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unter den naturwissenschaftlichen Büchern des Mittelalters eine hohe Stelle ein, sie können auch als die ersten einigermassen beachtenswerthen naturwissenschaftlichen Bücher in deutscher Sprache betrachtet werden. Die zweite Schrift ist 1861 von Fr. Pfeiffer, die erste von W. Wackernagel 1851 in der Bibliothek des literarischen Vereins herausgegeben und schon deshalb nicht allgemein zugänglich. Es ist daher gewiss Manchem angenehm, in der oben genannten Schulschrift einen kurzen Auszug aus jenen zu erhalten : Megenbergs Schrift zeichnet sich durch systematische Anordnung und reichhaltigen Stoff aus. Es versteht sich von selbst, dass richtige Beobachtung mt wunderlichem Aberglauben vermischt erscheint; aber gerade diese Mischung macht die Lecture interessant.

Zur Geschichte des patriotischen Liedes. II. Von Professor Hallensleben. Programm des Gymnasiums zu Arnstadt.

1862.

Das Schriftchen ist Fortsetzung der im Programm von 1855 begonnenen Abhandlung. Mit Recht bemerkt der Verfasser, dass unmittelbar nach dem Eintritt der grossen nationalen That der Reformation leider das dogmatische Interesse so überwiegend in Deutschland wurde, dass nationale Dichtung keinen Anklang bei der Gesammtheit hätte finden können. Mit gleichem Rechte hebt er aber auch den wackern Patrioten Fischart hervor, der in bittrem Unmuth seine Zeitgenossen schilt; ihm verwandt an Ernst der Gesinnung ist Bartholomäus Ringwald in der lauteren Wahrheit. Die Zeit des dreissigjährigen Krieges führt uns dann eine Reihe von Dichtern vor, die an Lobe des deutschen Volkes es nicht fehlen lassen und von nationalem Sinne in dieser unnationalen Zeit Zeugniss abzulegen scheinen. Aber ihre Poesie ist die Poesie der Phrase, der gelehrten Form; auf welcher Seite der charakterschwache Opitz steht, ist selten aus seinen Gedichten zu erkennen, seine Ermahnungen sind allgemeiner Art, seine Klagen über die Kriegsleiden entbehren aller bestimmten Zeichnung, er malt oder vielmehr beseufzt seine persönlichen Widerwärtigkeiten, nicht das grosse nationale Unglück Die andern Dichter der Zeit sind durch ihre Gesinnung grösstentheils ehrenhafter als Opitz, aber bei ihrer Abhängigkeit von ihm machen sie sich seiner Schwächen in gewisser Beziehung theilhaftig. Auch Zinkgrefs ,,Vermahnung zur Tapferkeit" ist nicht aus lebendigem Patriotismus hervorgegangen; und der Dichter Georg Greflinger ist froh, dass er sich aus dem verwüsteten Vaterlande retten kann. Georg Schottel in „Germaniens Todtenklage" erhebt sich nicht über müssiges Klagen und mattherziges Moralisiren. Selbst Andreas Gryphius betrachtet die Zustände mehr aus allgemein menschlichem als aus national deutschem Gesichtspunkte und Karl Flemming in seinem trefflichen Strafsonnet wendet sich nur an einen Theil des Volkes. Doch sind diejenigen Dichter für die gesinnungsvolleren Patrioten zu halten, welche die Sache ibrer Glaubensgenossen zur Sache des Vaterlandes machen, wie Flemming, Weckherlin und Jacob Balde; jene zeigen eine kampflustige Stimmung, diese stolze Ruhe.

Die dramatischen Aufführungen auf dem ehemaligen Martineum zu Braunschweig gegen Ende des 17. und im Anfange

des 18. Jahrhunderts. Von Dir. Dr. G. T. A. Krüger. Programm des Obergymnasiums zu Braunschweig. 1862. Die Abhandlung des Verfassers von 1860 die Primaner-Arbeiten gegen Ende des 17. und im Anfange des 18. Jahrhunderts" hat bereits im Archiv eine Anzeige gefunden. Aus derselben Sammlung, aus welcher jene Abhandlung hervorgegangen war, hat der Verfasser den Stoff für vorliegendes Programm entlehnt Wie jenes, so hat auch dies Interesse für die Čulturgeschichte und die Geschichte der Pädagogik insbesondere, weniger für die Geschichte der deutschen Literatur, weshalb eine kurze Anzeige genügen moge. Die hier auszugsweise und übersichtlich mitgetheilten dramatischen Aufführungen sind nicht sowohl vollständige und regelrechte Dramen, als eine Reihe von Vortragen, allerdings an einen gewissen Mittelpunkt sich anlehnend, aber häufig nur in einem losen Zusammenhang, die Chronologie wenig beachtend; diese Reden, in welche lyrische Parthien eingemischt sind, sind theils lateinisch theils deutsch, jene sich durch eine grosse Fertigkeit im Gebrauch der Sprache und durch antiquarische Kenntnisse, diese durch Schwerfälligkeit sich auszeichnend; dazwischen kommen auch prosaische Stücke in andern Sprachen, griechisch, französisch, lateinisch, vor. Auf die Zeitgeschichte wird ofters angespielt, und man sieht daraus, wie die Jugend über die Zeitereignisse patriotisch urtheilt.

Klopstockii scholae Portensi vale dicentis oratio. Recensuit A. Hagemann. Programm des Gymnasiums zu Spandau. 1863.

Aus dem bekannten Buche von Cramer über Klopstock hat der Verfasser die Abschiedsrede Klopstocks in dieser Schulschrift abdrucken lassen, damit aber den Pfortner Abdruck von 1845 verglichen und mit philologischer Akribie die Varianten dem Text untergesetzt; dieselben sind sehr unbedeutend, der Verfasser hat aber auch das Kleinste nicht verschmäht, orientales st. Orientales, oceani st. Oceani, stylus st. stilus, und selbst sorgfaltigst alle Druckfehler in den beiden Drucken, prorsas st. prorsus, Enropa st. Europa, Chr.istianum st. Christianum u. s. w. verzeichnet, so dass die Schulrede wie nur irgend ein Alter jetzt in einer kritischen Ausgabe uns vorliegt. Der Herausgeber hofft, dass durch dieselbe die Schuljugend zum erhöhten Studium des Lateinischen werde angeregt werden, und um diesen sprachlichen Eifer zu unterstützen, folgen nun im zweiten Theile des Programms Musterperioden aus Caesar, Livius, Nepos, Cicero.

Emendationes Sophocleae duae et Schilleriana una. Von Dir. Dr. K. W. Müller. Programm des Gymnasiums zu

Rudolstadt. 1861.

In der Jungfrau von Orleans IV, 1 ändert der Verfasser die übliche Interpunktion und schreibt:

Dass der Sturm der Schlacht mich fasste,
Speere sausend mich umtönten!

In des heissen Kampfes Wuth

Wieder fand' ich meinen Muth.

So seien die Verse auf dem Weimarer Theater mit Göthe's Zustimmung gesprochen.

Ueber N. Lenau's Geistesprocess. Eine Studie von Karl Landsteiner. Programm des Josephstädter Gymnasiums. Wien 1862.

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Die Schrift ist von Anfang bis Ende in dithyrambischem Schwunge geschrieben und bietet des Interessanten genug dar. In Anfange vergleicht der Verfasser König und Dichter, und beginnt: „Bei allen Völkern, welche noch nicht vom Gift einer überfeinerten Cultur angefressen oder durch Revolutionen und Zeitungen verdorben sind, giebt sich eine heilige Scheu vor den Dichtern kund." Aber im Grunde, heisst es weiter, ist alle Poesie Wahnsinn. Woher kam nun der endliche tragische Ausbruch bei Lenau? Was mich betrifft, so glaub' ich nicht, dass die entsetzliche Katastrophe durch damonischen Einfluss sollte herbeigeführt worden sein nein!" Sondern Lenau musste so enden, weil seine Dichtung Herzblut ist, weil seine Poesie sein Herz selbst brechen musste. Aus dem „damals geknechteten" Oesterreich fuhr er nach Stuttgart, „fast immer findet man ihn im Postwagen, in dem gemüthlichen, aber langweiligen Postwagen der alten Zeit, in die Ecke gedrückt, die nie ausglühende Cigarre zwischen den Zähnen u. s. w." „Jeder ächte Dichter ist unglücklich." Seine Melancholie, seine Skepsis macht ihn Byron ähnlich, doch wollen wir die Parallele mit Byron nicht zu Tode hetzen." Lenau ist Oesterreichs grösster Poet, Anast. Grün kann sich mit ihm nicht messen, die übrigen österreichischen Dichter schon gar nicht. Die österreichische Literatur ist nicht arm. Man trifft sehr viel Geist, sehr viel Witz, sehr viel Gefühl. Eines aber fehlt in bedauerlichem Grade oder fehlte doch bis zur Stunde die Gesinnung, die Energie der Ueberzeugung. Die österreichischen Schriftsteller wollen selten Farbe bekennen. Aber Lenau's Poesie ist feuriger ungemischter Tokayer. Nun lässt der Verfasser einen kurzen Lebensabriss folgen, aber ganz aphoristisch mit fortwährender Unterbrechung durch Briefcitate und zahllosen Gedankenstrichen und Ausrufungszeichen, immer in höchster Emphase; nur mitunter kommt eine ruhigere Stelle vor, wie folgende Bemerkung, die man gewiss für richtig, Mancher vielleicht auch für geistreich halten wird. Es heisst S. 15: „Ich erlaube mir hier eine Bemerkung und hoffe, dass man sie mir nicht übel nehmen wird. Es ist das so Sitte geworden, über Alles, man mag etwas davon verstehen oder nicht, frisch weg abzuurtheilen und dann im äussersten Falle sich hinter den Wall einer unantastbaren subjectiven Ansicht zu verschanzen. Was soll das? Hat die Menschheit einen Nutzen davon? Der Betreffende? Nein. Ehe man ein Urtheil fällt, muss man den Gegenstand kennen, über den man urtheilt. Das ist so natürlich und doch der Erwähnung werth. Der guten Sache wird mit einer oberflächlichen Abfertigung der als böse bezeichneten nicht gedient. Gar nicht!" Mit diesen gewiss sehr wahren Worten möge der Bericht des Ref. geschlossen werden.

Die französische Salonliteratur im siebzehnten Jahrhundert. Von Dr. O. Kallsen. Programm der Gelehrtenschule zu Ploen. 1862.

Der Charakter der französichen Salonliteratur im 17. Jahrhundert, die mit absichtlicher Verleugnung alles Nationalen an eine falsch aufgefasste

Antike, an das italienische und spanische sich sclavisch anschliesst, ist die Unnatur, die Unwahrheit, ein Haschen nach glänzenden Wortspielen bei Armuth des Gedankens und Leere des Gefühls. Der Poesie fehlte die Poesie selbst. Die Literatur ist deshalb eine sociale, eine Salonliteratur; das Hotel Rambouillet ist der glänzendste Vertreter dieser geistigen Richtung, über dessen Einfluss die letzten Hefte der Illustrirten Monatshefte uns sehr eingehende Mittheilungen gebracht haben. Tonangeber waren die Romane der Scudéry, voll schwülstiger Sprache, die Helden der Individualität entbehrend, breit, in die gesuchteste Sentimentalität ausartend. So ihr Cyrus, Clélie. Die Sprache der Salons war eine absonderliche, so dass Saumaize zwei Wörterbücher über dieselbe abzufassen für zeitgemäss hielt; die lächerlichen Redewendungen hat Molière witzig verspottet. (Les précieuses ridicules 1658.) Der galante witzelnde Briefschreiber dieser Zeit ist Voiture; die grossen politischen und religiösen Fragen der Zeit stehen ihm fern, er hat nichts als süsse Reden und leider ist diese schäferliche Sentimentalität nicht blosses Spiel geblieben, sondern hat entsittlichend auf die Zeit gewirkt. Sein unvollendeter Roman Acidalis et Zélide ist die Blasirtheit und Verrücktheit selbst. Sein einziges Verdienst besteht in der sorgfältig gefeilten Form; desbalb allein lobt ihn auch noch Boileau. Die Hohlheit der Zeit auch auf dem Gebiete des Wissens zeigt der halbgelehrte Briefsteller Balzac (1594 bis 1654); sein Bestreben ging auf graziösen, vollklingenden Bau der Periode, sonst ist auch er unwahr. Neben beiden wandelten viele Sterne zweiter und dritter Grösse, von Boileau und Molière verspottet, um die Sonne von Rambouillet; mark- und empfindungslose Phantasterei der Sprache, des Gefühls, der Gedanken kennzeichnet alle. Gegen diesen verbildeten literarischen Geschmack trat erst Molière in die Schranken und hat den Sieg davongetragen.

Johann Balthasar Schuppius. Von Dr. K. E. Bloch. Progranım der königlichen Realschule zu Berlin. 1863.

Das Todesjahr des Schuppius (1861) ist ungefeiert vorübergegangen; aber es scheint jetzt, was da versäumt ist, nachgeholt werden zu wollen. Eben in diesem Jahre ist in Bamberg die Schrift von Ernst Oelze: „J. B. Schuppe erschienen. Wie weit diese mit der obengenannten Abhandlung übereinstimmt oder von ihr abweicht, vermag Ref., dem sie noch nicht zu Gesicht gekommen ist, nicht anzugeben. Er begnügt sich, die hauptsächlichen Resultate obiger Schulschrift, die überall eine grosse Belesenheit bezeugt, weiteren Kreisen mitzutheilen.

Schupp oder Schuppius war geboren zu Giessen 1610 1. März. 1625 bezog er die Universität Marburg. Die scholastischen Subtilitäten warf er bald bei Seite (S. 7. bei dem Citat: „Als wurde mir von meinem praeceptore recommandirt N. N." vermuthet der Verfasser, es scheine ein Wort ausgefallen; das scheint nicht der Fall zu sein, sondern das Wort „als" in der in Süddeutschland üblichen Bedeutung zu nehmen). Im dritten Jahre warf er sich auf das Studium der Theologie. Dann trat er Reisen an zu Fuss nach Königsberg, den Ostseeprovinzen, Litthauen, Polen, Kopenhagen, studirte ein halbes Jahr in Soroe, ging darauf weiter nach Stralsund und Greifswalde, in Soldatenkleidung nach Rostock, wo Peter Laurenberg sein Lehrer wurde. Ueber Hamburg, Lübeck und Bremen unter mancherlei Gefahren 1631 zurückgekehrt begann er seine Vorlesungen in Marburg. Bei ausbrechender Pest wurde die Üniversität verlegt, und Schuppius machte als Begleiter eines jungen Edelmanns eine Reise nach Köln und Holland,

hörte in Leiden Cl. Salmasius u. A., wurde aber von Dan. Heinsius, der ihn für einen Verwandten seines Antagonisten Scioppius hielt, nicht vorgelassen. Reich an Erfahrungen, mit hellem vorurtheilsfreiem Blicke kehrte Schupp von den langen Reisen zurück und wurde 1685 zum Professor der Geschichte und Beredtsamkeit in Marburg ernannt. Zehn Jahre lang bekleidete er dies Amt zum Segen der studirenden Jugend. Er wurde auch Licentiat, Prediger und 1645 Doctor der Theologie. Seine erste Gattin war die Tochter des Prof. Dr. theol. Helvicus in Giessen († 1617), der unter den Pädagogen des 17. Jahrhunderts eine hervorragende Stelle einnimmt. 1646 wurde er Hofprediger bei dem Landgrafen zu Hessen-Braubach. Von diesem zu den westphälischen Friedensverhandlungen abgesandt, hielt er auf Verlangen des Grafen Oxenstierna am 15. Oct. 1648 die erste Friedenspredigt zu Münster und 1649 die zweite, die ihm in der ganzen protestantischen Welt einen grossen Namen erwarben und fast collidirend mit einer Berufung nach Augsburg einen Ruf an die Jacobikirche in Hamburg veranlassten, dem er nach einer mehrmonatlichen Krankheit aller seiner Familienglieder im Juli 1649 folgte. Seine Predigten fanden einen ausserordentlichen Beifall, aber bald kam die Fülle des Unglücks über ihn, er verlor seine Gattin, aus den gemeinsten Triebfedern, hauptsächlich wegen Verdruss über die bei Schupp vollen Kirchen, über seine Freimüthigkeit traten viele Feinde, besonders sein College an der Petrikirche Möller, gegen ihn mit Verleumdung selbst seines reinen Charakters, seiner strengen Orthodoxie gegen ihn auf, verunglimpften ihn durch pseudonyme Pamphlete, hetzten den Pöbel auf, klagten ihn selbst bei theologischen Facultäten an, dass er sich beliebige Schriftstellernamen beilege, und verbitterten ihm unaufhörlich trotz der Befehle des Rathes, die theologischen Zänkereien zu schliessen, sein Leben. Obgleich Schupp sich tapfer wehrte, erlag er doch endlich diesen giftigen und versteckten Angriffen und starb 26. Okt. 1661. Er hatte sich 1651 zum zweiten Male verheirathet; aus beiden Ehen überlebten ihn Kinder. Seine Schriften sind die Hauptquelle zu seinem Leben, sie zeichnen seinen Charakter. Er war ein offener, wahrer, tief religiöser Charakter. Seine Schriften sind grossentheils Gelegenheitsschriften, hauptsächlich durch die masslosen Angriffe seiner Gegner veranlasst, volksthümlich im besten Sinne, wohl geeignet, die Leser über die nichtigen Freuden der gewöhnlichen Welt auf einen höheren Standpunkt zu erheben, voll gesunden Humors und doch tiefen Ernstes, der Stil meist fliessend, oft poetisch.

Herford.

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Hölscher.

Archiv f. n. Sprachen. XXXIV.

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