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verleibung Sachsens in den preußischen Stat. Solange dieß nicht möglich ist, erklären wir: es liegt im Interesse des sächsischen Volkes..."

[Folgt der Wunsch, daß Sachsen der Militärhoheit und der diplomatischen Vertretung, einschließlich des Gesandtschaftsrechtes „völlig und bedingungslos“ verlustig werde.

C.

Gustav Freytag an Lothar Bucher1), dd. Siebleben bei
Gotha 8. September 1866.

(Die Zukunft, Herausgeber Maximilian Harden, 111. Jahrg., Nr. 40, S. 26 ff.)
Hochgeehrter Herr Geheimrat!

In der Frage Sachsen wage ich an Bekanntschaft aus früherer Zeit zu appellieren und leise an die Bücher der Sibylle zu rühren, welche in Ihrer Nähe bewahrt werden.

In diesen Tagen wird Ihnen eine Flugschrift zugehen: „Was wird aus Sachsen?", welche die Töne anschlägt, in denen jezt auf das sächsische Volk zu wirken ist. Die Agitation hat in Sachsen begonnen; läßt man der preußischen Partei einige Monate Zeit und Luft, so ist die beste Hoffnung vorhanden, daß dieselbe die große Majorität der möglichen Abgeordneten gewinnen wird.

Soweit das Schicksal Sachsens durch die Parteinahme des sächsischen Volkes und des Parlamentes im Bundesstat mitbestimmt werden kann, liegt das Spiel für Preußen günstiger, als viele Sachsen hoffen oder fürchten. . . .

Wenn die große Politik der preußischen Regierung gestattet, die sächsische Frage durch festes Beharren auf den urs sprünglichen Forderungen hinauszuschieben, so ist ihr im Lande selbst eine große Zunahme der Annerionisten sicher.

Aber dringend wünschenswert ist ein kräftigeres Eingreifen in die Verwaltung. Herr v. Wurmb ist auf Instructionen angewiesen,

1) Gustav Freytag gab damals die Leipziger „Grenzboten“ heraus, wohnte aber meist in Siebleben und stand dem Herzog Ernst N. von SachsenKoburg-Gotha so nahe, daß man den denselben betreffenden Vorschlag obiges Briefes auf diesen Herrn selbst zurückführen muß. Lothar Bucher, der einstige Steuerverweigerer und Flüchtling, befand sich schon seit 1864 als vortragender Rat im preußischen Ministerium des Auswärtigen und galt als intimster Vertrauensmann Bismarcks.

General v. Schack hat kein Verständnis für die Dinge und sucht Anlehnung in den Hoftreißen Dresdens, um zu vermitteln, wo Vermittelung unmöglich ist. Dem Lande tut ein energischer Statthalter not. Was preußischerseits bis jezt geschehen, hat kaum imponiert; die unerhörte Milde, mit welcher die Landescommission behandelt und ihr Communication mit dem Könige freigelaßen wurde, müßte aufhören. Die Landescommission auflösen, die Regierung selbst in die Hand nehmen, die sämtlichen Beamten durch Reverse für das neue Interimisticum verpflichten, die officielle Beamtenstellung der Leipziger und der Dresdener Zeitung aufheben oder die Redacteure wechseln, die Amtshauptmannschaften und die Gendarmerie neu organisieren, - das erst hieße die Maschine in die Hand bekommen. Erst dadurch wird dem Volke die Idee preuEßischer Zukunft nahe gelegt.

Der Statthalter aber müßte ein höherer Beamter Preußens sein, energisch und mit eigenen Gedanken, der nicht anzufragen brauchte, wo es einmal schnell zu handeln gilt, selbst gegen vertwitwete Königinnen [Anspielung auf die verwitwete Königin Elisabeth von Preußen, Schwester der Königin Amalie von Sachsen, bgl. S. 177–78]. In früheren Jahren galt Mathis für solche Natur. Das nächste Stocken der Verhandlungen mit König Johann würde ja wol eine zweckmäßige Veranlaßung zu dieser Aenderung e sein können. Dem Ausland gegenüber wäre es ein unvermeidlicher : Schritt zur Etablierung eines Interimisticums, bis die Verhandlungen auf Grund des Prager Friedens wieder aufgenommen werden können.

Die Dynastie darf nicht zurückkehren, es wäre ein Martyrium für alle Teile, und die Arbeit dieses Sommers müßte noch einmal getan werden. Die Sachsen sind ein gescheites Volk, und sie werden das schnell begreifen, sobald ste sehen, daß Preußen Ernst macht, das Land zu behalten.

Es ist auch von andern Wettinern die Rede gewesen. Eine fleine Großmacht Weimar, welche von den schlesischen Bergen bis zur Werra reicht, wäre doch eine sehr unbequeme Schöpfung, sie könnte die Einverleibung Sachsens ad calendas graecas ver zögern. Mein gnädiger Herr von Gotha würde sich 3war bereit finden laßen, die Functionen eines Mo= narchen mit eventueller Succession Preußens zu über

nehmen, wenn man über das Odium wegzuhelfen wüßte, aber ich wollte dem Herrn persönlich die verantwortliche Stellung nicht wünschen. In jedem Falle wäre es nur ein Notbehelf und irgend eine Cession der Albertiner an die ältere Linie fast noch unwahrscheinlicher als eine Cession des Landes an Preußen.

Wir haben in Leipzig eine hübsche kleine Agitation begonnen. Was noch lähmt, ist die Unsicherheit, ob man in Berlin entschloßen ist, das Notwendige zu tun, das heißt: festzuhalten. Wäre Ihnen, hochverehrter Herr, möglich, mir darüber Ihre persönlichen Ansichten auszusprechen, so würde ich durch diese discrete Mitteilung, welche in gutem Gewahrsam bliebe, in die Möglichkeit verseßt, meinen sächsischen Bekannten größere Anstrengungen zuzumuten. Denn als Nichtsachse darf ich kein Bedenken haben, sie sich compromittieren zu Laßen, wenn sie Aussicht haben, etwas zu nüßen; im entgegengesezten Falle hätte ich kein Recht dazu....

7. Der Friedensschluß, 21. October.

(b. Shbel a. a. D. V, S. 452.)

[Nachdem sich der preußische Unmut über das Fehlschlagen des Annexionsplanes durch möglichste Erschwerung und Verlängerung der in Berlin geführten Friedensunterhandlungen man verlangte vor allem die völlige Einverleibung der sächsischen in die preußische Armee und durch brüske Abweisung der von Sachsen angerufenen französischen und österreichischen Vermittlung bereits reichlich Luft gemacht hatte, fanden die Verhandlungen folgendes, von Sybel a. a. O. berichtetes Ende:]

[Bismarck] verließ Berlin in den lezten Tagen des Septembers, um in der ländlichen Ruhe von Putbus Heilung eines Nervenleidens zu suchen, und die sächsische Verhandlung wurde von dem frühern Bundestagsgefandten, Herrn v. Savigny, ohne Bismarcks weitere Teilnahme und bald im Widerspruch mit dessen Grundsägen weiter geführt. Nun waren die Wünsche nach sächsischem Landerwerb trok des Prager Friedens in Berlin nicht überall erloschen, und man kam zu der vertragswidrigen Schlußfolgerung, daß man freilich Landerwerb nicht fordern dürfe, aber nichts im Wege stehe, ihn anzunehmen, wenn er angeboten würde. Demnach brachte Savigny eine unerträgliche Forderung nach der andern, unterstüßt durch immer lästigere Maßregeln der preußischen Militärverwaltung in Sachsen: während Friesen [der sächsische Unterhändler] unter der Hand ers fuhr, das alles würde sich verwandeln, wenn er die Abtretung von

Leipzig dafür anbieten wollte.1) Als die Sachsen aber fest blieben, als ein Brief ihres Königs den preußischen Monarchen warmes Tones an die alten persönlichen Beziehungen naher Freundschaft und Verwandtschaft erinnerte: da sezte um die Mitte des Octobers die Strömung um, und das Ende war ein Friedensschluß, dessen Character sich nur in vorübergehenden Bestimmungen von dem der übrigen deutschen Verträge unterschied. Sachsen trat in den Norddeutschen Bund ein, verhieß, seine Truppen nach den künftigen allgemeinen Einrichtungen des Norddeutschen Bundes zu reorganisieren, bis dahin aber dem Oberbefehl eines in Sachsen residierenden preußischen Generals zu unterstellen, und auf dem Königsstein eine preußische, sowie in Dresden eine gemeinschaftliche Garnison zuzulaßen. Die Kriegsentschädigung wurde auf 10 Millionen [Taler] festgesezt. Die übrigen Bestimmungen betrafen, ähnlich wie in den süddeutschen Verträgen, Eisenbahnen und Zollverein.

') Ueber die damalige Situation äußerte sich Graf Vißthum in einem am 9. October aus London seiner Regierung erstatteten vertraulichen Bericht folgendermaßen: „Am Schlimmsten für uns ist die Krankheit des Grafen Bismarck, welcher an einer solchen Nervenaufregung leidet, daß man ihm jedes, auch das gleichgültigste Telegramm vorenthält. Denn der unerwartete Erfolg hat diesen Statsmann versöhnlich gestimmt. Entschloßen, mit der Kreuzzeitungs-Partei zu brechen, sucht er einen Stüßpunkt in der nationalen Partei und bekämpft im Interesse Deutschlands die Uebertreibungen des preußischen Partikularismus. So weitgehend seine Pläne, so kostspielig das Nez seiner in Böhmen, Mähren und Ungarn angeknüpften geheimen Verbindungen auch sein mögen, so zweifellos sein geheimes Einverständnis mit Bayern und Württemberg von Baden ganz zu schweigen —, so entschloßen ist er doch, sich vorläufig mit dem Erworbenen zufrieden zu stellen und allseits zu versöhnen. „Unsere Officiere", hat Graf Bismarck noch neulich dem Herrn v. Dalwigk hingeworfen, „haben das Talent sich überall verhaßt zu machen. Das muß anders werden." Mit dem Grafen Bismarck würde es weit leichter gewesen sein sich zu verständigen, als mit dem characterlosen, schwerfälligen und kleinlichen Savigny, der zwar den Vortrag bei seinem Könige jezt hat, aber ohne allen Einfluß ist. Auch hätten europäische Gesichtspunkte, nicht bloß deutsche, am wenigsten sächsische wenn von unsern Bevollmächtigten betont, auf den einzigen preußischen Statsmann, der einen europäischen Blick hat, Eindruck zu machen nicht verfehlt." (Visthum v. Eckstädt a. a. D. S. 382-83.)

Fünftes Kapitel.

Die Annexionen vor dem preußischen Landtage.

1. Die Botschaft des Königs an beide Häuser des preußischen Landtags vom 16. August.

(Aegidi und Klauhold, a. a. D. S. 234–35).

Wir Wilhelm von Gottes Gnaden 2c. 2c. tun kund und fügen hiermit zu wißen: Die Regierungen des Königreichs Hannover, des Kurfürstentums Hessen, des Herzogtums Naßau, sowie der freien Stadt Frankfurt haben sich durch ihre Teilnahme an dem feindlichen Verhalten des ehemaligen Bundestages in offenen Kriegszustand mit Preußen gesezt. Sie haben sowol die Neutralität, als das von Preußen unter dem Versprechen der Garantie ihres Territorialbestandes ihnen wiederholt und noch in lezter Stunde angebotene Bündnis abgelehnt, haben an dem Kriege Desterreichs mit Preußen tätigen Anteil genommen und die Entscheidung des Krieges über sich und ihre Länder angerufen. Diese Entscheidung ist nach Gottes Ratschluß gegen sie ausgefallen. Die politische Notwendigkeit zwingt Uns, ihnen die Regierungsgewalt, deren sie durch das siegreiche Vordringen Unserer Heere entfleidet sind, nicht wieder zu übertragen. Die genannten Länder würden, falls sie ihre Selbständigkeit behielten, vermöge ihrer geographischen Lage bei einer Feindseligkeit, oder auch nur zweifelhaften Stellung ihrer Regierungen der preußischen Politik und militärischen Action Schwierigkeiten und Hemmnisse bereiten können, welche weit über das Maß ihrer tatsächlichen Macht und Bedeutung hinausgehen. Nicht im Verlangen nach Ländererwerb, sondern in der Pflicht, Unsere ererbten Staten vor wiederkehrenden Gefahren zu schüßen und der nationalen Neugestaltung Deutschlands eine breitere und festere Grundlage zu geben, liegt für Uns die Notwendigkeit, das Königreich Hannover, das Kurfürstentum Hessen, das Herzogtum Naßau, sowie die freie Stadt Frankfurt für immer mit Unserer Monarchie zu vereinigen.) Wol wißen Wir, daß nur ein Teil der Bes

1) Nach diesen Worten „mit unserer Monarchie zu vereinigen“ erscholl lebhaftes Bravo auf der rechten Seite des Hauses, ebenso auch am Schluße der Botschaft.

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