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Herrör.

,Das lügst du, o Todter! Nicht lass Odim dich
Heil in dem Hügel für diesen Betrug!

Nicht Willens bist du, den Tyrfing zu lassen
Als Erbe von dir dem einzigen Kind!"

Geist.

„Es neiget sich Hålgrind (Todtenreich), die Hügel sich öffnen,

Rings flammet in Feuer die Insel empor,

Eil' schnell, o Maid, zu den Schiffen davon!"

Herrör.

,,Lass rings in Feuer die Insel stehn,

Nicht bebet das Herz in dem Busen mir!

Nicht zaget der Maid der Muth in der Brust,

Steht auch in der Grabthür dein drohender Geist!"

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Geist.

Ich sage dir Herrör! und hör' du mich an,

Weise Tochter, die Zukunft verkünd' ich:

Es wird dieser Tyrfing, das glaube mir nur,

All deinen Stamm, o Maid, verderben."

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Einen Sohn wirst du haben, der Tyrfing wird tragen

Im Heldenmuthe vertrauend der Kraft;

Den werden Heydeek die Leute heissen,

Den kühnsten Helden unter dem Himmelszelt."

Herrör.

„Ich zaubre Euch so, ihr todten Männer,

Dass Ruh' ihr nicht habt in trauriger Gruft,

Gibst das Schwert du nicht, Angentyr, aus dem Grab, Den Hasser der Helme, Hialmars Mörder!"

Geist.

,,Nicht dacht' ich, dass wäre so männlich dein Muth, Du junge Maid, die die Gräber besucht!

Mit gegrabnem Ger und dem Schwerte geschmückt, Mit dem Helm und der Brünn' vor der Grabesthür!"

Herrör.

„Für männlich schon galt mir der Muth in der Brust, Eh' euren Saal zu besuchen ich kam;

Heraus aus dem Hügel den Hasser der Helme,
Das Zwergegeschmeid, nicht ziemt dir's su hehlen!"

Geist.

An der Schulter liegt mir der Mörder Hialmars,

Rings ist die Klinge mit Lohe beleckt;

Keine Maid weiss ich auf Mitgards Auen,

Die das Schwert nicht bang zu schwingen sich scheute!"

Herrör.

„Ich will ihn hüten, zu Händen ihn fassen,
Den scharfen Stahl, wenn ich heben ihn kann;
Nicht fürchtet das brennende Feuer die Maid,
Ist rings auch von Lohe der Stahl jetzt beleckt!"

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Geist.

Thörichten Sinns bist Herrör du wahrlich,

Dass frevelnden Muths in das Feuer du stürzest;
Und geben will ich die Waffe dir lieber,
Junge Maid, nicht weigern dir will ich's!"

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Herrör.

Wohl thust du daran, o Wikingerfürst,

Dass das Schwert heraus aus dem Hügel du holst!

Ich will sie hegen, die theure Waffe,

Und gäbst du mir Norweg, nicht nähm' ich's dafür!“

Geist.

,,Nicht weist du den Wechsel der Zukunft bis jetzt, Junge Maid, nicht hast du Grund dich zu freu'n;

Der Tyrfing wird, das glaube mir nur,

All deinen Stamm, o Maid, zerstör❜n!"

Herrör.

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Fahren will ich zum fluthenden Meer,

Nun ist fröhlichen Muthes das Königskind!

Wenig fürcht' ich, Wikingerfürst,

Was meine Söhne dereinst noch erleiden!"

Geist.

„Du sollst ihn haben und lange lieben,

Habe in Huld den Mörder Hialmars!

Rühr nicht an die Schneiden, Gift ist in Beiden Viel Uebles noch wird der Männermesser stiften.

Fahr wohl, o Tochter, gern gäbe ich dir
Zwölf Männer Leben, hätt'st nur du geglaubt!
Kraft und Glück und all das Gut,

Das Arngrims Söhne zum Erbe liessen!"

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Herrör.

Wohnet ihr Alle, fort treibt es mich nun, Heil in dem Hügel! Von hinnen will ich! Heimisch fühlte mein Herz sich zu Muth, Als ringsum Feuer mich lodernd umflammten.“

Quelle von Fischarts,,Jesuitenhütlein."

Was Jacob Grimm von Hans Sachs sagt, dass „er Alles dichte und doch Nichts erdichte" (Haupt, Zeitschrift für deutsches Alterthum 2, 258), gilt auch in vollstem Masse von Fischart. Die meisten seiner Schriften sind Nachbildungen oder vielmehr Bearbeitungen mehr oder weniger bedeutender Vorbilder, denen er jedoch das Gepräge seines eigenthümlichen Geistes aufgedrückt hat. So ist „Aller Practick Grossmutter" durch Rabelais' „Pantagrueline Prognostication" und wie Gödeke nachgewiesen hat, durch die „Practica practicarum" des Franciscaners Nass hervorgerufen worden; seine „Geschichtschrift" oder „Geschicht klitterung" ist eine Erweiterung des ersten Buchs der „Vie de Gargantua et de Pantagruel" von Rabelais, deren siebentes Capitel im zweiten Buch ihm die Idee zum ,, Catalogus Catalogorum" gegeben hat. Das „Podagrammisch Trostbüchlein," so wie das „Philosophisch Ehzuchtbüchlein" enthalten meist nur mehr oder weniger freie Uebersetzungen verschiedener Schriften des Alterthums und der späteren Zeiten; der „Bienenkorb" beruht auf dem „Byenkorf" des geistreichen Philipp von Marnix, Herrn von St. Adelgonde; das „Reveille Matin," das „Ausschreiben der Ständ in Franckreich," die „Daemonomania," der „Bannstrahl, der „Meuchelmord" sind Uebersetzungen; der ,,Eulenspiegel" endlich und der Ritter von Stauffenberg sind Bearbeitungen früherer deutscher Dichtungen. Die übrigen Werke, der „Nachtrab," der „Barfüsser Sectenund Kuttenstreit," die „Flöhhetz," das Glückhafft Schiff und das „Jesuitenhütlein" werden allgemein und

von allen Literaturhistorikern für vollständig freie Schöpfungen Fischarts gehalten, und ich selbst habe noch vor kurzer Zeit sein „Jesuitenhütlein" als sein vollständigstes Eigenthum bezeichnet;) und doch ist auch dieses, wie ich eben entdeckt habe, durch ein fremdes Vorbild hervorgerufen worden, was vielleicht auch bei noch andern der eben erwähnten Dichtungen der Fall sein mag.

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Die Quelle des Jesuitenhütleins" ist nämlich ein kleines französisches Gedicht, welches im Jahre 1576 erschien unter dem Titel: „Blason, légende et description du Bonnet Carré, avec les proprietez, composition et vertus d'icelluy" (o. O. u. Jr. 14 Seiten in 160); es wurde zwei Jahre später in Lyon, par Pierre Hazart, au Port St. Georges, 1578" (13 Seiten 8o) mit einigen Veränderungen wieder abgedruckt. Der Druck von 1576 schliesst mit einer „,Elegie sur le Bonnet Carré," die der Ausgabe von 1578 fehlt, wogegen diese ein Sizain" und ein ,,Quatrain" hat, die sich in dem ersten Druck nicht vorfinden. Die erste Ausgabe wurde in den „Joyeusetez" von Techener, die zweite im „Journal de l'amateur de livres" von Veinant (1850 tome 3 p. 189-204), wiederholt; zuletzt gab Anatole de Montaiglon im „Recueil de poésies françoises des XVe et XVIe siècles morales, facétieuses, historiques" (Par. 1855, 5 T. 12o) T. 1 p. 265 das Gedicht mit Benutzung der beiden Drucke heraus. Anatole de Montaiglon hat die Bedeutung des Gedichts nicht verstanden, wie aus der Note hervorgeht, die er seiner Ausgabe beifügt. „Cette pièce," sagt er, „écrite contre les gens d'église plus que contre les gens de loi, et peut-être un peu protestante, a eu deux éditions" u. s. w. Allerdings wird die Bedeutung und Tendenz des französischen Gedichts erst recht klar, wenn man die Fischartsche Bearbeitung damit vergleicht; allein auch ohne diese zu kennen, muss man bei aufmerksamer Betrachtung zur Ueberzeugung kommen, dass der französische Dichter die Jesuiten im Sinne hatte; und da in der Zeit, in welcher die Satyre erschien, eine solche unmöglich von einem Katholiken herrühren konnte, so kann es

*) Deutsche Dichter und Prosaisten. Erste Abtheilung. Leipzig 1863. S. 379.

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