Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

diesem erlauchten Kreiße es gerne noch einmal aus, was ich in meiner legten Tronrede öffentlich erklärt habe, daß ich es nicht bloß als die Aufgabe der deutschen, sondern als die erste Aufgabe der europäischen Politik Preußens erachte, den Territorialbestand sowol des Gesamtvaterlandes als der einzelnen Landesherren zu schüßen. An dieser Aufgabe werde ich mich durch nichts beirren laßen, auch durch den Umstand nicht, daß die Entwickelung der inneren Politik, die ich für Preußen als unerläßlich erkannt habe, sowie meine Auffaßung mehrerer Fragen der inneren deutschen Politik von den Auffaßungen einiger meiner hohen Bundesgenoßen abweichen möge. Die Erfüllung jener nationalen Aufgabe, die Sorge für die Integrität und Erhaltung Deutschlands, wird bei mir immer obenan stehen.

Ueber die Loyalität meiner Bemühungen, die Kräfte des deutschen Volkes zu gedeihlicher Wirksamkeit zusammenzuhalten, kann kein Zweifel bestehen. Sie haben niemals die Absicht, das völkerrechtliche Band, welches die deutschen Staten umfaßt, zu erschüttern. Wiederholt habe ich erklärt, daß eine Reform des Bundes nur unter gewißenhafter Wahrung der Interessen aller erstrebt werde, und die lezten Acte meiner Regierung werden keinen Zweifel gelaßen haben, daß ich den gegenwärtigen Augenblick für eine Reform dieser Art nicht für geeignet erachtet habe...

8. Die Regierung des Prinzregenten, nachmaligen Königs Wilhelms I. von Preußen über die italienischen Annexionen. (Note des preußischen Ministers des Auswärtigen Frhrn. von Schleiniz an den preußischen Gesandten zu Turin, Grafen Brassier de St. Simon.)

(General Alphons La Marmor a, Etwas mehr Licht. Enthüllungen über die politischen und militärischen Ereignisse des Jahres 1866. Deutsche Ausgabe, Mainz 1873,

Herr Graf!

S. 6-9.)

Coblenz, 13. October 1860.

Indem die Regierung Sr. Majestät des Königs von Sardinien uns durch Vermittelung ihres Bevollmächtigten in Berlin das Memorandum vom 12. September hat mitteilen laßen, hat sie uns anscheinend bewegen wollen, ihr den Eindruck zu erkennen zu geben, welchen ihre leßten Acte und die Principien, wonach sie selbige zu rechtfertigen gesucht, auf das Cabinet Sr. Kgl. Hoheit des PrinzRegenten hervorgebracht haben.

Wenn wir heute erst auf diesen Schritt antworten, so werden Ew. Excellenz von vornherein die Beweggründe zu dieser Verzögerung zu würdigen gewußt haben; denn einerseits wißen Sie, wie sehnlich wir die guten Beziehungen mit dem Turiner Cabinet aufrecht zu erhalten wünschen, und andererseits sind die Grundregeln unserer Politik Ihrem Geiste zu gut gegenwärtig, als daß Sie nicht im voraus die tiefe principielle Verschiedenheit hätten empfinden müßen, welche jede Auseinanderseßung notwendiger Weise zwischen uns und der Regierung des Königs Victor Emanuel zu Tage fördern mußte. Aber Angesichts des alltäglich rascheren Ganges der Ereignisse, dürfen wir ein Stillschweigen nicht weiter fortseßen, welches bedauernswerte Misverständnisse veranlaßen und ein falsches Licht über unsere wirklichen Gesinnungen verbreiten könnte.

Um also irrigen Auffaßzungen vorzubeugen, werde ich Ihnen auf Befehl Sr. Kgl. Hoheit des Prinz-Regenten, ohne Rückhalt den Gesichtspunkt darlegen, nach welchem wir das jüngste Vorgehen der sardinischen Regierung und die in ihrem vorerwähnten Memorandum entwickelten Principien beurteilen.

Alle Beweisgründe dieses Actenstückes zielen auf das Princip von dem absoluten Recht der Nationalitäten ab. Gewis sind wir weit entfernt, den hohen Wert der nationalen Idee zu bestreiten. Sie ist, wir gestehen es offen, eine wesentliche Triebfeder unserer eigenen Politik, welche sich in Deutschland stets die Entwickelung und Vereinigung der nationalen Kräfte zu einer lebenskräftigeren und mächtigeren Organisation zum Ziele gesteckt hat. Obwol daher die preußische Regierung dem Nationalitätsprincipe eine größere Wichtigkeit beilegt, so kann sie daraus doch nicht die Rechtfertigung einer Politik herleiten, welche auf die dem Principe des Rechtes schuldige Achtung verzichtete. Im Gegenteil, weit entfernt, diese beiden Principien als unvereinbar zu betrachten, hegt sie vielmehr die Ansicht, daß eine regelmäßige Regierung einzig und allein auf dem gesetzlichen Wege der Reformen, und unter Hochhaltung der bestehenden Rechte die legitimen Wünsche der Nationen verwirklichen darf. Nach dem sardinischen Memorandum sollte alles den Anforderungen nationaler Bestrebungen weichen, und hätten dann die bestehenden Autoritäten, so oft sich die öffentliche Meinung zu Gunsten dieser Bestrebungen aussprechen würde, einfach ihre Gewalt zu Gunsten einer solchen Kundgebung niederzulegen.

Eine den elementarsten Regeln des Völkerrechtes so diametral entgegengesette Marime ließe sich nicht ohne die schwersten Gefahren für die Ruhe Italiens, das politische Gleichgewicht und den Frieden Europas in Anwendung bringen. Durch ihre Unterstüßung verläßt man den Weg der Reformen, um sich auf den Weg der Revolution zu stürzen. Nun hat die Regierung Sr. Majestät des Königs von Sardinien einzig auf Grund des absoluten Rechtes der italienischen Nationalität, ohne irgend ein anderes Motiv beizubringen, vom Heiligen Stuhle verlangt, daß er seine nicht italienischen Truppen entlaße, und ohne nur eine abschlägige Antwort abzu= warten, einen Einfall in die päbstlichen Staten unternommen, von welchen sie im gegenwärtigen Augenblicke die größere Hälfte im Besize hält. Unter dem gleichen Vorwande hat man die Aufstände unterstüßt, die im Gefolge jener Invasion allenthalben emporloderten; hat man das Heer, welches der Heilige Vater zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gebildet hatte, angegriffen und zerstreut, und anstatt auf dem eingeschlagenen Wege stille zu halten, hat die sardinische Regierung, dem internationalen Rechte zum Troy, ihrer Armee den Befehl erteilt, auf verschiedenen Punkten die Grenzen des Königreichs Neapel zu überschreiten, um eingestandenermaßen der Insurrection die Hand zu bieten und das Land militärisch zu beseßen. Zu gleicher Zeit liegt den sardinischen Kammern ein Gesezentwurf vor, welcher auf neue Annerionen kraft der allgemeinen Volksabstimmung abzielt und auf diese Art die Bevölkerungen Italiens auffordert, förmlich den Abfall von ihren Fürsten zu erklären. Dergestalt scheut die sardinische Regierung, troßdem sie sich immerfort auf das Princip der Nichtintervention zu Gunsten Italiens beruft, in ihren Beziehungen mit den übrigen italienischen Staten nicht vor den flagrantesten Verlegungen desselben Princips zurück.

Weil man uns einmal aufgefordert, uns über solche Handlungen und solche Principien auszusprechen, so können wir sie nur gründlich und aufrichtig auseinanderseßen, und glauben wir eine unabweisbare Pflicht zu erfüllen, wenn wir die Principien und die Anwendung, die man glaubte davon machen zu können, in der entschiedensten und förmlichsten Weise misbilligen.

Indem ich Ew. Hochgeboren ersuche, dem Herrn Grafen Cavour vorstehende Depesche vorlesen und ihm Abschrift davon geben zu wollen, benuge ich die Gelegenheit u. s. w. Schleiniz.

9. Bayern und Sachsen erklären Frankreich gegenüber, fest und streng am deutschen Bundesrechte festhalten zu wollen. (Karl Friedrich Graf Vißthum von Eckstädt, London, Gastein und Eadowa' 1864-1866, Stuttgart 1889, S. 56 ff.)

[Graf Bißthum 1) von Eckstädt berichtet über seinen Aufenthalt in Paris an den Minister von Beust 2), dd. London, 26. Januar 1865.]

Herr von Wendland [der bayerische Gesandte am Hofe Napoleons 111] hat mir dann mit der Versicherung, keinem seiner Collegen ein Wort davon gesagt zu haben, anvertraut, Herr Drouyn de Lhuys 3) habe ihm vor Kurzem eröffnet, die französische Regierung sei sehr geneigt, sich mit den deutschen Mittelstaten zu verständigen, fürchte jedoch, sich zu compromittieren, da man voraussehe, alle derartige Eröffnungen würden in Berlin denunciert werden, falls ernste Verwickelungen sämtliche deutsche Staten dahinführen sollten, sich auf die Seite der beiden Großmächte zu stellen. Herr von Wendland versichert, hierauf erwidert zu haben: Bayern sei vor allen Dingen deutsch, und eine Erneuerung des Rheinbundes eine politische und moralische Unmöglichkeit, was des Nachweises nicht bedürfe. „Ich wiederhole den Franzosen fortwährend“, fügte der bayerische Gesandte hinzu, „nichts könnees rechtfertigen, wenn eine deutsche Regierung nur daran denken wollte, fremde Hülfe gegen einen Bundesgenoßen herbeizurufen, solange der Bund besteht“....

[Graf Bißthum erklärte dem französischen Minister Drouyn de Lhuys:]

1) Karl Friedrich Graf Vißthum von Eckstädt, geboren 13. Januar 1819 zu Dresden, Diplomat und Schriftsteller, war 1853–1866 königl. sächsischer Ministerresident zu London, wurde daneben von seinem damaligen Chef, dem Minister von Beust, zu verschiedenen Missionen verwandt und trat später mit demselben in österreichische Dienste.

2) Friedrich Ferdinand von Beust, geboren 13. Januar 1809 zu Dresden, gest. 23. October 1886 zu Altenberg in Niederösterreich, war 1849-1866 fönigl. sächsischer, 1866-1871 f. f. österreichisch- ungarischer Minister des Auswärtigen; in lezterer Eigenschaft wurde er 1867 zum Reichskanzler und 1868 in den Grafenstand erhoben.

3) Edouard Drouyn de l'Huys, geb. 19. Nov. 1805 zu Melun, gest. 1. Merz 1881 zu Paris; wiederholt, insbesondere 1862-1866, kaiserl. französischer Minister des Auswärtigen.

„Es ist nicht nötig, einem Statsmanne von Ihrem Scharfblicke es weiter zu begründen, daß alles, was an eine zweite Auflage des Rheinbundes erinnern könnte, heutzutage ein Anachronismus sein würde. Die Schlachten von Austerlig und Jena hatten den Rheinbund möglich gemacht. Heute würde sich eine jede deutsche Regierung, die auf dergleichen der Vergangenheit angehörende Ideen zurückgreifen wollte, unrettbar selbst aufgeben. Wir haben es vor Kurzem bewiesen. Sie wißen, daß wir eine ziemlich ernste Krisis bestanden haben. Man hatte versucht, uns einzuschüchtern [Anspielung auf die preußische Bedrohung der Kgl. sächsischen BundesexecutionsTruppen in Holstein]. Auf unser gutes Recht gestüßt, haben wir einem mächtigen Gegner gegenüber es darauf ankommen laßen. Der König [von Sachsen] und seine Minister, das Volk und die Armee waren überzeugt, daß die Bundesgeseße hinreichen würden, uns vor jedem Gewaltacte zu schiißen, und niemand hat daran gedacht, die Hülfe des Auslandes gegen einen deutschen Bundesgenoßen in Anspruch zu nehmen. Unsere Stärke liegt in dem guten Recht, das wir verteidigen und für dessen Verteidigung wir immer alles aufs Spiel segen werden. Wir ziehen es vor, mit Ehren unterzugehen, als unsere Existenz zu verlängern auf Kosten unserer Unabhängigkeit und unserer Bundestreue."

10. Der Deutsche Bund.

(Friedrich Ferdinand Graf von Beust, Aus Drei Viertel-Jahrhunderten, Erinnerungen und Aufzeichnungen. Stuttgart 1887, 1, S. 421.)

War denn dieser Deutsche Bund wirklich etwas so Entset= liches? Tatsache ist es, daß während der fünfzig Jahre seines Bestandes der äußere Friede ungestört blieb und Deutschland in keinen Krieg verwickelt wurde. Wol sagt man, daß dieses glückliche Resultat vornehmlich dem langwährenden Zusammengehen von Oesterreich und Preußen zu danken gewesen sei. Gewis! Aber dieses Zusammengehen war durch den Bund geschaffen und ermöglicht, welcher das Bindeglied war. So lange jenes Zusammengehen Dauer hatte, gab es keine Regierung in Deutschland, die ein anderes Programm ge= kannt hätte, als den Anschluß an die vereinten beiden Mächte. Erst nachdem nach 1848 man in Preußen, unter verschiedenen Formen, aber stets mit gleicher Consequenz, die Richtung des allmählichen

« ZurückWeiter »