Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

geschichte“ 2. Aufl. S. 276. Dort heißt es: „Das Wesen des Sazes besteht darin, daß er den Akt der Zusammenfügung mehrerer Glieder bezeichnet, während es im Wesen des Kompositums zu liegen scheint, die Zusammenfügung als ein abgeschloffenes Resultat zu bezeichnen.“ E. Hoffmann-Krayer.

Zürich.

6.

In die Pilze gehen.

Zu Jahrg. VII, 492. VII, 573. VIII, 198.

Erst aus Nr. 7 dieser Zeitschrift ist mir die Redensart „in die Pilze gehen" bekannt geworden. Im Munde des Volkes habe ich sie noch nicht gehört, doch fand ich im gleichen Sinne sehr oft, sowohl in Leipzig, wie in Niederdeutschland, den Ausdruck in die Binsen" gehen.

"

Dieser lezte Ausdruck ist leicht erklärbar, wenn man an die Vegetation der gefährlichen sumpfigen Stellen im Moore denkt.,,Dürre Binsenspeere" (f. den botan. Term. techn.,,Spirre" v. intrans. sperren),,ein hartes, unbewegtes Riedgras, mit weißen Wollflocken sonderbar behängt, ein blätterloses Moos bilden die Decke dieses Chaos." (Masius in f. Auff. über die Heide, Naturstud. II.) Wer also in die Binsen geht, „finkt langsam, doch rettungslos, und stumm schließt sich über dem ungehört verhallenden Todesschrei der schwarze Abgrund.“

In die „Pilze" gehen denke ich mir nun als eine gedankenlose Umbildung davon, entstanden in Gegenden fern vom Moore, wo man den Sinn des ursprünglichen Ausdrucks nicht mehr kannte.

Da solche gefährliche Moorstrecken auch Brüche heißen (s. Masius a. a. D.:,,selbst der Fuchs vermeidet vorsichtig den gefährlichen Bruch)“, so ließe sich dadurch vielleicht auch die Redensart ,,in die Brüche" gehen erklären.

Soltau i. Hann.

7.

Max Buffe.

Deutsch und Griechisch.

Carl Müller hat in dieser Zeitschrift (VII, 1. G. 58/59) einige Zusäße zu Robert Richters Aufsaz: Deutsch und Griechisch nach einem Ausspruch Luthers gemacht. Ich möchte hinzufügen, daß solche hochdeutsche Konstruktionen besonders von Schülern gebraucht werden, die zu Hause niederdeutsch sprechen und das Hochdeutsche wie eine Fremdsprache lernen. Die Stelle in Xen. Kyrup. 1, 4, 13, zapíev yáo, con, εἰ ἕνενα κρεαδίων τῇ θυγατρὶ τὸν παῖδα ἀποβουκολήσαιμι wenn ich meiner Tochter ihren Sohn verloren gehen ließe, kann man in unsern Gymnasien genau so übersezen hören, ebenso Xen. Kyrup. 1, 3, 5,

πλέα σοι (ἡ χεὶρ) ἀπ' αὐτῶν ἐγένετο du hast dich voll gemacht. Auch die dem Englischen verwandten Konstruktionen sind bei hochdeutsch redenden Niederdeutschen besonders beliebt. Sehr lehrreich ist es natürlich, bei dieser Gelegenheit auf Wallensteins Lager (4. Auftritt) hinzuweisen: „wohl gar um dem Bayer sein Land zu schüßen“ oder noch besser (7. Auftritt): „auf der Fortuna ihrem Schiff".

Doberan i. M.

D. Glöde.

Moriz Heyne, Dr., ord. Prof. an der Universität Göttingen, Deutsches Wörterbuch. Drei Bände. Leipzig, S. Hirzel, 1890-1895. 1282 S., 1238 und 1464 S. Preis M. 30.

"

Ein deutsches Wörterbuch soll, da es gelehrten und nationalen Zwecken zugleich dient, vor allem drei Forderungen erfüllen. Es soll erstens die sinnlich-konkrete Grundlage unserer Sprache nach allen Richtungen hin aufdecken und im Bewußtsein unseres Volkes wieder lebendig machen; zweitens soll es die kulturgeschichtlichen Beziehungen der verschiedenen Wörter und Redewendungen aufhellen und uns dadurch einen Einblick in unser deutsches Geistes- und Volksleben geben, wie wir ihn durch kein anderes Mittel in so inniger und klarer Weise erhalten können, und drittens soll es uns den Sprachgebrauch unserer Dichter und Schriftsteller, insbesondere auch den Sprachgebrauch unserer Zeit darlegen und geschichtlich begründen. Es ist kein Zweifel, daß diese Forderungen am vollkommensten unter allen deutschen Wörterbüchern von dem Grimmschen Wörterbuche erfüllt werden. Dennoch aber kann man nicht leugnen, daß das Grimmsche Wörterbuch zwei Mängel besißt, die es recht wünschenswert machten, daß neben ihm neue Wörterbuchunternehmungen die gewaltige Aufgabe ohne diese Mängel zu lösen suchten. Der eine Mangel des Grimmschen Wörterbuches besteht darin, daß es nach und nach seinen Umfang so sehr ausgedehnt hat, daß einerseits seine Vollendung immer weiter und weiter hinausgeschoben und anderseits die Anschaffung für den einzelnen Hausstand unmöglich ge= macht wurde, der andere Mangel entstand daraus, daß das Werk von der ursprünglich geplanten allgemeineren, zwar sprachgelehrten, aber doch zugleich auch dichterischen und volkstümlichen Behandlung immer mehr zu einer rein philologischen und linguistischen Bearbeitung der einzelnen Wörter überging, sodaß es heute fast nur noch von philologisch Geschulten gelesen und benuzt wird. Daß sein Wörterbuch zum Hausbedarf und mit Verlangen, oft mit Andacht gelesen werden könnte," hatte Jacob Grimm selbst in dem Vorworte zum ersten Bande des

[ocr errors]

deutschen Wörterbuchs ausgesprochen. Aber schon Jacob Grimm führte es über diesen ursprünglichen Zweck hinaus, und die Fortseßer des Werkes gaben ihm um so mehr einen spezialwissenschaftlichen Charakter, je mehr sich die deutsche Altertumswissenschaft zu einer germanischen Philologie im strengeren Sinne entwickelte. So ist das Grimmsche Wörterbuch kein Hausbuch, sondern ein Bibliothekswerk geworden. Es ist so, wie es heute ist, ein einzig schönes, wunderbares Quellenwerk für den Sprachforscher und Philologen, aber kein oft benußter Ratgeber für den Gebildeten überhaupt. Neben diesem monumentalen Werke, das für alle Zeiten ein großartiges Denkmal deutschen Fleißes und deutscher Gelehrsamkeit bleiben wird, wurde aber ein kleineres Wörterbuch, das nun die Stelle eines wirklichen Hausbuches für den Gebildeten ausfüllen sollte, immer mehr und mehr von allen, welche die Sprache öffentlich gebrauchen, sowie von allen Freunden unserer Muttersprache ersehnt.

Mit lebhaftem Danke begrüßen wir daher das Erscheinen von Moriz Heynes deutschem Wörterbuch, dessen erster Halbband schon in diesen Blättern warm empfohlen worden ist. Nun liegt das schöne Werk vollendet vor. Es steht nach allen Seiten hin auf der Höhe der Wissenschaft und tritt in dieser Beziehung würdig neben das Grimmsche Werk; dabei aber bietet es die Ergebnisse der Forschung und die Belehrung über alle einschlagenden Fragen in gemeinverständlicher Sprache und überschreitet nirgends die ihm von Anfang an gesteckten Grenzen, sodaß der mäßige Umfang auch einen Preis bedingt, der jedem Gebildeten die Anschaffung dieses Werkes für seinen Hausbedarf möglich macht. Der Preis von dreißig Mark für dieses nach der wissenschaftlichen, wie nach der praktischen Seite gleich hervorragende Werk muß sogar im Verhältnis zu der Fülle des Gebotenen als ein überaus wohlfeiler bezeichnet werden. Das Werk ist nicht etwa ein Auszug aus dem Grimmschen Wörterbuche, sondern eine vollkommen selbständige Leistung, und mit Recht sagt der Verfasser: „Ich liefere nicht, wie man wohl zuerst glauben mochte, einen kleinen Grimm, sondern ich erhebe den Anspruch etwas völlig Selbständiges vorzulegen. Grimms und seiner Nachfolger Arbeit zu benußen, wie die jedes lexikographischen Vorgängers, hatte ich die Pflicht und das Recht; aber ein Vergleich meiner Artikel gerade mit denen des Grimmschen Wörterbuchs wird zeigen, welche Verschiedenheit waltet." Wir haben uns der Mühe unterzogen, eine große Zahl von Artikeln des Heyneschen Wörterbuchs mit dem Grimmschen zu vergleichen, und müssen gestehen, daß das Heynesche Wörterbuch nach jeder Richtung hin als eine ganz neue und vollkommen selbständige Arbeit bezeichnet werden muß.

Es ist staunenswert, welche Fülle von Stoff auf dem verhältnismäßig geringen Raum von dem Verfasser bewältigt worden ist. Nur in seltenen Fällen läßt uns das Wörterbuch in Stich, und es ist daher für alle sprachlichen Fragen ein unvergleichlich sicherer und zuverlässiger Ratgeber, eine wahre Schaß- und Rüstkammer unserer Muttersprache. Vor allen Dingen sind die oben angeführten drei Forderungen durchgehends erfüllt. Die sinnlich-konkrete Grundlage aller Wörter wird durch Darlegung der Etymologie und der Bedeutungsentwickelung regelmäßig aufgehellt, und schon dadurch wird jedem, der in unserer von Abstraktionen durchseßten Zeit mit lebendiger Anschaulichkeit reden und schreiben will, ein außerordentlicher Dienst geleistet; denn nur der wird wahrhaft flar und anschaulich sprechen und schreiben, dem der finnliche Gehalt auch der abstraktesten Wörter noch lebendig ist. Hier kann er der verkümmerten Sprache wieder gesundes Blut zuführen, wenn er die Wortentwickelung, wie sie von Heyne immer in kurzer, aber treffender Weise gegeben wird, mit Liebe und Aufmerksamkeit verfolgt. Er wird viele dichterischen Feinheiten erst verstehen lernen, wenn er sein eigenes abstraktes Denken aus dieser Schazkammer wieder mit konkretem, sinnlichlebendigem Anschauen erfüllt. Er wird aber umgekehrt die entsegliche Fadenscheinigkeit und Gedankenlosigkeit gewisser moderner Schriftsteller zu fühlen vermögen, wenn er sieht, mit welcher Unfähigkeit, sich den sinnlichen Gehalt der Sprache vorzustellen, und mit welcher daraus hervorgehenden Unklarheit, Verschwommenheit und Leblosigkeit von solchen Tagesgrößen unsere Sprache entwürdigt und herumgeschleppt wird. Schon aus diesem Grunde ist es Pflicht jedes Gebildeten, sich Heynes Wörterbuch anzuschaffen und es womöglich täglich zu befragen, um so allmählich den Blick für die Mängel unseres modernen Schrifttums zu schärfen.

Aber auch die zweite Forderung, die innigen Beziehungen der Sprache zur Kulturgeschichte darzulegen, wird von Heyne erfüllt. Man lese nur Artikel wie: Heiduck, Hof, Hölle, Hurra, Husar, König, Kopf, Kaiser, Lanze, Leib, Los, Lorbeer, Meister, Minne, Raub, rüsten, Stegreif, Beche 2c. Überall fallen, oft durch eine einzige Zwischenbemerkung, interessante Streiflichter auf kulturgeschichtliche Verhältnisse. Überall tritt zu Tage, daß sich in den Wörtern Zeiten und Verhältnisse spiegeln, daß die Wörter Marken der kulturgeschichtlichen Entwickelung find. Wörter kommen und gehen mit den Dingen; Modeströmungen heben Wörter empor, und Modeströmungen lassen sie auch wieder verschwinden.

Ebenso sorgfältig ist endlich drittens der Sprachgebrauch verzeichnet. Besonders zu loben ist es, daß Heyne auch den Sprachgebrauch der

Beitschr. f. d. deutschen Unterricht. 10. Jahrg. 5. u. 6. Heft.

30

Gegenwart in umfassender Weise mit in das Gebiet seiner Beobachtung gezogen hat. Bismarck, Gustav Freytag, Auerbach, Hermann Grimm, Paul Heyse, Gottfried Keller, M. Krezer, Heinrich Leuthold, Moltke, Conrad Ferd. Meyer, Rosegger, Scheffel, Storm, Sybel, Treitschke, Wildenbruch u. a. find in grundlegender Weise fast bei jedem Artikel verwendet worden, und so klebt dem Werke nirgends etwas Antiquarisches und Archaistisches an; auch Zeitschriften wie Nord und Süd, Gegenwart, Daheim, Grenzboten, Deutsche Rundschau u. a. find in ausgiebiger Weise mit zur Gewinnung von Sprachbelegen benußt worden. So erscheint das Werk von Heyne nach jeder Richtung hin als eine wohlgelungene und vortreffliche Arbeit, durch die endlich die Sehnsucht des deutschen Volkes nach einem auf der Höhe der Wissenschaft stehenden und doch nicht zu umfangreichen und nicht zu teuren deutschen Wörterbuche auf geschichtlicher Grundlage aufs glänzendste erfüllt worden ist.

Wünsche im einzelnen, die wir vorbringen, um auch unsererseits dazu beizutragen, daß das Buch in einer neuen Auflage eine möglichst vollkommene Gestalt gewinne und allen berechtigten Wünschen entgegenkomme, bewegen sich meist auf subjektivem Gebiete. Der Verfasser hat natürlich, um die notwendige Kürze zu erreichen, auswählen müssen, und er hat mit sicherem Takte im allgemeinen das Rechte getroffen, doch möchten wir gern noch folgendes berücksichtigt sehen. Bei der Etymologie der Wörter möchten wir doch manche neuere Aufstellung wenigstens kurz mit angedeutet sehen, sofern solche Aufstellung Anspruch auf Beachtung gewonnen hat. Ich greife da z. B. das Wort Here heraus. Heyne bemerkt bei diesem Worte: „ahd. hagazussa, gekürzt hâzasa, hâzissa, hâzus, mhd. hecse; altengl. hägtesse; verdunkelte Zusammenseßuug, deren erster Teil das ahd. hag, Landgut, Feld, Weide bildet, während der zweite auf altengl. tesu Schade, Frevel, tesvian, verderben, freveln zurückzugehen scheint, Grundbedeutung demnach Flurfrevlerin, wobei erinnert werden muß, daß die Heren nach dem Volksglauben Wetter und Hagel brauen." Auch Kluge geht in der 5. Auflage seines etymo logischen Wörterbuches davon aus, daß die althochdeutschen Formen hâzus, hâzissa, hâzasa aus hagazussa gekürzt seien, erklärt das erste Glied als hag, Hag, Wald, läßt aber das zweite unerklärt und nimmt als Grundbedeutung: Waldfrau, Waldweib an. Heyne und Kluge ver treten hier nur die ältere Auffassung und lassen die neuere ganz un erwähnt. Man faßt neuerdings das Verhältnis zwischen den Wörtern hagazussa und hazus, hazissa gerade umgekehrt auf, indem man von der kürzeren Form ausgeht und diese als die ursprüngliche ansieht; man sezt dann diese nicht mehr als hâzusa sondern als hazusa, hazus u.s.w. an und betrachtet hagazussa als eine Zusammenseßung mit hazusa;

« ZurückWeiter »