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werde, welche seit dem 27. v. M. einen erhöhten Stand angenommen haben." (H. Schulthess, Ergänzungsheft zu dem Geschichtsfalender 1865, S. 40.)

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Auch dießmal konnte Graf Bismarck nicht umhin, auf den öfterreichischen Vorschlag wenigstens scheinbar einzugehen, war aber von vornherein bemüht, sich die nötigen Hintertüren offen zu halten, indem er am 21. April erwiderte, der König werde die Reduction der erhöhten preußischen Heeresteile nur in demselben Maße und in denselben Zeiträumen bewirken laßen, in welchen die ent= sprechende Verminderung der Kriegsbereitschaft der faiserl. österreichischen Armee tatsächlich vor sich gehen wird", und indem er zugleich die Vorausseßung aussprach, daß die von andern deutschen Regierungen begonnenen militärischen Vorbereitungen wieder abgestellt" würden. (H. Schulthess, a. a. D. S. 42.) Damit war auf alle Fälle die Möglichkeit zu allen etwa nötigen Reclamationen, Verzögerungen und Zwischenfällen gegeben. Graf Bismarck war, wie der italienische Gesandte Barral am 19. April an La Marmora berichtete, sehr unzufrieden mit der friedlichen Wendung, welche der Conflict zu nehmen scheint“ (La Marmora, a. a. D. S. 149), auch erschien es Barral sowol wie Govone, „daß er durch den österreichischen Vorschlag verblüfft und durch die neue friedliche Phase... sichtlich entmutigt" sei (La Marmora, a. a. D. S. 151.)

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Bald aber gewann er wieder Oberwaßer und zwar durch die auffallend herausfordernden kriegerischen Nachrichten, welche gerade jest aus Italien kamen, ganz Europa allarmierten und die öster= reichische Regierung am 22. April zu dem Beschluß veranlaßten, ihre italienische Armee auf den Kriegsfuß zu sehen, von diesem Schritt jofort (23. April) in Berlin Mitteilung zu machen und dort (26. April) erflären zu laßen, daß diese Vorbereitungen nur Angesichts der Eventualität eines Kampfes gegen die Italiener getroffen werden, und daß wir unverzüglich zur Ausführung des Vorschlages der gegen= jeitigen Abrüstung zu schreiten beginnen werden, sobald wir die Versicherung erhalten haben, daß die Regierung Sr. Majestät des Königs die Maßregeln, welche wir zu ergreifen gezwungen sind, um einen Angriff unserer Nachbarn im Süden abzuwehren, keinen Einfluß auf die Wiederherstellung des vorigen Standes der Beziehungen zwischen Desterreich und Preußen ausüben laßen wird." (H. Schulthess, a. a. D. S. 44.)

Daß jener Lärm nicht den wirkligen damaligen Fortschritten der italienischen Rüstungen entsprochen habe, darf den Versicherungen La Marmoras (Etwas mehr Licht, S. 156 ff.) und v. Sybels (Die Begründung des Deutschen Reiches, IV, S. 345 ff.) geglaubt werden; seine Uebertriebenheit ist aber damals und seine Herkunft ist bis heute unaufgeklärt geblieben. Es ist daher auch jezt noch der Verdacht keineswegs beseitigt, dem ein sehr scharfer und gut unterrichteter Beobachter der damaligen Krisis alsbald in positiver Form

folgenden Ausdruck gab: „9. Mai. Wiederum eine interessante Neuigkeit von A. in Berlin. Der König ist durch die österreichische Note vom 18. April in seiner Ansicht, daß er von jener Seite zum Kriege provociert werde, schwankend geworden und hat beschloßen, dem Antrage auf gemeinschaftliche Abrüstung alles Ernstes bei= zustimmen, gegen Bismarcks lebhafteste Opposition. Das Resultat war die preußische Note vom 21. April, worin die jenseitigen Vorschläge angenommen werden. Zu gleicher Zeit hat dann aber Bismarck an das italienische Ministerium die Mitteilung gelangen laßen, er könne jezt seinerseits keinen Vorwand mehr auffinden, um Desterreich zum Kriege zu nötigen; man möge daher jegt in Italien anfangen und möglichsten Lärm schlagen. Die italienischen Journale wurden demgemäß entsprechend instruiert; aus der seitherigen ruhigen beobachtenden Haltung ward plöglich ein gewaltiger Kriegslärm,

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lauter Worte, hinter denen nichts steckte. In Wien aber ließ man sich durch dieß Geschrei dupieren; der Kaiser, der nie aus Ueberlegung, sondern stets nur nach Laune und momentanen Eindrücken handelt, befahl die schleunigsten, großartigsten Rüstungen in Italien; mit überstürzender Eile wurden große Militärmassen nach Venetien dirigiert, und siehe da schon am 28. April konnte Freund Bismarck dem Wiener Cabinet seine Ueberraschung aussprechen, daß troß der Zusage vom 18. die Rüstungen fortdauern, und die Bemerkung beifügen, daß die in Italien versammelten Truppen mittelst der Eisenbahnen sehr rasch nach Böhmen und Schlesien be fördert werden könnten. Die Wahrheit dieser Geschichtserzählung wird mir ausdrücklich verbürgt." (Tagebuch - Blätter aus dem Jahre 1866. Erlebtes und Durchdachtes von einem deutschen Statsmanne, Darmstadt und Leipzig 1867, S. 9-10).

In der Tat hieß es in der vom 30. April datierten Antwort Preußens auf die österreichische Note vom 26. April: „Wir hoffen, daß die kaiserliche Regierung demnächst durch nähere Ermittelungen die Ueberzeugung gewinnen werde, daß ihre Nachrichten über die aggressiven Absichten Italiens unbegründet waren, und daß sie alsdann zur effectiven Herstellung des Friedensfüßes in der gesamten kaiserlichen Armee schreiten und uns dadurch zur Genugtuung Sr. Majestät dasselbe Verfahren ermöglichen werde." (H. Schulthess, a. a. D. S. 56). Diese Zumutung konnte aber Desterreich jezt schon deshalb nicht mehr erfüllen, weil Italien mittlerweile bereits am 29. April seine sämtlichen kriegspflichtigen Mannschaften unter die Fahnen gerufen hatte. (H. Schulthess, a. a. D. S. 54.)

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Oesterreich teilte daher unter dem 4. Mai dem Berliner Cabinet mit, daß es Angesichts dieser preußischen Zumutung die Verhandlungen über eine gleichzeitig Abrüstung für erschöpft halten müße", formulierte aber in derselben Note seinen friedfertigen, rein defensiven Standpunkt noch einmal folgendermaßen: „Durch die von uns in Berlin wie in Frankfurt erteilten feierlichen Versicherungen steht fest,

daß Preußen von uns keine Offensive, Deutschland keinen Bruch des Bundesfriedens zu besorgen habe. Ebensowenig beabsichtigt Oesterreich Italien anzugreifen, wiewol die Losreißung eines Teils des österreichischen Statsgebietes das bei jeder Gelegenheit offen ausgesprochene Programm der Florentiner Regierung bildet. Dagegen ist es unsere Pflicht, für die Verteidigung der Monarchie zu sorgen, und wenn die Regierung Preußens in unsern Defensivmaßregeln gegen Italien ein Motiv erblickt, ihre eigene Kriegsbereitschaft aufrecht zu erhalten, so bleibt uns nur übrig, dieser Pflicht, die keine fremde Controle zuläßt, Genüge zu tuen, ohne uns in fernere Erörterungen über die Priorität und den Umfang einzelner militärischer Vorkeh= rungen einzulaßen. Daß wir übrigens nicht bloß die Integrität unseres Reiches, sondern auch das Gebiet des Deutschen Bundes gegen eine Offensive Italiens sicher zu stellen haben, wird man sich in Berlin nicht verhehlen können, und wir dürfen und müßen im Interesse Deutschlands die ernste Frage stellen, wie Preußen das Verlangen, daß wir die deutschen Grenzen unbewacht laßen sollen, mit den Pflichten einer deutschen Macht vereinbar finden könne." (H. Schulthess, a. a. D. S. 58-59).

So waren die Verhandlungen über Rüstung und Abrüstung zwischen Oesterreich und Preußen endgültig gescheitert. Dasselbe Resultat hatten ähnliche Auseinanderseßungen zwischen Preußen einerseits und den Königreichen Sachsen und Württemberg andrerseits. Es folgte auf die Periode der Kriegsvorbereitungen diejenige der förmlichen Mobilmachungen.

Italien mobilisierte, wie bereits erwähnt, schon seit dem 29. April. Preußen folgte ihm am 4. Mai, dem Tage, an welchem die zulet erwähnte österreichische Note nach Berlin gieng, mit der Mobilisierungsorder für das 3., 4., 5., 6., 8. und das Gardecorps sowie dem Befehl der Kriegsbereitschaft für die übrigen Armeecorps nach. Am 6. Mai ergieng in Oesterreich der Befehl, die ganze Armee mobil zu machen die Südarmee unter dem Erzherzog Albrecht mobilisierte und sammelte sich bereits seit dem 22. April und die Nordarmee unter Feldzeugmeister Benedek an der böhmischen und schlesischen Grenze zu concentrieren. Am 8. Mai dehnte Preußen die Mobilmachung auch auf das 1., 2. und 7. Corps aus, sodaß sie nunmehr die ganze Armee umfaßte, und ordnete am 10. Mai auch für sämt= liche 9 Armeecorps die Einberufung der Landwehr an, eine Maßregel, die bei der in der ganzen Monarchie herrschenden starken Gegnerschaft gegen die Bismarck'sche Abenteuerer-Politik überall heftigen Widerwillen erregte und in manchen Provinzen, namentlich in den Rheinlanden und Ostpreußen, zu den gewalttätigsten Excesssen der Einberufenen führte (H. Schulthess, a. a. Ö. S. 75). Von den deutschen Mittel- und Kleinstaten mobilisierten seit dem 10. Mai Bayern, Sachsen, Hessen-Darmstadt, Württemberg und Baden. Ein von den Mittelstaten am 19. Mai am Bunde gestellter gemeinsamer

Antrag auf gleichzeitige Abrüstung sämtlicher Bundesglieder und zwar an einem in der Bundesversammlung zu vereinbarenden Tage, wurde von lepterer zwar am 24. Mai einstimmig angenommen, erreichte aber dennoch nur das gerade Gegenteil seines Zweckes, da die in der folgenden Sigung des Bundestags vom 1. Juni gemachten Mitteilungen Desterreichs und Preußens über die Voraussetzungen ihrer Bereitwilligkeit zum Abrüsten den lange drohenden Sturm endlich entfeßeln sollten.]

Achtes Kapitel.

Das Congress-Project und Frankreichs weiteres Verhalten.

1. Der äußere Verlauf des Congress-Planes und die Neutralen, insbesondere Russland.

[Die Idee Napoleons 111., durch einen europäischen Congress dem drohenden Kriege vorzubeugen, tauchte zuerst am 8. Mai auf (La Marmora, a. a. D. S. 216) und hielt in_den_folgenden Wochen die ganze internationale Diplomatie in lebhafter Spannung.

Am 24. Mai erließen Frankreich, Groß-Britannien und Russland an Oesterreich, Preußen, Italien und den Deutschen Bund die förmliche Einladung, in der es hieß: Es handelt sich darum, im Interesse des Friedens auf diplomatischem Wege die Frage der Elbherzogtümer, diejenige des italienischen Zwistes, endlich diejenige der Bundesreformen, soweit dieselben das europäische Gleichgewicht interessieren könnten, zu lösen." Der Congress sollte sobald als möglich und zwar in Paris zusammentreten, und es wurde in der Einladung das Vertrauen zu den streitenden Mächten ausgesprochen, daß, falls sie der Einladung zustimmten, sie ihre Rüstungen wenn nicht rückgängig machen, so doch auch nicht fortseßen würden. (Aegidi und Klauhold, Die Krisis des Jahres 1866, S. 46). Napoleon sezte sein Congress-Programm nachträglich in einem Schreiben vom 11. Juni an seinen Minister Drouyn de Lhuys wie folgt auseinander: „Was uns betrifft, so hätten wir für die zum Deutschen Bunde gehörigen Staten zweiten Ranges einen engeren Zusammenschluß, eine mächtigere Organisation, eine wichtigere Rolle gewünscht; für Preußen mehr Abrundung und Macht im Norden; für Oesterreich die

Aufrechterhaltung seiner großen Stellung in Deutschland. Außerdem würden wir gewünscht haben, daß Desterreich gegen eine gleichwertige Entschädigung [es war PreußischSchlesien gemeint] Venetien an Italien hätte abtreten könen.“ (Aegidi und Klauhold, a. a. D. S. 54).

Für den Grafen Bismarck war die Congress-Idee eine Quelle großer Verlegenheit und schwerer Besorgnisse, da er Frankreichs noch immer nicht völlig sicher war, auch von gewissen, weiter unten zu erwähnenden österreichisch-französischen Verhandlungen gehört hatte und fürchten mußte, Napoleon wolle Italien wieder von Preußen trennen, indem er vermittelst des Congresses den Krieg bis zum Ablauf des preußisch-italienischen Bündnisses (8. Juli) verzögere. Gleichwol begriff er, daß er die Einladung annehmen müße, um die kriegerischen Absichten Preußens nicht allzusehr vor Europa bloßzustellen. Aber er tat es äußerst widerwillig und in der Hoffnung, daß der Congress, wenn er überhaupt zu Stande käme, doch zu nichts führen werde. Wir werden nur Zeit haben, unsere Rüstungen zu beendigen, und von dem Congress weg gehen wir in den Krieg", jagte er am 19. Mai zu dem italienischen Gesandten Barral (Lá Marmora, a. a. D. S. 225).

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Desterreich befreite aber durch einen der grösten Fehler, die seine Diplomatie damals begieng, den Grafen aus diesen Nöten, indem die kaiserliche Regierung am 1. Juni ihre Vertretung auf dem Congress davon abhängig machte, „daß alle Mächte, welche an der geplanten Vereinigung Teil nehmen sollen, gleich ihr bereit seien, dort kein Sonderinteresse zum Nachteil der allgemeinen Ruhe zu verfolgen", und „daß von den Beratungen jede Combination ausgeschloßen bleiben werde, die darauf abzielen würde, einem der jegt zu der Vereinigung eingeladenen Staten eine territoriale Vergrößerung oder einen Machtzuwachs zu verschaffen." (Aegidi und Klauhold

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S. 48). Diese Erklärung, welche neben dem Vorzug der Würde und Ehrlichkeit den Fehler hatte, vor, statt im Laufe des Congresses abgegeben zu werden, ließ die Neutralen auf den Congress verzichten, eine Entschließung, von der die Welt am 4. Juni von Paris aus verständigt wurde.

Das Scheitern des Congresses an dem Vorbehalte Desterreichs hinterließ bei den Neutralen eine Verstimmung gegen Oester = reich. Der König von Preußen verfehlte nicht, dem Kaiser von Russland alsbald „sein Bedauern über die Erfolglosigkeit des Versuches zur Versöhnung" auszudrücken, und der italienische Gesandte am Petersburger Hofe konnte schon am 5. Juni nach Hause melden: Der Wind tehrt sich gegen Desterreich" (La Marmora, a. a. D. 6. 270).

Freilich durfte Russland schon bisher nichts weniger als zu den Freunden Oesterreichs und des deutschen Bundesrechtes

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