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volle Freiheit laße, mit Desterreich eine friedliche Lösung abzuschließen. Sollte bei Eintreten dieses Falles Italien Desterreich angreifen, so würde Preußen ihm nicht zur Seite stehen.

Dieser so zu sagen souveräne Brief, geschrieben von der Königin= Witwe an ihren Neffen, enthielt eine so feierliche, so förmliche Versicherung, daß es dem Kaiser Franz Joseph wirklich äußerst erschwert war, die Wahrheit derselben in Zweifel zu ziehen..."

[Als Datum der Ableugnung des Königs gibt der Herzog von Gramont a. a. O. S. 280 den 8. Juni an].

12. Kriegsmanifeft König Wilhelms I. vom 18. Juni 1866.

(Aegidi und Klauhold, Die Krisis des Jahres 1866, S. 129-130.)

An mein Volk!

In dem Augenblicke, wo Preußens Heer zu einem entscheidenden Kampfe auszieht, drängt es Mich, zu Meinem Volke, zu den Söhnen und Enkeln der tapfern Väter zu reden, zu denen vor einem halben Jahrhundert Mein in Gott ruhender Vater unvergeßene Worte sprach. „Das Vaterland ist in Gefahr!"

Desterreich und ein großer Teil Deutschlands steht gegen dasselbe in Waffen!

Nur wenige Jahre sind es her, seit ich aus freiem Entschluße und ohne früherer Unbill zu gedenken, dem Kaiser von Oesterreich die Bundeshand reichte, als es galt, ein deutsches Land von fremder Herrschaft zu befreien. Aus dem gemeinschaftlich vergoßenen Blute, hoffte Ich, würde eine Waffenbrüderschaft erblühen, die zu fester, auf gegenseitiger Achtung und Anerkennung beruhender Bundesgenoßenschaft und mit ihr zu all dem gemeinsamen Wirken führen würde, aus welchem Deutschlands innere Wolfahrt und äußere Bedeutung als Frucht hervorgehen sollte. Aber Meine Hoffnung ist geteuscht worden. Desterreich will nicht vergeßen, daß seine Fürsten einst Deutschland beherrschten; in dem jüngern, aber kräftig sich entwickelnden Preußen will es keinen natürlichen Bundesgenoßen, sondern nur einen feindlichen Nebenbuhler erkennen. Preußen so meint es muß in allen seinen Bestrebungen bekämpft werden, weil, was Preußen frommt, Desterreich schade. Die alte unselige Eifersucht ist in hellen Flammen aufgelodert: Preußen soll ge= schwächt, vernichtet, entehrt werden. Ihm gegenüber gelten keine Verträge mehr, gegen Preußen werden.

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Deutsche Bundesfürsten nicht bloß aufgerufen, sondern zum Bundesbruch verleitet. Wohin wir in Deutschland schauen, sind wir von Feinden umgeben, deren Kampfgeschrei ist: Erniedrigung Preußens!“

Aber in Meinem Volke herrscht der Geist von 1813. Wer wird uns einen Fuß breit preußischen Bodens rauben, wenn wir ernstlich entschloßen sind, die Errungenschaften unserer Väter zu wahren, wenn König und Volk, durch die Gefahren des Vaterlandes fester als je geeint, an die Ehre desselben Gut und Blut zu [seßen, für ihre höchste und heiligste Aufgabe halten. In sorglichster Voraussicht dessen, was nun eingetreten ist, habe Ich seit Jahren es für die erste Pflicht Meines königlichen Amtes erkennen müßen, Preußens streitbares Volk für eine starke Machtentwickelung vorzubereiten. Befriedigt und zuversichtlich wird mit Mir jeder Preuße auf die Waffenmacht blicken, die unsere Grenzen deckt. Mit seinem Könige an der Spize wird sich Preußens Volk ein wahres Volk in Waffen fühlen! Unsere Gegner irren sich, wenn sie meinen, Preußen sei durch innere Streitigkeiten gelähmt. Dem Feinde gegenüber ist c3 einig und stark; dem Feinde gegenüber gleicht sich aus, was sich entgegenstand, um demnächst im Glück und Unglück vereint zu bleiben.

Ich habe alles getan, um Preußen die Leiden und Opfer eines Krieges zu ersparen, das weiß mein Volk, das weiß Gott, der die Herzen prüft. Bis zum lezten Augenblicke habe Ich, in Gemeinschaft mit Frankreich, England und Russland, die Wege für eine gütliche Ausgleichung gesucht und offen gehalten. Oesterreich hat nicht gewollt, und andere deutsche Staten haben sich auf seine Seite gestellt. So sei es denn. Nicht Mein ist die Schuld, wenn Mein Volk schweren Kampf kämpfen und vielleicht harte Bedrängnis wird er= dulden müßen: aber es ist uns keine Wahl mehr geblieben! Wir müßen fechten um unsere Existenz, wir müßen in einen Kampf auf Leben und Tod gehen gegen diejenigen, die das Preußen des großen Kurfürsten, des großen Friedrich, das Preußen, wie es aus den Freiheitskriegen hervorgegangen ist, von der Stufe herabstoßen wollen, auf die seiner Fürsten Geist und Kraft, seines Volkes Tapferkeit, Hingebung und Gesittung es empor gehoben haben.

Flehen wir den Allmächtigen, den Lenker der Geschicke der Völker, den Lenker der Schlachten an, daß Er unsere Waffen segne!

Verleiht uns Gott den Sieg, dann werden wir auch stark genug sein, das lose Band, welches die deutschen Lande mehr dem Namen als der Tat nach zusammen hielt, und welches jezt durch diejenigen zerrißen ist, die das Recht und die Macht des nationalen Geistes fürchten, in anderer Gestalt fester und heilvoller zu erneuen. Gott mit uns!

Berlin, den 18. Juni 1866.

Wilhelm.

13. Anordnung eines Kriegsbettags; Cabinetsorder vom

18. Juni.

(Karl Winterfeld, Geschichte des Krieges von 1866, S. 145-146.)

Es hat Gott nicht gefallen, Meine Bemühungen, die Segnungen des Friedens Meinem Volfe zu erhalten, mit Erfolg zu krönen. Eingedenk der schweren Verantwortung, welche die Entscheidung über Frieden und Krieg auf Mein Gewißen legt, und der großen Opfer, mit welchen der Krieg die Wolfahrt und das Familienglück vieler Tausende, hier und drüben, bedroht, habe Ich keinen Weg unversucht gelaßen, einen ehrenvollen und für die Zukunft des gesamten deutschen Vaterlandes segensreichen Frieden zu erhalten und auf sicheren Grundlagen neu zu befestigen. Gott hat es anders gefügt. Zu Ihm kann. Ich aufblicken, wenn Jch unter Anrufung Seines allmächtigen Beistandes das Schwert ziehe zur Verteidigung der teuersten Güter Meines Volkes. Mein Volk ohne Unterschied des Bekenntnisses wird auch jezt zu Mir stehen, wie es in den Zeiten der Gefahr zu Meinem in Gott ruhenden Vater und zu Meinen Vorfahren, glorreichen Andenkens, treu gestanden hat Aber ohne des Herrn Hülfe vermögen wir nichts. Vor Ihm und Seinen hei= ligen Gerichten wollen wir uns in Demut beugen, uns der Vergebung unserer Sünden durch Christi Verdienst neu getrösten und von Ihm Heil erflehen. So gereinigt und gestärkt können wir ge= trost dem Kampfe entgegen gehen. In diesem Gefühle Mich Eins zu finden mit Meinem ganzen Volke ist Mein festes Vertrauen. Ich beauftrage Sie daher, das Erforderliche zu veranlaßen, daß am Mittwoch, den 27. Juni d. J., ein allge= meiner Bettag gehalten und mit Gottesdienst in den Kirchen, sowie mit Enthaltung von öffentlichen Geschäften und Arbeit, soweit die

Not der Gegenwart es erlaubt, begangen werde. Gott aber gebe dazu Seinen Segen. Zugleich soll während der Dauer des Krieges im öffentlichen Gottesdienste dafür besonders gebetet werden, „daß Gott unsere Waffen zur Ueberwindung unserer Feinde segne, uns Gnade gebe, auch im Kriege uns als Christen gegen sie zu verhalten, durch seines Geistes Kraft sie zur Versöhnung mit uns neige und durch seinen allmächtigen Beistand uns bald wiederum zu einem redlichen, gesegneten und dauernden Frieden für uns und das ganze deutsche Vaterland verhelfe.“

14. Das Gegenzeugnis des Kronprinzen, nachmaligen Kaisers Friedrich.

(R. Hahm, Daz Leben Mir Dunders, Berlin 1891, S, 373-74.)

Die am 23. Februar [1866] erfolgte plögliche Schließung des Abgeordnetenhauses war bei der völligen Ergebnislosigkeit der Verhandlungen, angesichts der bis zum Bruche gespannten Verhältnisse zwischen Preußen und Desterreich zur Notwendigkeit geworden. Wer jedoch verschuldete diese Spannung und diesen Bruch? Der Kronprinz jedenfalls sah in dem Vorgehen Bismarcks nur Tollkühnheit und Frivolität. Seine Absicht sei, eine große Verwirrung, eine europäische Umwälzung herbeizuführen, weil er sich anders nicht halten könne. Er wolle den Krieg, um sich den inneren Schwierigkeiten zu entziehen; das sei unmoralisch, heiße mit dem Schicksale Preußens spielen. Auch vor revolutionären Hülfsmitteln werde er, im Falle einer Einmischung Frankreichs, nicht zurückscheuen. Den Krieg wolle auch der König, aber nicht die Revolution; der allmächtige Minister jedoch lenke den König, wie es ihm gefalle. Einen gerechten, einen Verteidigungskrieg scheue auch er, der Kronprinz, nicht; jezt aber handle es sich einzig darum, sich um jeden Preis der Herzogtümer zu bemächtigen; den Herzog zu verderben, das sei von Anfang an Bismarcks Gedanke gewesen; die Februarforderungen seien nur gestellt gewesen, um verworfen zu werden. . . . Der Krieg mit Oesterreich würde ein Bruderkrieg sein. Er wiße wol, daß Preußen seine Stellung durch Friedrich den Großen, mittelst Krieges gegen Desterreich, gewonnen habe, allein es sei heute nicht mehr an der Zeit, es ebenso zu machen. . . . . Der Kronprinz sprach fortwährend von

dem verderblichen Kriege; er gab in diesem Sinne jezt, wie im Sommer des vorigen Jahres, in dem die Kriegsfrage beratenden Conseil vom 28. Februar sein Votum gegen den Krieg ab.

15. Graf Moltke über die wahre Ursache des Krieges von 1866.

(Generalfeldmarschall Helmuth Graf von Moltke, Geschichte des deutsch-franzöft, schen Krieges von 1870-71, Berlin Mittler und Sohn, 1891, S. 426).

Der Krieg von 1866 ist nicht aus Notwehr gegen die Bes drohung der eigenen Existenz entsprungen, auch nicht hervorgerufen durch die öffentliche Meinung und die Stimme des Volkes; es war ein im Cabinet als notwendig erkannter, längst beabsichtigter und ruhig vorbereiteter Kampf, nicht für Ländererwerb, Gebietserweiterung oder materiellen Gewinn, sondern für ein ideales Gut — Machtstellung. Dem besiegten Desterreich wurde kein Fuß breit seines Territoriums abgefordert, aber es mußte auf die Hegemonie in Deutschland verzichten.

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