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rial abgegrenzt, indem sie diese Rechte in Holstein an Oesterreich übertrug, ebenso wie die in Schleswig an Preußen, ohne irgend eine Art von Regierungsrechten auszunehmen. Die Berufung einer Ständeversammlung ist ein Regierungsrecht, aber kein höheres Regierungsrecht als das Recht der Gesetzgebung. Dieß lettere Recht hatte Preußen einige Monate vorher in Schleswig ausgeübt, indem es Demonstrationen für den Erbprinzeu bei schwerer Strafe untersagte, obschon Preußen sowol als Desterreich, wie oben gezeigt, 1864 den Erbprinzen für den Bestberechtigten erklärt hatte.

Es war billig, daß in der im Juni brennenden Krisis Holstein durch seine verfaßungsmäßigen Organe zu Worte kam. . . . Eine entscheidende Stimme über die Erbfolge hat Oesterreich den holsteinischen Ständen nicht eingeräumt, und es liegt keine Andeutung vor, daß es eine solche ihnen eingeräumt haben würde, wenn sie zusammengekommen wären. Erst wenn Desterreich dieß getan hätte, würde es der Gasteiner Convention und Preußens Rechten entgegen gehandelt haben.

8. Die Schuld Oesterreichs. Standpunkt der bundestreuen Mittelstaten.

(Friedrich Ferdinand Graf von Beust, Aus Drei Viertel-Jahrhunderten, 1. S. 412-414)

Angesichts der vorstehenden Betrachtungen [darüber daß die Frage, wer im Juni 1866 Recht gehabt habe, schon im vorhinein durch den längst zuvor, mittelst des Bündnisses Preußens mit Italien gegen ein Bundesglied, vollzogenen Bundesbruch in unbestreitbarer Weise zu Ungunsten Preußens entschieden war] verlieren die Einzelheiten dessen, was sich in der ersten Hälfte 1866 zutrug, sehr an Interesse. Sie waren mehr oder minder logische Consequenzen dessen, was 1865 geschehen war, insbesondere des . . . Umstandes, daß Oesterreich zum Bund und zu der durch dessen Majorität vertretenen Augustenburger Sache erst dann zurückkehrte, nachdem es erst den Bund im Verein mit Preußen lahmgelegt und dann zu Gunsten Preußens das Gasteiner Abkommen getroffen hatte, welches für Desterreich eine unklare und prekäre Stellung, für Preußen den Anfang seiner klaren und bleibenden Befißergreifung bedeutete.

Desterreich also kehrte zu dem Bunde zurück, und der Bund wußte Geschehenes zu vergeßen, allein die logischen Folgen begangener

Handlungen vermag keine Umkehr abzuwenden. Drei Jahre früher hatte Desterreich gesagt: „Ich kann in einer Angelegenheit des Bundes den Bund nicht abhalten, meine Anträge zu verwerfen, ich kann ihn nicht zwingen, mit mir zu gehen; aber nichts hindert, mich als europäische Macht mit Preußen zu verbinden und das zu tuen, was der Bund nicht will." Jeßt sagte Preußen: „Ich bin im Begriff, mich mit Oesterreich zu entzweien und möglicher Weise den Streit im Wege der Gewalt auszutragen. Die Bundesacte verbietet wol unter den Bundesgliedern die Selbsthülfe, aber nichts hindert mich als europäische Macht zu handeln." Daß der Eine in einem solchen Falle weiter geht als der Andere, ändert im Principe nichts. Der wesentliche Unterschied zwischen der europäischen Stellungnahme Desterreichs 1863 und der europäischen Stellungnahme Preußens 1866 bestand darin, daß die preußische dem eigenen Interesse entsprach, die österreichische dagegen dem eigenen Interesse widersprach.

Die oft geschmähten deutschen Mittelstaten aber, welche sich mehrenteils entschiedener Misgunst nicht nur Seitens der Berliner, sondern auch Seitens der Wiener Presse zu erfreuen gehabt hatten, nahmen dem drohenden Conflict gegenüber eine Haltung ein, welche fern von Ueberhebung, fern von Parteinahme, fern von Preußenfeindlichkeit, aber auch fern von Kleinmut, den correcten bundesmäßigen Standpunkt und zugleich auf das Unzweideutigste die Sache des Friedens vertrat. Denn das darf mit vollster Gewisheit ausgesprochen werden: keine einzige der deutschen Regierungen wollte den Krieg, aber nicht alle begriffen die Notwendigkeit, jener oben erwähnten bundestreuen Haltung den Nachdruck vereinter militärischer Bereitschaft zu geben.

Behntes Kapitel.

Preußische Geheimbündeleien mit den oppositionellen und revolutionären Elementen der zu bekämpfenden Länder.

1. Die geheimen Beziehungen der königl. preußischen Regierung zu der Kaffeler Kammeropposition während des kurhessischen Verfaßungskampfes.

A.

Der königl. preußische Minister Graf Bernstorff') sucht eine Steuerverweigerung in Kurheffen zu Stande zu bringen. (Februar 1862.)

(Friedrich Oetker, Lebenserinnerungen, Kassel 1885, 111, S. 268-69.) Im Februar 1862 hatte sich der Redacteur Jungermann, ein geborener Kurhesse, von Frankfurt nach Berlin begeben, um sich dort umzuhören und über manches Aufschluß zu erlangen. Durch Vermittelung Fauchers, der in London beim Grafen Bernstorff eingeführt gewesen war, hatte er eine Audienz bei dem Grafen erlangt und wollte nun von diesem sehr bemerkenswerte Aeußerungen und Wünsche, ja Aufforderungen vernommen haben. Er eilte spornstreichs nach Kassel, berief dort am 25. Februar und in den folgenden Tagen mehrere vertrauliche Versammlungen, in denen er sich aber sehr offenherzig ausließ, ja, wie ein Berichterstatter es ausdrückte, sich geradezu wie „ein Agent" Bernstorffs benahm. Insbesondere empfahl er dringend allgemeine Steuerverweigerung; ja er ließ bei Vertrauten noch weit

Ernsteres durchblicken..

Unter solchen Umständen fand ich mich veranlaßt, Jungermann selbst um einen Bericht über den Vorgang zu bitten. Er entsprach auch meinem Wunsche sofort. Seine Darstellung klang zwar etwas anders als die Schilderung anderer; aber jedes Falles gewann ich die Ueberzeugung, daß er, obwol sich Bernstorff über die undiplo

1) Vergl. S. 111, Anmerkung.

matische Auffaßung und Anwendung seiner Andeutungen nicht ge= freut haben mochte, doch bei dem Minister des Auswärtigen gewesen war und dieser ein großes Interesse hatte, sich auf Vorgänge der wachsenden Unzufriedenheit in Hessen berufen zu können. Die Richtigkeit meiner Auffaßung be stätigte sich später, als ich selbst eine lange Unterredung mit dem Grafen Bernstorff hatte. Der Minister leugnete nicht, Herrn Jungermann empfangen zu haben, beklagte sich aber über „indiscretes Benehmen“, so daß er habe „desavouieren“ müßen; ein gewisser Kern von Wahrheit blieb jedoch hinsichtlich der Steuerverweigerung" augenscheinlich, ja zweifellos bestehen.

B.

"

Die „verfaßungstreue“ kurheffische Kammeropposition erhält die preukische Parole, „die Tür offen zu halten“ (Juni 1862). (Fr. Detter, a. a. D. Ill, S. 308-9.)

[Durch Patent vom 21. Juni 1862 hatte der Kurfürst von Hessen, den betreffenden Bundesbeschlüßen entsprechend, die Verfaßung vom 5. Januar 1831 wieder hergestellt, aber nicht das Ministerium angenommen, welches ihm die verfaßungstreue" Opposition im Vunde mit Preußen aufnötigen wollte. Darob große Entrüstung der Berbündeten. In einem preußischen Ministerrat vom 23. Juni sprach sich der König sogar dahin aus, „daß in Hessen eingerückt werde" (Oetker a. a. O. 111. S. 307), ohne jedoch mit dieser da= mals noch ganz verfrühten und unklugen Ansicht durchzudringen. Oetker selbst, der Führer der „Verfaßungstreuen", war schleunigst nach Berlin geeilt, wo er am 24. Juni Unterredungen mit dem Minister Bernstorff und anderen hatte, über die er folgendes berichtet:]

. . . Ich bemerkte, daß ich mir das Ergebnis der Beratung vom 23. sehr wol erklären könne, falls kein weiteres Ziel obgewaltet habe; ich müße aber doch auf die Natur des neuen Ministeriums aufmerksam machen und dringend wünschen, daß Preußen die Sache dauerud im Auge behalte und der Verfaßungspartei auch ferner seine moralische Stüße angedeihen laße. „Verlaßen Sie sich darauf, das wird geschehen,“ erwiderte Graf B[ernstorff] mit Wärme. Ein weiter gehender Plan habe in der Tat nicht vorgelegen. Ich entwickelte nun sofort was noch geschehen müße, z. B. wegen des Oberappellationsgerichts, der provisorischen Geseze 2c. Fast überall war der Graf fast völlig einverstanden. Gleich darauf sprach ich auch den Grafen v. Usedom. Der meinte

mit einer gewissen ironischen Heiterkeit: „Ja, wenn die Tür offen ist, kann man sie doch nicht noch einrennen wollen!" Man müße aber die Tür offen halten, über alles „Buch führen“ u. s. m.

C.

Der kgl. preußische Ministerpräsident v. Bismarck organisielt eine fortlaufende Verbindung mit der „verfaßungstrenen“ Opposition in Kurheffen (Oktober 1862).

(Fr. Detter, a. a. Q. 111, S. 334 ff.)

Am 15. Oktober 1862 [also bereits 3 Wochen nach Eintritt Bismarcks in das preußische Ministerium] hatte ich meine erste Unterredung mit Bismarck. [Es handelte sich dabei zunächst um die Gewinnung der kurhessischen „Verfaßungstreuen“ für den ohne Mitwirkung der andern Zollvereinsstaten abgeschloßenen Handelsvertrag Preußens mit Frankreich und die in Verbindung damit geplante Umbildung der Verfaßung des Zollvereins, welche die Action für die preußische Spiße einleiten sollte] . . .

Sehr wichtig bei diesem Plane [sagte Bismarck] sei natürlich Kurhessen. . . . Wie ich darüber denke, und wie sich die Stände verhalten würden? Ich bemerkte, daß . . ich dafür einstehen zu können glaubte, daß eine an Einstimmigkeit grenzende Mehrheit des Landtages, wenn nicht volle Einhelligkeit (die nachgehends wirklich erzielt wurde) für Preußen sich aussprechen werde, falls dieß nur, wie das ja wol zu erwarten sei, in der Verfaßungsangelegenheit sich fernerhin des Rechtes annehme. Die Stellung Preußens zu dieser Angelegenheit, bemerkte B., der über meine Zusage sichtlich sehr erfreut war, werde unverändert bleiben; im Gegenteil, be absichtige er noch einen verstärkten Druck zu üben“, und zwar „von Frankfurt aus". Ich fragte, ob es ihm nicht ratsam erscheine, daß Preußen wieder in Kassel vertreten werde. Meines Erachtens sei dieß von großer Bedeutung; vielleicht empfehle es sich, wenigstens einen gewandten außerordentlichen Bevollmächtigten zu senden, mit welchem ich stete Fühlung zu behalten wünschen müße. Bismarck machte mir nun eine eingehende Mitteilung über diesen Gegenstand; die Abneigung des Königs stehe noch im Wege. Aber eine besondere Sendung werde sich machen laßen. Graf Eulenburg sei dazu ganz der Mann; kurz nach oder vor Eröffnung der Stände werde ein

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