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des Tractats Entwurfs, wie ihm denselben der italienische Gesandte in Berlin, Graf Barral, am 27. Merz 1866 telegraphiert hatte. Der Wortlaut des Tractats selbst ist, wie gesagt, erst durch das v. Sybel'sche Werk ans Licht gekommen.

*) Dieses Offensiv- und Defensiv-Bündnis wurde, wie das Datum seiner Unterzeichnung beweist, abgeschloßen zu einer Zeit, wo die rechtmäßige deutsche Gesamtverfaßung, der Deutsche Bund, nicht nur noch rechtlich und tatsächlich in voller Kraft bestand, sondern als solche auch von aller Welt, Preußen eingeschloßen, anerkannt war. Der 3 wec des Bündnisses bestand, wie sein Inhalt beweist, darin, das Ausland in den Dienst der Pläne Preußens zu stellen, welche schon damals auf eine gewaltsame Zertrümmerung dieser deutschen Gesamtverfaßung und auf Annerionen deutscher Länder vermittelst des deutschen Bürgerkriegs gerichtet waren. Mit dem Abschluß dieses Tractats hatte Preußen den Deutschen Bund bereits tatsächlich gebrochen. Durchaus zutreffend sagt daher der damalige sächsische Minister, spätere österreichische Reichskanzler v. Beust in seinen Lebenserinnerungen: Es ist vollkommen müßig, die Frage zu untersuchen, auf welcher Seite im Juni 1866 das Recht gewesen .. Der Bundesbruch war längst zuvor in unbestreitbarer Weise durch das Bündnis Preußens mit Italien vollzogen, ein Bündnis, abgeschloßen zu ge= meinsamem Krieg gegen ein Bundesmitglied. Das war eine Handlung im directen Widerspruch mit den Grundgesezen des Bundes und das erste und einzige Beispiel in dessen fünfzigjähriger Geschichte." (Friedrich Ferdinand Graf von Beust Aus drei Viertel-Jahrhunderten, 1, S. 412).

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Noch im letzten Augenblick vor der Unterzeichnung, am 8. April 1866, suchte Graf Bismarck diesen ursprünglich von ihm selbst vorgeschlagenen Ausdruck Offensiv- und DefensivAlliance" durch Alliance- und Freundschaftsvertrag“ zu erseßen, offenbar in der Absicht, sich in dem ungemein verwickelten diplomatischen Intriguenspiel, welches dem Kriege vorausgieng, dem teuern italienischen Verbündeten gegenüber etwas freiere Hand zu wahren. Er hatte den leßteren Ausdruck sogar schon eigenmächtig in die zur Unterzeichnung bestimmte Reinschrift aufnehmen laßen, sodaß, als der italienische Gesandte, Graf Barral, auf Einhaltung der getroffenen Verabredung bestand und die Beibehaltung der Bezeichnung „Offensiv- und Defensiv-Alliance" als conditio sine qua non bezeichnete, eine nochmalige Reinschrift angefertigt werden mußte, wodurch die Unterschrift bis Abends 812 Uhr verzögert wurde. (La Marmora, Etwas mehr Licht, deutsche Ausgabe, Mainz 1873, 6. 142).

Nach dem ursprünglichen Bismarck'schen Entwurf hatte der Schluß dieses Artikels gelautet: so wird Se. italienische Majestät. . . . den Krieg gegen Desterreich und gegen die

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deutschen Regierungen, welche mit Desterreich gegen Preußen verbunden sein könnten, erklären." Die vorstehend gesperrte Stelle wurde unmittelbar vor der Unterzeichnung am 8. April wirklich noch gestrichen und zwar auf Wunsch des Königs" (von Preußen) und weil die italienischen Unterhändler der Ansicht waren, daß diese Auslaßung auch in ihrem Interesse sei. (La Marmora, a. a. D. S. 136.) In dem Sybel'schen Werk (IV, S. 311) wird als preußischer Beweggrund zu dieser Streichung angegeben, König Wilhelm habe nicht bloß das ganze Bundesgebiet ungeschmälert erhalten, sondern das außerösterreichische Deutschland vor jeder Berührung mit fremden Truppen behütet wißen" wollen. Nun, zum „ganzen Bundesgebiet" gehörte doch wol auch das deutsche Oesterreich, und um dieses gerade wollte ja der König das Bundesgebiet schmälern“, und auch sonst ist die Nichtigfeit der v. Sybel'schen Schönfärberei durchsichtig genug. Könige würde es gewis sehr erwünscht gewesen sein, wenn die siegreiche italienische Armee zu dem geplanten Stoß ins Herz" der österreichischen Monarchie den Weg später durch bayerisches Gebiet genommen hätte. Es war dieß auch in dem preußisch-italienischen Kriegsplan nicht nur ausdrücklich vorgesehen, sondern wurde sogar - was herr von Sybel in seinem Beschönigungs-Eifer übersehen hat im Juni 1866 bei Beginn des Krieges von der hochofficiösen preußischen Presse in aller Form angekündigt. So heißt es z. B. in der direct von dem Ministerium abhängigen damaligen „ProvinzialCorrespondenz" vom 24. Juni 1866 wörtlich: „Italien hat nunmehr auch seinerseits den Krieg gegen Oesterreich beschloßen und angekündigt. Der Krieg wird nicht nur in Venetien, sondern auch in Tirol und von da aus, wenn die Waffen Italiens glücklich sind, zugleich gegen Bayern geführt werden. Bayern, welches sich nach langem Schwanken noch in der lezten Stunde für Oesterreich entschieden hat, dürfte diesen Entschluß bald zu bereuen haben." Am 8. April freilich rechnete Preußen noch auf die Möglichkeit, sich mit Bayern gegen Desterreich verständigen zu können. Darum sollte der italienische Verbündete damals noch nicht auf Bayern, welches von den deutschen Regierungen" hier allein in Betracht kam, gehegt werden. Einen andern Grund der zartfühlenden königlichen Strupel kann man nicht wol annehmen, wenn man sich die übrigen Gedanken und Leistungen des Königs aus jener Zeit vor Augen hält.

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5) Auch diese v. Sybel'sche Parenthese erweist sich bei näherer Betrachtung als ein schönfärberischer Versuch, der überdieß noch ziemlich plump ausgefallen ist. Die entsprechenden Zugeständnisse in der deutschen Frage", welche Preußen an Stelle der fraglichen öfterreichischen Gebietsabtretungen anzunehmen" beabsichtigte, bezogen sich nemlich nicht etwa bloß auf die Zugeständnisse Desterreichs in der deutschen Verfaßungsfrage, sondern vor allem auf die Einwilligung Desterreichs in die von Preußen schon damals geplanten

deutschen Annexionen. Das wird von den beiden italienischen Ministern Jacini und La Marmora in ihren beiden schon erwähnten Publicationen aus dem Jahre 1868 mit einer jede Ünklarheit ausschließenden Deutlichkeit bezeugt. Jacini (Due anni 2c.) leitet seinen Auszug aus dem Vertrag vom 8. April 1866 mit den Worten ein: „Die dem Publicum bereits bekannten Abmachungen, welche ich zu bestätigen keinen Anstand nehme, sind dem Sinne nach folgende." Er gibt nun in zwei Absäßen den Inhalt der Artikel 2-3 ganz der v. Sybel'schen Veröffentlichung entsprechend; dann aber folgt ein dritter Absaß, welcher den Inhalt des Artikels 4 so referiert:

„Diese Zustimmung wird nicht versagt werden können wenn Desterreich dahin gebracht sein wird, zuzugeben, daß Italien das lombardo-venetianische Königreich und Preußen gleichwertige ihm benachbarte Länder sich annectiere (che l'Italia si annetesse il Regno Lombardo-Veneto e la Prussia dei territorii equivalenti a lei vicini)."

Genau ebenso referiert La Marmora den Inhalt des Artikels 4 in seiner Broschüre „Le Général La Marmora et l'Alliance Prussienne", und zwar mit folgenden Worten: „Ce consentement ne pourrait être refusé lorsque l'Autriche ne s'opposerait plus à laisser l'Italie s'annexer le royaume lombardo-vénetien et la Prusse des territoires équivalents voisins de ses frontières."

Hiernach erscheint es zweifellos, daß Preußen schon bei oder doch alsbald nach Abschluß des Tractats vom 8. April 1866 die bundesfreundliche Absicht hatte, im Falle des Sieges, an Stelle der Eroberung österreichisches Gebietes, unter seinen benachbarten Bundesgenoßen ein dem lombardo-venetianischen Königreiche entsprechendes Gebiet sich zusammen zu annectieren. Die Einwilligung Desterreichs zu diesen Annexionen erzwingen zu helfen, dazu wurde das italienische Ausland durch Artikel 4 des Vertrags vom 8. April 1866 bezw. durch die gleichzeitige oder spätere, wie v. Sybel behauptet, mündliche Erläuterung dieses Artikels von der zweiten Vormacht des damaligen Deutschen Bundes verpflichtet. Das Ungeheuerliche dieser Vertragsbestimmung läßt es vollkommen begreifen, daß Herr v. Sybel sich auch jezt noch geniert, dieselbe deutlicher als mit der allgemeinen und euphemistischen Wendung entsprechende Zugeständnisse in der deutschen Frage" zu bezeichnen."

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Unflar bleibt dagegen noch, zu welcher Zeit die fragliche Erläuterung" des Artikels 4 stattgefunden habe, ob, wie wahrschein= lich ist, gleichzeitig mit oder erst nach Abschluß des Offensiv- oder Defensivbündnisses vom 8. April. Zweifelhaft und nicht ganz glaubwürdig erscheint ferner die v. Sybel'sche Angabe, daß jene Erläuterung" eine mündliche“ gewesen sei. Sie dürfte zum mindesten, nachdem sie mündlich erfolgt, alsbald protokollarisch firieri

worden und in dieser Form sowol in den preußischen wie in den italienischen Acten noch aufzufinden sein. Trügt nicht alles, so haben wir sogar in den oben angeführten Stellen aus den Schriften der beiden damaligen italienischen Minister Jacini und La Marmora den Wortlaut dieser protokollarischen Firierung vor uns. Darüber genauere Auskunft zu geben, wird Herr v. Sybel freilich wol feine besondere Neigung haben. Wol aber darf man von Italien her weitere Aufklärungen erwarten, wo es auch nach dem Tode Jacinis und La Marmoras noch eingeweihte Freunde und Gesinnungsgenoßen derselben gibt.

6) Nach Abschluß dieses Vertrages bestand Bismarc's Interesse und demzufolge auch sein eifrigstes Bestreben darin, innerhalb der drei Monate, in denen er der italienischen Alliance sicher war, einen möglichst plausiblen Vorwand zu dem von ihm geplanten deutschen Bürgerkriege zu finden. Dieß war aber bei der entschiedenen Friedfertigteit Desterreichs und der deutschen Bundesstaten, sowie bei der Unentschloßenheit und Aengstlichkeit des Königs, der lange vor dem Wagnis zurück schreckte, alles auf die eine Karte des Krieges zu jezen, troß des abgeschloßenen Bündnisses mit Italien, auch troß der stillen französischen und russischen Ermutigungen, doch nicht so ganz leicht, da der gute Schein preußischer Friedfertigkeit immerhin möglichst gewahrt werden mußte. War dieser Schein doch sogar in dem Tractat vom 8. April 1866, wie wir sahen, gehütet worden durch die Eingangsphrase, derzufolge die beiden Contrahenten behaupteten, sie seien beseelt von dem Wunsche, die Garantien des allgemeinen Weltfriedens zu befestigen"!! Wie Graf Bismarck diese "Befestigung der Garantien des allgemeinen Friedens" in Wahrheit verstand, und was von seinen gleichzeitig im diplomatischen Verkehr mit Oesterreich abgegebenen Friedensbeteuerungen zu halten ist, das zeigt am besten folgende kurze Zusammenstellung dessen, was er in den Tagen des Abschlußes der Öffensiv- und Defensiv-Alliance vom 8. April 1866 gesagt und getan hat:

Am 5. April sagte Bismarck zu dem italienischen Unterhändler General Govone: ... Da die Rüstungen von der einen Seite die Rüstungen auf der andern hervorrufen werden, können wir jogar hoffen, Anfangs Mai zum Kriege zu kommen." Govone fügt diesem Referat in seiner Depesche an La Marmora vom selben Tage noch hinzu: „In allen Fällen hofft Bismarck, daß der Krieg vor Ablauf der vertragsmäßigen Frist [d. h. vor Ablauf der in dem Entwurf des am 8. April unterzeich= neten Tractates vorgesehenen drei Monate] ausbrechen wird.“ (La Marmora, a. a O. S. 130.)

Am 6. April übermittelte Bismarck an den österreichischen Minister des Auswärtigen Grafen Mensdorff in aller Form" die Erklärung: „daß den Absichten Sr. Majestät des

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Königs nichts ferner liegt als ein Angriffs krieg gegen Desterreich."

Am 7. April legte Bismarck seinem Könige die Vollmacht zur Unterzeichnung der Offensiv- und DefensivAlliance mit Italien vor, und der König unterzeichnete die Vollmacht. (La Marmora S. 132.)

Am 8. April unterzeichnete Bismarck diesen Vertrag wirklich, (La Marmora S. 136.) Als sich dann die Italiener nach diesem Acte bei ihm verabschiedeten, sagte er ihnen nach dem Berichte des Generals Govone an La Marmora -: „Preußen werde am folgenden Tag beim Bundestag den Antrag auf Bundesreform und ein deutsches Parlament mit allgemeinem Wahlrecht einbringen; von diesem Vorschlage erwarte er die gröste Verwirrung in Deutschland und dann den Krieg." (La Marmora S. 142.)

In diesem Sinne also suchte Bismarck durch den hier mit= geteilten Offensiv- und Defensiv-Alliance-Vertrag vom 8. April 1866 die Garantien des allgemeinen Friedens zu befestigen", und so ehrlich war die von dem ersten verantwortlichen Minister Sr. preußischen Majestät an Oesterreich gegebene Versicherung gemeint: Daß den Absichten Sr. Majestät des Königs nichts ferner liegt als ein Angriffstrieg gegen Oesterreich."]

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5. Generallandschaftsdirector M. von Blankenburg an den preußischen Kriegsminister von Roon, Mai 1866.

(Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Generalfeldmarschalls Kriegsministers Grafen von Roon, Breslau, Ed. Trewendt, 1892, 11, S. 266.)

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Ueber die ganze deutsche Politik kann man abweichender Meinung sein. Hat man den italienischen Dolch aber aus der Scheide fahren machen, so kann man nicht zurück, auch wenn er etwas frühzeitig zufährt. . .

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