. 5, S. 79, sezt es dementsprechend zu dem Adjektivum traut in Beziehung. Doch spricht gegen die Anschauung Grimms die Kürze des u in dem mhd. trute, und schon Weinhold in seinen deutschen Frauen in dem Mittelalter" (1,79) lehnte daher diese Grimmsche Etymologie ab. Sollte aber nicht vielleicht mhd. trute zu ahd. trëtan, mhd. trëten, got. trudan zu stellen sein, wie Tritt und Trott, Trotte ja auch als Ablautsbildungen zu treten gehören? Noch heute sagt man in Österreich: Es hat mi die Trud druct" und ebenso erscheint in Tirol, Bayern c. die Drude als Druckgeist, als Alp, der nachts die Menschen drückt oder, wie man früher allgemein sagte, tritt. Auch der „Drudenfuß" weist auf dieses Treten des Quälgeistes hin. Doch wie dem auch sei, eine Heranziehung von weiterem etymologischem Stoff wäre gerade hier sehr wünschenswert gewesen. Bei erörtern hätte auf die Ableitung von dem altdeutschen ort, d. i. Ende, Spize, Schneide, Ecke, hingewiesen werden können, sodaß die eigentliche Bedeutung: etwas bis in die entlegenste Ecke durchsuchen, beim Durchforschen jede Ecke, jeden Winkel mitnehmen, klar hervorgetreten wäre; es hätte dies noch durch Hinweis auf das alte Verbum ausecken, das noch im 18. Jahrhundert in demselben Sinne wie erörtern in Gebrauch war und erst allmählich durch erörtern verdrängt wurde, besonders erhärtet werden können. Unter Fest hätte die Redewendung ein Fest begehen" durch Hinweis auf die alten Opferumzüge unserer Vorfahren erläutert werden können, sodaß die eigent liche Bedeutung: einen feierlichen Umzug halten" hervorgetreten wäre. So könnte nach dieser Richtung hin bei vielen Wörtern durch eine kurze Bemerkung der sinnliche Grundgehalt wieder lebendig gemacht werden, und wir legen dem Verfasser für eine neue Auflage diesen Wunsch ans Herz.

In Bezug auf die kulturgeschichtliche Seite des Wörterbuches möchten wir besonders eine Seite hervorheben, die nach unserem Ermessen zu wenig Berücksichtigung gefunden hat. Ganz wichtig für die Entwickelung unseres Volkstums sind die Gestalten des Volksaberglaubens. Nach dieser Richtung hin sähe ich gern noch manches Wort aufgenommen, 3. B. Berserker, Bilwis (der gespenstische mitternächtige Getreideschneider), Blocksberg, Albe und Elbe (neben Elf und Alp, die bei Heyne aufgenommen find), Schrat und Schrettele (der Name des nächtlichen Druck

geistes auf alemannischem Gebiete, auch Raß oder Rägel genannt), die Mare oder Mahre (Benennung des nächtlichen Druckgeistes in Norddeutschland und im Norden überhaupt), Nachtmare, Walküre, Walhall 2c. Sind auch einzelne dieser Wörter nordischen Ursprungs, so sind sie doch so bei uns eingebürgert, daß sie dem deutschen Sprachschaß dauernd einverleibt find, und sie verdienen dieselbe Berücksichtigung wie Drude, Walstatt u. a., die Heyne mit Recht aufgenommen hat. Wie der Verfasser was sehr zu loben ist auch eingebürgerte Fremdwörter nicht ausgeschlossen hat, so hätten auch mundartliche Ausdrücke, besonders solche, die sich in der Schriftsprache festgesezt haben, in größerm Umfange berücksichtigt werden können. So sähe ich z. B. gern das Wort Dust, das in Goethes Faust an verschiedenen Stellen erscheint, aufgenommen; bei Dusel hätte die Bedeutung: „betäubender Schlag auf den Kopf" mit angeführt werden können, sowie die Bedeutung: Glück; Alderman (in Goethes getreuem Edart), die Unholden und die unholdigen Schwestern (als alte volkstümliche Bezeichnung der Hexen und des wütenden Heeres in Goethes getreuem Eckart; Heyne hat zwar III, 1141 das Subst. der Unhold erwähnt, aber nicht diese alte Bedeutung; nur unter hold befindet sich die Bemerkung:,,vergl. dazu unhold

böser Geist"), Adebar, Ammann, Andauche, das Back (d. i. die tiefe, hölzerne Schüssel für die Speisung der Schiffsmannschaft), Backschüssel, bägern (d. i. quälen, plagen), der Bangert (d. i. Obstbaumgarten) u. a. hätten vielleicht Aufnahme verdient. Bei dem Worte Hurra (mhd. hurrâ), das richtig als ursprünglicher Imperativ zu mhd. hurren, d. h. sich schnell bewegen, sausend eilen, erklärt wird, hätte auf Bürgers ,,Und hurre, hurre 2c." in seiner Lenore zur Kennzeichnung der Wortentwickelung verwiesen werden können. Doch sind wir weit davon entfernt, dem Verfasser Weglassungen dieser Art zum Vorwurf zu machen; wir möchten nur seine Aufmerksamkeit auf diesen Punkt lenken und die Aufnahme mundartlicher Ausdrücke, die eine allgemeinere Verbreitung erlangt haben, in noch größerem Umfange als bisher empfehlen, sofern diese Aufnahme ohne bedeutende Verdickung des Wörterbuches ge= schehen kann.

Bei dem dritten Punkte, der Belehrung über den Sprachgebrauch, wollen wir nur erwähnen, daß der Verfasser unter und bezüglich der Umstellung nach und besonders auf Wustmanns Sprachdummheiten verweist, die übrigen einschlagenden Schriften aber nur unter dem Gesamtverweis,,Zachers Zeitschr. 27, 266 ff." zusammenfaßt. Richtiger wäre es wohl hier gewesen auf die eingehendste Spezialuntersuchung über diese Frage, nämlich auf Pöschels Abhandlung, zu verweisen, schon deshalb, weil die sprachgeschichtliche Untersuchung Pöschels einen von Haß

und Liebe gegen diese Inversion gleich freien und daher unparteiischen Standpunkt in dieser Frage ermöglicht.

Nur der lebhafte Anteil an dem vortrefflichen Wörterbuche Heynes, das mit gründlicher Wissenschaft und Sachkunde eine so anmutige Form verbindet, daß man sich daran stundenlang wie an einem lieben Hausbuche wahrhaft erbauen kann, hat uns veranlaßt, hier diese Wünsche, die ja nur Kleinigkeiten betreffen, vorzutragen. Wir wollen zum Schluß nochmals unserer lebhaften Freude Ausdruck geben, daß wir in Heynes Werk nun endlich ein auf der Höhe der gegenwärtigen Sprachwissenschaft stehendes, dabei aber handliches und von lebendig - anschaulichem Inhalte erfülltes deutsches Wörterbuch befizen, wie es unser Volk Jahrzehnte hindurch immer lebhafter und dringender ersehnte. Möchte das schöne Werk in Schule und Haus seinen Einzug halten, kein Lehrer des Deutschen kann es entbehren, kein deutscher Hausvater missen. Deutscher Geist und deutsche Art wird aus diesem hervorragenden Geisteswerke auf viele Jahre hinaus mehr Anregung und Nahrung erhalten als aus zahllosen patriotischen Broschüren und Reden. Möchte daher namentlich auch jeder national Fühlende und Denkende zur Verbreitung dieses Werkes nachdrücklich mithelfen; er wird damit der deutschen Sache den besten Dienst erweisen.

Dresden.

Freytag, L.

Otto Lyon.

Das Nibelungenlied übersetzt und mit Einleitung, Anmerkungen und Sprachproben aus dem Mittelhochdeutschen, Gotischen, Althochdeutschen und Altnordischen versehen. Dritte, verbesserte und vermehrte Auflage. Berlin 1896. Verlag von Friedberg & Mode. LIX, S.421.

In dem Vorworte zur ersten (1879) und zweiten (1885) Auflage seiner Übersetzung des Nibelungenliedes hat sich L. Freytag klar und bestimmt über die Stellung ausgesprochen, die er als Überseßer dem mhd. Originale gegenüber einnehmen will. Er beabsichtigt nicht eine Interlinearversion und damit eine mechanische Kopie des mittelhochdeutschen Textes zu geben, vielmehr strebt er darnach, eine neuhochdeutsche Nachdichtung zu stande zu bringen, die allen gebildeten Lesern, zumal unserer Jugend und unsern Frauen einen wirklich poetischen Genuß zu verschaffen geeignet sei. L. Freytag strebt in seiner Arbeit nach dem Ehrennamen eines Nachdichters, der den fremden poetischen Text so umzudenken und umzuschmelzen versteht, daß aus dem fremden Dichterwerke ein allen vertrautes wird und darin zugleich unser moderner Geschmack seine volle Befriedigung findet. Diese hohe und lohnende, aber auch überaus schwierige Aufgabe hat Freytag in einer Weise gelöst,

die jeden urteilsfähigen Kenner mit hoher Bewunderung über solche Leistung erfüllen muß. Dies konnte nur einem Gelehrten gelingen, der durch seine germanistischen Studien mit dem Originale vollständig vertraut war und der zugleich seinen Inhalt in modernem Deutsch auf das schönste wiederzugeben verstand. Das hierbei der Reim seine wohlbegründete Anwendung finden mußte, ist selbstverständlich. Überseßt ist der ganze Text der Lachmannschen Ausgabe, wobei die Interpolationen als solche durch [] markiert worden sind. In der Einleitung ist der Zusammenhang der Sage und ihre mythische Grundlage ausführlich ge= schildert, während einzelne notwendige Worterläuterungen in der Form von Anmerkungen gegeben sind. In Rücksicht auf die preußischen Lehrpläne bringt die dritte Auflage noch einige Zusäße: Zunächst eine knappe Übersicht über die mittelhochdeutsche Formenlehre, ferner Proben aus dem Nibelungenliede nebst Erläuterungen, wozu die ersten Teile des vierten Liedes als des ältesten gewählt sind. Den Schluß bilden Proben aus dem Gotischen, dem Althochdeutschen und dem „Altnordischen“. Nachdem diese Übertragung Freytags schon früher durch das Königliche Schulkollegium der Provinz Brandenburg einer offiziellen Empfehlung gewürdigt worden ist, dürfte diese neue, verbesserte und vermehrte Auflage allen Ansprüchen genügen, die unsere Schulen und alle Gebildeten der Nation an ein klassisches Übersetzungswerk zu stellen berechtigt sind. Jedenfalls hat sich Ludwig Freytag, dem wir bereits die gelungenen Übersegungen der ,,Frithjofssage", der „Nachtmahlskinder", der ,,Lady of the Lake" und des ,,Manfred" verdanken, als glücklicher Nachdichter des Nibelungenliedes einen ehrenvollen Plaz für alle Zeiten in der deutschen Litteratur gesichert.

Halberstadt.

Robert Schneider.

Paul Goldscheider, Die Erklärung deutscher Schriftwerke in den oberen Klassen höherer Lehranstalten. Grundlinien zu einer Systematik. Berlin, R. Gaertners Verlagshandlung, Hermann Heyfelder. SW. Schönebergerstraße 26. 92 S.

Paul Goldscheider, Offene Fragen: Nachtrag zur „Erklärung deutscher Schriftwerke in den oberen Klassen". Elberfeld, Osterprogramm 1893. 38 S.

Mit meinem Urteile über die beiden vorliegenden Schriften habe ich deshalb so lange zurückgehalten, weil ich die hier aufgestellten neuen Gesichtspunkte zuvor in der Praxis erproben wollte. Darüber sind Jahre vergangen. Wenn in irgend einem Berufe, so gilt in dem des Erziehers das Wort: Was fruchtbar ist, allein ist wahr. Das Lehren und Erziehen ist nun einmal eine Kunst; sie besteht in der

« ZurückWeiter »