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Die Bibliothek erhielt geschenkweise vom vorgesetzten Ministerium Thiel, Landwirtschaftliche Jahrbücher 1907, wofür auch an dieser Stelle bestens gedankt wird.

Die Bibliothek wurde durch Ankauf einiger fehlender Werke ergänzt.

f) Veränderungen im Personalbestande der Station.

Am 30. Juni verließ der Assistent Dr. Feldmann freiwillig die Station; an seine Stelle trat am 1. Juli Herr Dr. Hans Steiner. Der technische Hilfsarbeiter, Herr Weißer, trat ebenfalls auf eigenen Wunsch am 30. Juni aus seiner Stellung aus; sein Nachfolger wurde vom 1. Juli an Herr Carl Henneberg.

Bericht

über die Tätigkeit der pflanzenphysiologischen
Versuchsstation.

Erstattet von Dr. Karl Kroemer, Vorstand der Station.

A. Wissenschaftliche Tätigkeit.

1. Untersuchungen über die Bewurzelung der Gemüsepflanzen.

Die Beobachtungen über die Wurzelentwicklung der Gemüsepflanzen wurden im Berichtsjahre fortgesetzt. Es wurde dabei zunächst darauf geachtet, wie sich die Bewurzelung unter günstigen Bodenverhältnissen und bei normalem Gedeihen der oberirdischen Organe entwickelt. Insbesondere war das Augenmerk zu richten auf die Phasen der Wurzelentwicklung, ausgehend vom Keimlingsstadium der Pflanze und fortschreitend bis zu ihrer Erntefähigkeit, woraus sich neben anderem auch das Material für anschauliche Wurzelbilder ergeben mußte. Ebenso mußte verfolgt werden die Wachstumsrichtung und die Wachstumsgeschwindigkeit der Wurzeln, ihr Tiefgang und die Tracht des ganzen Wurzelsystems. In zweiter Linie war beabsichtigt, die Entwicklung des Wurzelsystems, besonders unter der Einwirkung verschiedener Beschaffenheit des Bodens und verschiedener Kulturmaßregeln zu studieren.

Die Untersuchungen erstreckten sich in den letzten Jahren zunächst auf die Bewurzelung der Tomate. Die Versuchspflanzen wurden im Wurzelkasten des Wurzelhauses, in Töpfen und in freier Gartenerde gezogen. Es ergab sich bei den fortlaufenden Untersuchungen, daß die Tomate bei der Keimung eine deutlich ausgeprägte Pfahlwurzel entwickelt; an ihr entstehen in akropetaler Reihenfolge Wurzelzweige I. bis II. Ordnung. Neben diesem Hauptwurzelstrang entwickeln sich am Hypoktoyl frühzeitig Nebenwurzeln (Adventiv-, Beiwurzeln), die anfangs wie starke Wurzelzweige

I. Grades erscheinen und das Aussehen des Hauptwurzelstranges nicht wesentlich verändern. Sehr bald werden sie aber ebenso stark wie die Hauptwurzel, verzweigen sich in derselben Weise und ergänzen den Mittelstrang der Wurzel zu einer sich nach unten verhältnismäßig weit ausbreitenden Wurzelkrone.

Pflanzen, die im regelrechten gärtnerischen Betriebe gezogen werden, sind fast ausschließlich auf die Nebenwurzeln angewiesen. Nach dem Pikieren der Keimlinge (und später beim Aussetzen ins Freie) brechen aus dem Hypokotyl zahlreiche Nebenwurzeln hervor, während der Hauptwurzelstamm an Bedeutung verliert. Die Hauptwurzel wird beim Umsetzen gewöhnlich abgebrochen oder sonst verletzt, so daß sie sich kaum noch verlängern kann. Dagegen entwickeln sich in der Regel einzelne ihrer Zweige I. Ordnung zu kräftigen, sich reich verzweigenden Ästen. Beim Aussetzen der Pflanzen ins freie Land macht sich die Bildung von Nebenwurzeln von neuem geltend, wobei sowohl über den vorhandenen Wurzeln wie zwischen diesen neue Wurzelstränge entstehen. Wie ungemein stark das Vermögen zur Bildung dieser Nebenwurzeln ist, zeigt sich besonders deutlich an Pflanzen, die in Nährlösungen gezogen werden. An starken Exemplaren, die in der von der Croneschen Nährlösung gewachsen waren, bedeckte sich das ganze Hypokotyl und später auch das unterste Internodium nach und nach dicht mit Wurzelanlagen.

Die Untersuchungen über den Tiefgang der Wurzeln und die Tracht des ganzen Wurzelsystems bestätigten die Beobachtungen der früheren Jahre. In dem gleichmäßigen Boden der Wurzelkästen entwickeln junge Tomatenpflanzen, wie sie zum Aussetzen ins freie Land verwendet werden, Wurzeln, die im Verlaufe von 4-5 Wochen einen Tiefgang von 100-150 cm erreichen. Ganz ähnliche Ergebnisse wurden an Pflanzen erzielt, die in langen Tonzylindern kultiviert wurden. Auch im freien Gartenland können die Wurzeln bis zu größerer Tiefe vordringen, wie sich durch Grabungen unschwer feststellen ließ. Im Freiland wirken aber offenbar die Bodenverhältnisse in besonderer Art auf die Verzweigung und die Verteilung der Wurzeln ein. Während die Tomate im Wurzelkasten eine tief streichende, sich nach unten ziemlich weit ausdehnende und gleichmäßig verzweigende Wurzelkrone von verhältnismäßig regelmäßiger Form bildet, scheint sie im Feldboden nicht selten eine andere Wurzeltracht anzunehmen, je nach der Lockerung und der Beschaffenheit des Bodens.

Ähnlich wie die Tomate verhalten sich in der Bewurzelung Solanum Melongena L., ferner die Kohlarten, wovon Kohlrabi (Brassica oleracea gongyloides L.), Kraut (Brassica oleracea capitata L.) und Wirsing (Brassica oleracea sabauda L.) untersucht wurden, und in mancher Beziehung auch Phaseolus vulgaris L. und Vicia faba L.

Die Wurzelkrone der Kohlarten erreicht ganz ähnlichen Tiefgang und ähnliche Form wie die der Tomate; auch in der Nebenwurzelbildung und in der Verzweigung bestehen wesentliche Unterschiede zwischen beiden nicht. Bei Phaseolus und Vicia faba ist

Geisenheimer Bericht 1907.

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die Zahl der feineren Wurzelzweige geringer, der Tiefgang der Wurzeln im gleichmäßigen Boden des Wurzelkastens aber nicht geringer als bei der Tomate.

Von dem Wurzeltypus der genannten Pflanzen weicht in der äußeren Form etwas ab das Wurzelsystem des Salates. In biologischer Beziehung bildet es ebenso wie das Wurzelsystem der Tomate eine Übergangsform zu dem von Freidenfeldt aufgestellten Typus der hydrophilen Wurzelsysteme, die sich durch Rückbildung des Hauptwurzelstammes und Entwicklung zahlreicher Nebenwurzeln (Adventivwurzeln) auszeichnen. Die Keimwurzel geht beim Salat allerdings nicht verloren, sondern bildet sich zu einem reich verzweigten Mittelstrang aus, dessen monaxiler Bau bei jungen Pflanzen deutlich hervortritt. Bei älteren Pflanzen verliert die Hauptwurzel aber sehr bald an Bedeutung, sie verjüngt sich in geringem Abstande vom Hypokotyl und hebt sich dann von den älteren Wurzelzweigen I. Ordnung und von den Nebenwurzeln kaum noch ab. Die Tracht des ganzen Wurzelsystems bestimmen bei älteren Pflanzen die stärkeren Wurzelzweige I. Ordnung und die Nebenwurzeln, die am hypokotylen Glied ohne besondere Gesetzmäßigkeit hervorbrechen. In einem Versuchskasten, der bereits ein Jahr vor der Pflanzung gefüllt worden war und Senkung des Bodens nicht mehr zeigte, drangen diese Wurzeln im Verlauf von vier bis fünf Wochen 100 bis 125 cm tief in den Boden ein, dabei eine steile, meist völlig lotrechte Wachstumsrichtung einhaltend. Das ganze Wurzelsystem erhält dadurch das Aussehen eines verhältnismäßig schmalen, zylindrischen Stranges, der einen Bodenzylinder von 30-40 cm Durchmesser durchzieht.

Diese Form der Bewurzelung kann sich aber unter dem Einfluß äußerer Verhältnisse ganz wesentlich verändern. Es zeigt sich das schon überaus deutlich, wenn man junge Pflanzen, die in Töpfen stehen, mit gleichaltrigen Freilandpflanzen vergleicht. Bei den Topfpflanzen ist die Verzweigung des Hauptwurzelstammes viel dichter, das Längenwachstum der Wurzel aber weit schwächer als bei Freilandpflanzen. Noch stärker ist der Gegensatz zwischen alten Pflanzen, die in Böden von verschiedenem Untergrund gewachsen sind. Bei einem Versuch, der im Wurzelhause zur Ausführung gelangte, wurde dieser Unterschied sehr gut sichtbar. Ein Teil der Vergleichspflanzen wurde in einen Kasten gesetzt, der bis zur Sohle gleichmäßig mit Gartenboden gefüllt worden war. Ein anderer Teil kam in einen Behälter, der bis zu 4/5 seiner Höhe mit einem schweren, fest eingestampften Lettenboden beschickt war und darüber eine nur 35-40 cm hohe Schicht lockeren Gartenbodens enthielt. Während sich im ersten Falle das oben beschriebene Wurzelbild binnen wenigen Wochen einstellte, zeigte sich im anderen, daß der feste Untergrund die Wachstumsgeschwindigkeit und den Tiefgang der Wurzeln wesentlich herabsetzt und (korrelativ) dazu führt, daß sich das Wurzelsystem in den oberen, lockeren Schichten stärker verzweigt und mehr nach den Seiten ausbreitet als in tief gelockertem Boden. Daß auch der Nährstoffgehalt des Bodens die Form der

Bewurzelung beeinflußt, zeigte sich bei einer anderen Versuchsreihe, bei der einzelne Pflanzen in Sand, andere in Gartenboden gezogen wurden. In humosem, nährstoffreichem Boden wurde die Verzweigung der Wurzeln namentlich in den physikalisch oberen Teilen. dichter als im Sandboden. Dieser Gegensatz kam auch zum Ausdruck, als junge Salatpflanzen in Kästen gepflanzt wurden, die in der Mitte durch eine Scheide wand in zwei Behälter getrennt waren, von denen der eine mit Sand, der andere mit humosem Gartenboden beschickt worden war. Die Pflanzen kamen genau über die Scheidewand zu stehen, so daß ein Teil der Wurzeln in den Gartenboden, der andere in den Sandboden geleitet werden konnte. Bei allen in dieser Weise gezogenen Versuchspflanzen entwickelten sich die Wurzeln in dem mit Sand gefüllten Teile der Kästen weit dürftiger als im Erdbehälter. Während die Zahl der Wurzelzweige I. Ordnung in beiden Behältern im allgemeinen immer annähernd gleich geblieben war, waren die Seiten wurzeln höherer Ordnung im Sandboden stets weniger zahlreich als im Gartenboden. In einem Falle wurden z. B. gezählt:

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Ganz außerordentlich stark ist die Bewurzelungskraft des Selleries. Die Entwicklung des Wurzelsystems verläuft hier anfangs ähnlich wie beim Salat. Die Keimpflanze erzeugt eine deutlich hervortretende Pfahlwurzel, die sich zunächst in akropetaler Folge regelmäßig verzweigt. An jungen, im Warmbeet erwachsenen Keimpflänzchen, die durchschnittlich erst 3-4 kleine (5-7,5 cm lange) Laubblätter entwickelt hatten, war sie bereits 20-25 cm lang und bis zu Nebenwurzeln III. Grades verzweigt. Die Knollenbildung macht sich an Pflanzen dieses Alters durch eine schwache Anschwellung des Hypokotyls und der angrenzenden Teile der Hauptwurzel bereits bemerkbar. In dem Maße, als diese Verdickung zunimmt, ergänzt sich das Wurzelsystem durch neue Seitenwurzeln, die aber nicht mehr in akropetaler Folge, sondern unregelmäßig zwischen älteren Wurzelästen hervorbrechen und sich namentlich an der jungen Knolle einstellen, anfangs aber auch in geringer Zahl an den unverdickten Teilen der Wurzel erscheinen. Diese Seitenwurzeln entstehen mit zunehmendem Wachstum der Knolle in immer größerer Menge und entwickeln sich zu starken, zum Teil sehr tief reichenden Wurzelsträngen, über welche die Hauptwurzel, wenn sie sich überhaupt weiterentwickelt, in keiner Weise mehr überwiegt.

Im Boden verlaufen die einzelnen Wurzeläste verhältnismäßig steil, dabei aber doch deutlich eine schräge Richtung einhaltend; im

Tiefgang und in der Wachstumsgeschwindigkeit stimmen sie im großen und ganzen mit den starken Wurzeln der Tomate überein. Bei einer Pflanze, die am 5. Februar ausgesät und am 10. Mai in einen Kasten des Wurzelhauses verpflanzt worden war, erreichten die Spitzen der stärkeren Wurzeln schon Mitte Juli den untersten Rand oder Beobachtungsfläche, der 130 cm unter der freien Oberfläche des Bodens lag. Da das Wachstum der Wurzeln noch bis zum Herbst anhielt, so ließ sich mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß damit das äußerste Maß des Wurzeltiefganges noch nicht erreicht war. Zu ähnlichen Vermutungen über die Länge der Wurzeln führten Versuche, bei denen junge Selleriepflanzen in hohe Tonzylinder und in Holzkästen von 1,50 m Länge verpflanzt wurden. Die Kulturgefäße wurden bis zum Rande in den Boden versenkt, um sie vor allzu großen Schwankungen der Temperatur und des Feuchtigkeitsgehaltes zu schützen und die Pflanzen unter ähnliche Verhältnisse zu bringen wie im freien Land. Die Bewurzelung entwickelte sich in diesen Behältern bei regelmäßiger Bewässerung der Pflanzen ebenso stark wie in den großen Kästen des Wurzelhauses. Im Durchschnitt erreichten die kräftigen Wurzeln eine Länge von 1,00 1,20 m.

Die seitliche Ausdehnung der Wurzeln ist nicht ganz so groß wie bei der Tomate. Bei den im Wurzelhause gezogenen Pflanzen ging die Breite des gesamten an der Beobachtungsfläche liegenden Wurzelnetzes im allgemeinen nicht über 75 cm hinaus.

In freiem Gartenland und in Feldboden ist die Wurzelbildung des Selleries keineswegs schwächer, sondern, wie durch Nachgrabungen ermittelt wurde, bei gut entwickelten, kräftigen Pflanzen in bezug auf Zahl und Tiefgang noch kräftiger als in den Wurzelkästen. Es kann nach den bisherigen Beobachtungen als ziemlich feststehend angenommen werden, daß der Sellerie auch im freien Land mit seinen Wurzeln bis zu 1 m und tiefer in den Boden eindringt und sich dabei seitlich auf einen Umkreis von 60-75 cm ausbreitet.

Ähnlichen Tiefgang der Wurzeln zeigen die Möhren (Daucus carota L.). Während die kurzen und die runden Formen (Karotten) bei Versuchspflanzungen im Wurzelhause mit ihren Wurzeln 30 bis 45 cm tief in den Boden eindrangen, erreichen die Wurzeln der langen und halblangen Sorten bis zum Herbst stets den untersten, etwa 1,30 m unter der freien Oberfläche des Bodens liegenden Rand der Beobachtungsplatte. Im Freiland scheinen nach einigen orientierenden Versuchen ähnliche Verhältnisse vorzuliegen.

Den genannten Gemüsen kommt neben der Fähigkeit, die obere humose Bodenkrume auszunutzen, also auch das Vermögen zu, tiefere Schichten zu durchwurzeln. Infolge der ganzen Ausdehnung des Wurzelsystems und der verhältnismäßig langen Entwicklungsdauer der Pflanzen bildet sich ein großer Teil ihrer Wurzeln bis zur Erntezeit in feste Stränge um, die nicht mehr unmittelbar zur Nahrungsaufnahme, sondern zur Leitung der Nährstoffe und zur Befestigung der Pflanzen im Boden dienen.

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