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Dagegen sind die grossen Halsgefässe vollständig intakt.

2 cm unterhalb der linken Brustwarze findet sich ein ovales, altes Geschwür in der Haut, parallet mit den Rippen verlaufend, in seinem grösserem Durchmesser 5 und in seinem kleineren 1 cm messend.

Im Grunde desselben sieht man Granulationsgewebe von rosigem Aussehen und fester Konsistenz.

3 cm darunter und ein wenig nach innen ist eine alte Narbe ebenfalls von ovaler Form und fast derselben Ausdehnung.

Im vierten Interkostalraum links, ein wenig nach innen von der Mamillarlinie bemerkt man eine zweite feine, lineäre, 10 mm lange, horizontal verlaufende Hautwunde mit scharfen Rändern.

B. Innere Besichtigung.

Kopf. Die weichen Schädeldecken bieten nichts Besonderes. Ebenso wenig die Schädelknochen.

Die harte Hirnhaut ist leicht verdickt, die weichen Hirnhäute etwas trübe, Gefässe an der Gehirnbasis stark ateromatös. Nichts Besonderes an der Gehirnsubstanz.

Brusthöhle. Bei Eröffnung der Brustwand findet man als Fortsetzung der zweiten oben beschriebenen Wunde einen Wundkanal, der in die Tiefe geht, indem er den Interkostalraum mit leicht schrägem Verlauf von lateral nach median und von oben nach unten durchsetzt.

Das Herz ist nach links verbreitert.

Der Herzbeutel erscheint bläulich von einem durchscheinenden Bluterguss und zeigt an der dem linken Ventrikel entsprechenden Seite eine Wunde mit glatten Rändern, welche quer verläuft und etwas weniger als 1 cm lang ist. Nichts Besonderes in der rechten Brusthöhle; alte Verwachsungen an der linken Lunge.

Der Herzbeutel ist angefüllt mit teils flüssigem, teils koaguliertem Blut in der Gesamtquantität von 400 ccm. An der Innenseite des parietalen Blattes des Perikards bemerkt man, dass die Wundränder deutlich mit Blut infiltriert sind.

Im linken Ventrikel, gegen den äusseren Rand und vier fingerbreit von der Herzspitze entfernt, verläuft eine quere Wunde mit ziemlich glatten Rändern in der Länge von 10 mm.

Das Herzfleisch ist, speziell am linken Ventrikel, verdickt und das subperikardiale Fett vermehrt.

Die Herzhöhlen sind erweitert.

An der inneren Fläche des linken Ventrikels konstatiert man die der äusseren korrespondierende Wunde. Sie durchbohrt also die Herzwand vollständig und misst an der inneren Fläche noch 7 mm.

Nichts Besonders an Ostien und Klappen.
Herzmuskelfleisch blass und brüchig.

Rings um die Mündungen der Kranzarterien finden sich atheromatöse Einlagerungen, welche sich auch auf die Aorta ausdehnen.

Die rechte Lunge ist deutlich emphysematös; in der Spitze alte tuberkulöse Herde.

Die linke Lunge ist, wie gesagt, zum grossen Teil mit der Brustwand fibrös verwachsen, an Volum verkleinert und leicht ödematös.

Bauchhöhle. Lage der Eingeweide normal.

Milz vergrössert; ihre Trabekel verdickt.

Die rechte Niere ist an Volum verkleinert von vermehrter Konsistenz.

Die Nierenkapsel lässt sich nur mit Schwierigkeit unter Substanzverlust abziehen. Die Nierenoberfläche ist fein granuliert. Am Durchschnitt zeigt sich die Rindensubstanz sehr verschmälert. Die Grenze zwischen Rinden- und Marksubstanz ist nicht deutlich zu erkennen.

Das Parenchym ist hyperämisch; das Fett der Nierenkelche vermehrt.

Die linke Niere zeigt dieselben Verhältnisse wie rechts; die Leber einen mässigen Grad von chronischer Stauung.

Magen leer, ohne Besonderheit, ebenso der Darm.

Die Blase enthält wenig klaren Urin.

Nichts Besonderes an den Halsorganen.

Der Tod war also verursacht durch eine den linken Ventrikel penetrierende Wunde, welche eine reichliche Blutung in den Herzbeutel zur Folge hatte. Die Wunde am Halse dagegen hatte kein wichtiges Gefäss verletzt, auch keine Luftembolie hervorgerufen; daher konnte sie nicht als Ursache des Todes, der, wie gesagt, ziemlich rasch eingetreten war, angesehen werden.

Wie war es möglich, dass die Wunde am Herzen dem Arzte, der den Patienten in den letzten Momenten seines Lebens gesehen hat, vollständig entgehen konnte?

Die Antwort ist nicht schwer, wenn man die Situation, in der sich der Patient befand, bedenkt, und wenn man das Obduktionsprotokoll aufmerksam

durchliest.

Aus diesem geht hervor, dass sich bei dem Patienten unter der linken Brustwarze ein vernarben des Geschwür befand, und die nachher erhobenen Informationen bestätigten, dass er vorher auf einer der chirurgischen Abteilungen des Spitals wegen Abszessen an der linken Brustwand operiert worden war.

Wegen dieses Geschwürs trug der Patient noch einen Verband am Thorax und dieser verhinderte den Arzt, die Wunde in der Herzgegend zu sehen, weil der Verband aussen keine Blutspuren zeigte und nur an seinen inneren Stellen leicht mit Blut befleckt war.

Man muss ferner bedenken, dass die Aufmerksamkeit des Arztes sofort und ganz von der Wunde am Halse in Anspruch genommen war, wenn er auch in dieser keinen genügenden Grund für den Tod fand, welchen er dann wie andere Aerzte des Spitals entweder einem zufälligen Zusammentreffen mit der plötzlichen Verschlimmerung des Herzleidens, von dem der Patient klinische Symptome aufzuweisen schien, oder auf einen plötzlich eingetretenen Shock oder Kollaps infolge der Erregung bei dem Akt des Selbstmordes zuschreiben zu müssen glaubte.

Wir haben gesehen, dass die Autopsie zwar bewies, dass die Halswunde keine wesentliche Bedeutung für den letalen Ausgang hatte, aber den diagnostizierten Herzfehler nicht bestätigte und zeigte, dass statt dessen die Störungen von Seiten des Herzens in Zusammenhang mit einem Nierenleiden standen. Andererseits förderte sie eine absolut greifbare Todesursache zutage, welche weit entfernt

ist von

der Unbestimmtheit, welche sich unter den Begriffen „Shock" und ,,Kollaps" verbirgt.

Aber der Fall verdient auch noch in anderer Hinsicht hervorgehoben zu werden, nämlich in bezug auf das Studium des Leichenbefundes an Selbstmördern, ein so wichtiges Kapitel für die gerichtliche Medizin.

Die Tatsache, wie sie hier vorliegt, wo die tödliche Wunde die Wunde am Herzen war, welche nach dem Mechanismus einer Stich verletzung beigebracht wurde, ist an und für sich nicht häufig, so dass wir darin auch einen weiteren Grund dafür sehen können, dass sie den Aerzten des Spitals entgangen ist.

Die Autoren sind angesichts der ungezählten Fälle von Mord, welche auf diese Weise, das heisst durch penetrierende Messerstichwunde ausgeführt werden, darüber einig, dass dagegen die Fälle von Selbstmord durch Stichverletzungen selten sind.

Hofmann1) sagt, dass man, wenn man sich vor einem angeblichen Fall von Selbstmord mit Stichwaffe befindet, sich jedesmal der grössten Vorsicht bedienen müsse.

Auch in dem Handbuch, welches unter der Leitung von Schmidtmann2) kürzlich erschienen ist, sehen wir, dass nach Puppe die 6660 in Preussen im Jahre 1900 vorgekommenen Selbstmordfälle sich nach der Häufigkeit der Art des Selbstmordes folgendermassen verteilen:

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Nach allen diesen Todesursachen kommt der Selbstmord durch Erstechen, welcher nur mit 29 Fällen vertreten ist, mit einem Prozentsatz von weniger als 0,43 vor.

Wenn wir ferner die Wunde am Herzen nicht isoliert betrachten, sondern in ihrem Zusammenhang mit der Wunde am Hals, stehen wir auch hier einem nicht häufigen Ereignis gegenüber, weil, wenn auch die Halsschnittwunden sich bei Selbstmördern mit anderen Verletzungen vergesellschaften können, diese doch gewöhnlich durch Wunden an den Gefässen der Handgelenksbeuge [Strass

1) Hofmann-Kolisko, Trattato di Medicina Legale. Traduzione di C. Ferrai, riferita alla Codificazione Italiana dal Prof. Severi. Vol. I. p. 414.

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2) Puppe, in Schmidtmann, Handbuch der gerichtlichen Medizin; 9. Auflage des Casper-Limanschen Handbuches. Bd. II. S. 2“.

mann1)] oder in der Ellenbeuge oder ganz im allgemeinen entsprechend den Gelenken [Dittrich2)] repräsentiert werden.

Die Kombination von Halsschnittwunden mit Herzwunden ist also bei Selbstmördern ziemlich selten, so dass bei einem ähnlichen Falle, bei welchem die äusseren Umstände unbekannt wären, die leider nicht immer leichte Differentialdiagnose zwischen Mord und Selbstmord mit Notwendigkeit hätte aufgeworfen werden müssen.

Und in dieser Richtung gibt uns unsere Beobachtung auch noch andere nützliche Anhaltspunkte.

Blumenstock 3) schreibt im Handbuch von Maschka in seinem auch für uns noch immer sehr interessanten Kapitel über Mord und Selbstmord in Uebereinstimmung mit allen anderen klassischen Autoren 4), dass es beim Tode durch Stichwunde in der Herzgegend für die Entscheidung, ob es sich um Mord oder Selbstmord handle, vor allem wichtig sei, zu konstatieren, ob das verletzende Instrument den entblössten oder mit Kleidungsstücken bedeckten Körper getroffen habe, da der Selbstmörder die Tendenz hat, den Körperteil zu entblössen, gegen den er den Stoss richtet.

In unserem Fall hätte auch dieses Kriterium zu einem Irrtum verleiten können, weil der Verband am Thorax, welcher in seinen verschiedenen Lagen vielfache sich entsprechende Schnitte aufwies, nicht abgenommen oder aufgehoben worden war und auch gar keine Anzeichen dafür vorhanden waren, dass der Pat. versucht hätte, den Verband selber zu entfernen oder zu verschieben.

In einem Fall, den Messemer5) berichtet, in welchem sich ein Mann mit einem Messerstich ins Herz durch die Kleider hindurch umgebracht hatte, hatte diese Tatsache zugleich mit anderen irrtümlich gedeuteten Umständen den Obduzenten veranlasst, die Möglichkeit des Selbstmordes in Abrede zu stellen: ich glaube, dass es sich verlohnte, ein paar Worte auch über diesen Punkt zu verlieren; denn aus unserem Fall geht zur Genüge hervor, dass man immer auch die weisesten Regeln cum grano salis" beherzigen muss, d. h. dass man in jedem konkreten Falle alle einzelnen gegebenen Momente gewissenhaft für sich abschätzen und in ihrem Verhältnis zu dem Ganzen verwerten muss.

Es ist und bleibt ein absolutes Gesetz, dass eine Autopsie nie etwas Ueberflüssiges ist und dass dieselbe immer ohne Voreingenommenheit und in möglichst gewissenhafter Weise ausgeführt werden muss, denn sie kann, wie unsere Beobachtung beweist, eine Todesursache ans Licht bringen, die recht verschieden ist von der oder „den" Todesursachen, welche vorher vermutet worden waren.

1) Strassmann, Manuale di Medicina legale. Traduzione con note ecc. del Prof. Carrara p. 494.

2) Dittrich, Handbuch der ärztlichen Sachverständigen-Tätigkeit. Bd. III. Seite 383.

3) Blumenstock, in Maschka, Trattato di Medicina Legale. Traduzione italiana. Vol. I. p. 517".

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4) Vgl. Hofmann-Kolisko-Severi, Vol. I. p. 431. StrassmannCarrara, p. 502. Puppe in Schmidtmann, Bd. II. S. 43.

5) Messemer, Mord oder Selbstmord? Gutachten des Medizinalkomitees München. Friedreichs Blätter für gerichtliche Medizin. 1893.

Referate.

von Neugebauer, Franz Ludwig, Hermaphroditismus beim Menschen. Leipzig 1908, Verlag von W. Klinkhardt. Preis 40 M.

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In dem vorliegenden Werke Hermaphroditismus beim Menschen" hat v. Neugebauer unserer Literatur einen reichen Schatz fleissiger Studien geliefert. Schon oft fand man seinen Namen in den neuen gynäkologischen Fachjournalen, und alles, was seiner Feder entfloss, gab dem Leser einen erfreulichen Beweis der Zuverlässigkeit des Autors und der formgewandten Darstellungsgabe des Verfassers. Bisher waren die Angaben über Zwitterbildungen der menschlichen Genitalien über verschiedene Zeitschriften und Bilderwerke verstreut, und bis in die neue Zeit hinein mangelte es an einer von kundiger Hand bewirkten Zusammenfügung der einzelnen Fälle. Jetzt bringt uns das neue Neugebauersche Werk eine Fülle von eigenen Beobachtungen und interessante Mitteilungen der fremden Literatur und alles das in sorgfältig geordneter Reihenfolge.

Mit staunenswertem Fleiss hat Neugebauer die Veröffentlichungen der vergangenen und der jetzigen Zeit über das Vorkommen menschlicher Hermaphroditen zusammengetragen und das Bemerkenswerte, welches in dem einzelnen Falle lag, mit feiner Sachkenntnis erörtert. Wie viele Arbeit der Autor mit dieser Sammlung geleistet hat, das ergibt sich schon aus der grossen Zahl von 1250 Nummern; fast für jeden Fall findet man in der Sammlung eine gleichartige Beobachtung. Mit Recht bezeichnet der Verf. sein Werk als Encheiridion.

In einer kurzen historischen Uebersicht führt Neugebauer an, dass auch in der klassischen Literatur Fälle von Hermaphroditen erwähnt worden sind. Sowohl Ovid und Martial widmen den Zwittergestalten einige Verse, unter antiken Skulpturen findet man prägnante Fälle davon, in den pompejanischen Wandgemälden erblickt man einen androgynischen Adonis, in Rom stand eine Statue eines Hermaphroditen, welche Polyklet nach der Natur angefertigt haben soll.

Je nach dem Bildungsgrade des Zeitalters betrachtete man eine Geburt eines Hermaphroditen als ein staunenswertes Ereignis und gelegentlich auch als ein nationales Missgeschick. In manchen Gegenden waren diese unglücklichen Geschöpfe der Verachtung ihrer Mitmenschen ausgesetzt, und jeder Verstoss ihrer Lebensführung war oft mit harten Strafen bedroht. Erst in der Zeit des neunzehnten Jahrhunderts bahnte sich ein besseres Verständnis dieser Missbildungen an.

Neugebauer fasst den Ausdruck wahrer Zwitter" sehr eng. Er hält die Bezeichnung nur für ein Individuum berechtigt, welches sowohl ein anderes schwängern, als auch von einem anderen geschwängert werden kann, bzw. sich selbst zu schwängern vermag. Nimmt man genau diese Definition an, dann muss man die Möglichkeit des Vorkommens solcher Missbildung beim Menschen völlig abweisen, denn noch niemals ist seit Menschengedenken diese Vorbedingung erfüllt worden. Aber nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch werden auch die Individuen als Hermaphroditen bezeichnet, welche in verschiedenen Körperformen auffallende Abweichungen aufweisen. Dass freilich dabei öfters fälschlich auf belanglose Kriterien Wert gelegt wird, lehrt die Erfahrung.

Mit Recht geht Neugebauer zur Erklärung der Missbildungen von der menschlichen Entwicklungsgeschichte aus. Obwohl er aus diesem Gebiet bisher

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