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Bericht

über die Tätigkeit der Hefereinzuchtstation.
Erstattet von C. Seiß, Assistentin der Station.

Im laufenden Etatsjahr fand insofern ein Wechsel im Personal der Hefereinzuchtstation statt, als am 1. November der bisherige. Assistent, Dr. Boetticher aus dem Dienste derselben ausschied, um die Stellung des Betriebsleiters der fiskalischen Pastillenfabrik und Chemikers der Kgl. Bade- und Brunnendirektion Bad Ems zu übernehmen. An seine Stelle trat die Berichterstatterin, nachdem dieselbe im Jahre 1905-1906 und während der ersten Monate des verflossenen Etatsjahres als Volontär-Assistentin in der Station tätig gewesen war. Während eines dreiwöchentlichen Sommerurlaubs des Assistenten der Hefe-Reinzucht-Station übernahm dessen Dienst der Direktorial-Assistent Löckermann.

A. Tätigkeit der Station im Verkehr mit der Praxis.

1. Geschäftsverkehr.

Die Korrespondenz mit der Praxis erfuhr im vergangenen Jahre wiederum eine wesentliche Erweiterung. Die Zahl der eingegangenen und erledigten Anfragen betrug 2350 gegenüber 1996 im Vorjahre. Hiervon hatten Bezug auf Umgärung von gesunden und fehlerhaften Weinen 622, auf Vergärung von Obst- und Beerenmoste 599, von Traubenmosten 393, auf Herstellung von Schaumweinen 133, während der Rest verschiedene nicht gärungsphysiologische Dinge betraf.

Die Zahl der Ausgänge betrug 2909 gegen 2493 im Vorjahre.

2. Tätigkeit der Station in Bezug auf die Vergärung
der Obst- und Traubenmoste.

Die Dauer dieser Tätigkeit erstreckt sich von Ende Juni bis Ende November. Sie beginnt im Juni mit der Beerenmostvergärung, der sich im September die Vergärung der Obst- und roten Traubenmoste anschließt, während im Oktober und November die Vergärung der weißen Traubenmoste den Schluß bildet.

Im gleichen Schritt mit dem brieflichen Verkehr der Station hat auch der Reinhefe-Versand derselben im verflossenen Jahre erheblich zugenommen. Gerade die diesjährige Mehrabgabe von Reinhefe beweist, daß die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung auf dem Gebiete der Gärungsphysiologie in den Kreisen der Praxis mehr und mehr gewürdigt werden. Denn, da mit Ausnahme des größten Teiles der Mosel und einiger Teile von Rheinhessen, Baden und Elsaß, alle anderen deutschen Weinbaugebiete eine völlige Miß

ernte hatten, so wäre ein entsprechender Ausfall bezüglich der Abgabe von Reinhefe für die Mostvergärung sehr wahrscheinlich gewesen. Wenn dieser Ausfall nun nicht eingetroffen ist und im Oktober die Abgabe von Reinhefe zur Traubenmostvergärung im Vergleich mit demselben Monat des Vorjahres sogar noch eine Steigerung von 20% erfahren hat, so kann dies nur darauf zurückzuführen sein, daß ein großer Teil derjenigen Weinproduzenten, die vielleicht in anderen Jahren nie Reinhefe bezogen haben, in der Befürchtung einer mangelhaften, spontanen Gärung und in der Einsicht der Vorteile der Reinvergärung, der letzteren den Vorzug gegeben haben. Jedenfalls war es manchem Weinproduzenten in diesem Jahre darum zu tun, sich den geringen Ertrag der Ernte wenigstens durch eine glatte Durchgärung seines Weines zu erhalten. In der Tat erweisen sich die mannigfaltigen Vorteile der Vergärung mittels Reinhefe, die im wesentlichen in einem frühzeitigen Eintritt der Gärung, einer glatten Durchgärung, einem schnelleren Fertigwerden des Weines und der Erzielung eines reintönigen und reingärigen Produktes gipfeln, besonders in schlechten Jahrgängen für den Winzer als geradezu unentbehrliches Hilfsmittel.

Die Nachfrage nach Reinhefe zur Apfel- und Beerenweinbereitung war im letzten Jahre eine besonders häufige, so daß die Zahl der für diese Zwecke abgegebenen Reinhefen eine Höhe erlangt hat, wie sie seit dem Bestehen der Station noch nicht erreicht worden ist. So wurden in diesem Jahre über 100 Reinhefen zur Beerenmostvergärung und über 150 Reinhefen zur Apfelmostvergärung mehr verlangt als im vorigen Jahre. Wenn in dieser Hinsicht auch die guten Ernteergebnisse des Jahres 1906 gegenüber 1905 mit ausschlaggebend gewesen sind, so ist doch der Mehrverbrauch an Reinhefe gerade für die Beeren- und Obstmostvergärung charakteristisch für die durch Obstbauschulen und Wanderlehrer in Vorträgen und fachwissenschaftlichen Zeitungsartikeln erstrebte, in allen Teilen Deutschlands von Jahr zu Jahr zunehmende Aufklärung in gärungsphysiologischen Fragen. Denn die Herstellung von Obstund Beerenwein wird lange nicht in dem Maße, wie die Traubenweinbereitung, als Lebensunterhalt betrieben, sondern in den weitaus größten Teilen sind es Privatleute, die den mehr oder weniger großen Ertrag ihrer Gärten zur Weinbereitung für die Verwendung im eigenen Haushalte heranziehen. Wenn trotzdem die Ausgaben und die, wenn auch geringe, mit der Verwendung der Reinhefe verbundene Mühe nicht gescheut wird, so ist das wohl der beste Beweis dafür, daß auch bei kleinen Mostmengen die Kosten und die Arbeit reichlich durch die Güte des Gärproduktes aufgewogen werden. In der Tat zählen diejenigen, die einmal Reinhefe in richtiger Weise für ihre Obst- oder Beerenweine angewendet haben, zu den treuesten Abnehmern, und wenn das von ihnen hergestellte Quantum auch nur 1 hl oder noch weniger beträgt. Zu wünschen wäre es, daß die Möglichkeit eines gemeinsamen Bezuges von Reinhefe und die Herstellung eines größeren, dann zur Verteilung kommenden Ansatzes, noch mehr bekannt würde. Können doch auf

diese Weise die Kosten für den einzelnen wesentlich verringert und die Verwendung der Reinhefe den weitesten Kreisen ermöglicht werden.

3. Tätigkeit der Station in Bezug auf Umgären von Weinen, Schaumweinbereitung und Durchgären von Wein mittels Reinhefe.

Nicht nur die Verwendung von Reinhefe für die Zwecke der Mostvergärung ist von Jahr zu Jahr eine häufigere geworden, sondern auch für andere Zwecke der Kellerwirtschaft, wenn es sich darum handelt verbesserungsbedürftige, ungenügend vergorene, fehlerhafte und kranke Weine in haltbare, konsumfähige Produkte umzuwandeln, findet die Anwendung von Reinhefe immer mehr Anhänger. Gerade die vielseitige Verwendung der in den letzten Jahren abgegebenen Umgärungshefen spricht dafür, daß der Praktiker bislang nur gute Erfahrungen bei der Verwendung von Reinhefe zur Verbesserung und Wiederherstellung seiner Weine gemacht hat, und daß ihm die Vorteile, die bei sachgemäßem Vorgehen das Verfahren der Umgärung zu bieten vermag, bekannt sind.

Von den im vergangenen Jahre abgegebenen Reinhefen fand eine große Anzahl Verwendung zur Verbesserung und Haltbarmachung geschmacklich fehlerhafter, geringer Weine. Auch handelte es sich häufig um alte, abgelagerte, mattgewordene Weine, die, um wieder leichter verkäufliche Produkte zu werden, einer Um- oder Aufgärung unterworfen werden mußten. Dieses Verfahren, alte, firne Weine durch die Gärungskohlensäure wieder aufzufrischen, hat bekanntlich gegenüber dem Imprägnierungsverfahren den Vorteil, daß dem Weine auch die anderen Gärungsprodukte, vor allen Dingen die Bukettstoffe zu gute kommen, und es ist daher leicht erklärlich, daß der Weinproduzent der Aufgärung mittels Reinhefe gegenüber dem Imprägnieren mit künstlicher Kohlensäure vielfach den Vorzug gibt.

Verhältnismäßig lebhaft gestaltete sich in den Monaten November und Dezember die Nachfrage nach Reinhefe zum Zwecke der Durchgärung steckengebliebener Weine. Da das Steckenbleiben der Gärung sehr verschiedene Gründe haben kann, ist die Behandlung derartiger Weine stets nur von Fall zu Fall zu entscheiden. Ein Wein kann entweder überzuckert sein, so daß selbst unter sonst günstigen Bedingungen eine Durchgärung desselben unmöglich ist, oder die in dem Moste vorhandene Hefe war eine sehr wenig leistungsfähige. Nicht selten wird auch die Tätigkeit der Hefe, besonders am Ende der Hauptgärung, durch zu niedere Temperatur des Gärlokals zum Stillstand gebracht und schließlich kann auch die Unterbrechung der Gärung auf ungenügende Ernährung der Hefe zurückzuführen sein. Da jedoch in jedem, auch dem geringsten Traubenmoste, vorausgesetzt, daß er naturrein in das Faß kommt, die Hefe die für ihr Wachstum und ihre Gärtätigkeit erforderlichen Nährstoffe in genügender Menge vorfindet, so ist das Steckenbleiben der Weine.

wegen ungenügender Ernährung der Hefe fast stets auf künstliche Veränderung der Zusammensetzung des Mostes durch den Weinproduzenten selbst zurückzuführen.

Dementsprechend war, wie die Untersuchung der im letzten Jahre eingesandten, in der Gärung steckengebliebenen Weine ergab, in fast allen Fällen eine abnorme Zusammensetzung des Mostes die Ursache für das Steckenbleiben der Gärung gewesen. Hauptsächlich waren es Weine, die neben einem relativ hohen Alkohol-Gehalt noch reichliche Mengen unvergorenen Zucker enthielten, welche erst, nachdem der Wein mit einem anderen alkoholarmen Weine verschnitten wurde, unter Anwendung von Reinhefe zur Vergärung gebracht werden konnten. Die Produzenten derartiger Weine sind gewöhnlich Winzer, die die Absicht haben, ihre Weine zu bessern, sich aber über Wesen und Ziele einer rationellen Weinverbesserung nicht klar sind und daher ihre Zusätze falsch bemessen. Den Schaden bei der Sache hat natürlich der Winzer selbst zu tragen. Denn abgesehen davon, daß die Korrektur der fehlerhaften Zusammensetzung später nur schwer möglich ist, zum mindesten viel Arbeit, Mühe und Zeit verlangt, neigen solche falsch zusammengesetzten Moste und Jungweine leicht zu allerlei Erkrankungen, besonders Essigstich, und können somit unter Umständen ganz wertlos werden. Wenn man bedenkt, daß es sich dabei nicht selten um ein Quantum von 10000-20000 1 Wein handelt, erscheint das leichtsinnige Vorgehen mancher Weinproduzenten unbegreiflich. Es mußte daher von seiten der Station immer wieder auf Wesen und Ziele einer sachgemäßen Weinverbesserung gegebenen Falles hingewiesen und das weit bessere Verfahren empfohlen werden, nach. welchem geringer Most zunächst ohne jeden Zusatz unter Anwendung von Reinhefe vollständig vergoren und die Zuckerung erst am Jungwein nach dem ersten Abstich und zwar auf Grund der Alkoholund Säurebestimmung vorgenommen wird. Bei diesem Verfahren hat der Praktiker die Gewißheit, daß die seinem Weine zugesetzten Zuckermengen unter nochmaliger Anwendung von Reinhefe rasch und vollständig zur Vergärung gelangen.

Zur Schaumweinbereitung wurden die Rassen Steinberg 1892“ und besonders Champagner Ay" viel abgegeben. Auch auf diesem Gebiete hat sich die Reinhefe in vielen Betrieben unentbehrlich gemacht, da ihre Verwendung bei sonst richtiger Zusammensetzung der Cuvées ein Steckenbleiben der Flaschengärung so gut wie unmöglich macht.

4. Untersuchung und Behandlung fehlerhafter und kranker Weine.

Auch im vergangenen Jahre wurden der Station von seiten der Praxis eine große Anzahl fehlerhafter und kranker Weine zur Untersuchung eingesandt.

Da die häufigsten Weinfehler und Weinkrankheiten auf eine mangelhafte Herstellung oder Aufbewahrung des Weines zurück

zuführen sind, so ist es erklärlich, daß ein großer Anteil der der Station übermittelten Weine dem Keller der Obst- und Beerenweinproduzenten entstammt, welche infolge der Notwendigkeit eines künstlichen Eingriffs in die natürliche Zusammensetzung der Obstund Beerenmoste viel leichter in die Lage kommen, durch unsachgemäße Verbesserung" Fehler zu begehen, als die Traubenweinproduzenten. Dies ist um so eher der Fall, als ihnen meist ein genügendes Verständnis für gärungsphysiologische Dinge gänzlich abgeht, so daß die einfachsten Vorsichtsmaßregeln zur Vorbeugung von Fehlern und Krankheiten, wie Reinlichkeit aller Kellergerätschaften, nicht zu langes Keltern der süßen Maischen, sorgfältiges Einschwefeln der Fässer nach dem Abstich, Lagern des Mostes resp. Weines bei angemessener niederer Temperatur in spundvollen Fässern usw. oft ganz oder zum Teil außer acht gelassen werden, alles Vorsichtsmaßregeln, die in Weinländern durch Jahrhunderte lange Erfahrung dem Winzer gleichsam in Fleisch und Blut übergegangen sind. Da oft schon ein kleines Versehen bei der Weinbereitung die Ursache zu den gefährlichsten Krankheiten werden kann, so ahnt es oft der Praktiker bei den ersten krankhaften Veränderungen seines Weines garnicht, daß derselbe damit einen sicheren Weg zum völligen Verderben angetreten hat, wenn nicht beizeiten der richtige Weg zur Heilung eingeschlagen wird. Oft werden dann aber aus mangelndem Verständnis statt dessen allerlei Mittel angewendet, die zur Heilung der Krankheit dienen sollen, meist aber gerade das Gegenteil zur Folge haben, Nicht selten wird ein derartiger, bereits verkehrt behandelter Wein der Station mit der Bitte um Rat und Hilfe eingeschickt, wenn es zu spät ist und demselben nicht mehr geholfen werden kann.

Wie die Untersuchung einiger Obst- und Beerenweine ergab, waren die Erkrankungen und Fehler derselben auch durch falsche Bemessung des Wasser- und Zuckerzusatzes hei der Zubereitung verschuldet worden. Besonders bei Apfelweinen, die man in der Regel ohne Wasserzusatz zur Vergärung bringt, muß der Praktiker eine übermäßige Verdünnung oft hart büßen. Infolge von Mangel an Nährstoffen vermag in einem solchen verdünnten Apfelmoste oft die anspruchsloseste, gärkräftigste Hefe nur eine mangelhafte Gärung einzuleiten, so daß durch die gleichzeitige Mitarbeit schleimbildender Organismen schließlich die Gärung, noch ehe aller Zucker vergoren ist, aufhört und durch das Weiterarbeiten der schädigenden Organismen der Wein vollständig verdirbt. Auch das so häufige Schwarzwerden der Apfelweine ist meist durch Verdünnung des Mostes hervorgerufen. Das Schwarzwerden der Weine beruht bekanntlich darauf, daß das im Wein als Oxydulsalz vorhandene Eisen bei Berührung mit Luft in die Oxydform übergeht und dann sich mit der Gerbsäure zu Ferritannat, also jener auch in Eisengallustinte vorhandenen Substanz, verbindet. Ein hoher Säuregehalt verhindert wegen der Löslichkeit des gerbsauren Eisens in Säuren diese Erscheinung. Es ist daher leicht erklärlich, daß, besonders in Apfelweinen, die gewöhnlich einen erheblichen Gerbstoff- und niederen Säuregehalt auf

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