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[Diese Cabinetsorder beweist, daß die später unter dem 4. Juli erlaßene, alsbald mitzuteilende Aufforderung des preußischen GeneralGouverneurs von Werder an die kurhessischen Truppen, ihre Fahnen zu verlaßen und in ihre Garnisons zurückzukehren, von dem Könige Wilhelm selbst veranlaßt und durch das eigenhändig hinein corrigierte und unterstrichene Wort sofort" noch persönlich beschleunigt worden ist. Vgl. Fr. von der Wengen, Geschichte der Kriegsereignisse zwischen Preußen und Hannover. Gotha 1886, S. 1061.]

19. Die Stimmung im Lande.

(Correspondenz der Frankfurter Postzeitung Nr. 343 vom 5. Juli 1866 Abends). Aus dem Hauptquartier des achten Armeecorps, 3. Juli. Ein treueres Volk als die Kurhessen ist kaum denkbar. Niemand wird leugnen können, daß dieselben unter der Regierung des jeßigen Kurfürsten gar manche Widerwärtigkeit zu erfahren hatten, von der man in andern Ländern nichts wußte, aber jezt, wo den Regenten, in Folge seiner männnlichen und entschiedenen Haltung der Uebermacht gegenüber, die Feßeln der Gefangenschaft in entfernte Gegenden geführt haben. -nun ist der Kurfürst plöglich der populärste Mann in ganz Kurhessen geworden. Je mehr man mit jener Bevölkerung in Berührung kommt, desto klarer wird einem diese Erkenntnis, und in dem Munde des Volkes circulieren nicht allein schöne Worte und Lieder, sondern, wie ich Ihnen neulich schon meldete, ganze Scharen treuer Untertanen verlaßen Haus und Hof, Weib und Kind, um die in ihrem Herrn dem Lande und folge= weise auch jedem einzelnen angetane Schmach zu rächen. Zu den Fahnen eilende Scharen kurhessischer Bauern und Bürger sind eine ganz stehende Rubrik auf unserer gegenwärtigen Wanderung, und es herrscht bei allen Officieren des achten Armeecorps über solche Trene nur ein Gefühl der Bewunderung und Hochachtung, welchem ich mich, im Interesse der Gerechtigkeit, hier offen Ausdruck zu geben veranlaßt sehe.

20. Bündnisantrag des Königs von Preußen an den Kurfürften (6. bz. 8. Juli) und Ablehnung des lehtern (12. Juli), (Aus den Acten des kurfürstlichen Geheimen Cabinets).

A.

Telegramm des Königs, dd. Hauptquartier Horik, 6. Juli, in Stettin angekommen am 7. Juli, 9 U. 41 M. Mit Rücksicht auf das von E. Königl. Hoheit Mir mitgeteilte

Zunehmen der Cholera1) in Stettin, ersuche Ich E. Königl. Hoheit, Ihren Wohnsiz nach Königsberg zu verlegen, woselbst das Schloß zu Ihrer Aufnahme in Bereitschaft gesezt ist. Es wird Mir schwer, dem Wunsche E. Kgl. Hoheit, Sich nach der Schweiz zu begeben, nicht entsprechen zu können, so lange E. Kgl. Hoheit nicht Ihre Truppen zurückgerufen haben und ein Bündnis mit Mir schließen. Sobald dieß festgestellt und die kurfürstlichen Truppen als Bundes genoßen bei den Meinigen eingetroffen sein werden, wird der Erfüllung des Wunsches E. Kgl. Hoheit kein Hindernis im Wege stehen.

Hauptquartier Horig 6./7.

B.

Wilhelm.

Aus einem Brief des Königs, dd. Hauptquartier Pardubią 8. Juli. [Dem Telegramm unter A. ließ der König noch einen Brief dd. Pardubig, 8. Juli folgen, in welchem es nach dem Ausdruck des Bedauerns darüber, daß die Pflicht gegen die Armee es Seiner Majestät verbiete, den Wunsch des Kurfürsten, betreffs Uebersiedelung in die Schweiz, zu erfüllen, solange die kurfürstlichen Truppen den königlichen unter feindlichem Oberbefehl gegenüber stünden, wörtlich wie folgt heißt]:

Euere Königliche Hoheit haben es in der Hand, Mich dazu in den Stand zu sehen, wenn Sie Ihre Truppen aus dem feindlichen Lager zurückrufen. In dem Augenblick, wo dieselben den Meinigen als Bundesgenoßen zur Seite stehen, um für die gemeinsamen Interessen in alter Waffenbrüderschaft zu fechten, werde ich Euer Königl. Hoheit die Wahl Ihres Aufenthaltes an jedem Orte außerhalb des Kurstates, in welchem während der Dauer des Krieges das Militärgouvernement wird bleiben müßen, vollständig freistellen.

1) Die Stadt und Festung Stettin hatte damals, abgesehen von der während des Krieges geringen Garnison, nicht ganz 65,000 Einwohner. Nach den Choleraberichten der „Stettiner Zeitung“ vom 2. Juni bis 9. Juli 1866 ergaben die Verheerungen, welche die Seuche während dieser Zeit in Stettin anrichtete, folgendes Bild:

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C.

...

Aus dem Antwortschreiben des Kurfürsten, dd. Stettin, 12. Juli. Als ein gefangen gehaltener, seiner Autorität im eigenen Lande entkleideter, nicht Kriegsherr seiner Truppen seiender Kurfürst kann Ich hiernach einen wirksamen Befehl an Meine Truppen von hier aus nicht erteilen. Gott weiß es, ohne mein Verschulden befinde Ich Mich in solch trauriger Lage. Ich baue auf Gott und will geduldig ertragen, was Er über Mich und Mein Land verhängt hat.

21. Versuch des preußischen] Generalgouverneurs v. Werder, die kurhessischen Truppen zum Verlaßen ihrer Fahnen zu bestimmen.

(Fr. von der Wengen, a. a. D. S. 465).J

An die Officiere und Soldaten der kurhessischen Armee! Seitdem Seine Königliche Hoheit der Kurfürst von Hessen in Folge der jüngsten kriegerischen Ereignisse sein Land verlaßen, ist die turhessische Armee-Division ohne Kriegsherrn.

Kurhessische Officiere und Soldaten! Der Befehl Eures Corpsführers hat Euch in den südlichen Gebietsteilen Eures Landes concentrieren können, aber er ist nicht befugt, Euch über die Grenzen Eures Vaterlandes hinauszuführen und unter fremde Befehle zu stellen.

Der Beschluß des sogenannten Bundestages in Frankfurt a. M., Euch in ein fremdes Armeecorps einzufüen, ist völlig rechtswidrig und unverbindlich.

Wenn Ihr ihm Folge leistet, seid Ihr nicht mehr Soldaten, die dem Willen ihres Kriegsherrn gehorchen, gleichviel ob gern oder ungern, sondern Ihr seid Parteigänger, welche auf eigene Hand den Krieg als gesegloses Handwerk treiben.

Kann es die Ehre der kurhessischen Armee ertragen, daß man aus ihr eine bayerische oder württembergische Soldtruppe macht? Niemand sollte diese Zumutung wagen dürfen.

Aber ich rede nicht zu Euerem Ehrgefühl, welches keinen Zweifel duldet, sondern zu Euerm Rechtssinn; denn der Widerstreit der Verhältnisse kann auch den Bravsten irre leiten.

Indem Euch der unmittelbare Wille Eures Kriegsherrn fehlt, habt Ihr Euch der bestehenden Obrigkeit Eures Landes zu fügen,

Als der Kurfürst, Euer Herr, das Land verließ, hat Seine Königliche Hoheit zu seinem Volke Worte des Abschieds gesprochen, in denen er alle Seine Behörden auffordert, sich der neuen Ordnung der Dinge willig zu fügen und im Interesse des Landes nach wie vor ihre Pflicht zu tun.

Officiere und Soldaten der kurhessischen Armee! Euch so gut wie jeden Euerer Mituntertanen trifft dieser Befehl 'Eures_kurfürstlichen Herrn.

Kraft des mir übertragenen Amtes als General-Gouverneur des Kurfürstentums fordere ich Euch hiermit auf, friedlich in Eure Garnisonen zurückzukehren. Wenn es zwar die Verhältnisse gebieterisch erfordern, daß die Mannschaften entlaßen werden, so bleibt doch den Officieren die Vollehre ihrer Waffen und der ganze Umfang ihrer bisherigen Bezüge und Competenzen.

Ich habe Euch dieß von Mund zu Mund sagen wollen, wie es zwischen Soldaten Gebrauch ist, aber der Höchstcommandierende Eurer Division hat die Mitteilungen des von mir abgesandten Parlamentär-Officiers nicht angenommen. Ich bin daher genötigt, diese Worte durch die öffentlichen Organe an Euch zu richten.

Nehmt sie kameradschaftlich auf und folgt meiner Aufforderung. Ihr, deren Väter seit Jahrhunderten nicht anders als an Preußens Seite glorreich gefochten, werdet nicht, meinem Herzen zuwider, mich zwingen wollen, Euch als Feinde zu behandeln und dieß nur um des verhängnisvollen Irrtums Eures zeitigen Führers willen. Kassel, den 4. Juli 1866.

Der General-Gouverneur des Kurfürstentums Hessen, v. Werder,

königlich preußischer General der Infanterie.

22. Protest des Commandanten der kurhessischen Armee

Division.1)

(Mainzer Zeitung vom 13. Juli, Nr. 160).

Der königlich preußische General der Infanterie von Werder hat in den öffentlichen Blättern eine Ansprache an die Officiere und

1) Die kurhessischen Truppen waren inzwischen bis auf die unter Nr. 23 erwähnte Husaren-Division durch Verfügung des 8. BundesArmeecorps-Commandos vom 29. Juni in die Festung Mainz verlegt, um dort die ihnen fehlende Mobilmachung zu bewirken (v. d. Wengen, a. a. D. S. 464)..

Soldaten der kurhessischen Armee erlaßen, in welcher er diese auffordert, der Fahne ihres Kriegsherrn untreu zu werden und in ihre Garnisonen friedlich zurückzukehren.

Derselbe sucht unter anderem auch seine Aufforderung damit zu begründen, daß er der kurhessischen Armee einreden will, sie sei in Folge des gegen Seine Königliche Hoheit des Kurfürsten begangenen. Gewaltactes gegenwärtig ohne Kriegsherrn. Was würde die königlich preußische Armee dazu sagen, wenn ihr in gleichen Verhältnissen dieselbe Zumutung gestellt würde?

Für die kurhessische Armee kann kein Zweifel darüber obwalten, was sie zu tun, und auf welcher Seite sie zu kämpfen hat.

Die Aufforderung des Generals von Werder erinnert schließlich an die Vergangenheit, in welcher kurhessische Truppen oftmals an preußischer Seite gefochten haben. Auch Seiner Königlichen Hoheit, unserm Allergnädigsten Kriegsherrn und seiner treuen Armee ist es schwer geworden, diese Vergangenheit gebrochen zu sehen. Von welcher Seite aber der Bruch mit diesen Traditionen verschuldet worden, kann wol nicht offenkundiger bezeugt werden als durch den Versuch eines preußischen Generals, unserm gefangenen Kriegsherrn nun auch noch die tausendjährige, geheiligte Treue seiner Armee dadurch rauben zu wollen, daß ihr Bezüge und Competenzen zugesichert werden.

Mit Entrüstung weise ich daher im Namen der Officiere und Soldaten Seiner Königlichen Hoheit des Kurfürsten eine Aufforderung zurück, welche ihnen die Vollehre ihrer Waffen verbürgen will, in Wahrheit aber das Ansinnen stellt, Treue und Ehre mit Füßen zu treten.

Mainz, 12. Juli 1866.

(gez.) von Loßberg,
Generalmajor,

mit dem Commando der kurhessischen Armee-Division beauftragt.

23. Abschiedsworte des Generals v. Neipperg an die kurhessische Husaren-Division, als dieselbe am 3. August unter das Commando der Brigade Naßau gestellt wurde. (Karl v. Kosseci und Robert von Wrangel, Geschichte des fgl. preußischen2. hessischen Husarenregiments Nr. 14 und seiner hessischen Stammtruppen 1706-1886.)' [Das 2. kurhessische Husarenregiment war der von dem k. k. Feldmarschall-Lieutenant Grafen v. Neipperg commandierten öfter

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