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Proben deutscher Reden im älteren englischen Drama. Von R. Faust. 371

und Sachregisters anzuraten sein. Die bei den klassischen Philologen so beliebten,,Indices" find im Zeitalter des Dampfes und der Elektrizität doppelt und dreifach geboten.

Proben deutscher Reden im älteren englischen Drama.
Von R. Faust in Dresden.

In den Stücken Shaksperes, sowie seiner Zeitgenossen und unmittelbaren Nachfolger stoßen wir mitunter auf Wörter, Wendungen, ja ganze Reden, die dem Holländischen, dem Niederdeutschen, aber auch auf solche, die dem Hochdeutschen entlehnt sind, und es kann das nicht wunder nehmen bei dem regen Verkehre, der zwischen England einerseits und Holland und Deutschland anderseits von jeher geherrscht hatte. Der Verkehr des Inselreiches mit Holland war der lebhaftere, aber daß auch die Wechselbeziehungen Englands und Deutschlands keineswegs gering anzuschlagen sind, dafür spricht eine Reihe von Thatsachen, an die, soweit sie für die Geschichte des Dramas in Betracht kommen, hier erinnert werden mag. Schon lange vor Shakspere waren englische Schauspieler in Deutschland aufgetreten. So hatte der Erzbischof von Canterbury, als er 1417 auf das Kostnißer Konzil reiste, eine solche Truppe in seinem Gefolge, welche dort vor den höchsten weltlichen und geistlichen Würdenträgern Vorstellungen gab. Später, unter der Königin Elisabeth, machten sich ganze Scharen englischer Musiker und Komödianten nach dem Festlande auf, und i. J. 1586 traten fünf solcher Leute in den Dienst des Kurfürsten Christian I. von Sachsen. Herzog Julius von BraunschweigLüneburg ergößt sich 1602 und 1617 zu Wolfenbüttel am Spiele englischer Akteure, und im leztgenannten Jahre finden wir ihrer auch am Hofe von Kurbrandenburg. Diese Schauspielertruppen, deren Vorkommen sich bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts in verschiedenen Städten unsres Vaterlandes verfolgen läßt, haben, wie natürlich, die Mehrzahl ihrer Stoffe aus England mitgebracht; doch zeigen sich in ihren Stücken auch vielfach deutsche Typen, und im übrigen haben sie wohl auch geradezu deutsche Vorbilder, zumal unseren Jakob Ayrer, nachgeahmt, wie denn bekanntlich auch das Umgekehrte stattfand.') Es ist klar, daß diese Schauspieler unter denen sich, solange sie auf dem Festlande agierten, stets eine Anzahl geborener Deutscher befand die erlangte Kenntnis

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1) Vergl. W. A. Ward. A History of English Dramatic Literature to the Death of Queen Anne. I, 258. 310.

der deutschen Sprache später in England ihren Berufsgenossen mitteilten.1) Den Schauspielern aber standen die Schauspieldichter nahe, und schon damit wäre das Vorkommen deutscher Worte im Dialoge englischer Stücke erklärt. Indessen sei noch daran erinnert, daß auch Angehörige anderer Stände deutsche Sprachbrocken nach England brachten: so englische Kaufleute, die sich längere Zeit in Deutschland aufgehalten hatten; durch sie ward, wie wir annehmen dürfen, die Sprache des gemeinen Lebens mit deutschen Ausdrücken verseßt, und aus dieser gingen dieselben dann in die Bühnensprache über. Noch gedenken wir der zahlreichen deutschen Gesandtschaften am englischen Hofe, die immer großes Gefolge mitbrachten. Viele deutsche Landsleute mögen auch Friedrich V. von der Pfalz, den nachmaligen Winterkönig, nach London begleitet haben, als er des Königs Tochter heiratete (1613). Die Mitglieder der Gesandtschaften wurden in und um London einquartiert; ihr Lieblingsaufenthalt aber mag der Stahlhof gewesen sein, welcher der Mittelpunkt war nicht nur des internationalen Geschäftsverkehrs, sondern auch der nationalen Belustigungen, der Ort überdies, wo man die ausgesuchtesten Leckerbissen aller Zonen fand. Dort mögen die englischen und die deutschen Höflinge, Kaufleute und Schauspieler einander begrüßt und die Gefühle ihrer gegenseitigen Achtung ausgetauscht haben. 2) Genug, die Engländer konnten auf gar mannigfache Weise in den Besit deutscher Sprachkenntnisse gelangen. Auch ein Dictionariolum Septem Linguarum, welches 1589 in Lüttich erschienen war und außer dem Holländischen u. a. auch das Deutsche und das Englische berücksichtigte, mag das Seine dazu beigetragen haben.3)

Von deutschen Lehnwörtern bei Shakspere seien hier crantz, frembd, geck, halse, lustique (andere Dramenschreiber haben lustick) erwähnt. Das Wort Kaisar, auch Keyser, wird von mehreren dramatischen Schriftstellern jener Zeit gebraucht. Richard Brome († 1652) hat in seinem romantischen Intriguen-Lustspiel The Novella einige deutsche Säße, die ich bereits an anderer Stelle einmal angeführt habe.) Sie lauten: ,Was oder wer bistu? Bistu ein Deutscher? Sag mihr in was ort du gelebst hast..." „Ich denke du bist ein heuchler, bistu aber ein Deutscher (,) so antwort mihr in deutscher sprach.“

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1). Elze in seiner Ausgabe des Chapmanschen Trauerspiels Alphonsus, von welchem nachher die Rede sein wird.

2) Ders., a. a. D., S. 4 flg.

3) Ders., a. a. D., S. 11 flg.

4) Vergl. meine Abhandlung: Richard Brome. Ein Beitrag zur Geschichte des englischen Dramas. Herrigs Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Litt., Bd. LXXXII, S. 52 flg.

Alles dies ist indes nur unbedeutend gegen die große Zahl deutscher Wörter und Reden, die Chapman (1557-1634) in sein Trauerspiel Alphonsus, Emperor of Germany, eingestreut hat. Was aber das Merkwürdigste ist: er hat die Rolle der einen Person, der Prinzessin Hedwig (Hedewik) mit ganz geringen Ausnahmen durchweg in hochdeutscher Sprache geschrieben. Etwas dem Entsprechendes findet man wohl in keinem Drama irgendwelcher Zeit und irgendwelchen Landes; Riccaut de la Marlinière bei Lessing ist nur ein unvollkommenes Seitenstück zu Hedwig, denn dieser Franzose kann sich auch „auf deutsch explicier", während die Prinzessin nur gegen das Ende des Stückes hin einige wenige englische Worte einfließen läßt. Zudem treten auch noch etliche andere Deutschredende im englischen Stücke auf.

Es ist diese Tragödie thatsächlich auf der Blackfriarsbühne zu London aufgeführt worden, und man hat ohne Zweifel bei der Vorstellung auf einen regen Besuch von seiten der Deutschen gerechnet. Nicht ohne Grund; denn es ist bezeugt, daß die Deutschen für die Londoner Theater stets lebhafte Teilnahme bewiesen haben1), eine Teilnahme, die in diesem Falle um so größer sein mußte, als da Zustände ihres Vaterlandes vorgeführt wurden und sie ihre Muttersprache von der Bühne des Landes hörten, das vielen von ihnen eine zweite Heimat geworden war. Liegt somit der Beweggrund für die Abfassung jener Scenen klar zu Tage, so möchte man doch fragen, wie Chapman zu so bedeutender Kenntnis der deutschen Sprache gelangt ist, ja ob er überhaupt die in Rede stehenden Stellen selbst geschrieben hat. Elze und Ward ergehen fich darüber in verschiedenen Vermutungen. War der Dichter auf dem Festlande gewesen, und hatte er dort die deutsche Sprache beherrschen lernen, oder hat jemand anders die Scenen für ihn verfaßt? Lezteres ist wahrscheinlicher. Am weitesten geht Ward, wenn er meint, es sei das ganze Stück ursprünglich von einem Deutschen geschrieben worden, da sich deutsche Wörter, Germanismen und Anspielungen auf deutsche Verhältnisse durch das ganze Stück ziehen; Chapman habe dann dasselbe nur durchgesehen und im Einzelnen ergänzt. Gestüzt wird diese Meinung durch den nicht zu leugnenden Umstand, daß die Tragödie den übrigen Werken Chapmans keineswegs ebenbürtig ist.2) Wir möchten uns jedoch lieber der Ansicht Elzes anschließen, nach welcher Chapman sich bei seiner Arbeit der Hilfe eines Deutschen bediente, und zwar eines Mannes aus jenem Gefolge des Pfalzgrafen. Übrigens hat Elze in betreff der Person noch eine andere Vermutung. Er hält es nämlich für nicht unwahrscheinlich,

1) Ward, a. a. D. I, 358.

2) Ders., a. a. D., I, 17.

daß der Mitarbeiter kein andrer als Rudolf Wecherlin gewesen sei, der bekannte deutsche Dichter, welcher von 1620 ab einen Posten bei der deutschen Gesandtschaft in London bekleidete und in der Folge Sekretär bei verschiedenen vornehmen Herren der englischen Hauptstadt war.1) Verfasser gesteht, daß Weckherlins Sprachgebrauch, soweit er ihn kennt, zum mindesten nicht gegen die Annahme seiner Mitarbeiterschaft spricht, wenn man nämlich die hochdeutschen Formen in Betracht zieht.

Indem ich mich nun anschicke, Proben aus den deutsch geschriebenen Teile des Stückes zu geben, bemerke ich, daß ich von einer Anführung bez. Zusammenstellung der vereinzelt auftretenden deutschen Wörter und formelhaften Ausdrücke, sowie der Germanismen absehen werde. Eine solche Übersicht hat bereits Elze in ausgezeichneter Weise geliefert.") Ich beschränke mich vielmehr auf die zusammenhängenden Stellen. Da dieselben aber ohne die Kenntnis vom Gange der Handlung kaum völlig verstanden werden dürften, so erscheint eine, wenn auch kurze Inhaltsgabe von nöten; in diese füge ich gehörigen Ortes jene Stellen ein. Weil nun überdies die Tragödie so vieles unserm Geschmacke und unserer Auffassung vom Wesen des geschichtlichen Dramas Fremdes enthält, dürften vorerst einige allgemeine Bemerkungen über das Stück am Plaze sein.

Der vollständige Titel lautet: The Tragedy of Alphonsus, Emperor of Germany. By George Chapman, Gent(leman).

Bekanntlich war i. J. 1256 auf Betreiben des Erzbischofs von Köln der König Alfons X., der Weise, von Castilien, auf Betreiben des Erzbischofs von Trier aber des Königs von England Bruder, Richard von Cornwallis, zum deutschen Kaiser (recte König) erwählt worden. Dieser kam einige Male, jener gar nicht nach Deutschland. Nach Richards Tode ward Alfons zur Abdankung bewogen und Rudolf von Habsburg zum Kaiser erwählt. Dürftiger als Alfons und Richard hat wohl kein Kaiser oder Nebenkaiser je seine Rolle gespielt. Und doch liefert Chapman eine Tragödie, in der sie beide auftreten, und zwar in Deutschland und handelnd auftreten. Wie ist das möglich? Es ist möglich dadurch, daß der Dichter sich nicht an die Geschichte gehalten, ja fie oft geradezu auf den Kopf gestellt hat. Alfons ist im Drama ein Wüterich der ab scheulichsten Art. Er und Richard treffen einander in Deutschland, zwar ist dort Alfons bemüht, durch Gift und Schwert alles aus dem Wege zu räumen, was sich ihm entgegenstellt. Deshalb sezt Elze das Stück in die Klasse der Tragödien der Rache. Aber das ist nicht genau. Tragödien der Rache (tragedies of revenge) find u. a. Kyds Schauer

1) Elze, a. a. D., S. 32.

2) Ders., a. a. D., S. 28 flg.

und

ftüd The Spanish Tragedy, sowie das pseudo-shaksperesche Trauerspiel Locrine. Chapmans Alphonsus aber gehört zu denjenigen Tragödien, die, wie Marlowes Jew of Malta, am besten als machiavellistische bezeichnet werden. Bei ihnen handelt es sich nicht lediglich um das Rachegefühl als die Triebfeder der Handlungen, sondern um die Verleugnung alles deffen, was Gerechtigkeit, Treue, Liebe heißt; der Zweck und der Erfolg sind allein maßgebend, durchtriebene Schlauheit ist die einzige Ratgeberin. Es wird gemordet, nicht bloß aus Rachsucht, sondern auch aus jedem andern Beweggrunde, sobald der Mord sich nur als Mittel zum Zwecke empfiehlt. Nach diesen Grundsäßen handelt Marlowes Jude von Malta, wie denn der Dichter geradezu auf Machiavelli hinweist und ihn mit Namen nennt. Das leştere konnte nun Chapman in seinem Stücke freilich nicht thun; denn obwohl dasselbe, wie sehr viele Schauspiele jener Zeit, von Anachronismen wimmelt, so wäre doch der Verstoß zu grob gewesen, hätte er den ums Jahr 1500 lebenden Machiavelli in einer Handlung namentlich anführen wollen, die in der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts spielt. Aber die Grundsäße, die hier befolgt und ausgesprochen werden, sind ganz diejenigen Machiavellis. So giebt Lorenzo von Cypern, des Alfons Geheimschreiber, diesem u. a. folgende Lehren: 1. Ein Fürst muß die Natur des Löwen und des Fuchses haben, aber nicht eine ohne die andre. 2. Ein Fürst muß vor allem fromm erscheinen, aber es ist für den Staat nichts gefährlicher, als wenn er auf sein Versprechen und seinen Eid Rücksicht nimmt. Wer erkennt nicht schon aus diesen wenigen Beispielen die Grundsäße, wie Machiavelli fie in seinem Buche Il Principe entwickelt? Es ist also Chapmans Alphonsus, ich wiederhole es, in erster Linie eine Tragödie des Machiavellismus. Hat somit Chapman es fertig gebracht, aus einem gelehrten, nicht durchaus trefflichen, aber doch nichts weniger als bösartigen Charakter, wie es der Alfons X. der Geschichte gewesen, ein wahres Scheusal zu machen, so ist auch in den meisten anderen Zügen die Geschichte kaum wiederzuerkennen. Doch sind manche Einzelheiten, zumal gewisse deutsche Verfassungsverhältnisse, Sitten und Gebräuche, mit auffallender Sachkenntnis geschildert. Obwohl hier unsere Teilnahme der sprachlichen Merkwürdigkeit gilt, so haben wir doch diese den Inhalt und Geist des Stückes betreffenden Bemerkungen vorausschicken wollen, damit der Leser, welcher die englische Bühne des 16. Jahrhunderts nur aus Shakspere kennt, nicht allzusehr überrascht ist, wenn er in folgendem von wahrer Poesie und echter Tragik nichts, viel dagegen von Ungeheuerlichkeiten aller Art zu lesen bekommt.

Aft I. Scene 1. Der deutsche Kaiser Alfons hat gehört, Richard sei gekommen, um sich, ihm zum Troße, von vier der Kurfürsten zum

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