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Wie man wirklich geeignete Säuglingspflegerinnen gewinnt, hier in dem Sinne gerechnet, wie sie in der Schweiz als „,Vorgängerinnen" schon seit langer Zeit bekannt und geschätzt sind, d. h. Kinderpflegerinnen, die nach Beendigung der eigentlichen Wochenpflege in Tätigkeit treten, haben Ritter in Berlin (26) und besonders Hoffa (27) an dem von ihm geleiteten Säuglingsheim zu Barmen gezeigt. Sowohl das Angebot von Seiten junger Mädchen mit der Bildung der höheren Töchterschule zu den Ausbildungskursen war ein gutes, so dass alle Stellen eine Pflegerin auf fünf bis sechs Säuglinge besetzt werden konnten, wie auch die rege Nachfrage nach dort ausgebildeten Pflegerinnen bewies, dass ein wirkliches Bedürfnis vorliegt und der eingeschlagene Weg der richtige ist. Diese Pflegerinnen werden als Trägerinnen der Belehrung viel Nutzen stiften, natürlich kommen sie nur einem kleinen Teil der Bevölkerung zu gute; ob aus ihren Reihen, oder sonst bereits, die in Aussicht genommenen Bezirkspflegerinnen angestellt sind, darüber habe ich nichts in der Literatur gefunden.

Mehr an die Allgemeinheit wenden sich die Merkblätter, die von Seiten der Standesbeamten an alle Personen abgegeben werden, die eine Geburt anmelden. Durch den M. E. vom 14. Januar 1905 wurde ihre Verteilung angeregt, durch den bereits mehrfach erwähnten M. E. vom 16. Juni 1908 noch einmal besonders dringlich eingeschärft, und nach Dietrich (3) gibt es jetzt wohl kaum noch einen Kreis, in dem sie nicht durchgeführt ist.

Zu nennen wären hier ferner gemeinverständliche kurze Schriften über Säuglingsernährung und -Pflege. Neben einer ganzen Anzahl von solchen, deren Verfassern nach Keller selbst erst Belehrung not täte," sind zwei vorzügliche, aus der Feder von Schlossmann (28) und von Tugendreich (29) erschienen, deren allgemeine Kenntnis und Verbreitung dringend zu wünschen ist. Endlich ist zu erwähnen, dass in Solingen unter Selters Leitung vom 12.-26. September eine Ausstellung für Säuglings- und Kinderpflege stattfand, mit dem ausgesprochenen Zweck für Aufklärung und Belehrung zu sorgen (30).

Man kann also wohl sagen, dass in allem, was Belehrung und Aufklärung betrifft, d. h. das Hineintragen der notwendigen Kenntnisse in das gesamte Volk, von den höchsten bis zu den niedrigsten sozialen Schichten desselben, reges Leben und eifriger Fortschritt herrscht.

Die Quintessenz des Inhaltes der Belehrung stellt natürlich, entsprechend den oben skizzierten Ursachen der Säuglingssterblichkeit, die Ernährung und hier die Stillpropaganda dar. Die Erfahrungen, wie sie jetzt besonders reichlich auch in den Säuglingsfürsorgestellen gesammelt werden, bestätigen immer mehr, dass eine Unfähigkeit unserer heutigen Frauen zu stillen, wie man sie eine Zeit lang anzunehmen geneigt war, nicht besteht: in Barmen stillen z. B. nach Krieger 99,8 pCt. aller Frauen. Agnes Bluhm (33) hat die Verhältnisse genau zu studieren versucht und kommt zu folgendem Ergebnis: „1/3 der Frauen stillt ausreichend, 1/3 ist körperlich unfähig zu stillen, 1/ stillt nicht aus mangelnder Einsicht oder wegen der sozialen Verhältnisse". Hierbei ist als volle Stillfähigkeit allerdings verlangt, dass die Mutterbrust 9 Monate lang die ganze Nahrung des Kindes aufbringen soll; die Kinderärzte [Heubner (34)] stellen so hohe Anforderungen nicht und kommen daher zu einer Stillfähigkeit von mindestens 90 pCt. Das Streben geht nun dahin, wenigstens das erste Lebensvierteljahr, wenn es mit dem zweiten und dritten nicht möglich ist, für die natürliche Ernährung des

Säuglings ganz allgemein zurückzuerobern. Es muss dem Volksbewusstsein nahegebracht werden, dass auch heute noch die Fortschritte der ärztlichen Wissenschaft nicht entfernt an dem Punkt angelangt sind, dem Säugling, besonders während der ersten Lebensmonate, eine künstliche Nahrung darbieten zu können, die ihm die Muttermilch zu ersetzen imstande wäre, ja, dass es fraglich ist, ob dieses Ziel überhaupt jemals erreichbar sein wird" (Heubner). Die Zeiten, in denen man durch Darbietung einer keimfreien Milch, sei es nun einer keimfrei gewonnenen oder einer sterilisierten, alles Nötige getan zu haben glaubte, sind für die Wissenschaft vorüber und müssen es auch für das Volksbewusstsein werden. Diese Errungenschaften dürfen natürlich durchaus nicht vernachlässigt werden, da die künstliche Ernährung sich nie mehr wird ganz ausschalten lassen; im Gegenteil man ist, wie wir sehen werden, eifrig bemüht, sie weiter zu vervollkommnen und dem Volke nutzbar zu machen, denn ein grosser Teil der Ernährungsstörungen lässt sich auf diese Weise wirklich erfolgreich bekämpfen, nicht aber das grosse Gebiet der Ernährungsstörungen ex alimentatione mit seinen verhängnisvollen Folgezuständen, das den künstlich ernährten Säugling in so ungleich höherem Masse bedroht als den Säugling an der Mutterbrust. Der Glaube jedoch an die allein seligmachende Kraft steriler Kuhmilch muss erschüttert werden. Nicht zum wenigsten wird hierzu eine neue, grundlegende Arbeit von Rubner (36) „Ernährungsvorgänge beim Wachstum des Kindes" beitragen. Er fand, dass die natürliche Ernährung des Säuglings nicht eiweissreich, wie man früher annahm, sondern aussergewöhnlich eiweissarm ist; die unterste Grenze für das Wachstum liegt beim Säugling bereits bei etwas über 4 pCt. Eiweisskalorien, 7-8 pCt. genügen zum normalen Wachstum, während die Kuhmilchkost 27 pCt. Eiweisskalorien bietet. Die optimale Ernährung" nun, wie sie die Wachstumsernährung sein muss, gewährleistet nur die Muttermilch, jede künstliche Ernährung stellt an die von Rubner so benannte ,,Akkommodations- oder Funktionsbreite der Ernährung" hohe Anforderungen, eine Eigenschaft der Organismen, die für die Gesunderhaltung von grösster Bedeutung ist, die aber schliesslich auch versagt.

Entsprechend diesem Stande der Wissenschaft stehen unter den praktischen Massnahmen zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit im Vordergrund des Interesses zwei: die Säuglingsfürsorgestellen und die Milchküchen, mit welch letzteren die Versorgung mit einwandfreier Kuhmilch untrennbar verbunden ist. Um diese zunächst zu besprechen, so sind die Mittel und Wege klar erkannt und mit den wenigen Worten: Reinmelkung und Kühlung, Gewinnung von gesunden, speziell tuberkulosefreien Tieren, schnelle Verarbeitung und Abgabe (53) leicht kurz gezeichnet, doch stehen die hohen Kosten einer so unter allen Kautelen gewonnenen und bewährten Milch, wie viele Stimmen klagend hervorheben, der allgemeinen Lieferung hindernd im Wege. Wie traurig die Verhältnisse tatsächlich noch liegen, wie verbesserungsbedürftig die Milchversorgung ist, hat Aurnhammer (35) auf Grund von zahlreichen genauen Proben für München gezeigt. Der Ministerialerlass vom 16. Juni 1908 sucht für Preussen hier Hilfe zu bringen, indem er auf Grund eines Gutachtens der Wissenschaftlichen Deputation allgemein die Kontrolle und event. die Uebernahme der Milchversorgung der Städte durch ein kommunales Milchamt, eine Einrichtung, die z. B. in Stettin und Magdeburg bereits bestände, anregt, ebenso wie den Erlass entsprechender Polizeiverordnungen von Danzig berichtet Effler (37), dass sich eine solche in Vorbereitung befinde.

Eine Revision der „Grundsätze für den Verkehr mit Milch", die in dem Ministerialerlass vom 27. Mai 1899 niedergelegt sind, befindet sich übrigens nach Dietrich (3) gleichfalls in Vorbereitung.

Dies alles wird der Allgemeinheit zugute kommen, während sich fast ausschliesslich an die minderbemittelten Schichten, bei denen ja auch die Verhältnisse am schlimmsten liegen und die energischer Hilfe bedürfen, die nun zu besprechenden Massregeln, eben die Säuglingsfürsorgestellen und die Milchküchen, wenden. Ueber die historische Entwicklung dieser beiden aus Frankreich stammenden Einrichtungen im allgemeinen und speziell in Deutschland zu referieren, ebenso wie die bestehenden Anstalten aufzuführen, würde über die mir gezogenen Grenzen hinausgehen, alles in Betracht kommende, auch die später zu besprechenden Krippen, Säuglingswöchnerinnenheime, Säuglingskliniken, findet sich sehr eingehend bei Nesemann (31) zusammengestellt. Die einschlägigen deutschen Verhältnisse haben ferner in sehr eingehenden Referaten auf Grund einer Umfrage bei den Stadtverwaltungen bis 1907 Trumpp (32) und Salge (38) auf der 79. Naturforscher-Versammlung in Wiesbaden behandelt. Fast überall sind zuerst die Milchküchen bzw. Milchabgabestellen entstanden. Teils von Kommunen, teils von Wohltätigkeitsvereinen gegründet, teils auch gänzlich privater Wohltätigkeit Einzelner [conf. Lührssen (39)] entsprungen, sind gerade die Milchküchen dasjenige, was unserer Fürsorgebestrebung ein so buntscheckiges Bild verliehen hat. Trumpp zählte in Deutschland 64 solcher Anstalten, von denen 21 nur Milchverteilung ohne eigene Milchküche betrieben, 26 Milchküchen im Dienste einer ärztlichen Beratungsstelle standen, 17 aber ohne eine solche, meist ohne jede ärztliche Kontrolle, arbeiteten. Der Betrieb ist, wie aus den mitgeteilten Berichten der Anstalten hervorgeht, fast an jeder ein anderer, bald wird nur sterilisierte oder pasteurisierte Milch in Tagesportionen verabreicht (57), die Zubereitung der Nahrung aber dem Haushalt überlassen, bald werden trinkfertige Einzelportionen abgegeben, teils wieder nur bestimmte, feststehende Mischungen, die auch untereinander variieren, teils wird neben solchen auch jede andere, vom Arzt verordnete, künst liche Ernährungsform, den jeweiligen individuellen Verhältnissen des Säuglings angepasst, hergestellt. Wie die Herstellung, so ist auch die Abgabe verschieden. Bald wird die Milch ins Haus gebracht, bald muss sie abgeholt werden. Bald kommen als Abnehmer nur die unbemittelten Klassen in Betracht, bald steht die Milchküche allen Schichten gegen staffelförmige Preise für die Nahrung zur Verfügung, wobei dieselbe sich für die Unbemittelten meist erheblich niedriger als die rohe Marktmilch stellt so setzt z. B. Berlin 15 Pf. pro Liter zu -; vielfach wird sie diesen auch gänzlich kostenlos verabreicht.

Neu hinzugekommen sind 1908: Milchküchen in Karlsruhe (34), in Sandhausen bei Heidelberg und in Eberswalde, von denen erstere im Dienste einer Säuglingsfürsorgestelle steht, letztere beide ohne eine solche arbeiten.

Man ist sich nun darüber einig, dass die Milchküchen eine wesentliche und unentbehrliche Einrichtung der Säuglingsfürsorge darstellen, ganz besonders, wenn sie die Herkunft und die Beschaffenheit der ihnen gelieferten Milch dauernd kontrollieren und zweitens trinkfertige, nach Bedarf auch den jeweils obwaltenden Bedürfnissen angepasste Einzelportionen abgeben; innerhalb ihres Klientels haben sie auch unverkennbare Erfolge erzielt, von Trumpp tabellarisch zusammengestellt, wenn auch z. B. die Angabe, in Sandhausen, wo seit dem 1. Februar pasteurisierte

Milch nach der Methode von Nathan Strauss abgegeben wird, konnte bereits am 1. Juni festgestellt werden, dass die Säuglingssterblichkeit gegenüber der vorjährigen nur die Hälfte beträgt" [Lührssen (39)], mit aller Reserve aufzunehmen ist. Eine Gefahr aber bringen sie mit sich, nämlich, dass sie zu Konkurrenzanstalten der Brusternährung werden dadurch, dass den Müttern die Möglichkeit geboten wird, sich mühelos eine einwandfrei bereitete, künstliche Nahrung für ihr Kind zu verschaffen. Diese Gefahr besteht aber nur, sofern die Milchküchen ohne jede ärztliche Mitwirkung arbeiten und ihre Milch bedingungslos abgeben. Doch muss dem vorgebeugt bzw. begegnet werden, und darum stellen die Leitsätze in dem Ministerialerlass vom 16. Juni 1908 auch die Forderung auf, „mit ihnen (den Milchküchen) sind Auskunfts- und Fürsorgestellen organisch zu verbinden“.

Diese Fürsorgestellen sind die jüngste, aber unstreitig wirksamste Waffe im Kampf gegen die Säuglingssterblichkeit. Trumpp zählte 73 solcher Beratungsstellen, denen ich nur je eine in Berlin, Charlottenburg, Rixdorf und in Weissenburg i. Bayern hinzuzufügen wüsste. Weniger scheinen es Neugründungen zu sein, die die letzte Zeit gebracht hat, als vielmehr ein Sammeln und Verwerten der Erfahrungen mit den bisher entstandenen. Es kommen jetzt die Berichte über die Fürsorgestellen, und als Sammelstelle des Materials scheint sich die von Salge 1907 gegründete Zeitschrift für Säuglingsfürsorge zu entwickeln. Die Beratungsstellen sind prophylaktische Einrichtungen; ihr Zweck ist, erstens Rat zu erteilen in allem, was die Ernährung und Pflege des im ganzen gesunden Kindes bis zum Alter von einem Jahr betrifft diese Grenze wird meist überall streng innegehalten, Ausnahmen werden nur bei besonders schwächlichen Kindern gemacht —--, zweitens auf das Stillen hinzuwirken. Krankheitsbehandlung, mit Ausnahme leichter Ernährungsstörungen, die nur diätetische Massnahmen erfordern, wird mit Rücksicht auf die Interessen der praktizierenden Aerzte allgemein abgelehnt, nur Cohn (41) gibt an, dass er auch die Störungen, um derentwillen die Frauen seines Klientels doch einen Arzt nicht fragen würden, wie Wundsein, Schwämmchen, Nabelbruch, behandle. Ueberhaupt wollen die Fürsorgestellen nicht den Aerzten Konkurrenz machen, wenn es auch unter den Fürsorgeärzten nicht an Stimmen fehlt (Salge), die eine Erweiterung der ihnen so gezogenen Grenzen im Interesse der Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit wünschen, sondern sie wollen die alten, eingewurzelten Vorurteile bekämpfen, die zum Schaden der Kinder durch „Nachbarinnen, Grossmütter usw," verbreitet werden. Aber trotzdem die Fürsorgestellen sich streng an die ihnen zugestandenen Befugnisse halten, haben sie leider bisher vielfach mit einem geringen Entgegenkommen der Aerzte zu rechnen; sie klagen über die äusserst dürftigen Zuweisungen durch dieselben, ihre Zwecke und Ziele scheinen demnach noch nicht genügend bekannt zu sein und gewürdigt zu werden. Die Fürsorgestellen sind durchgehend Wohlfahrtseinrichtungen, ihre Inanspruchnahme und die von ihnen gewährten Unterstützungen tragen bei uns im Gegensatz zu Oesterreich (56) -- nicht den Charakter der Armenunterstützung, jedoch wird bei Gewährung von Unterstützungen die Bedürftigkeit festgestellt, und im allgemeinen als oberste Grenze für die Inanspruchnahme, auch nur des ärztlichen Rates, ein Einkommen von 2000 M. festgehalten Berlin hat 30 M. Wochenverdienst festgesetzt.

In den Sprechstunden werden die überwachten Kinder regelmässig gewogen, die erteilten ärztlichen Ratschläge werden dann noch durch eine, im

Dienst der Fürsorge tätige Schwester bei regelmässigen Hausbesuchen kontrolliert und erläutert; Diese Besuche haben sich allgemein als besonders segensreiche Einrichtung erwiesen.

Die bisherigen Erfahrungen in den Säuglingsfürsorgestellen haben nun wieder. gezeigt, wie gering das Volk den Wert des ärztlichen Rates einschätzt, nur die wenigsten Mütter opfern dafür die Zeit, die die Konsultationen in Anspruch nehmen, in der dritten Berliner Fürsorgestelle waren es z. B. nur 18 pCt. (42). Die übrigen Mütter kommen, weil sie materielle Vorteile erwarten, resp. entziehen sich der Fürsorge, sobald dieselben aufhören, etwa die Hälfte aller Fälle. Mit dieser Tatsache muss gerechnet werden. Die Beratungsstellen bedürfen eines Lockmittels, und ihrem Hauptzweck, das Stillen zu verbreiten, entsprechend geben sie es auch alle in der Form der Stillprämien, d. h. die stillenden Mütter erhalten, in den einzelnen Anstalten natürlich je nach der Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel verschieden lange, gewöhnlich aber nicht über das erste Halbjahr hinaus, und auch verschieden hohe Unterstützungen, meist Geld und zwar wöchentlich 2-4 Mk., manchmal auch Milch. Als erstrebenswert stellt sich aber eine, wenn auch noch so kleine Prämie auch im zweiten Halbjahr heraus, um nicht zu viele Säuglinge vorzeitig aus den Augen zu verlieren (54). Natürlich wird auch sonst die ganze ärztliche Autorität aufgeboten, um die Mütter zum Stillen zu bewegen, oder wenigstens ein allaitement mixte zu erreichen. Die Fürsorgestellen bestätigen die Erfahrungen von Jacobius (43) und Heubner (34), dass es oft nach wochenlanger Pause noch gelingt die Sekretion der Brüste wieder in Gang zu bringen, und haben davon in vielen Fällen zum Segen des Kindes Gebrauch gemacht, auch verschiedentlich Pflegemütter zum Stillen oder Mitstillen veranlasst. Erwähnen möchte ich hierbei noch, dass Taube (44) nach jahrelangen Erfahrungen gute Erfolge erzielt durch eine lokale Kräftigung der Nährorgane, nämlich durch Massage der Papille, und Jeschke (45) neuerdings durch Anwendung der Stauungshyperämie in sonst aussichtslosen Fällen die Milchsekretion in Gang gebracht zu haben glaubt. Erst wenn so alles versucht ist, um dem Kinde die natürliche Nahrung zu verschaffen, zu retten oder zu bewahren, wird, wenn es sich als nötig erweist, die künstliche Ernährung eingeführt wie es auch die Entschliessungen der Bayerischen Regierung ausdrücklich verlangen (55) und nun entweder die Nahrung trinkfertig durch die Milchküche abgegeben, die vollkommenste Institution, oder es wird Milch geliefert, manchmal auch Hafermehl, Nährzucker usw., gratis oder zu ermässigten Preisen. Bei einer derartigen Handhabung haben nun auch die Fürsorgestellen durchgehend erhebliche Frequenzsteigerungen zu verzeichnen, z. B. die erste Charlottenburger Fürsorgestelle (44) brachte es auf 2007 gegen 958 kleine Patienten im Vorjahr; desgleichen stieg allgemein die Prozentzahl der natürlich ernährten Kinder, z. B. in Charlottenburg erhielten 48,33 pCt. der vorgestellten Kinder die Brust gegen 19,52 pCt. im Vorjahr. Ebenso war die Sterblichkeit innerhalb des Klientels der Fürsorgestellen durchgehend sehr gering, z. B. Charlottenburg hatte 5,83 pCt., Karlsruhe 6,08 pCt., Berlin 5,2 pCt., während die allgemeine Säuglingssterblichkeit in Preussen 1906 betrug in den Städten 18 pCt., auf dem Lande 17,4 pCt., allerdings mit ungeheuren lokalen Verschiedenheiten, so stand z. B. Stettin mit 31,3 pCt. am schlechtesten, Barmen mit 14,9 am besten da (49). Aber die ebengenannten Zahlen haben für die Beurteilung der Erfolge der Fürsorgestellen nur bedingten

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